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Montagsblog: Neues vom BGH

Dr. Klaus Bacher  Dr. Klaus Bacher
Vorsitzender Richter am BGH

Diese Woche geht die Pflicht zur Förderung einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits.

Pflicht zur Verlegung eines Verkündungstermins bei ernsthaften Vergleichsgesprächen
Urteil vom 13. Dezember 2019 – V ZR 152/18

Mit der Reichweite der Pflichten aus § 278 Abs. 1 ZPO befasst sich der V. Zivilsenat.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Beseitigung eines baurechtswidrigen Zustands auf dem Nachbargrundstück und auf Unterlassung der von einer Diskothek ausgehenden Lärmimmissionen in Anspruch. Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 24.1.2018 vereinbarten die Parteien, Vergleichsgespräche zu führen und dem Gericht bis 24.5.2018 mitzuteilen, ob eine Einigung zustande gekommen ist. Zugleich bestimmte das Gericht Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 13.6.2018. Am 24.5.2018 teilte die Klägerin mit, eine Einigung sei nicht zustande gekommen. Die Beklagte erklärte, sie sei weiterhin zu einer Einigung bereit, und beantragte Fristverlängerung bis zum 25.6.2018. Das Gericht teilte mit, eine Fristverlängerung und eine Verlegung des Verkündungstermins kämen nicht in Betracht, sofern nicht unverzüglich konkrete Vorbereitungen für einen Vergleichsschluss dargelegt und belegt würden. Am Tag vor dem Verkündungstermin übersandte die Beklagte einen schriftlichen Vergleichsvorschlag an die Klägerin und das Gericht. Zugleich regte sie an, den Verkündungstermin aufzuheben. Die Klägerin teilte noch am gleichen Tag mit, sie sei mit einer Verlegung einverstanden und wolle auf der Grundlage des übersandten Vorschlags in Vergleichsgespräche eintreten. Das Berufungsgericht hielt an dem Verkündungstermin fest und wies die Berufung zurück.

Die vom BGH zugelassene Revision der Klägerin führt zur weitgehend antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.

Der BGH hebt hervor, dass das Berufungsgericht nicht an dem anberaumten Verkündungstermin hätte festhalten dürfen. Nachdem erkennbar geworden war, dass beide Parteien zu ernsthaften Vergleichsgesprächen bereit waren, war das Gericht gemäß § 278 Abs. 1 ZPO verpflichtet, den Verkündungstermin zu verlegen, um den Parteien Zeit zu geben, das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Die Verletzung dieser Pflicht bleibt im Ergebnis allerdings ohne Konsequenzen. Mit der Verkündung des Berufungsurteils ist der mit dem Verlegungsantrag angestrebte Zweck, die Vergleichsbereitschaft im Hinblick auf den ungewissen Ausgang des Berufungsverfahrens zu fördern, unerreichbar geworden.

Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung auch in der Sache nicht stand. Der BGH sieht die Sache als entscheidungsreif an und verurteilt die Beklagte im Wesentlichen entsprechend dem Klagebegehren.

Praxistipp: Parteien, die im Hinblick auf schwebende Vergleichsverhandlungen übereinstimmend die Verlegung eines Termins beantragen, sollten dies in der Regel mit einem Antrag auf Ruhen des Verfahrens verbinden.

Mehr zum Autor: Der Autor ist Vorsitzender des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Er gehört zum Herausgeberbeirat der MDR und ist Mitautor des Prozessformularbuchs (Hrsg. Vorwerk).

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