Augen auf für plausiblere Gutachten in Kindschaftssachen

Geht es um die Zukunft eines Kindes, treten regelmäßig Fragestellung auf, die das Familiengericht nicht allein beurteilen kann und daher ein Gutachten eines Sachverständigen anfordert. Wer soll es schreiben und nach welchen Maßstäben?

Selbst für ausgesprochen berufserfahrenen Familienrechtspezialisten – und übrigens auch für Familienrichter – liegt es nicht unbedingt auf der Hand, welche Berufsqualifikation ein Sachverständiger mitbringen sollte, damit das Gutachten die Fragen des Gerichts sinnvoll beantworten kann. Hinzu kommt die Schwierigkeit, überhaupt jemanden zu finden, der den Auftrag verhältnismäßig zeitnah bearbeiten kann.  So kommt es vor, dass neben Psychologen auch Psychiater, Sozialpädagogen oder Vertreter sonstiger Berufsgruppen beauftragt werden, deren Fachkompetenzen mehr oder eben auch weniger gut zum Auftrag passen. Zwar ist der § 163 Abs. 1 FamFG „nur“ eine Soll-Regelung, doch gibt es von fachlicher Seite aus betrachtet durchaus eine klare Marschrichtung, welche Qualifikation zu welcher Problemstellung passt. Die gängigsten Konstellationen erfordern typischerweise den Einsatz eines Psychologen. Weicht eine Familienrichterin davon ab, müssen gute Gründe dafür erkennbar sein. Diese Gründe sollten in einer individuell erworbenen diagnostischen Zusatzqualifikation der zu beauftragenden Person liegen.

Die angemessenen Berufsqualifikation allein ist noch kein Garant für ein informatives Gutachten. Die Sachverständige muss ihr methodisches Vorgehen vielmehr auch nach wissenschaftlichen Prinzipien ausrichten. Maßstab hierfür sind zum einen die durch die Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen regelmäßig überarbeiteten Qualitätsstandards für psychologische Gutachten im Allgemeinen (https://ottosc.hm/zWfaG) und sowie zum anderen die Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht als Spezialfall aus der Feder der Arbeitsgruppe Familienrechtliche Gutachten (https://ottosc.hm/rtgUo).

In der Juristenausbildung bedeutet Methodik das Erlernen der Auslegungskanones, die Betrachtung des gesetzgeberischen Willens und die Auswertung aktueller Rechtsprechung zu einem Rechtsproblem. In der Psychologie dagegen umfasst Methodik die Prinzipien des Versuchsaufbau, statistische Auswertung, Diagnostik und Testtheorie. Für einen Psychologieabsolventen schließen sich die Qualitätsstandards für psychologische Gutachten und die Mindestanforderungen in Kindschaftssachen nahtlos an das universitäre Methodikcurriculum an; für juristische Berufsträger ist aufgrund der anders gepolten akademischen Ausbildung allein aus der Lektüre heraus womöglich weniger einleuchtend, was daraus für eine sachgerechte Diagnostik folgt und was demnach in einem fachlich angemessenen Gutachten vorzufinden sein sollte.  Es ist daher eher die Regel als die Ausnahme, dass Juristen und Psychologen aneinander vorbeireden, wenn es darum geht, den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess in einem Einzelfall zu beschreiben.

Doch auch Juristen können und sollen ein psychologisches Sachverständigengutachten mindestens auf seine Plausibilität hin überprüfen können, damit letztendlich eine Entscheidung zugunsten des Kindeswohls ergehen kann, die auf einer soliden Datengrundlage beruht.

 

Hinweis der Redaktion: Was die wesentlichen Grundlagen sachgerechter Diagnostik ausmachen, erfahren Sie im Fortbildungsbeitrag Mohnert, Gutachtenqualität in Kindschaftssachen – Wissenschaftliche Standards (FamRB 2025, 113).  Der Beitrag ist zum Selbststudium nach § 15 FAO geeignet und auch im kostenlosen Datenbanktest zu lesen und zu lösen.

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