Wann ist im Leben eines Juristen die Konkurrenz am größten?
Die Blüten, die Konkurrenzverhalten unter Juristen treibt, sind im Studium besonders greifbar. Ich kann mich zurückerinnern, dass in meiner Studienzeit, vor allem bei Hausarbeiten, Literatur versteckt wurde. Hier zeigte die Konkurrenz ihre destruktive Seite; dabei sollte Konkurrenz ein Motor für positive Leistungen sein. Mit der Zeit beruhigt sich alles, denn im Examen stirbt – bildlich gesprochen – jeder für sich allein.
Sie haben Ihren LL.M. in Harvard gemacht, die Uni gilt als sehr kompetitiv. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Als kompetitiv habe ich vor allem die Bewerbung für ein LL.M.-Stipendium empfunden. Damals fand ein zweitägiges Auswahlseminar statt, bei dem ich mit Konkurrenten ein Zimmer teilte. Die Bewerbung bei der Universität selbst lief dagegen formal ab. Man reicht ein Motivationsschreiben und eine ganze Reihe von Leistungsnachweisen ein. Die Note des ersten Staatsexamens ist für die Auswahl der deutschen Bewerber von zentraler Bedeutung. Wenn die passt, ist eine Zulassung sehr wahrscheinlich.
Und wie war die Konkurrenzsituation unter den LL.M.-Studierenden?
Es war ein ganz anderes Umfeld als in Deutschland. Denn beim LL.M. geht es primär darum, den akademischen Titel „Master of Laws“ zu erlangen, die Note ist von untergeordneter Bedeutung. Natürlich will man sich nicht blamieren – aber es gibt schon das Ziel, den LL.M. gemeinsam mit seinen Kommilitonen zu schaffen. Das wirkt Konkurrenzdenken entgegen; die LL.M.- Klasse ist eine Schicksalsgemeinschaft.
Prof. Dr. Jan Lieder ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht an der Christian- Albrechts-Universität zu Kiel.