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Ruhen der elterlichen Sorge oder doch Übertragung der Alleinsorge? (OLG Karlsruhe v. 28.4.2016 – 18 UF 265/15)

Monika Clausius  Monika Clausius
Fachanwältin für Familienrecht

Im Zuge des KindRG, das seit dem 1.7.1998 Geltung besitzt, war es wesentliches gesetzgeberisches Anliegen, auch nicht miteinander verheirateten Eltern die Begründung der gemeinsamen Sorge zu ermöglichen. Gleichzeitig wurde bei verheirateten Eltern im Fall der Scheidung nicht mehr von Amts wegen im Verbund über die Sorge entschieden. Zur Herstellung der Alleinsorge bedurfte es nun vielmehr eines ausdrücklichen Antrags. In der Rechtsprechung wurde daher zunächst vielfach die Auffassung vertreten, dass zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge ein Regel-Ausnahme-Verhältnis geschaffen worden sei. Es bedurfte zum damaligen Zeitpunkt – wie auch aktuell im Zusammenhang mit § 1626a BGB – erst einer klarstellenden Entscheidung des BGH, dass es einen solchen Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht gibt. Gleichwohl ist in der Praxis unverändert ein Antrag auf Übertragung der Alleinsorge an hohe Hürden geknüpft und wird nicht selten mit dem Argument ausgehebelt, dass es im konkreten Sachverhalt doch gerade keine akute Entscheidungsnotwendigkeit gebe, so dass es auch bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleiben könne.

Nicht nur im Fall der Inhaftierung eines Elternteils kann eine bestehende gemeinsame Sorge zu Handlungshemmnissen führen. Auch in zahlreichen gemischt-nationalen Ehen ergeben sich zunehmend Situationen, in denen ein Elternteil sich zeitweise oder längerfristig in seinem Heimatland aufhält und dort im Fall zu treffender Entscheidungen gerade nicht kurzfristig erreichbar ist, um in Entscheidungen einbezogen werden zu können, oder möglicherweise sogar ganz bewusst seine Erreichbarkeit verhindert. Mit einer sehr spezifischen Fallkonstellation hatte sich das OLG Karlsruhe in einer Entscheidung vom 28.4.2016 auseinander zu setzen: In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hielt sich der Vater des Kindes an nicht näher bekanntem Ort im Irak auf – erkennbar als Mitglied des IS. Der Antrag der Mutter auf Übertragung der Alleinsorge wurde erstinstanzlich zurückgewiesen, wobei das Familiengericht die Auffassung vertrat, dass es einer Sorgerechtsregelung nicht bedürfe, da die elterliche Sorge des Vaters ohnehin ruhe.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass das Ruhen der elterlichen Sorge in seiner Gesamtheit oder in Teilbereichen familiengerichtlich festgestellt wird, wenn ein Elternteil aus tatsächlichen (§ 1674 Abs. 1 BGB) bzw. aus rechtlichen Gründen (§ 1673 BGB) – etwa folgend aus einer Geschäftsunfähigkeit bzw. beschränkten Geschäftsfähigkeit – an der Sorgerechtsausübung gehindert ist oder aber er in die Adoption des Kindes eingewilligt hat (§ 1751 Abs. 1 Satz 1 BGB). Praktische Bedeutung hat die tatsächliche Verhinderung sowohl in den Fällen der Inhaftierung eines Elternteils – wobei sich diese aber nicht nur über einen kurzen Zeitraum erstrecken darf – aber auch dann, wenn ein Elternteil sich im Ausland aufhält und dort tatsächlich nicht erreichbar ist. Für die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, d.h. das Gericht muss jeweils prüfen, ob die Feststellung des Ruhens auf Teilbereiche der elterlichen Sorge begrenzt werden kann. Unabhängig davon, ob die elterliche Sorge in ihrer Gesamtheit oder lediglich in Teilbereichen ruht, bleibt gleichwohl der an der Ausübung der Sorge verhinderte Elternteil Inhaber des Rechts, so dass bei Wegfall des Verhinderungsgrundes sein Sorgerecht wieder auflebt.

Wird demgegenüber von einem Elternteil die Übertragung der Alleinsorge begehrt, so orientiert sich die im Rahmen der sog. großen Kindeswohlprüfung nach § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorzunehmende Abwägung an der Frage der objektiven Kooperationsfähigkeit und subjektiven Kooperationswilligkeit der Eltern. Sie setzt jeweils eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus, die es ihnen ermöglicht, ihre Elternverantwortung am Kindeswohl orientiert wahrzunehmen.

In der Praxisberatung sollte durchaus dem Mandanten verdeutlicht werden, dass die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge grundsätzlich im Interesse des Kindes liegt und auch im Rahmen einer bestehenden Partnerschaft unterschiedliche Auffassungen zur Erziehung letztlich im Gesprächswege einer Lösung zugeführt werden müssen. Gleichwohl bedeutet dies jedoch nicht – und dies wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung so auch nicht vorausgesetzt – dass bedingungslos an der gemeinsamen elterlichen Sorge festzuhalten ist. Wenn ein respektvoller Umgang der Eltern nicht mehr zu erwarten ist, steht dies auch der am Kindeswohl orientierten gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge entgegen. Hat sich ein im Ausland lebender Elternteil von der geltenden Rechtsordnung gelöst und stellt er im Fall seiner Rückkehr für das Kind und den jeweils anderen Elternteil eine Gefährdung dar, so ist kein Raum für das Ruhen der elterlichen Sorge.

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