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Verdient ist verdient! AGB-Kontrolle von Bonusklauseln auch bei Vorstandsmitgliedern – Zu OLG Frankfurt 18. April 2018 – 4 U 120/17

Dr. Hans-Peter Löw  Dr. Hans-Peter Löw
Rechtsanwalt

Das OLG Frankfurt hat die AGB-Kontrolle von Bonusklauseln auch auf Anstellungsverträge von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft erstreckt und die Gesellschaft zur Zahlung eines Bonus in Höhe von EUR 500.000,00 verurteilt. In dem zugrundeliegenden Anstellungsvertrag war geregelt, dass der Aufsichtsrat eine variable Vergütung nach billigem Ermessen gewähren kann. Anschließend wurde klargestellt, dass es sich bei den gewährten variablen Vergütungen „in jedem Fall um freiwillige Zuwendungen“ handelt. Der Aufsichtsrat hatte entschieden, dem Kläger keinen Bonus zu gewähren. Wegen des Freiwilligkeitsvorbehalts fühlte er sich dazu nicht verpflichtet.

Das OLG Frankfurt hob das klageabweisende Urteil der 1. Instanz auf und sprach dem Kläger den Bonus zu. Das Gericht kommt durch Auslegung der Klausel zu dem Ergebnis, dass es sich um einen umfassenden Freiwilligkeitsvorbehalt handelt. Diese Klausel unterzieht das OLG sodann der AGB-Kontrolle. Diese sei anwendbar, da Vorstandsmitglieder ähnlich wie Geschäftsführer einer GmbH Verbraucher seien. Die Freiheit in der Führung der Geschäfte nach § 76 AktG rechtfertige es wegen der Fremdnützigkeit der Tätigkeit und des Fehlens einer unmittelbaren wirtschaftlichen Risikotragung nicht, die Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft hinsichtlich ihrer Verbrauchereigenschaft anders zu behandeln als GmbH-Geschäftsführer. Dieser Freiwilligkeitsvorbehalt ist nach Auffassung des Senats unwirksam, weil er den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Bei dieser Bewertung folgt das OLG der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine mit der Dienstleistung in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Entgeltleistung nicht unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden kann. Das gilt hier in besonderem Maße, weil sich der Freiwilligkeitsvorbehalt auf leistungsabhängige wesentliche Vergütungsbestandteile bezieht, die der Größenordnung nach ein Vielfaches des Grundgehaltes erreichen können. Eine unangemessene Benachteiligung des Dienstnehmers ergebe sich jedenfalls dann, wenn sich aus der unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellten nachträglichen Entscheidung des Dienstgebers über eine variable Vergütung erbrachter Leistungen in Anbetracht der Höhe möglicher freiwilliger Zahlungen eine willkürliche Verschiebung der Größenordnung des Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ergeben können.

Die Entscheidung liegt materiell-rechtlich voll auf der Linie der Rechtsprechung des 10. Senats des Bundesarbeitsgerichts, die sich unter dem Stichwort „verdient ist verdient!“ zusammenfassen lässt. Es ist evident unangemessen, wenn die Gesellschaft nach freiem Belieben über die Gewährung einer variablen Vergütung entscheiden kann, nachdem das Vorstandsmitglied seine Leistung erbracht hat. Es ist auch nicht ganz überraschend, dass der Senat das Vorstandsmitglied als Verbraucher charakterisiert. Diesen Schritt hatte der 5. Senat des OLG Frankfurt für den Geschäftsführer einer GmbH bereits mit einer Entscheidung vom 12. April 2011 – 5 U 93/10 – vollzogen und einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Wirksamkeit versagt, nach der in Zeiten der Freistellung kein Anspruch auf variable Vergütung bestehen soll.

Ich halte die Entscheidung sowohl im Hinblick auf die Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle als auch auf die Abwägung der beiderseitigen Interessen für zutreffend. Die Statusunterschiede zwischen Organen und leitenden Angestellten verwischen in der internationalen Matrixorganisation immer mehr und Aufsichtsräte sind vor dem Hintergrund vielfältiger regulatorischer Anforderungen praktisch gezwungen, Formularanstellungsverträge zu verwenden. Es ist auch nicht naheliegend, dass einer Vertragspartei nach Leistungserbringung das Recht zustehen soll, die Gegenleistung voraussetzungslos zu kürzen oder zu streichen. Den Interessen der Gesellschaft nach einer echten variablen Vergütung kann dennoch ohne weiteres Rechnung getragen werden, und zwar auf zweierlei Weise: Entweder errechnet sich die variable Vergütung auf Basis der Erreichung vorher zu definierender Ziele. Dabei ist es – wiederum im Rahmen billigen Ermessens – zulässig, dass der Aufsichtsrat die Ziele einseitig vorgibt. Oder aber der Aufsichtsrat behält sich das Recht vor, über die Höhe der variablen Vergütung am Ende des Geschäftsjahres nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dann muss er seine Entscheidung begründen. Und wenn er diese Entscheidung auf unbillige Erwägungen stützt, dann wird sie keinen Bestand haben.

Mehr zum Autor: Rechtsanwalt Dr. Hans-Peter Löw ist Partner bei Allen & Overy LLP, Frankfurt a.M., Leiter der deutschen Arbeitsrechtspraxis und zugleich Leiter des Arbeitskreises Vergütung bei Allen & Overy. Sein Schwerpunkt ist die arbeitsrechtliche Beratung, insbesondere zu Vergütung, Bonus, Incentiveplänen und Mitarbeiterbeteiligung.

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