Otto Schmidt Verlag

FamRB-Blog

Quo vadis Mediator? – Anm. zum Urt. des AGH Celle v. 22.5.2017 – AGH 16/16 (I 9)

Dr. Marcus Bauckmann, LL.M.  Dr. Marcus Bauckmann, LL.M.
Rechtsanwalt und Wirtschaftsmediator, Lehrbeauftragter für Mediation an der Philipps-Universität Marburg und an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg, Leiter des Fachreferats Berufsstand der Deutschen Stiftung Mediation

Der Anwaltsgerichtshof Celle hatte sich in seiner Entscheidung vom 22.5.2017 (AnwBl. 2017, 373) mit der Frage einer möglichen Berufsausübungsgemeinschaft zwischen einem Rechtsanwalt und einem nichtanwaltlichen Mediator und Berufsbetreuer zu befassen. Nach der Entscheidung des BVerfG zur Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern (BVerfG v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13, MDR 2016, 242) ist das ein weiterer Versuch der Rechtsprechung, die interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer Berufsgruppen zu regeln. Der Clou dieses Mal: Der Mediator/Berufsbetreuer war zuvor als Rechtsanwalt sogar Sozius des Anwalts gewesen, er hatte aber, um bessere Chancen als Mediator und Berufsbetreuer zu haben, die Anwaltszulassung zurückgegeben.

Inhalt der Entscheidung

Der AGH Celle hat der angestrebten Bürogemeinschaft eine Absage erteilt. Zur Begründung führt er zunächst an, dass ein nichtanwaltlicher Mediator nicht zu den Katalogberufen des § 59a BRAO zähle, weshalb ein nichtanwaltlicher Mediator i.S.v. § 59a Abs. 3 BRAO auch nicht an einer Berufsausübungsgemeinschaft beteiligt sein dürfe.

Im Weiteren setzt sich der AGH mit der vorgenannten Entscheidung des BVerfG auseinander, woraus sich nichts andere ergebe. Er betont zunächst, dass es sich dabei um eine isolierte Entscheidung in Bezug auf die konkrete Zusammenarbeit von Anwälten mit Ärzten und Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft handele, so dass keine Vergleichbarkeit gegeben sei. Aufgrund der allgemein formulierten Vorfrage des BGH und des Tenors des BVerfG entstünde keine Bindungswirkung gemäß § 31 BVerfGG. Auch käme man über eine verfassungskonforme Auslegung des § 59a BRAO nicht zu einem anderen Ergebnis.

Schließlich sei die vom Kläger angeregte Vorlage beim BVerfG nicht erforderlich, da im vorliegenden Fall keine Grundrechte des Klägers verletzt würden. Begründet wird dies mit rechtlichen Bedenken bezüglich der Verschwiegenheitspflicht von nichtanwaltlichen Mediatoren. So führt der AGH zunächst aus, dass nichtanwaltliche Mediatoren in § 203 StGB nicht genannt seien und im Übrigen auch keine den §§ 53 und 97 StPO vergleichbare Regelungen bestünden; folglich sei keine mit einem Rechtsanwalt vergleichbare strafbewehrte Verschwiegenheitspflicht gegeben, worauf das BVerfG in seiner Entscheidung aber abstelle. Eine solche Regelung sei insb. auch nicht in § 4 MediationsG zu sehen, so dass der vom Gesetzgeber durch die Begrenzung der sozietätsfähigen Berufe verfolgte Zweck legitim sei.

Zudem, so der AGH weiter, sei in einem nichtanwaltlichen Mediator in Bürogemeinschaft mit einem Rechtsanwalt kein Gehilfe i.S.v. § 203 Abs. 3 StGB zu sehen. Zwar seien nach einigen Stimmen der Literatur über § 53a StPO einerseits und § 383 ZPO andererseits Zeugnisverweigerungsrechte auch für nichtanwaltliche Partner des Rechtsanwalts gegeben, so dass danach auch die nichtanwaltlichen Gesellschafter in einer interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaft zur Zeugnisverweigerung berechtigt seien, zumal ein soziales Abhängigkeitsverhältnis für die Gehilfenstellung nicht erforderlich sei. Dem schließt sich der AGH jedoch nicht an und lehnt eine (weite Auslegung der) Gehilfenstellung ab. Im strafrechtlichen Schrifttum sei es „absolut herrschende Meinung“, dass ein Gehilfe nur die Person sei, die „einen der genannten Schweigepflichtigen in dessen beruflicher Tätigkeit unterstützt, und dass es an einer derartigen Hilfsfunktion fehlt, wenn die Berufsausübenden gleichgeordnet sind und ein Aufgabengebiet eigenständig zu bewältigen haben – wie etwa ein Sozius oder ein angestellter Rechtsanwalt“. Von daher, mutmaßt der AGH, „muss davon ausgegangen werden, dass auch nach der Entscheidung des BVerfG (…)“ ein nichtanwaltlicher Mediator kein Gehilfe i.S.d. § 203 Abs. 3 StGB sei.

Stellungnahme

Zutreffend ist die Prämisse des AGH, dass das BVerfG in dem Tenor seiner Entscheidung vom 12.1.2016 nur einen ganz bestimmten Teilbereich des § 59a BRAO als verfassungswidrig angesehen hat. Zutreffend ist auch, dass das BVerfG bei seiner Bewertung insb. auf die Regelung des § 203 StGB  und insoweit auf eine Vergleichbarkeit zwischen Rechtsanwälten und Ärzten bzw. Apothekern in Bezug auf die Verschwiegenheitspflichten abstellt. Zutreffend ist schließlich auch, dass der Gehilfenbegriff in der Rechtsprechung und im strafrechtlichen Schrifttum nicht abschließend geklärt ist. Dennoch liegt (auch) hier ein verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 1 Abs. 1 GG vor. Der AGH Celle fasst den Gehilfenbegriff zu eng.

Es geht dem Gesetzgeber bei der Aufstellung der berufsrechtlichen Pflichten der Rechtsanwaltschaft, wie der AGH auch zutreffend feststellt, um den Schutz des Rechtssuchenden. Insbesondere soll dieser durch die Verschwiegenheitspflichten davor geschützt werden, dass persönliche Geheimnisse, Daten etc. verletzt oder weitergegeben werden. Diesem Grundgedanken folgend bedarf es dann aber auch einer weiten Auslegung des Gehilfenbegriffs, wie Römermann schon seit vielen Jahren fordert. Daher kann nach hiesiger Auffassung auch eine Kooperationsvereinbarung oder ein Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Gehilfenstellung begründen – und zwar unabhängig von einer originären beruflichen Verschwiegenheitspflicht. Denn gerade bei einem Gesellschaftsvertrag unterstützen sich die Gesellschafter in besonderer Weise gegenseitig und üben ihren Beruf gemeinschaftlich aus; die Unterstützung kommt dabei insb. in den gesellschaftsrechtlichen Beitrags- und Treuepflichten zum Ausdruck. Von daher kann es in Bezug auf die Schutzwirkung des § 203 StGB nicht zwingend darauf ankommen, ob die betroffenen Personen in einem Ãœber-/Unterordnungsverhältnis stehen oder gleichgeordnet sind.

Im Übrigen besteht auch für nichtanwaltliche Mediatoren eine Verschwiegenheitspflicht, und zwar aus § 4 MediationsG. Festzuhalten ist dabei zunächst, dass das Mediationsgesetz ein Berufsrecht für Mediatoren darstellt und in § 3 auch eine Regelung in Bezug auf widerstreitende Interessen enthält, insoweit vergleichbar mit § 43a BRAO. Festzuhalten ist aber ebenfalls, dass die Regelung des § 4 MediationsG – nach ganz h.M. (wobei sich die mediationsrechtliche Literatur bisher nicht mit der Gehilfenstellung des § 203 StGB auseinandersetzt) – an sich keine Zeugnisverweigerungsrecht für den nichtanwaltlichen Mediator für den Strafprozess bietet, sehr wohl aber für den Zivilprozess und gemäß § 98 VwGO entsprechend auch für den Verwaltungsprozess.

Es bleibt somit im Ergebnis festzustellen, dass die Tätigkeit eines nichtanwaltlichen Mediators durchaus eine Gehilfentätigkeit i.S.d. § 203 Abs. 3 StGB darstellen kann, so dass berufliche Zusammenschlüsse möglich sein müssen. Alles andere würde eine Verletzung von Grundrechten darstellen (wie beim BVerfG wurden hier Aspekte in Bezug auf Art. 3 oder Art 9 GG nicht weiter behandelt), insb. wäre dies ein Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, so dass § 59a BRAO auch insoweit als verfassungswidrig anzusehen ist.

Zusammenfassung

In Bezug auf die nichtanwaltliche Mediatorentätigkeit ist der Gesetzgeber unabhängig von dem Vorstehenden gehalten, zur Förderung der Mediation – was ja eigentlich schon durch das Mediationsgesetz erfolgen sollte – hier für Rechtsklarheit zu sorgen. Die jüngst von der Bundesregierung veröffentlichte Evaluation des Mediationsgesetzes (BT-Drucks. 18/13178) bietet eine gute Gelegenheit, Verbesserungen des Mediationsgesetzes und somit eine Aufwertung der Mediation und des Mediatorenberufs durchzusetzen, z.B. durch eine klare Regelung bzw. eine klarstellende Erweiterung der §§ 203 StGB und 53 StPO. Dies ist auch aus Gründen des Verbraucherschutzes dringend geboten, denn der (rechtlich laienhafte) Mediand wird bei der Suche nach einem geeigneten Mediator den Unterschied zwischen einem anwaltlichen und einem nichtanwaltlichen Mediator in Bezug auf die konkreten einzelnen Rechte und Pflichten nur schwerlich durchschauen. Einstweilen, bis zu einer Klärung durch den Gesetzgeber, sollte der nichtanwaltliche Mediator, der sich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung mit einem sog. sozietätsfähigen Beruf, insb. einem Rechtsanwalt, zusammenschließen möchte, als Gehilfe i.S.v. § 203 StGB angesehen werden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Beim BGH wurde unter dem Az. AnwZ (Brfg) 32/17 Berufung eingelegt.

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie müssen sich einloggen um einen Kommentar schreiben zu können.