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Die GroKo und die Abgeltungsteuer – Gerechtigkeit versus Vereinfachung?

Prof. Dr. Dietmar Gosch  Prof. Dr. Dietmar Gosch
Vors. Richter am BFH a.D., Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Of Counsel bei der KPMG AG WPG, Hamburg/München

Der sog. GroKo-Vertrag, „amtlich“ der „Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD“ mit dem programmatisch-volltönenden Untertitel „Ein neuer Aufbruch für Europa Eine neue Dynamik für Deutschland Ein neuer Zusammenhalt für unser Land“, „wiegt“ 177 Seiten und „zählt“ 8370 Zeilen. In den Zeilen 3116 und 3117 auf Seite 69 heißt es recht lapidar: „Die Abgeltungsteuer auf Zinserträge wird mit der Etablierung des automatischen Informationsaustauschs abgeschafft.“ Noch kurz zuvor –in den Zeilen 3098 und 3099– wird konstatiert: „Steuervereinfachung ist eine Daueraufgabe. Es ist ein wichtiges politisches Ziel, hier Schritt für Schritt voranzukommen …“.

Beide Aussagen und Ziele passen – so scheint es auf den ersten Blick – nicht so recht beieinander, sie widersprechen sich. Dieser Widerspruch wird bestätigt, denkt man näher nach. Und an solchem „Nachdenken“ in munterer Diskussion von Pro & Contra läßt Sie die jüngste Ausgabe der GmbH-Rundschau teilhaben. Die dort enthaltene Diskussion zwischen MinDirig Matthias Schenk, Leiter der Steuerabteilung im Hessischen Ministerium der Finanzen, Prof. Dr. Johannes Becker, Direktor des Instituts für Finanzwissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, und Prof. Dr. Heribert Anzinger, Universitätsprofessor für Wirtschafts- und Steuerrecht im Institut für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung der Universität Ulm, nimmt den steuerpolitischen Faden auf und „verprobt“ diesen anhand juristischer und ökonomischer Argumente und Vorgaben. Gegenüber stehen auf der einen Seite Fragen der „Leistungsgerechtigkeit“ zwischen Arbeit und Kapital, die sich in dem progressiv ausgestalteten „synthetischen“ Steuertarif festmachen lassen. Auf der anderen Seite sind das womöglich trotz besagten zwischenstaatlichen Informationsaustauschs fortbestehende strukturelle Vollzugsdefizite bei der Besteuerung der Kapitaleinkünfte – noch nicht vor langer Zeit wurde ein solches Defizit vom BVerfG gebrandmarkt. Es sind das zudem Überlegungen zur ökonomischen Grobverteilung von Kapitaleinkünften, zur personellen und sachlichen Ausstattung der Finanzverwaltung und manches mehr. Auch die eigentlich auf der Hand liegenden Vereinfachungseffekte sind nicht über jeden Zweifel erhaben. Prof. Dr. Monika Jachmann-Michel, Vorsitzende Richterin des für Kapitaleinkünfte zuständigen VIII. Senats des BFH, hat das erst soeben trefflich sichtbar gemacht: „Manches Detail der Abgeltungsteuer erscheint unnötig kompliziert oder birgt u.U. sogar die Gefahr der Verfassungswidrigkeit. Es besteht Reformbedarf. Die Abgeltungsteuer sollte zu dem gemacht werden, was sie ursprünglich sein sollte – eine einfache Steuer. Dies ist aber“, so fährt sie fort, „kein Grund, sie abzuschaffen, wie derzeit (…) für Zinseinkünfte geplant“ (BB 2018, 854, 864).

Die Diskussion ist jedenfalls angefacht. Sie wurde intensiv anläßlich der außerordentlichen Kuratoriumssitzung des Instituts Finanzen und Steuern geführt, die am 27. November 2017 in Berlin stattfand, und die dort durch eine Key Note des nordrhein-westfälischen Finanzministers Lutz Lienenkämper eingeleitet wurde. In dem jüngsten Tagungsband des Instituts (ifst-Schrift 523) findet sich all das in gedrängter Form eines Reports, in der jüngsten Ausgabe Nr. 9/2018 der GmbH-Rundschau wird das nun auch noch breiter argumentativ ausgefaltet. Die Lektüre der Texte sei dem geneigten Leser ans Herz gelegt.

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