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Karge Worte des Sparsamen – Bundesverfassungsgericht nimmt Beschwerde zu § 17 VersAusglG nicht an (BVerfG v. 9.3.2017 – 1 BvR 963/16)

Jörn Hauß  Jörn Hauß
Fachanwalt für Familienrecht

Ein Bild von Paul Klee ist betitelt: „Karge Worte des Sparsamen“. Es zeigt einen intelligenten Flaschenkopf mit hellwachen Augen und einem im Verhältnis dazu deutlich zu kleinen, verschlossenem Mund. Der Bildtitel erscheint als „Krg Wrt Sp.“ in Buchstaben im Bild.

Mit ebensolcher Kargheit hat das BVerfG am 9.3.2017 (1 BvR 963/16) eine eingelegte Verfassungsbeschwerde wegen der nachteiligen Folgen der externen Teilung eines betrieblichen Anrechts mit einem Ausgleichswert von knapp 50.000 € nicht angenommen. 33 Worte genügten den Verfassungsrichtern dazu.

In den familienrechtlichen Kommunikationsmedien wird eine Mischung von Trübsal, Enttäuschung und rücksichtsvollem Gerichtsbashing betrieben. Viele meinen, das Verfassungsgericht hätte sich doch wenigstens einige Worte der Begründung abringen können.

Zum Glück hat es das nicht. Denn das Bundesverfassungsgericht ist an das BVerfGG gebunden und die Voraussetzungen für die Annahme einer Verfassungsbeschwerde nach § 13 Nr. 8a BVerfGG sind, dass ihr ‚grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt‘ oder eine Grundrechtsverletzung einen ‚besonders schweren Nachteil‘ beim Beschwerdeführer auslöst (§ 93a BVerfGG), falls eine Entscheidung zur Sache versagt wird. Diese Voraussetzungen hat der Beschwerdeführer darzulegen. Er muss also nicht nur darlegen, welches Grundrecht durch eine Gerichtsentscheidung verletzt worden ist, sondern auch die Dimension der Verletzung. Dabei reicht es nicht aus, die verfassungswidrige Ungerechtigkeit einer Norm zu beklagen (das wäre Aufgabe einer Normenkontrollklage). Vielmehr müssen die Grundrechtsverletzung und deren Auswirkungen auf den Beschwerdeführer dargelegt werden (§ 92 BVerfGG).

Das alles macht Verfassungsbeschwerden aufwändig. Die hier nicht zur Entscheidung angenommene Verfassungsbeschwerde erfüllte diese formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nach Ansicht des Gerichts nicht. Deshalb konnte und durfte das BVerfG die Beschwerde nicht zur Entscheidung annehmen.

Vielleicht sind die mit der externen Teilung zusammenhängenden Rechtsprobleme auch noch nicht ausreichend erörtert.

Im Versorgungsausgleich werden bei der internen Teilung ‚Renten‘ dinglich geteilt. Die Forderung eines angemessenen Teilungsergebnisses ist daher in diesen Fällen gerechtfertigt.

Bei der externen Teilung wandelt sich die ‚dingliche Teilung‘ gewissermaßen in einen ‚Wertausgleich‘.

  • Fehlt dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen tatsächlich der Spielraum, einen solchen Transfer zu ermöglichen, an den wir uns im Zugewinnausgleich, dem jede dingliche Teilhabe fremd ist, gewöhnt haben und dessen Verfassungswidrigkeit dort nicht bemängelt wird?
  • Könnten wir tatsächlich die betrieblichen Versorgungsträger zur Auskehrung höherer Ausgleichswerte zwingen, als diese für eine Versorgung bilanziert haben, ohne die nächste verfassungsrechtlich bedenkliche Baustelle zu eröffnen?
  • Wir wissen, dass die Kapitalmarktentwicklung dazu geführt hat, dass betriebliche Versorgungssysteme unterfinanziert sind und einen erheblichen finanziellen Nachschussbedarf haben. Können wir aber diesen Nachschussbedarf präemptiv in der Höhe des Ausgleichswerts abbilden, obwohl er erst nachehezeitlich entsteht, wenn nämlich der Mitarbeiter zum Rentenbezieher mutiert und sich dann herausstellt, dass die tatsächlich gebildeten Rückstellungen nicht ausreichend sind? Der dann erforderliche ‚Nachschuss‘ wird von den ‚aktiven Mitarbeitern‘ des Unternehmens nachehezeitlich erwirtschaftet. Da betriebliche Anrechte keine Abänderungsmöglichkeit kennen (§ 32 VersAusglG), kann die ausgleichsberechtigte Person an diesem nachehezeitlichen Nachschuss auch nicht beteiligt werden.

Solange die Diskussion das Ausgleichsergebnis fokussiert, werden die Familienrechtler die Sozialpolitiker und die Frauenrechtler aktivieren, wahrscheinlich aber nicht die Verfassungsrechtler.

Diese könnten sich aber dafür interessieren, ob die in § 17 VersAusglG vorgesehene Schwellgrenze für den Übergang zur internen Teilung nicht willkürlich hoch bemessen ist. Welches Argument rechtfertigt die interne Teilung einer Versorgung oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze und die externe Teilung einer Versorgung mit einem Kapitalwert unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze? Nach der Rechtsprechung des BGH können die Betriebe die durch die Teilung entstehenden Kosten (einschließlich der künftigen Verwaltungskosten) auf die sich scheidenden Ehegatten umlegen (BGH v. 27.06.2012 – XII ZB 275/11, FamRZ 2012, 1546 = FamRB 2012, 307). Ein Kostenargument kann also die Differenzierung nicht rechtfertigen. Dass die ausgleichsberechtigten Ehegatten kleinerer Versorgungswerte der Versorgungshomologität eher abträglich seien als die größerer Versorgungswerte, dürfte Verfassungsrechtler wohl eher zu mildem Lächeln bringen. Das berechtigte Interesse am Ausschluss von Bagatellversorgungen aus den betrieblichen Systemen kann man durch eine moderate Anhebung der Bagatellgrenze bewerkstelligen. Wählte man z.B. für die betriebliche Altersversorgung als Grenzwert 50 % des Durchschnittsentgelts in der gesetzlichen Rentenversicherung als Grenzwert für die interne Teilung (das wären heute rd. 19.000 €), reduzierte man zwar nicht den prozentualen Transferverlust, aber die „besonders schweren Nachteile“ der ausgleichsberechtigten Personen (§ 93a Abs. 2 Nr. 2a BVerfGG).

Das BVerfG hat – aus formalen Gründen – die Beschwerde nicht angenommen. Damit ist die Verfassungsmäßigkeit von § 17 VersAusglG nicht festgestellt. Festzustellen ist aber, dass Verfassungsbeschwerden nicht leichtsinnig eingelegt und gut begründet werden sollten. Das BVerfG ist keine familienrechtliche Superrevisionsinstanz, sondern Verfassungsorgan.

Ich zweifele – wie oben dargestellt – nach wie vor daran, dass die durch § 17 VersAusglG gezogene Grenze für interne und externe Teilung unter Gleichheitsaspekten zu begründen ist (vgl. FS Brudermüller, S. 277). Ein entsprechender Fall muss aber sorgsam ausgesucht und ein Verfahren von vornherein mit der Grundrechtsproblematik „belastet“ werden. Und schließlich muss auch der „besonders schwere Nachteil“ dokumentiert werden. Ab wann ein solcher gegeben ist, ist schwer zu sagen. Aber dafür haben wir ja das Bundesverfassungsgericht. Bessere Richter haben wir nicht und eine bessere Institution zur Klärung solcher Fälle ist uns bislang auch noch nicht eingefallen.

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