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Keine Auskunft gegen das Wohl des Kindes (OLG Düsseldorf v. 9.8.2019 – 8 WF 170/18)

Monika Clausius  Monika Clausius
Fachanwältin für Familienrecht

Der Umgang zwischen dem Kind und seinem nicht betreuenden Elternteil wird nicht nur auf Seiten des Elternteils verfassungsrechtlich geschützt, sondern ist ebenso ein höchstpersönliches Recht des Kindes in Ausgestaltung eines eigenen Umgangsanspruchs, der zentraler Bestandteil des Kindswohls ist. Aus unterschiedlichen Gründen kann im Einzelfall die Wahrnehmung von persönlichen Umgangskontakten tatsächlich nicht möglich oder aus rechtlichen Gründen folgend ausgeschlossen sein. Dann muss im Grundsatz gleichwohl dem Elternteil die Möglichkeit verbleiben, Informationen zur Entwicklung des Kindes zu erhalten, soweit die Umsetzung dieses Anspruchs nicht dem Kindeswohl widerspricht. In der Praxis sind die Gerichte immer wieder mit der Frage befasst, ob in bestimmten Fallkonstellationen von einem solchen Widerspruch zum Kindeswohl auszugehen ist. Mit einem besonders tragischen Sachverhalt hat sich aktuell das OLG Düsseldorf auseinandergesetzt.

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Kindesvater im Jahr 2011 dem damaligen Säugling wiederholt Mund und Nase so lange zugehalten, dass die Sauerstoffzufuhr unterbrochen wurde bzw. bei der letzten Tat das Kind sogar einen Herzstillstand erlitt. Wegen dieser gefährlichen Körperverletzung wurde der Vater zu einer Freiheitsstrafe und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verurteilt. Aus dem Krankenhaus suchte er Kontakt zur Mutter des Kindes zwecks Informationen über den Entwicklungsstand des Kindes. Diese ermögliche ihm zunächst an zwei Geburtstagen des Kindes einen telefonischen Kontakt, verweigerte dann in der Folge aber weitere Informationen, so dass der Vater gerichtlich den Auskunftsanspruch geltend machte, der ihm erstinstanzlich auch in der Form zuerkannt wurde, dass pro Quartal ein Entwicklungsbericht erstellt werden sollte, ohne dass jedoch die Mutter verpflichtet war, die Adresse bekannt zu geben. Gegen diese Entscheidung legte die Mutter Beschwerde ein, auf die das Oberlandesgericht die Ausgangsentscheidung aufhob und den Antrag des Vaters zurückwies.

Seine Entscheidung begründete der Senat mit dem Hinweis, dass unbeschadet der Frage, ob auf Seiten des Vaters von einem berechtigten Interesse an der Auskunft ausgegangen werden könne, in jedem Fall die von ihm begehrte Auskunftserteilung derzeit dem Wohl des Kindes widerspreche. Der mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige halte es im Ergebnis zwar für vertretbar, wenn der Vater halbjährlich die gewünschten Informationen erhalte, doch habe er auf ausdrückliche Nachfrage des Senats ebenso bestätigt, dass eine krisenhafte Verarbeitung des Kindes bei umfassender Einsicht in das Geschehene nicht ausgeschlossen werden könne, wenn es bei Erreichen der notwendigen Verstandesreife begreife, dass sein Vater regelmäßig über seinen Entwicklungsstand in Kenntnis gesetzt worden sei. Wahrscheinlich werde das krisen- oder schockartige Erleben u.U. auch traumaspezifische Symptome hervorrufen. Einen Schutz erhalte das Kind durch die Unterstützung seiner Mutter, nahestehender Bezugspersonen und einer etwaigen ambulanten Psychotherapie. Ebenso werde die kognitive Entwicklung des Kindes ihm die Erfassung ermöglichen, dass alles Nötige zu seinem Schutz getan werde. Diesen Ausführungen des Sachverständigen lasse sich aber auch entnehmen, dass das Kind nicht nur mit den Taten seines Vaters zurecht kommen müsse, sondern auch der Tatsache, dass persönliche Daten gerade an den weitergegeben worden seien, der ihm erhebliche Gewalt zugefügt habe. Dies stelle eine zusätzliche Belastung und einen weiteren Risikofaktor für die psychische Gesundheit des Kindes dar. Der Schutz des Kindes könne daher nur gewährleistet werden, wen die Informationsweitergabe solange zurückgestellt werde, bis sich das Kind selbst dafür oder dagegen entscheiden könne. Die derzeitige Auskunftserteilung widerspreche daher dem Schutz des Kindes und es sei auch kein milderes Mittel als der vollständige Auskunftsausschluss zum Schutz des Kindes gegeben.

Unabhängig davon, ob Auskunftsansprüche auf § 1686 BGB oder § 1686a Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützt werden, bedarf es jeweils eines berechtigten Interesses an dem Auskunftsanspruch. Dieses wird regelmäßig bejaht, wenn der Anspruchsteller keine andere Möglichkeit hat, um sich über die Entwicklung des Kindes in zumutbarer Weise zu informieren, etwa weil kein Umgang ausgeübt werden kann oder aufgrund zu großer räumlicher Entfernung keine adäquate persönliche Überzeugung von der kindlichen Entwicklung sichergestellt ist. Für den Auskunftsanspruch ist es unerheblich, ob in der Vergangenheit ein regelmäßiges Interesse an dem Kind gezeigt wurde. Allerdings wird der Auskunftsanspruch dann als missbräuchlich anzusehen sein, wenn er letztlich nur Zwecke verfolgt, die dem Kindeswohl abträglich sind, etwa wenn auf diesem Wege Informationen erlangt werden sollen, die aufgrund gerichtlicher Regelung gerade nicht bekannt werden sollen.

Der Auskunftsanspruch richtet sich auf alle für das Befinden und die Entwicklung des Kindes wesentlichen Lebensumstände. Hierbei ist aber der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes Rechnung zu tragen, so dass etwa die Informationen zu höchstpersönlichen Angelegenheiten eines fast volljährigen Kindes nicht mehr der Auskunftserteilung unterfallen.

Eingeschränkt wird der Auskunftsanspruch letzlich durch das Kindeswohl. Dieses ist nicht Maßstab des Auskunftsrechts, sondern bildet lediglich seine Grenze. Die Auskunft darf daher nur dann verweigert werden, wenn es konkrete Anhaltspunkte für die Annahme gibt, dass durch die Auskunft das Kindeswohl beeinträchtigt werden kann und es auch kein milderes Mittel zum Schutz des Kindes gibt.

 

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