Kindesunterhalt im Wechselmodell

Immer häufiger wird in Politik und Medien das so genannte „Wechselmodell“ diskutiert, in dem Kinder getrennter Paare, im Wechsel von beiden Elternteilen jeweils hälftig betreut werden. Die familienrechtliche Praxis zeigt, dass diese Betreuungsvariante auch tatsächlich zunehmend praktiziert wird. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung in der Bevölkerung ist es nämlich keineswegs so, dass im Falle der Betreuung eines Kindes im Wechselmodell die Pflicht zur Leistung von Kindesunterhalt vollständig entfällt. Vielmehr ist es so, dass die Eltern anteilig entsprechend ihren Einkommensverhältnissen für den Kindesunterhalt aufzukommen haben. Der besser verdienende Elternteil muss also im Wechselmodell einen Ausgleich in Geld an den schlechter verdienenden Elternteil leisten.

Für den Rechtsberater ist diese Konstellation in Unterhaltsverfahren vor allem deshalb problematisch, weil ein Kind grundsätzlich nur von beiden sorgeberechtigten Elternteilen gemeinsam vertreten werden kann. Da das Kind und nicht etwa der schlechter verdienende Elternteil der Inhaber des Unterhaltsanspruchs ist, müssten also eigentlich beide Elternteile den Unterhaltsanspruch gemeinsam geltend machen. Es liegt auf der Hand, dass der unterhaltspflichtige Elternteil dazu häufig nicht ohne weiteres bereit ist. Für die „normale“ Konstellation, in der das Kind seinen Lebensmittelpunkt nur bei einem der beiden Elternteile hat, sieht das Gesetz daher bzgl. der Kindesunterhaltsansprüche eine Ausnahme von der gemeinsamen Vertretungsberechtigung vor. Gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB kann derjenige Elternteil, bei dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat, dessen Unterhaltsansprüche gegen den anderen Elternteil alleine geltend machen. Da diese Ausnahme im Falle eines Wechselmodells nicht greift, behilft sich die Rechtsprechung bisher mit zwei „Notlösungen“, die der Bundesgerichtshof auch beide als rechtstechnisch möglich bestätigt hat (BGH v. 12.3.2014 – XII ZB 234/13, FamRZ 2014, 917 = FamRB 2014, 204). Beide Lösungen werden jedoch den Anforderungen der Praxis nicht gerecht:

Zum einen soll es möglich sein, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils das Sorgerecht bzgl. der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen nach § 1628 BGB auf einen der beiden Elternteile zur alleinigen Ausübung überträgt (BGH v. 12.3.2014 – XII ZB 234/13, FamRZ 2014, 917 = FamRB 2014, 204; zur abweichenden Meinung s. Palandt/Götz, 80. Aufl., § 1628 BGB Rn. 5 m.w.N). Wählt der Rechtsberater diesen Weg, muss er, bevor er überhaupt ein Unterhaltsverfahren einleiten kann, zunächst einmal einen Antrag nach § 1628 BGB stellen, also ein Sorgerechtsverfahren führen. Angesichts dessen, dass der schlechter verdienende Elternteil häufig dringend auf die Zahlungen des anderen Elternteils zur Versorgung der gemeinsamen Kinder angewiesen ist, führt dies zu untragbaren Verzögerungen.

Zum anderen kann der schlechter verdienende Elternteil bei Gericht anregen, für das Kind einen Ergänzungspfleger zur Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche zu bestellen. Diese Variante ist zum einen deshalb problematisch, weil das Gericht in diesem Fall zunächst einmal eine geeignete Person finden und beauftragen und diese Person sich dann auch noch um die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche bemühen muss. Hier ist also erst recht mit einer ganz erheblichen Verzögerung zu rechnen. Zudem hat der schlechter verdienende Elternteil keine Möglichkeit, auf den Verlauf des von dem Ergänzungspfleger zu führenden Verfahrens Einfluss zu nehmen.

Meines Erachtens gibt es hier einen weit einfacheren und praktikableren Weg, der im Interesse der betroffenen Kinder und Elternteile ständige Praxis bei den Familiengerichten werden sollte:

  1. Solange der unterhaltspflichtige Elternteil keine Einwände gegen die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs des Kindes durch den anderen Elternteil als solche, sondern nur gegen die Höhe des geltend gemachten Anspruchs erhebt, stellt dies eine zumindest konkludente Zustimmung des unterhaltspflichtigen Elternteils zur alleinigen Ausübung des Sorgerechts des anderen Elternteils bzgl. der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche dar. Solange hier Einigkeit besteht, bedarf es keiner Entscheidung nach § 1628 BGB, der nur greift, wenn sich die Eltern „in einer Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheit der elterlichen Sorge“ nicht einig sind.
  2. Wenn der unterhaltspflichtige Elternteil seine Zustimmung widerruft, kann das Familiengericht diesem Elternteil das Sorgerecht bzgl. der Durchsetzung der Kindesunterhaltsansprüche gemäß § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB i.V.m. § 1796 Abs. 1, Abs. 2 BGB entziehen, da hier ganz offensichtlich eine Interessenkollision zwischen dem berechtigten Kind und dem verpflichteten Elternteil besteht. Damit fällt das Sorgerecht bzgl. der Durchsetzung der Kindesunterhaltsansprüche gemäß § 1680 Abs. 3 BGB automatisch dem anderen Elternteil alleine zu.
  3. Wenn der unterhaltspflichtige Elternteil seine Zustimmung zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche durch den anderen Elternteil bereits vorgerichtlich verweigert, kann der Unterhaltsantrag dennoch unmittelbar gestellt werden, verbunden mit der Anregung, dem anderen Elternteil das Sorgerecht bzgl. der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche zu entziehen.

Würden die Gerichte in diesen Fällen standardmäßig dem unterhaltspflichtigen Elternteil das Sorgerecht bzgl. der Durchsetzung der Kindesunterhaltsansprüche wegen Interessenkollision entziehen, würde dies dazu führen, dass die unterhaltspflichtigen Elternteile zukünftig in den meisten Fällen freiwillig ihre Zustimmung zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche durch den anderen Elternteil erteilen würden, womit sich dieses in der Praxis äußerst hinderliche rechtstechnische Problem insgesamt erledigt hätte.

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