Bei der Berechnung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit im Elternunterhalt spielt neben dem Einkommen des Kindes dessen Kreditbelastung und monatliche Altersvorsorgerückstellung eine große Rolle. Da die selbst bewohnte Immobilie in den seltensten Fällen bereits vollständig schuldenfrei ist, summieren sich die Tilgung des Immobilienkredits und die Altersvorsorgerückstellungen zu ansehnlichen Abzugsposten. Das ging dem OLG Hamm (OLG Hamm v. 9.7.2015 – II-134 UF 70/15, FamRZ 2015, 1974 = FamRB 2016, 7) zu weit. Sie meinten Volkes Stimme zu interpretieren, wonach das Eigenheim die beste Altersvorsorge sei, weswegen sie die Tilgungsleistungen für die selbst bewohnte Immobilie auf die im Elternunterhalt großzügig mit 5 % des Bruttoeinkommens bemessene Altersvorsorgerückstellung anrechnen wollten.
Das konnte und durfte nicht gut gehen. Der BGH hatte nämlich schon vor geraumer Zeit entschieden, die selbst bewohnte Immobilie sei kein Altersvorsorgevermögen (BGH v. 7.8.2013 – XII ZB 269/12, FamRZ 2013, 1554 = FamRB 2013, 310), weil die im Elternunterhalt geltende Lebensstandardgarantie (BGH v. 23.10.2002 – XII ZR 266/99, FamRZ 2002, 1698 = FamRB 2003, 3) die Annahme einer Verwertungsobliegenheit nach Abschluss der Erwerbsphase zur Erreichung angemessenen Alterseinkommens verböte. Die Logik gebietet dann aber, Tilgungsleistungen zum Erwerb eines Eigenheims nicht der Altersvorsorge zuzurechnen, wenn das Eigenheim selbst keine Altersvorsorge ist.
Dieser Linie ist der BGH nun treu geblieben und hat entschieden, dass neben den Zinsen auch die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen abzuziehen sind, ohne dass dies die Befugnis zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert. Nur der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil sei als Vermögensbildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der sekundären Altersvorsorge auf die Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens des Elternunterhaltspflichtigen anzurechnen.
Die danach zulässigen monatlichen Altersvorsorgerückstellungen betragen 5 % des sozialversicherungspflichtigen und 25 % des nicht sozialversicherungspflichtigen Bruttoerwerbseinkommens (BGH v. 30.8.2006 – XII ZR 98/04, FamRZ 2006, 1511 = FamRB 2006, 327). Das kann recht viel sein (bei einem Einkommen von 100.000 € immerhin 833 € monatlich). Kommen noch die Tilgungsleistungen dazu, findet erhebliche Vermögensbildung zu Lasten des Elternunterhaltsanspruchs statt.
Die Essenz der Entscheidung lautet: Solange Zins und Tilgung für die selbst bewohnte Immobilie deren Wohnvorteil nicht übersteigen, kann die pauschal berechnete Altersvorsorgerücklage ungekürzt vom unterhaltspflichtigen Einkommen abgezogen werden.
Der erfreuliche Nebeneffekt verblüfft: Der Wohnvorteil spielt nun solange keine Rolle mehr, solange Zins und Tilgung nicht höher als der Wohnvorteil sind. Nur bei ‚negativem Wohnvorteil‘ wird der Tilgungsüberschuss auf die Altersvorsorge angerechnet. Paradoxerweise werden nun die Sozialhilfeträger darum wetteifern, den Wohnvorteil (OLG Hamm v. 9.7.2015 – II-134 UF 70/15, FamRZ 2015, 1974 = FamRB 2016, 7) so niedrig wie möglich anzusetzen, während sie derzeit noch versuchen, den Wohnvorteil so hoch wie möglich zu treiben.
Erfreulich ist auch, dass der BGH Kosten einer Risikolebensversicherung und einer Krankenhaustagegeldversicherung unterhaltsrechtlich berücksichtigen will. Das muss dann auch für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gelten.
Und auch bei der Berechnung der Einkünfte von Kind und Schwiegerkind bleibt der BGH sich selbst treu: Das Einkommen ist fiktiv unter Geltung von Steuerklasse IV/IV zu berechnen und der Splittingvorteil nach § 270 AO zu verteilen (BGH v. 17.6.2015 – XII ZB 458/14, FamRZ 2015, 1594 = FamRB 2015, 333). Das ist kompliziert, aber zu schaffen.