Nicht allein der Kindeswille zählt (OLG Frankfurt v. 16.10.2018 – 1 UF 74/18)

In kindschaftrechtlichen Verfahren wird allzu gern als vermeintliches „Rundum-Argument“ der angebliche Kindeswille bemüht, d.h. etwa wiederholte Äußerungen des Kindes nach Umgangsende bzw. vor Umgangsbeginn, dass es überhaupt nicht zu dem jeweils anderen Elternteil möchte. Gesteigert wird dies in einzelnen Fällen noch dadurch, dass einzelne Verfahrensbevollmächtigte ganz selbstverständlich davon berichten, dass das Kind ihnen gegenüber selbst solche Äußerungen getätigt habe, da sie es ebenso selbstverständlich empfinden, anlässlich der Rücksprache eines Elternteils nebenbei auch noch eine Kindesanhörung durchzuführen.

In einer aktuellen Entscheidung vom 16.10.2018 hat sich das OLG Frankfurt mit der Beachtlichkeit eines solchen Kindeswillens umfassend auseinandergesetzt (OLG Frankfurt v. 16.10.2018 – 1 UF 74/18). Darüber hinausgehend erfasst diese Entscheidung ein weiteres praxisrelevantes Thema und zwar die Voraussetzungen eines in einem Umgangsverfahren beantragten paritätischen Wechselmodells, wenn in einem früheren sorgerechtlichen Verfahren durch Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil bereits das Residenzmodell installiert wurde.

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt erstrebte der Vater die Änderung eines familiengerichtlichen Beschlusses aus dem Jahr 2014, wonach seiner geschiedenen Ehefrau das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder übertragen worden war. Da er hilfsweise die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells beantragte, leitete das Gericht von Amts wegen ein Umgangsverfahren ein. In diesem Umgangsverfahren wurde dem Vater ein ausgedehnter Umgang jeweils 14-tägig donnerstags von 17 Uhr bis montags zum Schulbeginn und Telefonzeiten zuerkannt. Seine hiergegen eingelegte Beschwerde wurde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass ihm lediglich unter 14-tägig noch ein Umgang von dienstags Schulschluss bis mittwochs Schulbeginn zuerkannt wurde.

Bezüglich der erstrebten Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts der Kinder im mütterlichen Haushalt hat der Senat darauf verwiesen, dass letztlich die Abänderung der früheren sorgerechtlichen Regelung in Rede stehe, auch wenn die Änderung nun in einem Umgangsverfahren zur Entscheidung gestellt werde durch Beantragung eines paritätischen Wechselmodells. In diesem Fall sei gleichwohl § 1696 Abs. 1 BGB der Abänderungsmaßstab und zwar orientiert an der früheren Sorgerechtsregelung.

Werde die Abänderung sodann allein auf den Kindeswillen gestützt, so könne ein nachdrücklich wiederholter Änderungswunsch eines Kindes grundsätzlich einen zu beachtenden triftigen Abänderungsgrund im Sinn des § 1696 Abs. 1 BGB darstellen. Im konkreten Fall sei dieser Wille aber nicht autonom von den Kindern gebildet worden. Vielmehr sei der Vater nicht in der Lage, seine Bedürfnisse von denen der Kinder zu trennen, so dass sich umgekehrt die Kinder in die Bedürfniswelt des Vaters einfänden und danach reagierten. Durch sein Verhalten versetze er die Kinder in Anspannung, verunsichere sie und bürde ihnen Schuldgefühle auf. Es rechtfertige sich damit auch keine Ausweitung der Umgänge, vielmehr entspreche die derzeit praktizierte Umgangsregelung den Bedürfnissen der Kinder nach Orientierung und Stabilität.

Beide Schwerpunkte der Entscheidung des OLG Frankfurt erfassen besonders praxisrelevante Themenbereiche:

In seiner Grundsatzentscheidung vom 1.2.2017 hat der BGH zwar festgestellt, dass einer familiengerichtlichen Anordnung eines paritätischen Wechselmodells auch gegen den erklärten Willen eines Elternteils die geltende Gesetzeslage nicht entgegensteht (BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15, FamRB 2017, 136). Offen gelassen wurde aber die Frage, ob eine gleichanteilige Betreuung auch in einem Sorgerechtsverfahren angeordnet werden könnte, so dass ebenso offen ist, ob und unter welchen Voraussetzungen auch die Abänderung eines Sorgerechtsbeschlusses mit Anordnung eines Residenzmodells inzident in einem Umgangsrechtsverfahren möglich ist, in dem ein paritätisches Wechselmodell angestrebt wird. Zu dieser Frage wird sich der BGH nun in dem zugelassenen und anhängigen Rechtsbeschwerdeverfahren (Az.: XII ZB 512/18) hoffentlich äußern müssen.

Auch die Bedeutung des Kindeswillens im familiengerichtlichen Verfahren ist von wesentlicher Praxisrelevanz. Bei der näheren Präzisierung des Begriffes des Kindeswohls ist der Kindeswille einer der Prüfungsaspekte. Die Äußerung des eigenen Willens des Kindes ist Ausdruck seines Rechts auf Selbstbestimmung, durch die es gleichzeitig auch Bindungen zu einem Elternteil zum Ausdruck bringen kann. Hieraus folgt aber nicht zwingend, dass ein geäußerter Kindeswille letztlich alleinige Entscheidungsrelevanz besitzt. Unbeschadet der Tatsache, dass der Kindeswille mit den weiteren Kriterien der Kindeswohlprüfung, d.h. auch dem Förderungsgrundsatz, der Bindungstoleranz oder auch dem Kontinuitätsgrundsatz, in innerer Beziehung steht, muss sich der subjektiv geäußerte Kindeswille immer auch an dem objektiven Kindeswohl messen lassen. Nur wenn der geäußerte Wille stabil und mit dem Kindeswohl in Einklang zu bringen ist, kann er beachtliches Kriterium für die gerichtliche Entscheidung sein.

 

Verfahrensbeistand macht den Anwalt entbehrlich (BGH v. 27.6.2018 – XII ZB 46/18)

Mit Einführung des FamFG zum 1.9.2009 hat der Gesetzgeber die bis dahin nach § 50 FGG bestehende Möglichkeit der Beiordnung eines Verfahrenspflegers dem Grunde nach aufrechterhalten, allerdings in dem neu geschaffenen § 158 FamFG den Begriff dahin geändert, dass dem minderjährigen Kind nunmehr zur Wahrnehmung seiner Interessen im Verfahren ein Verfahrensbeistand zu bestellen ist. Mit der veränderten Begrifflichkeit wird auch zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei dem Beistand gerade nicht um einen gesetzlichen Vertreter des Kindes handelt, sondern sich seine Aufgabe darauf konzentriert, als „Anwalt des Kindes“ dessen Interessen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen.

Kindschaftsverfahren ist es geradezu immanent, dass die elterlichen Interessen nicht zwingend deckungsgleich mit jenen des Kindes sind. Umso größere Bedeutung kommt daher einem neutralen Verfahrensbeteiligten zu, der dieses Spannungsverhältnis zu Gunsten des Kinds auflöst bzw. ist es ebenso von zentraler Bedeutung, dass die angemessene Interessenvertretung eines Kindes im gerichtlichen Verfahren nicht auf anderem Wege durch einen Elternteil unterlaufen werden kann, indem er einen von seinen Weisungen abhängigen Anwalt mit der Interessenvertretung des Kindes beauftragt.

Die hiermit einhergehende Problemantik hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung (BGH v. 27.6.2018 – XII ZB 46/18, FamRB 2018, 394) aufgegriffen: In dem zugrunde liegenden Sachverhalt stritten die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern in verschiedenen gerichtlichen Verfahren zu den Fragen der elterlichen Sorge sowie des Umgangs. Das Familiengericht hatte den Kindern in den jeweiligen Verfahren einen Verfahrensbeistand bestellt. Der Absicht des Vaters, zur Interessenvertretung der Kinder für diese einen eigenen Anwalt zu mandatieren, trat die Mutter entgegen. Seitens des Vaters wurde daher familiengerichtlich die Übertragung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge nach § 1628 BGB beantragt, d.h. die Alleinentscheidungsbefugnis zur Beauftragung eines Anwalts. Sein Antragsbegehren blieb in erster und zweiter Instanz erfolglos. Seine Rechtsbeschwerde hat der BGH zurückgewiesen.

Zur Begründung führte der Senat aus, dass die Vertretung des Kindes als sog. Muss-Beteiligten in einem kindschaftsrechtlichen Verfahren prinzipiell den Eltern im Rahmen ihrer unbeschränkten elterlichen Sorge unterliege. Es bedürfe daher regelmäßig nicht der Bestellung eines Ergänzungspflegers. Allerdings seien die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern dem Grunde nach berechtigt, im Namen des Kindes einen Anwalt zu dessen Vertretung im Kindschaftsverfahren zu beauftragen. Könnten die Eltern zu dieser Frage jedoch kein Einvernehmen erzielen, so bedürfe es einer Entscheidung nach § 1628 BGB durch das Familiengericht. Komme das Gericht zu der Überzeugung, dass die Bewahrung des gegenwärtigen Zustands als die bessere Konfliktlösung erscheine, so genüge es, den Antrag zurückzuweisen.

Im Sinn des § 1697a BGB diene es allgemein dem Wohl des Kindes, wenn seine Rechte und Interessen wirksam im Verfahren wahrgenommen würden. Es bedürfe aber dann keiner Beauftragung eines Anwalts, wenn für das Kind bereits ein Verfahrensbeistand bestellt sei, der aufgrund seiner Befugnisse in der Lage sei, die Rechte und Interessen des Kindes geltend zu machen. Dies gelte gerade für auf die Person des Kindes bezogene Verfahren. Nur ausnahmsweise sei die wirksame Vertretung der Kindesinteressen durch den Verfahrensbeistand nicht gewährleistet. Dies gelte etwa dann, wenn in dem jeweiligen Verfahren die nach § 158 Abs. 4 Satz 6 FamFG ausgeschlossene gesetzliche Vertretung des Kindes notwendig werde.

Das Gesetz enthalte auch keinen Vorrang für einen möglicherweise noch zu beauftragenden Anwalt. Nach § 158 Abs. 5 FamFG solle lediglich dann von der Bestellung eines Verfahrensbeistands Abstand genommen werden, wenn die Interessen des Kindes von einem Anwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten würden. Dies setze aber – abgesehen von der notwendigen Angemessenheit der Vertretung – die bereits erfolgte Beauftragung eines Anwalts voraus. Daraus folge aber noch nicht, dass es im Sinne des Kindeswohls liege, einem Elternteil die Beauftragung eines Anwalts zu ermöglichen, um damit etwa auch die Aufhebung der Bestellung des Verfahrensbeistands zu ermöglichen. Gerade bei Interessenkonflikten zwischen den Eltern – wie sie aus einem Verfahren nach § 1628 BGB deutlich würden – liege es nahe, die Interessen des Kindes ausschließlich durch einen Verfahrensbeistand wahrnehmen zu lassen. Die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil könne dagegen dazu führen, dass er im Fall der Beauftragung eines Anwalts – ohne Gewinn für das Kindeswohl – seine Interessen zweifach ins Verfahren einbringen könne. Dies laufe einer am Kindeswohl orientierten Wahrnehmung der Kindesinteressen im Verfahren zuwider. Da im konkreten Fall vor dem Hintergrund des elterlichen Konflikts das Kindeswohl durch den bestellten Verfahrensbeistand besser gewährleistet sei, habe es das Ausgangsgericht im Rahmen der nach § 1628 BGB zu treffenden Entscheidung bei dem bestehenden Zustand der elterlichen Sorge belassen können, indem es den Antrag des Vaters zurückgewiesen habe.

Nach § 158 Abs. 1 FamFG hat das Gericht dem minderjährigen Kind grundsätzlich einen Verfahrensbeistand zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen in dem Verfahren erforderlich ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn zu befürchten ist, dass die Elterninteressen in Konflikt zu den Interessen des Kindes geraten können. In § 158 Abs. 2 FamFG hat der Gesetzgeber enumerativ Regelbeispiele aufgelistet, bei deren Vorliegen in der Regel von der Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistands auszugehen ist. Dies betrifft u.a. Sachverhaltskonstellationen in denen es um die räumliche Veränderung des Kindes geht, sei es dass es aus der Obhut einer bestimmten Person gebracht oder gerade dort belassen werden soll. Aber auch hochstreitige Kindschaftsverfahren, in denen das Umgangsrecht in seinem grundlegenden Bestand in Rede steht, bzw. generell Verfahren, in denen erhebliche Gegensätze zwischen den Interessen der gesetzlichen Vertreter und dem Kind selbst bestehen, gelten als Regelfall für die Bestellung eines Verfahrensbeistands.

Möchte das Gericht, obgleich ein Regelbeispiel im Sinn des § 158 Abs. 2 FamFG vorliegt, von der Bestellung eines Verfahrensbeistands Abstand nehmen, so muss es diese Entscheidung ausdrücklich begründen. Allerdings eröffnet der Gesetzgeber mit § 158 Abs. 5 FamFG die Möglichkeit von einer Bestellung abzusehen oder eine bereits erfolgte Bestellung aufzuheben, wenn eine angemessene Interessenvertretung des Kindes durch einen Rechtsanwalt oder einen anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten sichergestellt wird. Zu beachten ist aber, dass in der Gesetzesbegründung bereits hervorgehoben wurde, dass die Ausgestaltung als „Soll-Vorschrift“ dem Gericht gerade auch die Möglichkeit eröffnet, an einer bereits veranlassten Bestellung festzuhalten, insbesondere dann, wenn keine angemessene Vertretung des Kindes zu erwarten ist, weil die Eltern oder ein Elternteil den Anwalt mit der Zielrichtung beauftragt haben, die Interessen des Kindes in einer ihren eigenen Interessen entsprechenden Weise wahrzunehmen.

Die Entscheidung des BGH stellt zwei Problembereiche in den Fokus: Entsprechend den Vorgaben in der Gesetzesbegründung muss das Gericht jeweils prüfen, ob eine angemessene Interessenvertretung des Kindes auch im Fall der Beauftragung eines eigenen Anwalts für das Kind gewährleistet ist. Darüber hinausgehend bedarf es aber auch einer noch intensiveren gerichtlichen Prüfung der Angemessenheit, wenn bereits ein Verfahrensbeistand bestellt wurde und dieser nun durch einen Anwalt „ersetzt“ werden soll, d.h. ein unliebsamer Verfahrensbeistand, gegen den kein Befangenheitsantrag möglich ist, auf diesem Weg aus dem Verfahren gedrängt werden soll.

Praktiziertes Wechselmodell: Kontinuität als Grenze elterlicher Änderungswünsche (zu KG v. 13.9.2018 –- 13 UF 74/18)

Nicht immer sind die Vorstellungen sich trennender Eltern, für das gemeinsame Kind bestmögliche und insbesondere einvernehmliche Regelungen zu finden, auch dauerhaft. Allzu leicht werden angestrebte Ideale durch die alltäglichen Realitäten eingeholt und eine zunächst avisierte und zugesicherte Fortdauer der gemeinsamen Betreuung des Kindes bereut. In dem sich dann eröffnenden Spannungsfeld zwischen den Vorstellungen der Eltern zur künftigen Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung und dem Interesse des Kindes an der Beibehaltung einer nicht nur kurzfristig praktizierten Betreuungsform, wird häufig übersehen, dass stets das Kindeswohl zentraler Bewertungsmaßstab ist.

Mit einem entsprechend gelagerten Sachverhalt hat sich aktuell auch das KG befasst:

Die gemeinsam sorgeberechtigte Eltern eines 2015 geborenen Kindes hatten im Oktober 2016 eine gerichtlich gebilligte Vereinbarung schlossen, in der ein bereits seit ihrer Trennung praktiziertes Wechselmodell bestätigt wurde. In einer weiteren Vereinbarung vom April 2017 haben sie sodann Ergänzungen zu den Wochenendregelungen vorgenommen. In Abweichung dieser Vereinbarungen erstrebte die Mutter dann jedoch wieder eine Verlagerung des Lebensmittelpunkts des Kindes in ihrem Haushalt. Das Gericht hat jedoch ein paritätisches Wechselmodell angeordnet. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde der Mutter blieb ebenso erfolglos wie die Anschlussbeschwerde des Vaters, die er in zeitlicher Folge einlegte und mit der er dann ebenfalls die Verlagerung des Lebensmittelpunkt des Kindes in seinen Haushalt anstrebte.

Das KG hat in seiner Entscheidung hervorgehoben, dass eine familiengerichtlich gebilligte Vereinbarung zur Ausgestaltung des Umgangs beider Eltern mit dem Kind vorliege und die Abänderung dieser Vereinbarung – sei es hin zu einem Wechselmodell oder davon distanzierend – dem engen Maßstab jeder Änderung einer familiengerichtlichen Entscheidung unterliege, d.h. die Änderung aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sein müsse. Dabei habe der Kontinuitätsgrundsatz zentrale Bedeutung. Im konkreten Sachverhalt sei daher zu beachten, dass praktisch seit dem siebten Lebensmonat des Kindes kontinuierlich eine Betreuung im Wechselmodell durchgeführt worden sei und dadurch, nach den Feststellungen der Sachverständigen, das Kind beide Eltern als zuverlässige Bezugs- und Erziehungspersonen erlebt habe. Selbst wenn man den Lebensmittelpunkt des Kindes zu der Mutter verlagere, seien hierdurch nicht zwingend von ihr im Fall der weiteren Umsetzung des Wechselmodells befürchtete Belastungssymptome oder Verlustängste des Kindes ausgeschlossen, da auch in diesem Fall das Kind in regelmäßigen Abständen in den väterlichen Haushalt wechsele. Auch Einschränkungen in der Kommunikation der Eltern stünden dem Wechselmodell nicht entgegen, denn trotz dieser Einschränkungen seien die Eltern gleichwohl in der Lage gewesen, wichtige Entscheidungen für das Kind zu treffen, wobei zudem beide Eltern sich auch gegenüber der Sachverständigen dafür ausgesprochen hätten, sich eine Fortführung des Wechselmodells vorstellen zu können. Für die elterliche Kommunikation sei es letztlich auch unerheblich, ob das Kind überwiegend im Haushalt der Mutter lebe. Entscheidend sei vielmehr die bestehende gemeinsame elterliche Sorge, die eine Einigung der Eltern zu Belangen des Kindes erfordere.

Die Entscheidung des KG steht nicht in Widerspruch zu der Grundsatzentscheidung des BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15, FamRB 2017, 136, in der zwar betont wurde, dass ein paritätisches Wechselmodell gerade nicht zu dem Zweck angeordnet werden kann, eine nicht bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern überhaupt erst herzustellen. Davon zu unterscheiden ist aber die Konstellation, dass Elterngespräche zwar von trennungstypischen Belastungen überlagert werden, gleichwohl jedoch die Eltern in der Lage sind, solche Gespräche dem Grunde nach überhaupt zu führen und es ihnen dabei zudem gelingt, wesentliche Frage für die Entwicklung des Kindes – in Umsetzung einer nach wie vor bestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge – einer Lösung zuzuführen.

Die Entscheidung des KG führt den Blick allerdings auch auf ein immer wieder auftretendes Problem der Praxis, die Abänderungsvoraussetzungen einer bestehenden familiengerichtlichen Regelung zur elterlichen Sorge oder zum Umgangsrecht. Häufig wird verkannt, dass unter der Existenz einer bestehenden familiengerichtlichen Regelung der besonders enge Abänderungsmaßstab des § 1696 Abs. 1 BGB gilt, d.h. es hierzu triftiger und nachhaltiger am Kindeswohl ausgerichteter Gründe bedarf. Durch diese hohen Abänderungshürden soll für das Kind nicht nur ein verlässlicher Daseinsschwerpunkt gewährleistet werden, sondern eine ebenso gesicherte Erziehungskontinuität, da die Dauerhaftigkeit familiärer Bindungen für eine stabile und sichere psychosoziale Entwicklung des Kindes elementare Bedeutung haben, die allerdings durch eine ständiges Wiederaufrollen abgeschlossener familiengerichtlicher Verfahren in Frage gestellt werden.

Wird ertrotzte Kontinuität auch noch belohnt? (zu OLG Hamm v. 25.5.2018 – II-4 UF 154/17)

Fragen der elterlichen Sorge werden häufig von weltanschaulichen Aspekten überlagert. Eine während intakter Beziehung möglicherweise noch gefundene vermittelnde Lösung, in die nicht nur die Erwägungen des jeweils anderen Elternteils einbezogen, sondern vor allem auch die mit der zu treffenden Entscheidung einhergehenden und unmittelbar das Kind betreffenden Folgen bedacht worden wären, scheidet nach Trennung von vornherein aus. Dass unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität einseitig getroffene und für das Kind grundlegende Fragen letztendlich unabänderlich werden können, hat sich in Elternkreisen herumgesprochen. Darüber hinausgehend wird bei der Anmeldung von Kindern in Kindergärten und Schulen auch nicht konsequent von den jeweiligen Einrichtungen der Beachtung sorgerechtlicher Befugnisse Rechnung getragen.

Mit der sich hieraus ergebenden Problemantik hat sich das OLG Hamm in einer Entscheidung vom 25.05.2018 auseinandergesetzt: Zwischen den gemeinsam sorgeberechtigten Elternteilen konnte kein Einvernehmen darüber erzielt werden, welchen Kindergarten das 2014 geborene gemeinsame Kind, das seit der Trennung seiner Eltern im Haushalt der Mutter lebte, künftig besuchen sollte. Die Mutter veranlasste im Sommer 2017 eine Anmeldung des Kindes in einem Waldorfkindergarten, den das Kind seitdem auch besuchte. Nachdem der Vater – folgend aus Bedenken seinerseits gegen das pädagogische Konzept dieses Kindergartens – Einwände erhob, beantragte die Mutter, ihr die Entscheidungsbefugnis zur Auswahl des Kindergartens zu übertragen. Das Ausgangsgericht folgte ihrem Antrag, wobei die Beschwerde des Vaters auch nur hinsichtlich der Kostenregelung der erstinstanzlichen Entscheidung Erfolg hatte.

Das OLG Hamm hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass bei der nach § 1628 BGB zu treffenden Entscheidung das Kindeswohl alleiniger Maßstab sei und dem Senat nicht die Entscheidung obliege, ob die Waldorfpädagogik zu billigen sei oder nicht. Die Übertragung der Entscheidungskompetenz zugunsten der Mutter gründe sich darauf, dass sie als tatsächliche Betreuungsperson im Alltag den Kindergartenbesuch unterstützen müsse und die hieraus folgenden Konsequenzen in der praktischen Umsetzung, d.h. weiterer Fahrwege, aber auch den tatsächlichen Auswirkungen der angewandten Pädagogik erlebe. Auch wenn die Mutter im Verfahren zumindest unvollständige Behauptungen aufgestellt habe, um das von ihr gewünschte Verfahrensergebnis zu erzielen, so sei nicht die Bestrafung der Mutter das Verfahrensziel. Entscheidend seien allein der bisherige Zeitablauf und die inzwischen erfolgte Eingewöhnung des Kindes im konkreten Kindergarten, d.h. ein erneuter Wechsel stehe dem Kindeswohl entgegen. Dahinter müsse auch die Tatsache zurücktreten, dass durch den weiteren Besuch dieses Kindergartens umfangreichere Fahrtwege erforderlich würden und auch die bislang praktizierte Umgangsregelung an die Öffnungszeiten angepasst werden müsse.

Im Ergebnis ist die Entscheidung des OLG Hamm nicht zu beanstanden. Sie trägt den gesetzlichen Vorgaben uneingeschränkt Rechnung. Soweit gemeinsam sorgeberechtigte Eltern zu grundlegenden wesentlichen Entscheidungen die das Kind betreffen, kein Einvernehmen erzielen können, sieht § 1628 BGB vor, dass einem Elternteil die alleinige Entscheidungsbefugnis übertragen werden kann. Die zu treffende gerichtliche Entscheidung hat sich dabei allein am Kindeswohl zu orientieren, wobei das Gericht nur die Entscheidungskompetenz zuweisen und keine Entscheidung statt der Eltern zu der konkret in Rede stehenden Streitfrage treffen darf.

Der unbestimmte Rechtsbegriff des Kindeswohls wird in der Rechtsprechung durch verschiedene Kriterien näher präzisiert. Hierzu gehören neben dem Kindeswillen und seinen Bindungen vor allem auch das Förderungsprinzip sowie der Kontinuitätsgrundsatz. Gerade dem Kontinuitätsgrundsatz kommt bei kleinen Kindern hohe Bedeutung zu, auch um einen wiederholten Wechsel von Bezugs- und Betreuungspersonen zu vermeiden. Ebenso soll ein mehrfacher Ortswechsel binnen kurzer Zeit vermieden werden. Um einer sich hieraus möglicherweise ergebenden „ertrotzten Kontinuität“ entgegen zu wirken, hat das BVerfG in seiner Rechtsprechung die Bedeutung einer kurzfristigen gerichtlichen Entscheidung betont.

Zeichnen sich daher möglicherweise eigenmächtige sorgerechtlich relevante Handlungen eines Elternteils ab, die unter dem Aspekt der Kontinuität praktisch irreversibel sind, so sollte unverzüglich gehandelt und ggf. im Eilverfahren eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden.

 

Urlaub mit dem Kind? – Aber nur, wenn ich es will! (OLG Frankfurt v. 7.6.2018 –1 UF 50/18)

Dass ein Elternteil mit dem Kind, für das gemeinsame Sorge besteht, verreisen möchte, ist zunächst nichts Außergewöhnliches. Lebt das Kind gewöhnlich im Haushalt dieses Elternteils, so sieht man die geplante Urlaubsreise zunächst als eine Selbstverständlichkeit. Nichts anderes gilt für den Elternteil, bei dem das Kind zu Umgangskontakten ist und der in Ausgestaltung dieser Umgangskontakte natürlich auch mit dem Kind verreisen möchte. An dieser Stelle beginnen aber die juristischen Probleme. Ist der die Reise beabsichtigende Elternteil ausländischer Staatsangehöriger, so taucht in fast gleichbleibender Stetigkeit sofort der Verdacht auf, dass er von der Urlaubsreise nicht zurückkehren, sondern diese vielmehr nutzen wird, um das Kind zu entführen. Entsprechend häufen sich zwischenzeitlich auch die Nachfragen der Grenzschutzbeamten an den Flughäfen, ob denn für ein Kind die gemeinsame oder alleinige Sorge besteht bzw. ob im Fall der gemeinsamen Sorge auch die Zustimmung des anderen Elternteils vorliegt. Nicht selten endet an dieser Stelle bereits die Urlaubsreise. Selbst in jenen Fällen, in denen bei dem verreisenden Elternteil keine familiären Bindungen zu einem ausländischen Staat bestehen, wird zunehmend hinterfragt, ob denn die Reise in ein bestimmtes Land mit einer Gefahr für das Kindeswohl verbunden ist und damit nur angetreten werden darf, wenn von dem anderen Elternteil die Zustimmung erteilt wurde.

Mit einem Sachverhalt, der diese Problematik aufgreift, hat sich aktuell das OLG Frankfurt befasst: In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war die im April 2017 nach Deutschland eingereiste Kindesmutter zeitweise ausgereist, um ein Visum zu erhalten. Seit Oktober 2017 war sie dauerhaft mit dem Kind, für das gemeinsame elterliche Sorge bestand, in Deutschland wohnhaft. Anfang 2018 beantragte der Vater im Eilverfahren, der Mutter die Ausreise aus Deutschland zu untersagen, da sie plane nach Usbekistan auszuwandern. Das Ausgangsgericht folgte dem Antrag des Vaters und verhängte zusätzlich eine sog. Grenzsperre.

Auf die Beschwerde der Mutter änderte das OLG Frankfurt die Ausgangsentscheidung ab und stellte fest, dass keine kindesschutzrechtlichen Eilmaßnahmen zu treffen waren. Zur Begründung verwies es darauf, dass der Erlass kindesschutzrechtlicher Maßnahmen die durch konkrete Umstände begründete Besorgnis voraussetze, dass ein Elternteil das Kind nach einer Ausreise aus dem Ausland nicht zurückbringen werde. Der damit einhergehende Eingriff in das Elternrecht sei nicht bereits deshalb gerechtfertigt, weil dieser Elternteil in einem anderen Land lebe oder zu seinem Heimatland enge Beziehungen unterhalte, so dass die allein abstrakte Möglichkeit bestehe, dass er mit dem Kind dauerhaft im Ausland bleibe. Ausreichend sei aber durchaus, dass der Elternteil mit einer Entführung gedroht habe und dies zur Überzeugung des Gerichts konkret vorgetragen und glaubhaft gemacht worden sei. Im konkreten Fall habe eine Rückfrage des Senats bei der Polizei ergeben, dass sich die Mutter aufgrund von elterlichen Streitigkeiten in der Vergangenheit wiederholt an die Polizei gewendet habe. Sie habe auch von der beabsichtigten Reise nach Usbekistan berichtet, aber nicht angekündigt, ausreisen zu wollen. Die Bedenken des Vaters hätten sich allein darauf gegründet, dass die Mutter kein Rückflugticket gebucht habe. Eine telefonische Nachfrage des Senats habe zudem ergeben, dass das Kind in einer Krabbelgruppe angemeldet sei und diese regelmäßig besuche. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass selbst wenn sich das allgemeine Risiko einer Entführung verwirkliche, die Rückführung des Kindes nach dem HKÜ durchsetzbar sei.

Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob die Reise eines Elternteils mit dem Kind sich nach sorgerechtlichen oder umgangsrechtlichen Kriterien beurteilt, da prinzipiell von der Ausgestaltung des Umgangs Urlaubsreisen – auch ins Ausland – erfasst werden und es hier zunächst nicht zwingend der Zustimmung des jeweils anderen Elternteils bedarf. Diese Einschätzung wird bislang üblicherweise vertreten, soweit Reisen im europäischen Ausland in Rede standen. Bei Reisen zu außereuropäischen Zielen, insbesondere wenn es Fernreisen oder Länder betraf, mit denen üblicherweise Gefahren verbunden wurden, wird die Meinung vertreten, dass derartige Reisen nicht mehr als Alltagsangelegenheiten zu bewerten sind, sondern als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Ist in einer solchen Situation daher die Zustimmung des jeweils anderen Elternteils zu der konkreten Reise nicht erteilt, so bleibt nur die Möglichkeit, nach § 1628 BGB die Übertragung der spezifischen Entscheidungskompetenz durch gerichtliche Entscheidung herbeizuführen (s. dazu auch Stockmann, Wer bestimmt den Urlaubsort?, FamRB 2017, 315).

Ob in der aktuellen Situation diese Differenzierung zwischen einem „sicheren“ europäischen Ausland und Ländern, mit denen landläufig erhöhte Gefahren verbunden werden, noch gerechtfertigt ist, muss durchaus hinterfragt werden. Vor dem Jahr 2015 wäre es kaum vorstellbar gewesen, dass Reisende selbst nach Frankreich mit Blick auf die angespannte Sicherheitslage seitens des Auswärtigen Amtes zu besonderer Vorsicht aufgerufen worden wären. Um „unangenehme“ Überraschungen unmittelbar vor Reiseantritt zu vermeiden, sollte daher ein Elternteil, der eine Urlaubsreise ins Ausland plant, dies frühzeitig mit dem jeweils anderen Elternteil abstimmen und sich dessen Zustimmung einholen. So bleibt ihm ggf. genügend Zeit, um einer verweigerten Zustimmung durch familiengerichtliche Entscheidung zu begegnen.

Was mein ist, ist noch lange nicht dein (OLG Celle v. 30.8.2017 – 21 UF 89/17)

Die elterliche Sorge ist eine Thematik, die zahlreiche Facetten aufweist, wobei sich öffentlichkeitswirksame Diskussionen häufig nur mit der Frage der Personensorge für ein Kind befassen. Die den Sorgerechtsinhabern gleichermaßen obliegende Vermögenssorge wird allzu gerne übersehen oder auf die Frage der Eröffnung eines Sparkontos für ein Kind reduziert. Dabei ergeben sich gerade in diesem Kontext für Eltern ungeahnte Handlungs- und Unterlassungspflichten, deren – oftmals nicht einmal bedachte – Verletzung zu erheblichen Haftungsrisiken und möglicherweise sogar strafrechtlicher Verantwortlichkeit führen können.

Mit einem Sachverhalt, der die Handlungspflichten eines Elternteils und die Folgen von deren Verletzung eindrucksvoll vor Augen führt, hat sich das OLG Celle im Herbst 2017 befasst:

Anfang 2005 überwies der Großvater des damals noch minderjährigen Kindes an dessen Vater einen Betrag von 60.000 €. In einer etwa zeitgleichen schriftlichen Erklärung zwischen Vater und Großvater wurde festgehalten, dass dieser Betrag aus der Veräußerung eines Grundstücks des Großvaters stammte, der eigentlich der bereits verstorbenen Mutter des Kindes zur Abfindung als weichender Erbin hätte zustehen, statt dessen jedoch nun deren Tochter zukommen sollte. Gleich hohe Beträge erhielten jeweils auch die noch beiden lebenden Kinder des Großvaters. Nach Eintritt ihrer Volljährigkeit begehrte die Tochter unter anderem diesen Betrag von ihrem Vater zur Herauszahlung, der diesem Begehren mit der Argumentation entgegentrat, dass – unbeschadet der schriftlichen Erklärung – sein zwischenzeitlich verstorbener Schwiegervater ihm persönlich das Kapital zugewandt habe. Er habe ausdrücklich nicht die Anlage des Geldes in einem Sparbuch für das Kind gewünscht, sondern dessen sinnvolle Verwendung in dem von der Familie bewohnten Haus.

Das OLG Celle hat den Vater – ebenso wie die Ausgangsinstanz – zur Auszahlung des Kapitals an die Tochter verpflichtet und darauf verwiesen, dass die seitens des Vaters vorgetragenen Vorstellungen des Großvaters zur Kapitalverwendung unerheblich seien. Dieser habe mit der Überweisung des Geldes seine Verfügungsgewalt hierüber endgültig aufgegeben. Entscheidend sei daher allein, dass dem Vater die Pflicht oblag, das für die Tochter zur Verwahrung erhaltene Geld ordnungsgemäß und gewinnbringend zu verwalten. Daraus folgend sei es ihm gerade auch verboten gewesen, das Geld für persönliche Zwecke zu gebrauchen. In entsprechender Konsequenz sei er daher seiner nun volljährigen Tochter gegenüber auch schadensersatzpflichtig in Höhe des vereinnahmten Kapitals, wobei der Schadensersatzanspruch nicht nur aus § 1664 BGB, sondern auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB, d.h. unerlaubter Handlung, folge.

Gemäß § 1626 Abs. 1 BGB umfasst die elterliche Sorge neben der Personensorge auch die Vermögenssorge. Von der Vermögenssorge erfasst werden alle rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen, die geeignet und erforderlich sind, das Vermögen des Kindes zu erhalten, zu verwerten und zu vermehren. Ebenso wie die Personensorge hat sich auch die Vermögenssorge am Kindeswohl zu orientieren, wobei sich die den Sorgerechtsinhaber treffenden Verpflichtungen aus §§ 1639 ff. BGB ergeben. Die Anlage des kindlichen Vermögens muss den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung folgen, wobei es den Eltern strikt untersagt ist, das Vermögen ihres Kindes für persönliche Zwecke zu verwenden, da es sich um eine fremdnützige Verwaltung handelt, die auf die Bewahrung des Vermögens zum Nutzen des Kindes abzielt. Erhält das Kind Vermögenswerte aus Schenkungen oder letztwilligen Verfügungen, so sind hiermit ggf. einhergehende Bindungen oder Anordnungen zu beachten, wobei hinsichtlich Kapitalbeträgen, die von Todes wegen erworben werden, ohnehin ein Vermögensverzeichnis zu erstellen und bei Gericht einzureichen ist. Nachteilige, riskante oder besonders wichtige Rechtsgeschäfte benötigen zudem einer gesonderten gerichtlichen Genehmigung.

Erzielt das Kind aus seiner Erwerbstätigkeit oder seinem Vermögen Einkünfte, so folgt aus § 1649 BGB eine strikte Reihenfolge zur Verwendung dieser Einkünfte. Zunächst sind die Kosten der ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung auszugleichen. Sodann ist der Barunterhalt des Kindes sicherzustellen und allein die noch verbleibenden Einkünfte dürfen angelegt werden. Ausschließlich überschüssige Vermögenseinkünfte dürfen für den Unterhalt der Familie verwendet werden, soweit dies der Billigkeit entspricht.

Fällt dem Sorgerechtsinhaber bei der Vermögenssorge eine Pflichtverletzung zur Last, so ist er gegenüber dem Kind schadensersatzpflichtig. Für die Geltendmachung des Schadensersatzes gilt die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB, wobei gem. § 207 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Verjährungsfrist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes gehemmt ist.

In der Praxisberatung sollten Eltern möglichst frühzeitig im Kontext von Fragen des Sorgerechts auch auf ihre Obliegenheiten im Zusammenhang mit der Vermögenssorge hingewiesen werden. Hierbei sollte ihnen verdeutlicht werden, dass etwa auch im Rahmen einer bestehenden gemeinsamen elterlichen Sorge aus § 242 BGB Auskunftspflichten gegenüber dem anderen Elternteil eröffnet sein können, soweit von einem Elternteil eigenmächtig Verfügungen mit Blick auf das Vermögen des Kindes vorgenommen werden (vgl. hierzu OLG Oldenburg v. 29.1.2018 – 4 WF 11/18).

Ungeahnte Folgen eines Sorgerechtsverfahrens (AG Bad Hersfeld v. 27.10.2017 – 63 F 290/17 SO)

Streben Eltern ein Kindschaftsverfahren an, weil sie eine gerichtliche Regelung zu Fragen der elterlichen Sorge oder des Umgangsrechts wünschen, so bedenken sie in der Regel nicht, dass die Gerichte an die gestellten Anträge nicht gebunden sind, sondern für sie der Amtsermittlungsgrundsatz in diesen Verfahren gilt. Dies bedeutet, dass die jeweiligen „Anträge“ der Verfahrensbeteiligten für die Gerichte lediglich eine Anregung darstellen. Die Gerichte müssen letztlich auf der Grundlage der schriftsätzlich erteilten Informationen von Amts wegen nicht nur prüfen, welche Entscheidung im konkreten Einzelfall die am Kindeswohl orientierte beste Regelung darstellt, sondern gegebenenfalls auch erlangte Informationen aufgreifen, um weitergehend zu prüfen, ob der sich hieraus ergebende Lebenssachverhalt auf eine Kindeswohlgefährdung deutet, die die Eltern entweder in dieser Form bislang nicht erkannt haben oder aber zu deren Beseitigung sie entweder nicht in der Lage oder nicht willens sind.

Das AG Bad Hersfeld hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit einer solchen Problematik befasst: Im konkreten Fall hatten die Eltern in einem zunächst streitigen Sorgerechtsverfahren letztlich Einvernehmen darüber erzielt, dass bezüglich des gemeinsamen 10-jährigen Sohnes der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen werden und es im Übrigen bei der gemeinsamen elterlichen Sorge bleiben sollte. Anlässlich seiner Anhörung schilderte das Kind, dass ihm unter anderem zwei Videospiele zur Verfügung stünden („Grand Theft Auto 5“ sowie „Call of Duty“), für die eine Altersfreigabe erst ab 18 Jahren besteht. Das AG hat, entsprechend dem Antrag der Eltern, eine Regelung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht getroffen. Darüber hinausgehend hat es die Eltern aber auch verpflichtet, fortwährend sicherzustellen, dass dem Kind keine Spiele zugänglich sind, die das Kindeswohl gefährden, selbst wenn seitens des Kindes geltend gemacht wird, dass es durch diese Maßnahmen zum Außenseiter seiner Gruppe werde. Seine Entscheidung leitet das Gericht aus der Überlegung ab, dass in den seitens des Kindes genannten Spielen die Charaktere kriminelle Handlungen begingen und die Spiele selbst von Gewaltszenen bestimmt würden, etwa einer nicht umgehbaren Folterszene. Werde ein Film oder Spiel mit einer sog. Einstufung „USK ab 18“ versehen, so beruhe dies auf einer sachverständigen Einschätzung, dass diese Medien Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nicht zugänglich zu machen seien. Die seelische Entwicklung eines 10-jährigen Kindes werde bereits bei bloßer Ansicht und erst recht beim Durchleben der Spielszenen massiv gefährdet. Eltern hätten daher sicherzustellen, dass einem Kind derartige Spiele nicht (mehr) zur Verfügung gestellt würden. Der Einwand eines Elternteils, dass solche Spiele auch von vielen anderen Kindern im Alter des eigenen Kindes gespielt würden, sei rechtlich nicht beachtlich.

Grundsätzlich ist die Pflege und Erziehung eines Kindes nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG originäre Aufgabe der Eltern, wobei zudem aus Art. 8 EMRK die staatliche Achtung des Familienlebens folgt. In dieses verfassungsrechtlich garantierte Elternrecht darf der Staat jedoch eingreifen, wenn Gründe des Kindeswohls dies dringend erfordern. Dieses staatliche Wächteramt wird einfachgesetzlich durch § 1666 BGB konkretisiert. Danach hat das Familiengericht Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung einer Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes erforderlich sind, soweit die Eltern zur Abwendung dieser Gefahr nicht willens oder in der Lage sind. § 1666 Abs. 3 BGB sieht in einer enumerativen Auflistung mögliche Maßnahmen in der Form von Ver- und Geboten vor, die seitens des Gerichts angeordnet werden können, um einer Kindeswohlgefährdung zu begegnen. Dieser Katalog möglicher Auflagen ist nicht abschließend. Der BGH hat in seiner Rechtsprechung (BGH v. 23.11.2016 – XII ZB 149/16, FamRB 2017, 48) vielmehr darauf hingewiesen, dass auch andere zur Gefahrenabwehr geeignete Weisungen in Betracht kommen, die, wenn sie wesentlich in Grundrechte eines Betroffenen eingreifen und nicht durch den Katalog des § 1666 Abs. 3 BGB umfasst sind, aber einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedürfen.

In der Praxisberatung sollte umfassend auch über die verfahrensrechtlichen Grundsätze eines Kindschaftsverfahrens informiert werden und zwar nach Möglichkeit nicht erst dann, wenn bereits das Mandat zur gerichtlichen Regelung erteilt wurde. Den Verfahrensbeteiligten sollten die Prinzipien des Amtsermittlungsgrundsatzes vor Augen geführt werden, d.h., es sollte ihn verdeutlicht werden, dass das Gericht auch auf der Grundlage im Lauf des Verfahrens erlangter Informationen letztlich von Amts wegen Ge- und Verbote anordnen kann, die möglicherweise so von ihnen nicht bedacht und wohl auch nicht gewünscht sind. Soweit in dem konkret entschiedenen Sachverhalt des AG Bad Hersfeld sich die Mutter sogar dahin eingelassen hat, dass sie ihrem 10-jährigen Sohn ohne gerichtliche Entscheidung ein erst ab 18 Jahren zugelassenes Videospiel nicht untersagen könne, wäre auch bereits außergerichtlich ein deutlicher Hinweis auf grundlegende Fragen der Erziehungseignung nicht fehl am Platz gewesen.

Beachtlichkeit des Kindeswillens bei der Sorgerechtsregelung (BVerfG v. 7.12.2017 – 1 BvR 1914/17)

Der „Kindeswille“ wird in Kindschaftsverfahren sehr häufig in die Argumentation eingeführt. Antragsteller und Antragsgegner der jeweiligen Verfahren sind intensiv bemüht, den seitens des Kindes geäußerten Willen darzulegen, und gehen davon aus, dass dieser selbstverständlich maßgeblich für die familiengerichtliche Entscheidung sein wird.

Mit einem Sachverhalt, in dem durch die jeweiligen Vorinstanzen dem geäußerten Kindeswillen ersichtlich zu wenig Bedeutung beigemessen wurde, hat sich aktuell das BVerfG befasst.

Die Eltern hatten wechselseitig die alleinige Sorge für ihr 2008 geborenes Kind beantragt, das personenstandsrechtlich als Junge registriert worden war, nach seinen Äußerungen aber ein Mädchen sein wollte. Diesen Äußerungen des Kindes stand der Vater ablehnend gegenüber. Während des laufenden Sorgerechtsverfahrens wurde dem Vater – ein Tag vor der Einschulung des Kindes – im Eilverfahren die Entscheidungsbefugnis zu der Frage übertragen, ob das Kind in mädchentypischer Kleidung an Schulveranstaltungen teilnehmen sollte. Im Hauptsachverfahren wurde ihm sodann die alleinige Sorge übertragen. Die Beschwerde der Mutter wurde zurückgewiesen, die sodann gegen diese Entscheidung Verfassungsbeschwerde einlegte und u.a. eine Verletzung ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG rügte.

Das BVerfG hob die Entscheidung der Vorinstanzen auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück. Zur Begründung führt es u.a. aus, dass in die Sorgerechtsentscheidung der Wille des Kindes einzubeziehen sei, soweit er mit dem Kindeswohl vereinbar sei. Dem Kindeswillen komme mit zunehmendem Alter verstärkt Bedeutung zu als Ausdruck des Rechts zur Selbstbestimmung. Der Argumentation des Beschwerdegerichts widerspreche neben der eigenen gerichtlichen Erwartung, dass sich gerade der Vater „gegen den Willen des Kindes durchsetzen“ werde, auch die Feststellung der Sachverständigen, wonach das Kind beim Vater eine Abweisung mit seinen mädchenorientierten Verhaltensintentionen erlebe und insoweit eine Unsicherheit im Bindungsmuster zum Vater zeige, sowie letztlich der Umstand, dass der Vater in einem Eilverfahren beantragt habe, die Mutter zu verpflichten, das Kind „seinem Geschlecht entsprechend zu kleiden und es zu unterlassen, ihn in mädchentypischer Kleidung in die Öffentlichkeit gehen zu lassen.“ In der Entscheidung werde nicht hinterfragt, welche Auswirkungen es kurz- und mittelfristig für das Kind habe, wenn der Vater dem Wunsch des Kindes zum Tragen von Mädchenkleidung nicht entgegenkomme.

Im Rahmen einer nach § 1671 BGB zu treffenden Sorgerechtsregelung hat sich die gerichtliche Entscheidung am Kindewohl zu orientieren. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff des Kindeswohls wird in der Rechtsprechung durch verschiedene Kriterien näher präzisiert. Neben dem Kontinuitätsgrundsatz, der Förderungskompetenz oder den Bindungen eines Kindes fließt in die richterliche Bewertung auch der Kindeswille ein, da das Kind selbst Grundrechtsträger ist mit dem Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Als Ausdruck des Rechts auf Selbstbestimmung gewinnt dieser Wille mit zunehmendem Alter des Kindes entsprechend stärkere Bedeutung.

Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der geäußerte Kindeswille in jedem Fall auch streitentscheidend sein wird. Neben dem Risiko einer Manipulation des Kindes muss auch ein etwaiger Loyalitätskonflikt des Kindes, folgend aus seinen Äußerungen, beachtet werden. Bei der Bewertung des geäußerten Kindeswillens ist daher stets zu prüfen, ob dieser Wille eigengebildet und Ausdruck der Selbstbestimmung ist. Dem Gericht obliegt jeweils die Prüfung der Stabilität des Kindeswillens und dessen Kompatibilität mit dem Kindeswohl. Um diese Prüfung im Interesse des Kindes vornehmen zu können, sieht nicht nur die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung eine Anhörung des Kindes ab vollendeten dritten Lebensjahr vor, sondern gibt das Gesetz dem Gericht auch die Möglichkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistands für das Kind sowie weitergehend auch der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Kindschaftsverfahren werden durch den Grundsatz der Amtsermittlung bestimmt. Es ist damit Aufgabe der Gerichte, von Amts wegen die notwendige Kindeswohlprüfung vorzunehmen und die hiermit einhergehenden juristisch nicht zu bewertenden Fragen einer ggf. sachverständigen Begutachtung zuzuführen. Voraussetzung ist allerdings, dass die zur Kindeswohlprüfung im Einzelfall erforderlichen Fragestellungen auch erkannt werden.

In der Praxisberatung sollte dem Kindeswillen in angemessener Form Rechnung getragen werden. Es ist durchaus verständlich, dass ein Elternteil auf einen ihm gegenüber geäußerten Willen des Kindes Bezug nimmt. Dieser Elternteil sollte allerdings auch darauf hingewiesen werden, in welcher besonderen Lage sich das Kind nach der Trennung seiner Eltern befindet und daher der geäußerte Kindeswille in jedem Fall darauf zu prüfen ist, ob er nicht nur Ausdruck einer Loyalitätsproblematik des Kindes ist. Bleibt der Kindeswille stabil, sollte in der gerichtlichen Auseinandersetzung dann aber darauf geachtet werden, dass er in der gebotenen Form – insbesondere durch Bestellung eines Verfahrensbeistands – in das Verfahren eingebracht und berücksichtigt wird.

Religion versus Erziehungseignung? (OLG Hamm v. 12.5.2017 – 4 UF 94/16)

In einer Zeit, in der Mord und sonstige menschenverachtende Gewalttaten mit einer angeblichen religiösen Motivation und Legitimation begangen werden, ist es zugegebenermaßen nicht immer einfach, sich mit der gebotenen Vehemenz von den üblichen Stammtischrednern und den von ihnen geschürten Ängsten zu distanzieren, wonach alles Fremde für die in ihrem Weltbild negativen Veränderungen verantwortlich sein soll. Menschen, die selbst nicht im Ansatz irgendeinen Bezug zu jener Religion besitzen, die sie mit leeren Worthülsen einer längst vergangen Zeit angeblich vor Gefahren schützen wollen, die von anderen Religionen drohen sollen, nähren den Boden, auf dem Misstrauen und Intoleranz wächst, die geeignet sein können, eine Gesellschaft zu spalten und Grundwerte zu zerstören, die Generationen hart erarbeitet haben.

Religion als Wertequelle einer Gesellschaft kann unterschiedliche Darstellungsformen haben. Ebenso wie sie ggf. dem absolut privaten Bereich vorbehalten bleiben kann, kann es dem Einzelnen ein Bedürfnis sein, die Zugehörigkeit zu einer Religion auch äußerlich zu dokumentieren, etwa durch Einhaltung einer strengen Kleidungsordnung. In einer Gesellschaft, für die die Glaubensfreiheit nach Art. 4 GG gilt, darf dieses äußerliche „Anderssein“ nicht dazu führen, dass auch in rechtlichen Wertungen mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen wird.

Das OLG Hamm hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit einer Frage dieses Kontextes auseinandergesetzt. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt stritten die Eltern um die Sorge für ihre 2006 geborene Tochter, bezüglich derer sie ursprünglich die gemeinsame Sorge vereinbart hatten. Die Mutter war 2011 zum Islam konvertiert und ist auch nach islamischem Recht mit ihrem jetzigen Partner verheiratet. Sie vertritt eine strenge Linie des Islam und trägt eine Vollverschleierung. Der Vater war in Nigeria aufgewachsen und 2004 nach Deutschland gekommen. Während nach dem Sachvortrag der Mutter die frühere Beziehung von Gewalttätigkeiten bestimmt wurde, trat der Vater dieser Darstellung entgegen. Zuletzt gerichtlich vereinbarte Umgänge des Vaters mit dem Kind fanden nicht statt, da die Mutter sie mit unterschiedlichen Gründen absagte. Dem Antrag der Mutter auf Übertragung der alleinigen Sorge trat der Vater mit einem eigenen Antrag entgegen. Die erstinstanzliche Entscheidung, wonach der Mutter die Alleinsorge übertragen wurde, hat die Beschwerdeinstanz bestätigt unter Verweis darauf, dass religiös bedingt zwischen den Eltern keine zu vereinbarenden Wert- und Erziehungsvorstellungen bestünden und damit die für die gemeinsame Sorge notwendige Kommunikationsbasis nicht existiere. Bestätigt hat der Senat auch die Sorgerechtsübertragung gerade auf die Mutter des Kindes, da zu ihren Gunsten wesentliche Kriterien der vorzunehmenden Kindeswohlprüfung sprachen. Zwar sah der Senat die streng islamische Erziehung des Kindes als eher ungünstig, wobei insbesondere aus dem Vorleben der Vollverschleierung Nachteile abgeleitet wurden. Allerdings hat der Senat ebenso festgestellt, dass das im Übrigen normal entwickelte Kind einen positiven Bezug zur Schule besaß und selbst eine hohe berufliche Ausbildung anstrebte. Neben einer den kindlichen Bedürfnissen entsprechenden Freizeitgestaltung wurde auch eine ausreichende soziale Integration festgestellt, wobei das Kind darauf verwies, dass das Tragen eines Kopftuchs in der Schule kein Problem sei, da dies auch von einigen anderen Mitschülerinnen so gehandhabt werde. Der Mutter wurde zudem ein liebevolles und zugewandtes Erziehungsverhalten bestätigt.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass einem Elternteil – bei bereits bestehender gemeinsamer Sorge – nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB die Alleinsorge für ein Kind zu übertragen ist, wenn im Rahmen der sog. großen Kindeswohlprüfung auf erster Stufe festgestellt wird, dass die Aufhebung der bestehenden gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht und sodann auf der zweiten Stufe festgestellt wird, dass gerade die Übertragung der Alleinsorge auf den antragstellenden Elternteil die dem Kindeswohl am besten entsprechende Regelung darstellt.

Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge ist dann geboten, wenn zwischen den Eltern die erforderliche Kooperationsfähigkeit und Kooperationswilligkeit als Grundlage der gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge nicht besteht, d.h. sie im Interesse des Kindes nicht in der Lage sind Differenzen zurückzustellen und den jeweils anderen Elternteil als gleichwertigen Bindungspartner des Kindes zu akzeptieren. Eine dem Kindeswohl dienende Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt dabei zwingend voraus, dass die Eltern dem Wohl des Kindes dienende Entscheidungen gemeinsam treffen können.

Soweit darüber hinaus aber auch die Übertragung der Alleinsorge gerade auf den antragstellenden Elternteil die dem Kindeswohl am besten entsprechende Regelung darstellen muss, ist der unbestimmte Rechtsbegriff des Kindeswohls durch bestimmte Kriterien näher zu präzisieren. Hierzu gehört etwa die Erziehungseignung eines Elternteils, wobei dessen Religionszugehörigkeit ggf. dieser Eignung entgegenstehen kann, wenn eine repressive Religionslehre in der Umsetzung eines beeinträchtigenden Erziehungsstils negativen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes nimmt. Neben der Erziehungseignung sind aber auch die Bindung des Kindes zu seinen Eltern oder Geschwistern zu bewerten sowie der ggf. seitens des Kindes ausdrücklich geäußerte und autonom gebildete Wille. Neben dem Kontinuitätsgrundsatz, d.h. der Bewertung, welcher Elternteil auch weiterhin eine gleichmäßige Erziehung und Betreuung des Kindes gewährleisten wird, ist letztlich das Förderungsprinzip zu bewerten, d.h. die pädagogische Kompetenz eines Elternteils, dem Kind auf seinem weiteren Lebensweg die notwendige Sicherheit und Orientierung zu geben. Dies sah das Gericht vorliegend bei der Mutter als gegeben an.

In der Praxisberatung muss bei jeder zu treffenden Sorgerechtsregelung das Kindeswohl im Mittelpunkt der durchzuführenden Prüfung stehen. Selbst soweit ein Elternteil sich für eine strenge religiöse Ausrichtung des eigenen Lebens entschieden hat, führt dies ebenso wenig dazu, dass das Kind diese zwingend auch für sein Leben übernehmen muss, noch dass daraus per se eine mangelnde Erziehungseignung eines Elternteils abzuleiten wäre. Die Sicherung der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und seiner sozialen Integration sind allein die Prüfungsmaßstäbe.

Wirklich kein Elternrecht auf Facebook?

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Bei der elterlichen Erziehungsverantwortung (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) handelt es sich um ein universelles Menschenrecht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 34, 165, 184) bezeichnet die Eltern als „natürliche Sachwalter für die Erziehung der Kinder“. Allerdings scheint dieses Recht auf Facebook, jedenfalls nach dem Tod eines Kindes, wenig wert zu sein. Eine für ihre fünfzehnjährige Tochter sorgeberechtigte Mutter wollte nach ihrem Tod Zugang zu deren Facebook-Account erhalten. Dies wurde ihr verweigert.

Das Kammergericht ging in seinem Urteil vom 31.5.2017 – 21 U 9/16 davon aus, dass § 88 Abs. 3 TKG Facebook zur Verweigerung der Zugangseröffnung verpflichtet. Die elterliche Sorge habe mit dem Tod des Kindes geendet, deshalb käme nur das Recht des Erben am digitalen Nachlass in Betracht, das aber durch die vorgenannte Bestimmung zum Schutz des Fernmelde- bzw. Telekommunikationsgeheimnisses beschränkt werde. Frau Kollegin Dr. Susanne Sachs hat in ihrem Blog-Beitrag vom 19.6.2017 diese Entscheidung für richtig gehalten. Außerdem geht sie davon aus, dass der Zugriff auf die persönliche Kommunikation eines verstorbenen Kindes nach §§ 202, 202a StGB strafbar wäre. Das Lesen von geöffneten Briefen eines verstorbenen Kindes und der Zugang zu seinem Facebook-Account mittels des den Eltern mitgeteilten Passwortes fallen bereits tatbestandmäßig nicht unter diese Strafbestimmungen. Zudem dürfte zusätzlich eine Rechtfertigung durch das Elternrecht vorliegen.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in den 1970er-Jahren (Mephisto-Entscheidung) einen postmortalen Persönlichkeitsschutz generell anerkannt, wenn auch im konkreten Fall verneint. Für die betroffenen Eltern wird es schwer verständlich sein, wieso angesichts zwischenzeitlich veränderter (sozialer) Medien zwar eine intensive Debatte über den digitalen Nachlass geführt wird, das Thema der Fortwirkung der Elternrechte als Teil des Schutzes der Familie über den Tod des Kindes hinaus dagegen nicht einmal ansatzweise diskutiert wird. Ist es wirklich richtig, dass der Tod eines Kindes für die Eltern zum bloßen Nachlassabwicklungsfall wird?