Ab heute ist es offiziell: Es gibt eine „Dritte Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung“ (VO v. 3.11.2020, BGBl. I, 2344).
Es deutete sich schon im August mit der Bekanntgabe der (vorläufigen) neuen Regelbedarfe an, mit der Veröffentlichung des 13. Existenzminimumberichts wurde es dann im September offensichtlich: Die sozialrechtlichen Bedarfe für Kinder sind von einem Jahr zum nächsten sehr viel stärker gestiegen, als es bei der Festsetzung des Mindestunterhalts für 2021 prognostiziert worden war. Der Grund dafür sind die im Frühsommer publizierten Daten der jüngsten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS 2018), die dann noch einmal gemäß der Lohn- und Preisentwicklung fortgeschrieben werden mussten.
Das Ergebnis ist ein für Kinder steuerfrei zu stellendendes Existenzminimum von 5.412 Euro in 2021, also 541 Euro im Monat und damit 17 Euro mehr als in der zweiten Änderungsverordnung festgesetzt worden war. Eine so hohe Abweichung forderte eine Reaktion des Gesetzgebers heraus, der den Mindestunterhalt außerhalb des durch § 1612a Abs. 4 BGB vorgegeben Turnus an diese aktuelle Entwicklung angepasst hat. Der Mindestunterhalt wird sich daher ab Januar 2021 auf 393/451/528 Euro belaufen. Bei einem um mehr als 6% höheren Unterhalt handelt es sich um eine erhebliche Steigerung in einer Zeit, in der nicht wenige Arbeitnehmer mit den Folgen der Pandemie belastet sind. Daher ist es nur ein schwacher Trost, dass es zum Januar eine mit 15 Euro ebenfalls überproportionale Erhöhung des Kindergeldes geben wird. Diese genügt nicht, um den erhöhten Bedarf vollständig zu decken. Statt wie erwartet nahezu gleichbleibender Zahlbeträge ist beim Mindestunterhalt mit einer um 16,50 bis 23,50 Euro höheren Zahllast zu rechnen.
Neben diesen unterhaltsrechtlichen Folgen gibt es noch einen weiteren bemerkenswerten Gesichtspunkt. Der Anstieg der Regelbedarfe erfolgt keineswegs gleichförmig über alle Altersstufen. Vielmehr bleibt der Bedarf bei den 6 bis 13 Jahre alten Kindern praktisch unverändert, während bei den jüngeren und älteren Kindern (Regelbedarfsstufen 4 und 6) ein sprunghafter Anstieg von jeweils mehr als 13% zu verzeichnen ist. Daraus ergibt sich das paradoxe Ergebnis, dass der Bedarf von Jugendlichen noch über dem Bedarf der jungen Erwachsenen liegt, die als Schüler weiterhin im Elternhaus leben. Solche unerklärlichen Abweichungen sind geeignet, erneut Zweifel an einer sachgerechten Bemessung der existenznotwendigen Regelbedarfe zu nähren. Immerhin hat das BVerfG schon 2014 Bedenken hinsichtlich der Stichhaltigkeit der festgesetzten Beträge geäußert und auf die Gefahr einer Unterdeckung hingewiesen (BVerfG v. 23.7.2014 – 1 BvL 10/12, FamRZ 2014, 1765). Der Ruf nach grundlegenden Korrekturen dürfte lauter werden.