Pensionsminderung durch Rentengewinne im Versorgungsausgleich?

Die Umsetzung eine Versorgungsausgleichsentscheidung überfordert manchmal die Träger der Beamtenversorgung. Wird zugunsten des Beamten im Versorgungsausgleich eine Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet und erhält der Beamte später neben seiner Beamtenpension daraus eine Rente, kommt es immer wieder vor, dass diese Rente auf die Beamtenversorgung angerechnet wird. Selbst bei Richtern besteht diesbezüglich oftmals Unsicherheit. Die Versorgungsträger berufen sich dabei auf § 55 BeamtVG oder vergleichbare Vorschriften in den entsprechenden Landes-Beamtenversorgungsgesetzen. Zugegeben, die Norm ist lang. Aber schon in Abs. 1 findet man Satz 7: 

§ 55 Abs. 1 S. 7 BeamtVG:

Renten, Rentenerhöhungen und Rentenminderungen, die auf § 1587b des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder § 1 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich, jeweils in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung, beruhen, sowie übertragene Anrechte nach Maßgabe des Gesetzes über den Versorgungsausgleich vom 3. April 2009 (BGBl. I S. 700) und Zuschläge oder Abschläge beim Rentensplitting unter Ehegatten nach § 76c des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleiben unberücksichtigt. 

Es wäre auch ein merkwürdiges Ergebnis, wenn der Versorgungsausgleichsgewinn aus einem Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Pensionsminderung der durch den Versorgungsausgleich ohnehin geminderten Versorgung führte. Recht hat immer etwas mit Logik zu tun. Die Norm schafft ein logisches und damit auch gerechtes Ergebnis.

 

Karge Worte des Sparsamen – Bundesverfassungsgericht nimmt Beschwerde zu § 17 VersAusglG nicht an (BVerfG v. 9.3.2017 – 1 BvR 963/16)

Ein Bild von Paul Klee ist betitelt: „Karge Worte des Sparsamen“. Es zeigt einen intelligenten Flaschenkopf mit hellwachen Augen und einem im Verhältnis dazu deutlich zu kleinen, verschlossenem Mund. Der Bildtitel erscheint als „Krg Wrt Sp.“ in Buchstaben im Bild.

Mit ebensolcher Kargheit hat das BVerfG am 9.3.2017 (1 BvR 963/16) eine eingelegte Verfassungsbeschwerde wegen der nachteiligen Folgen der externen Teilung eines betrieblichen Anrechts mit einem Ausgleichswert von knapp 50.000 € nicht angenommen. 33 Worte genügten den Verfassungsrichtern dazu.

In den familienrechtlichen Kommunikationsmedien wird eine Mischung von Trübsal, Enttäuschung und rücksichtsvollem Gerichtsbashing betrieben. Viele meinen, das Verfassungsgericht hätte sich doch wenigstens einige Worte der Begründung abringen können.

Zum Glück hat es das nicht. Denn das Bundesverfassungsgericht ist an das BVerfGG gebunden und die Voraussetzungen für die Annahme einer Verfassungsbeschwerde nach § 13 Nr. 8a BVerfGG sind, dass ihr ‚grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt‘ oder eine Grundrechtsverletzung einen ‚besonders schweren Nachteil‘ beim Beschwerdeführer auslöst (§ 93a BVerfGG), falls eine Entscheidung zur Sache versagt wird. Diese Voraussetzungen hat der Beschwerdeführer darzulegen. Er muss also nicht nur darlegen, welches Grundrecht durch eine Gerichtsentscheidung verletzt worden ist, sondern auch die Dimension der Verletzung. Dabei reicht es nicht aus, die verfassungswidrige Ungerechtigkeit einer Norm zu beklagen (das wäre Aufgabe einer Normenkontrollklage). Vielmehr müssen die Grundrechtsverletzung und deren Auswirkungen auf den Beschwerdeführer dargelegt werden (§ 92 BVerfGG).

Das alles macht Verfassungsbeschwerden aufwändig. Die hier nicht zur Entscheidung angenommene Verfassungsbeschwerde erfüllte diese formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nach Ansicht des Gerichts nicht. Deshalb konnte und durfte das BVerfG die Beschwerde nicht zur Entscheidung annehmen.

Vielleicht sind die mit der externen Teilung zusammenhängenden Rechtsprobleme auch noch nicht ausreichend erörtert.

Im Versorgungsausgleich werden bei der internen Teilung ‚Renten‘ dinglich geteilt. Die Forderung eines angemessenen Teilungsergebnisses ist daher in diesen Fällen gerechtfertigt.

Bei der externen Teilung wandelt sich die ‚dingliche Teilung‘ gewissermaßen in einen ‚Wertausgleich‘.

  • Fehlt dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen tatsächlich der Spielraum, einen solchen Transfer zu ermöglichen, an den wir uns im Zugewinnausgleich, dem jede dingliche Teilhabe fremd ist, gewöhnt haben und dessen Verfassungswidrigkeit dort nicht bemängelt wird?
  • Könnten wir tatsächlich die betrieblichen Versorgungsträger zur Auskehrung höherer Ausgleichswerte zwingen, als diese für eine Versorgung bilanziert haben, ohne die nächste verfassungsrechtlich bedenkliche Baustelle zu eröffnen?
  • Wir wissen, dass die Kapitalmarktentwicklung dazu geführt hat, dass betriebliche Versorgungssysteme unterfinanziert sind und einen erheblichen finanziellen Nachschussbedarf haben. Können wir aber diesen Nachschussbedarf präemptiv in der Höhe des Ausgleichswerts abbilden, obwohl er erst nachehezeitlich entsteht, wenn nämlich der Mitarbeiter zum Rentenbezieher mutiert und sich dann herausstellt, dass die tatsächlich gebildeten Rückstellungen nicht ausreichend sind? Der dann erforderliche ‚Nachschuss‘ wird von den ‚aktiven Mitarbeitern‘ des Unternehmens nachehezeitlich erwirtschaftet. Da betriebliche Anrechte keine Abänderungsmöglichkeit kennen (§ 32 VersAusglG), kann die ausgleichsberechtigte Person an diesem nachehezeitlichen Nachschuss auch nicht beteiligt werden.

Solange die Diskussion das Ausgleichsergebnis fokussiert, werden die Familienrechtler die Sozialpolitiker und die Frauenrechtler aktivieren, wahrscheinlich aber nicht die Verfassungsrechtler.

Diese könnten sich aber dafür interessieren, ob die in § 17 VersAusglG vorgesehene Schwellgrenze für den Übergang zur internen Teilung nicht willkürlich hoch bemessen ist. Welches Argument rechtfertigt die interne Teilung einer Versorgung oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze und die externe Teilung einer Versorgung mit einem Kapitalwert unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze? Nach der Rechtsprechung des BGH können die Betriebe die durch die Teilung entstehenden Kosten (einschließlich der künftigen Verwaltungskosten) auf die sich scheidenden Ehegatten umlegen (BGH v. 27.06.2012 – XII ZB 275/11, FamRZ 2012, 1546 = FamRB 2012, 307). Ein Kostenargument kann also die Differenzierung nicht rechtfertigen. Dass die ausgleichsberechtigten Ehegatten kleinerer Versorgungswerte der Versorgungshomologität eher abträglich seien als die größerer Versorgungswerte, dürfte Verfassungsrechtler wohl eher zu mildem Lächeln bringen. Das berechtigte Interesse am Ausschluss von Bagatellversorgungen aus den betrieblichen Systemen kann man durch eine moderate Anhebung der Bagatellgrenze bewerkstelligen. Wählte man z.B. für die betriebliche Altersversorgung als Grenzwert 50 % des Durchschnittsentgelts in der gesetzlichen Rentenversicherung als Grenzwert für die interne Teilung (das wären heute rd. 19.000 €), reduzierte man zwar nicht den prozentualen Transferverlust, aber die „besonders schweren Nachteile“ der ausgleichsberechtigten Personen (§ 93a Abs. 2 Nr. 2a BVerfGG).

Das BVerfG hat – aus formalen Gründen – die Beschwerde nicht angenommen. Damit ist die Verfassungsmäßigkeit von § 17 VersAusglG nicht festgestellt. Festzustellen ist aber, dass Verfassungsbeschwerden nicht leichtsinnig eingelegt und gut begründet werden sollten. Das BVerfG ist keine familienrechtliche Superrevisionsinstanz, sondern Verfassungsorgan.

Ich zweifele – wie oben dargestellt – nach wie vor daran, dass die durch § 17 VersAusglG gezogene Grenze für interne und externe Teilung unter Gleichheitsaspekten zu begründen ist (vgl. FS Brudermüller, S. 277). Ein entsprechender Fall muss aber sorgsam ausgesucht und ein Verfahren von vornherein mit der Grundrechtsproblematik „belastet“ werden. Und schließlich muss auch der „besonders schwere Nachteil“ dokumentiert werden. Ab wann ein solcher gegeben ist, ist schwer zu sagen. Aber dafür haben wir ja das Bundesverfassungsgericht. Bessere Richter haben wir nicht und eine bessere Institution zur Klärung solcher Fälle ist uns bislang auch noch nicht eingefallen.

Nun schätzt mal schön – Der Versorgungsausgleich in der Zusatzversorgung (BGH v. 8.3.2017 – XII ZB 697/13)

Rechtzeitig vor Ostern sorgt der BGH für Unruhe bei den Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes und kippt einen zentralen Bestandteil ihres Berechnungsmodells: die geschlechtsspezifische Versorgungsbegründung im Versorgungsausgleich. Damit sind fast alle Auskünfte der Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes und der VBL, die nach dem 31.12.2012 erteilt wurden, als Grundlage für den Versorgungsausgleich Makulatur.

Drei Fragen im Zusammenhang mit der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes waren offen:

  1. Ist die Berechnung des Ausgleichswerts auf der Basis der zu teilenden Versorgungspunkte in einen Kapitalwert und die Begründung der Versorgung für die ausgleichsberechtigte Person auf der Basis der aus diesem Kapitalwert resultierenden altersabhängigen Entgeltpunkte zulässig?
  2. Ist es in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zulässig, geschlechtsspezifische Barwertfaktoren für die Rentenbegründung im Versorgungsausgleich zu benutzen?
  3. Ist es bei der internen Teilung eines Anrechts des ZVK zulässig, vom Pflicht- in den freiwilligen Versicherungszeig zu wechseln?

Die ersten beiden Fragen sind nun beantwortet:

Zu 1.:

In der ZVK des öffentlichen Dienstes sind die Versorgungspunkte die Bezugsgröße. Nach § 5 Abs. 1 VersAusglG wird auf der Basis der jeweiligen Bezugsgröße geteilt und für die ausgleichsberechtigte Person eine Versorgung begründet. Wenn also ehezeitlich 20 Versorgungspunkte (VP) begründet wurden, wären 10 VP für die ausgleichsberechtigte Person zu begründen. So einfach macht es sich und uns die ZVK indessen nicht. Vielmehr werden die ehezeitlich erworbenen VP anhand der biometrischen Daten der ausgleichspflichtigen Person in einen Barwert umgerechnet, dieser wird geteilt und anhand der biometrischen Faktoren der ausgleichsberechtigten Person wird das geteilte Kapital in VP umgerechnet. Das führt für die Beteiligten zu der oftmals als verblüffend empfundenen Erkenntnis, dass die Teilung von 12,64 VP für die ausgleichsberechtigte Person zu einer Versorgung in Höhe von 10,82 VP führt. Falsche Mathematik? Nein, richtige Versicherungsmathematik sagt die ZVK und nun auch der BGH, denn der Versorgungsausgleich müsse für Versorgungsträger kostenneutral abgewickelt werden und deswegen sei es zulässig, wenn unterschiedliches Alter von ausgleichspflichtiger und ausgleichsberechtigter Person zu unterschiedlich hohen Versorgungen führe. Bei jüngeren Ausgleichsberechtigten verweile das Ausgleichskapital länger im Versorgungssystem, erziele Zinserträge und könne daher auch höhere Renten generieren. Deshalb seien die Teilung auf Kapitalwertbasis und deren Umrechnung in Versorgungspunkte zulässig.

Zu 2.:

  1. Die Anwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren bei der Umrechnung des Kapitalbetrages in Versorgungspunkte hält der BGH allerdings nicht für zulässig (Rz. 26 ff.). Die Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes seien als Anstalten des öffentlichen Rechts an die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes gebunden. Zwar hätten Frauen eine längere Lebenserwartung als Männer, was versicherungsmathematisch differierende Barwertfaktoren rechtfertige. Letztlich stelle dies aber eine geschlechtsspezifische Diskriminierung von Frauen dar, die im Lichte von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht zu rechtfertigen sei. Dies bedeute allerdings nicht, dass alle Versorgungsausgleiche, die auf der Basis nicht genderneutraler Auskünfte der Zusatzversorgungen durchgeführt worden seien, fehlerhaft seien. Erst solche Versorgungsauskünfte, die nach dem 1.1.2013 erteilt worden seien, könnten vor der Rechtsordnung keinen Bestand haben, weil der Europäische Gerichtshof Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie 2004/113/EG mit Wirkung zum 21.12.2012 für ungültig erklärt habe (Rz. 43) und seitdem fraglich sei, ob die Anwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren in der betrieblichen Altersversorgung unionsrechtlich zulässig sei. Da eine solche geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung aber bereits gegen nationales Verfassungsrecht verstoße (Rz. 48), könne sie nur bis zum 31.12.2012 hingenommen werden. Nach diesem Stichtag erteilte Versorgungsauskünfte von öffentlich-rechtlichen Zusatzversicherungen seien grundsätzlich nicht verwertbar. Bis zur Umstellung der Rechnungsgrundlagen durch die Versorgungsträger könnten die Werte geschätzt werden. Ein brauchbares Schätzmodell sei in der Entscheidung des OLG Celle (FamRZ 2014, 305, 308 f.) enthalten.
  2. Nun schätzt mal schön*, will uns der BGH sagen. Das ist aber gar nicht so einfach und dürfte die Familienrechtler ohne besondere Hilfsmittel überfordern.
    • Das OLG Celle hatte in der vom BGH erwähnten Entscheidung die ZVK aufgefordert, alle maßgeblichen alters- und geschlechtsspezifischen Barwertfaktoren für die Stichtage zur Berechnung des Kapitalwerts und des Rentenwerts mitzuteilen und dann folgendes Schema entwickelt (entnommen Hauß/Bührer, Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis, 2. Aufl., Rz. 952):

      OLG Celle, geschlechtsneutrale Teilungsberechnung

      Barwertfaktor Mann (47)

      Barwertfaktor Frau (42)

      Monatsrente

      148,09 €

      148,09 €

      Jahresrente

      1.777,08 €

      1.777,08 €

      Barwertfaktor (47)

      7,42

      7,434

      Barwert

      13.185,93 €

      13.210,81 €

      Barwert / 2

      6.592,97 €

      6.605,41 €

      Teilungskosten

      – 125,00 €

      – 125,00 €

      Ausgleichswert

      6.467,97 €

      6.480,41 €

      Barwertfaktor (42)

      6,417

      6,436

      Jahresrente

      1.007,94 €

      1.006,90 €

      Monatsrente

      84,00 €

      83,91 €

      Versorgungspunkte (Rente / 4)

      21,00

      20,98

      gemittelte Versorgungspunkte

      20,99

      Der Unterschied zwischen grundgesetzkonformer geschlechtsneutraler und geschlechtsdifferenzierender Berechnungsmethode betrug im Fall des OLG Celle gerade einmal 20 Eurocent (vgl. Hauß, FamRB 2013, 386).

    • Die Gerichte könnten nun recht einfach die Bewertungen vornehmen, wenn die Träger der Zusatzversorgungen nicht ein Geheimnis um Ihre Barwertfaktoren machten. Diese werden nämlich nicht veröffentlicht. Würden sie veröffentlicht, könnte man sehr einfach und auch sehr schnell ein Programm zur geschlechtsneutralen Kalkulation der Werte entwickeln, das den Gerichten die Möglichkeit böte, anhand der Berechnungsparameter der ZVK einen geschlechtsneutralen Ausgleich vorzunehmen. Solange die Parameter allerdings Geheimsache sind, muss man nun in allen Fällen die Versorgungsträger zwingen, neue Auskünfte zu erteilen oder ihnen mit wilden Schätzungen drohen. Das alles kostet Geld der Versorgungsträger und Zeit der Mandanten. Schade.
    • Besteht jetzt Abänderungspotential um bei 180.000 Scheidungen pro Jahr zehntausende genderpolitisch fehlerhaft durchgeführten Versorgungsausgleiche zu korrigieren? Wohl kaum. Das Beispiel des OLG Celle zeigt, wie gering der versicherungsmathematische Unterschied genderpolitischer Korrektheit materiell ausfällt. Bevor die Anwaltschaft nun die Abänderungsmaschine anwirft, sollte man kurz die Reaktion der Zusatzversorgungen abwarten. Diese täten gut daran, nun endlich ihre Barwertfaktoren zu veröffentlichen und so eine einfache Möglichkeit der Prüfung und Neuberechnung zu schaffen, ganz ohne neue Auskünfte und ohne lange Stauzeiten.

Zu 3.:

Die Frage, ob ein interner Ausgleich vorliegt, wenn der Versicherungszweig in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes gewechselt wird, und ein Anrecht statt in der Pflicht- in der freiwilligen Versicherung begründet wird (z.B. in der eZVK Hessen), ist noch nicht beantwortet. Sie weist auch über das Zusatzversorgungssystem hinaus, weil auch der BVV und viele private Versorgungen einen für die ausgleichsberechtigte Person regelmäßig nachteiligen Tarifwechsel vornehmen. Es bleibt zu hoffen, dass der BGH mit ähnlich beeindruckender Rigidität wie im obigen Beschluss das System eines gerechten Ausgleichs der ehezeitlichen Versorgungen vor der schleichenden Demontierung durch die Versorgungsträger schützt.

* Leichte Abwandlung eines Satzes des ehemaligen Bundespräsidenten Heuss, der als Manövergast der Bundeswehr 1958 die Generalität in scherzend ironischer Art mit dem Satz konfrontierte: „Nun siegt mal schön!“

Revolutionäres von der Kindesunterhaltsbemessung? (zu BGH v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16)

Der eine betreut, der andere zahlt, und die Höhe der Zahlung wird aus dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils berechnet. Diese Gewissheit gerät nun ins Wanken. Der BGH entscheidet im Fall einer auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen berufstätigen und alleinerziehenden Mutter, dass der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes aus dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern zu erheben sei. Der barunterhaltspflichtige Elternteil brauche zwar maximal nur den aus seinen Einkünften errechneten Unterhaltsbedarf des Kindes zu befriedigen, die das Kind betreuende Mutter könne aber von ihrem Erwerbseinkommen den die Zahlung des Kindesvaters übersteigenden Tabellenbedarf des Kindes abziehen.

So ganz überraschend kommt das nicht. Leben Eltern zusammen, wird der Bedarf der Kinder im Elternunterhalt schon immer aus dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern berechnet, weil der Lebensstandard der Familie durch die beiderseitigen Elterneinkünfte geprägt wird. Warum dies anders sein soll, wenn eine Trennung vorliegt, ist nicht nachvollziehbar.

Trotzdem wird man sich auch im sonstigen Unterhaltsrecht gründlich mit dieser Entscheidung auseinandersetzen müssen. Die Unterhaltsberechnung für den betreuenden Elternteil fiele nämlich anders aus, wenn man die Berechnungsmethode des BGH für die Bestimmung des Bedarfs des minderjährigen Kindes auf den Unterhaltsbedarf des betreuenden Elternteils ausdehnen würde:

Revolutionaeres

Immerhin ergäbe sich in diesem Fall ein um 54 € (11,25 %) höherer Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils.

Der BGH lehnt in der Entscheidung die Berücksichtigung eines pauschalen Betreuungsbonus für die betreuende Person ab, weist aber ausdrücklich darauf hin, es könne auch sein, dass die Erwerbseinkünfte des betreuenden Elternteils als überobligatorisch anzusehen seien, entsprechender Vortrag sei jedoch nicht zur Akte gereicht worden.

Die Entscheidung hat in den familienrechtlichen Fachforen bereits heftige Reaktionen ausgelöst. Der Gesetzgeber – soviel steht fest – hat bislang § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht geändert. Was aber beim Wechselmodell für die Bedarfsbestimmung des minderjährigen Kindes gilt (BGH v. 11.1.2017 XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 = FamRB 2017, 126), sollte doch auch sonst als richtig erwogen werden. Jedenfalls ist nicht ohne weiteres zu erkennen, wieso bei einer Erwerbstätigkeit beider Eltern der Bedarf des Kindes sich nur aus einem Einkommen ableiten soll. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB sagt nur etwas zum Barunterhalt. Deswegen definiert der BGH in der Entscheidung die Aufwendungen des betreuenden Elternteils als Naturalunterhalt, denn der Barunterhalt dürfte bei Doppelverdienern fast nie ausreichen, Wohnen, Sport, Freizeit, Essen und Kleidung des Kindes hinreichend zu finanzieren. Mit dem Einkommen wachsen auch die Bedürfnisse. Im Gesetz steht auch nichts über die Einstufung nach der Düsseldorfer Tabelle.

Man sollte und muss die Diskussion über die Austarierung des Kindesunterhalts offen führen. Erste Ansätze dazu sind gemacht. Sowohl die Struktur der Düsseldorfer Tabelle (dazu Schürmann, FamRB 2017, 27, 29) als auch der nacheheliche (dazu Hauß, FamRB 2017, 121) und der Kindesunterhalt (s. FamRB 2017, 124) werden diskutiert. Gut so.

Elternunterhalt und Altersvorsorge (zu BGH v. 18.1.2017 – XII ZB 118/16)

Bei der Berechnung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit im Elternunterhalt spielt neben dem Einkommen des Kindes dessen Kreditbelastung und monatliche Altersvorsorgerückstellung eine große Rolle. Da die selbst bewohnte Immobilie in den seltensten Fällen bereits vollständig schuldenfrei ist, summieren sich die Tilgung des Immobilienkredits und die Altersvorsorgerückstellungen zu ansehnlichen Abzugsposten. Das ging dem OLG Hamm (OLG Hamm v. 9.7.2015 – II-134 UF 70/15, FamRZ 2015, 1974 = FamRB 2016, 7) zu weit. Sie meinten Volkes Stimme zu interpretieren, wonach das Eigenheim die beste Altersvorsorge sei, weswegen sie die Tilgungsleistungen für die selbst bewohnte Immobilie auf die im Elternunterhalt großzügig mit 5 % des Bruttoeinkommens bemessene Altersvorsorgerückstellung anrechnen wollten.

Das konnte und durfte nicht gut gehen. Der BGH hatte nämlich schon vor geraumer Zeit entschieden, die selbst bewohnte Immobilie sei kein Altersvorsorgevermögen (BGH v. 7.8.2013 – XII ZB 269/12, FamRZ 2013, 1554 = FamRB 2013, 310), weil die im Elternunterhalt geltende Lebensstandardgarantie (BGH v. 23.10.2002 – XII ZR 266/99, FamRZ 2002, 1698 = FamRB 2003, 3) die Annahme einer Verwertungsobliegenheit nach Abschluss der Erwerbsphase zur Erreichung angemessenen Alterseinkommens verböte. Die Logik gebietet dann aber, Tilgungsleistungen zum Erwerb eines Eigenheims nicht der Altersvorsorge zuzurechnen, wenn das Eigenheim selbst keine Altersvorsorge ist.

Dieser Linie ist der BGH nun treu geblieben und hat entschieden, dass neben den Zinsen auch die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen abzuziehen sind, ohne dass dies die Befugnis zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert. Nur der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil sei als Vermögensbildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der sekundären Altersvorsorge auf die Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens des Elternunterhaltspflichtigen anzurechnen.

Die danach zulässigen monatlichen Altersvorsorgerückstellungen betragen 5 % des sozialversicherungspflichtigen und 25 % des nicht sozialversicherungspflichtigen Bruttoerwerbseinkommens (BGH v. 30.8.2006 – XII ZR 98/04, FamRZ 2006, 1511 = FamRB 2006, 327). Das kann recht viel sein (bei einem Einkommen von 100.000 € immerhin 833 € monatlich). Kommen noch die Tilgungsleistungen dazu, findet erhebliche Vermögensbildung zu Lasten des Elternunterhaltsanspruchs statt.

Die Essenz der Entscheidung lautet: Solange Zins und Tilgung für die selbst bewohnte Immobilie deren Wohnvorteil nicht übersteigen, kann die pauschal berechnete Altersvorsorgerücklage ungekürzt vom unterhaltspflichtigen Einkommen abgezogen werden. 

Der erfreuliche Nebeneffekt verblüfft: Der Wohnvorteil spielt nun solange keine Rolle mehr, solange Zins und Tilgung nicht höher als der Wohnvorteil sind. Nur bei ‚negativem Wohnvorteil‘ wird der Tilgungsüberschuss auf die Altersvorsorge angerechnet. Paradoxerweise werden nun die Sozialhilfeträger darum wetteifern, den Wohnvorteil (OLG Hamm v. 9.7.2015 – II-134 UF 70/15, FamRZ 2015, 1974 = FamRB 2016, 7) so niedrig wie möglich anzusetzen, während sie derzeit noch versuchen, den Wohnvorteil so hoch wie möglich zu treiben.

Erfreulich ist auch, dass der BGH Kosten einer Risikolebensversicherung und einer Krankenhaustagegeldversicherung unterhaltsrechtlich berücksichtigen will. Das muss dann auch für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gelten.

Und auch bei der Berechnung der Einkünfte von Kind und Schwiegerkind bleibt der BGH sich selbst treu: Das Einkommen ist fiktiv unter Geltung von Steuerklasse IV/IV zu berechnen und der Splittingvorteil nach § 270 AO zu verteilen (BGH v. 17.6.2015 – XII ZB 458/14, FamRZ 2015, 1594 = FamRB 2015, 333). Das ist kompliziert, aber zu schaffen.

Wechselmodell – rotes Tuch oder Chance?

Kaum eine Debatte des Familienrechts wird mit so viel Inbrunst, Emotion und Leidenschaft geführt wie die Diskussion um das Wechselmodell. Nun hat der BGH entschieden, dass ein solches auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann, wenn es dem Kindeswohl am besten entspricht (BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15). Eingefleischte Gegner des Wechselmodells werden dem BGH vorwerfen, keine Kinder zu haben, zu wenig basisbezogen das Kindeswohl zu werten oder die aus dem Wechselmodell resultierenden Streitigkeiten als einen die Gerichte der ersten Instanzen überschwemmenden Tsunami zu menetekeln. 

Kein Familienrechtler würde heute noch den Satz formulieren, ‚Kinder gehören zur Mutter‘. Trotzdem entspricht dies unserer Familientradition und unserem Vorverständnis. Man merkt es bei sich selbst. Da kommt eine Frau und berichtet, sie habe nach Streitigkeiten mit dem Mann die Wohnung verlassen und die beiden Kinder (5 und 7 Jahre alt) beim Mann zurückgelassen. Man wird skeptischer, aufmerksamer vielleicht sogar misstrauisch und achtet auf Zwischentöne. Umgekehrt wäre man in der Erwartungshaltung bestätigt und gelassen. Alles liefe nach ‚Drehbuch‘.

Vor wenigen Tagen verbreitete die Presse die Meldung, Deutschlands Frauen trügen von allen OECD-Ländern den geringsten Teil zum Familieneinkommen bei. Das liegt an vielem, aber auch daran, dass Kinder ‚Frauensache‘ sind und diese sich für die Kinder opfern. Alles andere erregt Misstrauen. So wie auch das Doppelresidenz- oder Wechselmodell.

Viele im Zusammenhang mit dem Wechselmodell stehenden Fragen aus dem Sozial- und Steuerrecht sind nach wie vor ungeklärt. Auch weiss man nicht so ganz routiniert, wie der Unterhalt zu berechnen sei. Wenn beide Eltern hälftig betreuen, schmilzt dann die Barunterhaltspflicht, weil ja betreut wird (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB)? Die Sparsamen unter uns fragen sich, ob die betreuungsbedingten Verdiensteinbußen und die Erfüllung der Barunterhaltsverpflichtung durch Betreuung (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB) nun Schäubles schwarze Null gefährden

All denen sei versichert: Das Abendland wird nicht untergehen. Und die Kinder? Die verkraften ein Wechselmodell genauso gut oder schlecht wie eine übersorgende gluckenhafte Mutter, einen arbeitssüchtigen Vater oder umgekehrt. Sie leben auch in der intakten Familie mit unterschiedlichen Erziehungsstilen, die sie aus Kindergarten und Schule ohnehin gewohnt sind. Jedenfalls verkraften Kinder ein Wechselmodell besser als streitende Eltern, und sei es auch nur, sie stritten ums Besuchsrecht. Der BGH schreibt völlig zu Recht in die Entscheidung, dass das Wechselmodell höhere Anforderungen an Eltern und Kind stellt als das Alleinresidenzmodell.

Das Wechselmodell stellt aber auch hohe Anforderungen an die damit befassten Juristinnen und Juristen. Es wird in mehr Fällen praktiziert, als von der Rechtsprechung entschieden werden, weil es meist einvernehmlich gehandhabt wird und diese Fälle beschäftigen nicht die Justiz. Da aber, wo Eltern sich nicht einigen können, welches Modell der Kinderbetreuung sie nach der Trennung praktizieren wollen, haben Kinder das Recht darauf, dass wir uns als Juristen vorurteils- und vorverständnisfrei damit beschäftigen und Lösungen finden. Die Randprobleme Unterhalt, Sozial- und Steuerrecht werden wir doch wohl in den Griff bekommen. Juristinnen und Juristen waren immer kreativ. Wir sollten aber vermeiden, zu hohe Anforderungen an die vom BGH geforderte Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft der Eltern zu stellen und bei tatsächlichen Konflikten zu schnell das Wechselmodell als konkrete Falllösung aussondern. Wir würden den Rosenkrieger mit dem Residenzrecht adeln, falls wir nicht sehr genau analysieren, wer zündelt und zankt und damit dem Kind schadet.

Kinderehenverbot – Der Gesetzentwurf

Das BMJV hat mit Datum v. 17.2.2017 den (innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgestimmten) ‚Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen‘ zur Stellungnahme bis zum 22.2.2017 an ‚Fachkreise und Verbände‘ versandt. Viel möchte das Ministerium wohl nicht lesen und hören. Für eine Stellungnahme zu einem 29 Seiten starken Entwurf nebst Begründung ist die Zeit provokant kurz. Immerhin müssen sich ‚Fachkreise und Verbände‘ intern abstimmen. Der Schluss liegt also nahe, dass die Regierungsfraktionen einer Fachdiskussion entgehen möchten und der Bitte um eine Stellungnahme die Hoffnung hinterlegt ist, diese möge unterbleiben.

Es liegen ja auch schon reichlich Stellungnahmen vor. Vom Deutschen Familiengerichtstag über den Deutschen Juristinnenbund bis zum Deutschen Anwaltverein ist das Gesetzesvorhaben einhellig abgelehnt worden, weil es eines neuen Gesetzes nicht bedarf, um minderjährige Ehegatten zu schützen. Das Deutsche Strafrecht verbietet sexuellen Missbrauch generell und Geschlechtsverkehr mit Personen unter 14 Jahren auch dann, wenn sie verheiratet sind. Schulpflicht besteht für Personen bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres und Jugendämter können Minderjährige wirksam schützen und fördern, auch wenn sie verheiratet sind.

Das Gesetz sieht u.a. vor,

  • die Ehemündigkeit generell an die Volljährigkeit zu koppeln und den Genehmigungsvorbehalt bei Eheschließung minderjähriger Personen in § 1303 Abs. 2 BGB zu streichen;
  • dass Ehen von Personen, die im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet haben, ‚Nichtehen‘ und daher nichtig sind;
  • dass Ehen von Minderjährigen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, auf Antrag durch das Familiengericht aufgehoben werden können (§ 1316 BGB-E). Antragsberechtigt sind der minderjähriger Ehegatte und die Verwaltungsbehörde, die in diesen Fällen den Antrag stellen muss, es sei denn, der zwischenzeitlich volljährig gewordene Ehegatte gibt zu erkennen, dass er die Ehe fortsetzen will;
  • dass das Voraustrauungsverbot, das eine rituelle Eheschließung vor der standesamtlichen verbietet und das 2009 als Beschränkung der Religionsfreiheit aufgehoben wurde, wieder eingeführt wird.

Das Vorhaben der Regierung folgt wohl eher einem Empörungsritual als den Geboten wirksamen Minderjährigenschutzes. Wir lassen Jugendliche ab Vollendung des 16. Lebensjahres bei Kommunal- und Landtagswahlen wählen, nehmen sie ab Vollendung des 17. Lebensjahres in die Bundeswehr auf und konstatieren die stets früher eintretende Geschlechtsreife. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch im Rest der Welt. In einigen dieser Länder ist aber außerehelicher Geschlechtsverkehr (mit Todesdrohung) strafbar. Vielleicht ist es verständlich, wenn man sich dann für den ehelichen Geschlechtsakt statt Schafott entscheidet. Warum solche Ehen unter Jugendlichen unter den Generalverdacht eines Verstoßes gegen den ordre public gestellt werden und die Verwaltungsbehörde einen Eheaufhebungsantrag stellen muss, ist schwer verständlich.

Der Entwurf geht davon aus, dass kein ‚Erfüllungsaufwand‘ für den Haushalt entsteht. Das dürfte indessen ein frommer Wunsch bleiben. 481 Kinderehen sind nach der Gesetzesbegründung nichtig (S. 15). 481 Ehegatten verlieren damit einen Unterhaltsanspruch und werden sozialhilfebedürftig. Das wäre nicht dramatisch. 5 Millionen Euro ist der Minderjährigenschutz sicher wert.

Die ‚Heimatländer‘ der Geflüchteten und Vertriebenen werden sich aber nicht an unserem ordre public und der verordneten Nichtigkeit der Personalstatusentscheidung orientieren. Der minderjährige Ehegatte, der aus der Nichtigkeit seiner Ehe die Konsequenz selbstbestimmter Lebensführung zieht, sollte besser nicht ins Heimatland zurückkehren. Dort wird ihm Verfolgung drohen, wenn er des Ehebruchs geziehen wird. Den 481 Kindern aus nichtiger Ehe werden wir Asyl gewähren müssen wegen staatlich verursachter Nachfluchtgründe, wenn sie nach Nichtigkeit ihrer Ehe sich einem anderen Partner zuwenden. Auch das ist nicht schlimm.

Schlimm ist, dass wir den Grundrechtsschutz des Art. 6 GG nur für Ehen reservieren, die unserem rechtskulturellen Verständnis entsprechen. Da schimmert gefährlich der von der national-völkischen Fraktion erfundene ‚Kulturvorbehalt‘ als Grundrechtsbegrenzung durch.

Zwangsehen und Minderjährigenehen müssen wir nicht hinnehmen. Wir können sie durch Gerichte aufheben oder scheiden lassen. Sie aber verachtend zu ignorieren, ihnen jede rechtliche Wirkung abzusprechen, schützt niemanden, sondern gefährdet unsere Rechtskultur.

Geldanlage in den Zeiten der Cholera – oder wie man dem Versorgungsausgleich Investitions-Charme abgewinnen kann

Zufriedene Gesichter sieht man bei familienrechtlichen Mandanten selten. Ehe kaputt, Konto leer, Altersversorgung geplündert, eine offene Anwaltsrechnung und der Verkauf der Immobilie klappt erst in drei Monaten. Und was dann tun mit dem Geld? Anlegen für null Zinsen oder einen unbequemen Porsche kaufen in der Hoffnung auf einen imagegebundenen Mitnahmeeffekt bei dem noch zu Findenden? Da fällt das Lächeln schwer.

Der Versorgungsausgleichsrechtler zaubert das Lächeln auf das Gesicht der Mandanten zurück. Das durch den Versorgungsausgleich geplünderte Renten- oder Versorgungskonto kann nämlich durch Beitragszahlungen aufgefüllt werden (§§ 58 BeamtVG, 187 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Auch etliche betriebliche Altersversorgungen ermöglichen dies.

Seit dem 1.1.2017 besteht diese erweiterte Möglichkeit nun auch im Rahmen des Flexirentengesetzes (§ 187a SGB VI). Zum Ausgleich einer Rentenminderung wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente vor Erreichen der Regelaltersgrenze (Abschlag 0,3 % pro Monat vorzeitigen Rentenbezugs) können Beiträge gezahlt werden, die dann später die Rentenminderung abdämpfen, oder, wenn keine vorzeitige Rente in Anspruch genommen wird, die Rente erhöhen. Anspruch auf die zur Berechnung des Abschlagsausgleichs erforderliche Auskunft besteht – auch ohne Nachweis eines berechtigten Interesses – nunmehr schon mit Vollendung des 50. Lebensjahrs.

Lohnt sich das? Die Antwort ist eindeutig ‚Ja‘. Beamtenversorgung und gesetzliche Rente haben jährliche Steigerungsraten von über 2 % und zwar nicht nur in der Leistungsphase. Wo gibt es heute noch solche Renditen? Die späteren Renten- und Pensionsleistungen sind zwar zu versteuern, dafür können aber die Wiederauffüllungsbeiträge steuerlich nach § 10 Abs. 1a Nr. 3 EStG (bis max. 2.100 € pro Jahr) geltend gemacht werden.

Wenn Sie als Anwalt dem gebeutelten Mandanten das Lächeln zurückgeben wollen, empfehlen Sie ihm, sein Rentenkonto durch freiwillige Beitragszahlungen aufzufüllen. Zunächst wird er lächeln, weil er – vorverständnisgebunden – Sie für einen ‚armen Irren‘ hält. Erst wenn das Denken einsetzt, dankt er Ihnen. Es kann allerdings auch sein, dass er verlegen lächelt, weil sein Konto nun wirklich nichts hergibt. Dann kann man nichts machen. Sie müssten ihn auf später vertrösten. Aber Vorsicht: Beiträge für 2016 können nur bis zum 31.3.2017 nachgezahlt werden!

Das Ende des Blindflugs im Versorgungsausgleich – Programm zur Kontrolle von Kapitalwerten

Eigentlich ist der Versorgungsausgleich ganz einfach. Man teilt alle Versorgungen im Ehezeitanteil und begründet für die ausgleichsberechtigte Person zu den Bedingungen der Quellversorgung eine eigene Versorgung beim gleichen Versorgungsträger. Das war die Idee. Im Laufe der Gesetzgebungsarbeit ist diese Idee verwässert worden. Die Länder wollten die Beamtenversorgungen, die Betriebe die Versorgungen aus Direktzusagen und Unterstützungskassen nicht intern teilen. Um Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs für die Versorgungsträger zu wahren, wurde ihnen schließlich erlaubt, Renten auf Kapitalwertbasis zu teilen.

Ein Kennzeichen demokratischer Rechtsordnung ging damit verloren: Die Transparenz. Niemand ist nämlich in der Lage, ohne aufwändige Rechenhilfen oder Sachverständigengutachten zu kontrollieren, ob für einen 50-jährigen Mann der Kapitalwert der ehezeitlich erdienten Rente von 500 € vom Versorgungsträger mit 41.000 € richtig angegeben ist. Vielleicht sind es ja auch 30.000 oder knapp 50.000 €?

Dem Interessierten hilft auch die Formel formel_klein nicht wirklich weiter. Wie soll er an den Invaliditäts- oder Hinterbliebenenfaktor kommen? Leistungs-, Anwartschaftszeit, Zinssätze und das Vorversterbensrisiko lassen sich ja noch aus den Generationensterbetafeln ermitteln. Die Berechnung der Formel ist trotzdem nicht banal. Wehe, eine Klammer wird falsch gesetzt.

Das führt bei 160.000 Scheidungen pro Jahr zu 160.000 mal „Blindflug“. Es wird schon stimmen, was der Versorgungsträger oder mehr oder weniger renommierte mathematische Dienstleister berechnen. Diese Hoffnung ist manchmal nicht gerechtfertigt. Die Erfahrung zeigt: auch renommierte Unternehmen schummeln. Teilweise findet das heimlich statt, indem z.B. eine Hinterbliebenenversorgung oder ein Rententrend nicht mitberechnet oder der Stichtag verändert wird. Teilweise wird auch offen geschummelt, indem der „Betrug“ in die Teilungsordnungen geschrieben wird. Der Versorgungsträger hofft, dass sich keiner die Teilungsordnung durchliest. Verweist das Gericht dann im Tenor auf die Teilungsordnung, wäre diese umzusetzen, gerecht oder nicht, das ist egal. Rechtskraft ist Rechtskraft.

Die Anwaltschaft kann die Berechnungen nicht ohne Hilfe durchführen. Die von der Versicherungswirtschaft verwendeten „Richttafeln Heubeck 2005-G“ kosten ca. 800 € und auch ihre Anwendung ist nicht banal.

Diesem Mangel abzuhelfen dient ein neues kleines kostenloses Programm, das von mir entwickelt worden ist und von Arndt Voucko-Glockner und mir nunmehr verantwortet wird. Das Programm hat die Leistungsfähigkeit der Heubeck-Tabellen, ist aber sehr einfach zu bedienen. Es funktioniert mit Excel als Programmbasis und steht ab sofort auch beim FamRB als Download zur Verfügung. Die Kontrolle eines Kapitalwerts dauert – nach dem dritten Mal – vielleicht zwei Minuten. Das sollten uns die Interessen unserer Mandanten wert sein.

Neuauflage: Schürmann, Sozialrecht für die familienrechtliche Praxis

Schürmann, Sozialrecht für die familienrechtliche Praxis, Gieseking 2016, FamRZ-Buch 42, ca. 450 Seiten, 59 €, ISBN: 978-3-7694-1165-2.

Der Flug von Boston nach Düsseldorf dauert alles in allem 7 Stunden. Normalerweise schlafe ich im Flugzeug. Diesmal nicht. Das Buch von Heinrich Schürmann hält mich wach und beunruhigt mich, weil es gravierende Lücken meiner sozialrechtlichen Kenntnisse aufdeckt und fast im gleichen Moment schließt. Auf rund 450 Seiten stellt Schürmann das für den Familienrechtlicher erforderliche sozialrechtliche Handwerkszeug zusammen.

Ich bewundere stets Profihandwerker, die ohne einen 3-maligen Ausflug in den Baumarkt eine Steckdose montieren können und das dazu erforderliche Handwerkszeug übersichtlich in einem kleinen Beautykoffer bereithalten. So ist es auch bei Schürmann. In fünf großen Kapiteln behandelt er die Leistungen des Sozialstaates zur Sozialversicherung (Arbeitsförderung, Kranken- und Pflegeversicherung, Renten- und Unfallversicherung), zur Familienförderung (Mutterschafts-, Eltern- und Kindergeld, Jugendhilfe, Wohngeld, Ausbildungsförderung, Unterhaltsvorschuss und Entschädigungsrecht), zur Existenzsicherung (Grundsicherung für Arbeitssuchende, Kinderzuschlag, Sozialhilfe) sowie den Regress des Sozialhilfeträgers. Für Familienrechtler bleibt keine Lücke.

Sorgfältig wird die Darstellung der einzelnen Leistungen mit einer historischen Vorstellung, der Angabe von Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten und weiterführenden Literaturangaben eingeleitet. Teilweise wird auch der Text einer Leistungsnorm wiedergegeben. Der Autor weiß, dass Juristen zwar Normen anwenden, sie aber ungern lesen.

Heinrich Schürmann ist Praktiker. Deshalb wird die Lektüre nicht langweilig. Leistungen und deren Voraussetzungen sind oft in übersichtlichen Tabellen zusammengestellt, das beschleunigt den Zugriff. Da die Übersichten aber nicht allein stehen, sondern durch Texte und teilweise Berechnungsbeispiele erläutert werden, liegt es in der Hand des Lesers, die Kenntnis eines Wertes abzugreifen oder das System einer Leistung verstehen zu wollen. Wenn letzteres der Fall ist, wird ihm der Text gefallen, da er juristisch exakt, aber auch dem eiligen Leser zugängig ist.

Im Zeitalter elektronischer Medien ist dem Buch, besonders dem Fachbuch, oft ein elender Tod vorausgesagt worden. Im Printmedium wird der durch die Verlinkung entstehende Vorteil des elektronischen Mediums durch Index und Querverweise kompensiert. Beides bietet das Buch in Premiumqualität. Man vermisst die elektronische Buchversion daher nicht. Des Lesers Wunsch ist allerdings des Autors Fluch. Bei der elektronischen Version erwartet der Konsument eine immerwährende Aktualität. Diese zu liefern ist für einen Autor quälend. Deswegen hoffe ich als Leser, dass das Buch regelmäßig neu aufgelegt und dadurch aktualisiert wird, auch ganz ohne Elektronik. Zusammengefasst: 5 „Likes“ für das Buch, das jedem Familienrechtler Pflichtlektüre sein müsste.