Was hält der Netinator von Bewertungsportalen?
Über Bewertungsportale im Internet kann man wertvolle und sachliche Hinweise über die Qualität von Waren und Dienstleistungen geben. Das ist ihr Sinn und dafür gibt es sie. Sie sind in der Praxis aber nicht immer ein Hort der Sachlichkeit. Man kann dort nämlich auch den Ruf von Mitmenschen massiv schädigen. Wer seinen Arzt nicht mag, der kann ihm im Netz Übles nachsagen. Zum Beispiel, dass er falsch behandele und seine Patienten zu lange warten lasse. Wer solchen Aussagen Reichweite verleihen möchte, muss heute keine Zeitung mehr rebellisch machen. Unmut kann man über das Netz in Bewertungsportalen effizient, mit erheblicher Meinungsrelevanz und Reichweite zielgruppenspezifisch verbreiten. Ein Shitstorm in einem Bewertungsportal kann den guten Ruf und damit eine Existenz vernichten.
Muss man denn als Betroffener falsche Tatsachenbehauptungen dulden?
Nein. Man kann gegenüber dem Betreiber des Portals die Unwahrheit belegen, und dieser muss den Eintrag löschen. Die Lügen werden dann zwar nicht vergessen, wohl aber für die Zukunft aus dem Portal gelöscht. Wer ein nachhaltiges Interesse daran hat, jemanden im Netz zu schädigen, der kann das auch weiter tun. Dazu meldet er sich unter verschiedenen Pseudonymen auf einer Plattform an und kann denselben unwahren Inhalt weiter verbreiten, bis er wieder seine Löschung verlangt und so fort. Man kann sich auch in Diskussionen auf der Plattform unter verschiedenen Identitäten Meinungsführerschaft verschaffen.
So kann man einen richtigen kleinen Feldzug führen. Wie wehrt man sich dagegen?
Wenn die diskreditierenden Aussagen die Schwelle der Strafbarkeit erreichen, dann kann man unter Hinweis auf den Portaleintrag Anzeige gegen Unbekannt erstatten. Wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt, dann kann man denjenigen belangen, der die Äußerung getroffen hat. Gegenüber Strafverfolgungsbehörden sind nämlich Auskünfte über den Urheber zu erteilen. Die Aussage, ein Friseur verschneide und verfärbe seinen Kunden regelmäßig die Haare ist aber nicht strafbar, obwohl sie den Ruf schädigt.
Kann ein Betroffener denn nicht den Namen des Urhebers der Äußerung erfahren?
Das verbietet aber das Recht. Telemediendienste darf man unter Verwendung eines Pseudonyms nutzen. Die Übermittlung personenbezogener Daten, also insbesondere des Namens hinter einem Pseudonym, an Dritte ist grundsätzlich nur mit Einwilligung des Äußernden oder mit gesetzlicher Erlaubnis gestattet. Die Einwilligung liegt in der Regel nicht vor und der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 1. Juli 2014 [1] festgestellt, dass es im Telemediengesetz an einer gesetzlichen Erlaubnis zur Erteilung der Auskunft fehle.
Ist das Ergebnis richtig?
Ich finde ja, denn die spezielle Wertung im Telemediengesetz ist zu klar und eindeutig, als dass sich der BGH wegen der Intensität einer Persönlichkeitsverletzung darüber hätte hinwegsetzen kann. Anderen Auskunftsansprüchen, etwa aus § 242 BGB oder anderen Spezialgesetzen fehlt der Bezug zum Telemedienrecht.
Muss denn das Recht Dienste unter Pseudonym zu nutzen abgeschafft werden?
Nein, weil jeder redliche Nutzer, sich im Netz so frei zu bewegen wie in der körperlichen Welt. Dort muss man auch nicht Jedem seinem Namen nennen, wenn man etwas macht. Man kann sich freiwillig ausweisen. Verpflichtet ist man dazu nur gegenüber dem Staat.
Wie kann man das Problem denn lösen?
Man muss die Schlupflöcher in Bewertungsportalen für Persönlichkeitsrechtsverletzungen schließen. Der Gesetzgeber könnte eine Pflicht des Portalbetreibers schaffen, dem Betroffenen den Urheber einer rechtsverletzenden Äußerung zu nennen. Bei vielen Bewertungsportalen erfordert die Nutzung die Erhebung personenbezogener Daten, so dass der Portalbetreiber die Identität des möglichen Verletzers häufig kennt.
Wäre das denn rechtens?
Das Gesetz könnte dem Betroffenen einen zivilgerichtlich durchzusetzenden Auskunftsanspruch gegen den Betreiber des Portals auf Weitergabe der Information einräumen. So ist es im Urheberrechtsgesetz schon bei illegaler Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte gegenüber Providern geregelt. Wegen des Richtervorbehalts ist dieser Weg, der die Übernahme persönlicher Verantwortung auch für Persönlichkeitsrechtsverletzungen erzeugen würde, rechtstaatlich gangbar, auch wenn es datenschutzrechtlich nicht ganz problemlos ist, denn man gibt seinen Namen bei der Anmeldung zum Portal ja in dem Vertrauen an, dass er nicht weitergegeben wird. Das müsste der Gesetzgeber entscheiden.
Was kann man noch tun?
Man kann bei den Betreibern der Bewertungsportale ansetzen, die rechtlich Host-Provider sind, weil sie fremde Inhalte auf eigenen Servern speichern. Sie verdienen ja an den Diensten und schaffen ohne es zu wollen den Raum für Rechtsverletzungen. Sie eröffnen eine Gefahrenquelle, die gegen Missbrauch auch durch Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu sichern ist.
Wie eine Verkehrssicherungspflicht für eine Gefahrenquelle?
Ja, genau. Die Rechtsprechung verlangt zunehmend, dass rechtswidrige Inhalte nicht nur auf Antrag aus dem Netz entfernen, sondern auch dafür Sorge zu tragen, Angebote dauerhaft frei von vergleichbaren Inhalten zu halten. Ihnen werden Prüf- und Kontrollpflichten auferlegt. Diese Tendenz, bei den Plattformen anzusetzen, findet sich auch in der Entscheidung des EuGH zum Recht auf Vergessen [2] und in der Rechtsprechung des BGH zur Verantwortung für die Google-Suchfunktion [3]. Am Ende muss sich der Staat sogar überlegen, ob er für potentiell gefährliche Netzdienste, die für ihn nicht einschätzbar sind, eine Genehmigungspflicht einführt [4].
Eine Genehmigungspflicht für Suchmaschinen?
Das ist eine Überlegung, denn sie sind gefährlicher als ein Spartensender im Rundfunk oder die Veranstaltung einer Tanzlustbarkeit nach der Gewerbeordnung, die auch genehmigungspflichtig ist.
[1] Aktenzeichen VI ZR 345/13.
[2] www.marktforschung.de/information/nachrichten/marktforschung/researchability-verantwortung-fuer-markt-und-daten-das-internet-ein-wenig-gebremst/
[3] www.marktforschung.de/information/nachrichten/marktforschung/researchability-verantwortung-fuer-markt-und-daten-wenn-algorithmen-beleidigen/
[4] FAZ vom 17.07.2014
Prof. Dr. Rolf Schwartmann, der auch als Netinator_prof twittert, erklärt den Leserinnen und Lesern des Kölner Express regelmäßig Themen des Internetrechts. Der C.F. Müller-Autor ist Professor für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Er leitet die Kölner Forschungsstelle für Medienrecht und ist Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit. Wer bei ihm, seinen Kollegen und Praktikern aus überregionalen Medienunternehmen einen Master in Medienrecht und Medienwirtschaft (LL.M.) erwerben möchte, der kann sich hier bewerben.