Schutzimpfung – eine Maßnahme zum Wohl des Kindes ? (BGH v. 3.5.2017 – XII ZB 157/16)

Die Frage, ob Kleinkinder bestimmten Schutzimpfungen zugeführt werden sollen, ist nicht nur im Kreis betreuender Eltern ein hochemotional diskutiertes Thema und nicht unerheblich davon überlagert, welchen grundsätzlichen Wertvorstellungen sie insbesondere zu medizinischen Fragen folgen. In dieser Diskussion wird nicht selten übersehen, dass allein die Information durch Internetforen nicht zwingend die erforderliche Basis bieten kann, um nach heutigem Forschungsstand hochkomplexe medizinische Sachverhalte abschließend würdigen und werten zu können. Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung ist zudem aber auch nicht nur eine Einzelentscheidung mit Blick auf das unmittelbar betroffene eigene Kind, sondern kann nicht überschaubare Folgen für Teile der Gesellschaft haben. Zu erinnern ist etwa an eine epidemische Verbreitung von Masern in Berlin im Jahr 2014, die mit Schulschließungen verbunden war, bzw. ein Schulverbot für nicht geimpfte Kinder in Marburg im Jahr 2015. Dass im Zusammenhang mit diesen Erkrankungen dann auch Todesfälle zu beklagen waren und aktuell wieder zu beklagen sind, zeigt die besondere Brisanz dieser Thematik und der hieraus folgenden Fragen, ob ein Kind Schutzimpfungen zugeführt werden soll bzw. wer letztlich hierüber entscheidet, wenn sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern zu dieser Frage nicht einigen können.

Mit dieser Problematik hat sich der BGH in einer aktuellen Entscheidung auseinander gesetzt. Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern konnten zu der Frage von Schutzimpfungen ihrer Tochter kein Einvernehmen herstellen. Während der Vaters altersentsprechende Schutzimpfungen entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) befürwortete, lehnte die Mutter diese ab, da nach ihrer Einschätzung das Risiko von Impfschäden das Infektionsrisiko überwog. Nur bei ärztlich mit Sicherheit ausgeschlossenen Schäden befürwortete sie anlassunabhängige Impfungen. Dem Vater wurde das Entscheidungsrecht über die Impfdurchführung erstinstanzlich übertragen. Die Beschwerdeinstanz hat diese Entscheidung bestätigt, aber die Entscheidungsbefugnis auf bestimmte Schutzimpfungen beschränkt, wie etwa Tetanus, Masern, Röteln oder Mumps. Die Rechtsbeschwerde der Mutter hat der BGH zurückgewiesen und die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis auf den Elternteil bestätigt, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der STIKO durchführen möchte, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen. Zudem hat der BGH klargestellt, dass auch die Entscheidung zur Durchführung von Standard- oder Routineimpfungen als eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung zu bewerten ist, so dass es bei gemeinsamer elterlicher Sorge auch grundsätzlich einer gemeinsamen Entscheidung hierzu bedarf.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass einem Elternteil nach § 1628 BGB ein Teilbereich der elterlichen Sorge – soweit es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung und nicht nur um eine Alltagsangelegenheit handelt – zur alleinigen Entscheidung übertragen werden kann, wenn zwischen den Eltern Dissens zu dieser konkreten sorgerechtlichen Frage besteht und das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass der Lösungsvorschlag jenes Elternteils, dem die Entscheidungsbefugnis letztlich übertragen wird, dem Kindeswohl besser gerecht wird. Ob von einer grundlegenden sorgerechtlichen Entscheidung oder einer Frage auszugehen ist, die den Alltagsangelegenheiten zuzuordnen ist, beurteilt sich nach der Legaldefinition des § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB: Danach zeichnen sich Angelegenheiten des täglichen Lebens dadurch aus, dass sie häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Kindesentwicklung haben. Soweit es um die Impfung eines Kindes geht, können sich diese schwerwiegenden Auswirkungen sowohl aus der Gefahr einer Infektion bei Nichtimpfung aber auch aus einem gesundheitlichen Schaden bei durchgeführter Impfung ergeben.

In der Praxisberatung ist es wichtig, Eltern, die die Sorge für ihr Kind gemeinsam ausüben, auf die Notwendigkeit hinzuweisen, etwaige Impfungen nicht nur zwingend mit dem jeweils anderen Elternteil abzustimmen, sondern auch auf die bestehenden Empfehlungen der STIKO zu verweisen, die den Kreis der empfohlenen Impfungen selbst bereits begrenzt. Daneben sollte zwingend aber auch mit den Eltern abgestimmt werden, dass ggf. durch den behandelnden Kinderarzt ein besonderes Impfrisiko ausgeschlossen werden kann. Sind diese grundlegenden Fragen geklärt, kann möglicherweise ein Einvernehmen der Eltern hergestellt, in jedem Fall aber das Verfahrensrisiko eingegrenzt werden.

Gefährdung des Kindesvermögens durch WhatsApp-Nutzung? (AG Bad Hersfeld v. 20.03.2017 – F 111/17 EASO)

Die Überlassung eines Smartphones an ein Kind oder Jugendlichen ab einem bestimmten Alter stellt sich heute mehr oder weniger als eine Selbstverständlichkeit dar. Die dadurch ermöglichte Kontaktherstellung etwa zwischen einem berufsbedingt ortsabwesenden Elternteil und dem Kind oder Jugendlichen – insbesondere für Notfälle – ist nicht zwingend negativ zu bewerten. Dabei wird regelmäßig aber auch akzeptiert oder zumindest in Kauf genommen, dass das überlassene Gerät ebenso in seinen sonstigen Funktionen genutzt wird, etwa dem Herunterladen von Apps, wobei vor allem die Applikation „WhatsApp“ besondere Bedeutung für die Kontaktunterhaltung innerhalb einer sozialen Gruppe hat. Nicht jeder Elternteil berücksichtigt in diesem Kontext, welche rechtlichen Konsequenzen mit dieser eigentlich alltäglichen Handhabung verbunden sind bzw. inwieweit möglicherweise sich hieraus für das Kind wirtschaftliche Risiken ergeben können, für die ggf. der Elternteil selbst dann auch einzustehen hat.

Mit einem besonderen Sachverhalt zu dieser Thematik hat sich aktuell das Amtsgericht –Familiengericht – Bad Hersfeld auseinandergesetzt. Die Mutter eines 10-jährigen Sohnes hatte gerichtlich eine striktere Regelung des Umgangs zwischen dem Kind und dessen Vater erstrebt mit dem Sachvortrag, dass er das Umgangswochenende nicht hinreichend mit dem Kind verbringe, sondern auch sonstige Tätigkeiten erledige und in dieser Zeit das Kind bei der Großmutter abgebe. Vor allem die Beschwerde des Kindes im Rahmen der richterlichen Anhörung, dass sein Vater es bei „WhatsApp“ blockiert habe, veranlasste das Gericht nicht nur, dem Kind zunächst die Begriffe der Datenweitergabe sowie des Datenschutzes näher zu erläutern, sondern auch, der betreuenden Mutter Auflagen nach § 1666 BGB zu erteilen. Konkret ging das Gericht dabei davon aus, dass sich aus der Nutzung von WhatsApp eine Gefahr für das Vermögen des Kindes ergeben könne, da das Kind als Nutzer gem. § 823 BGB von Dritten abgemahnt oder analog § 1004 BGB zur Unterlassung aufgefordert werden könne. Das für § 823 BGB erforderliche deliktische Handeln sah das Gericht darin, dass das Kind als aktiver Nutzer der App fortlaufend Datensätze jener Personen, die auf dem Smartphone als App-Kontakte erfasst seien, quasi in einer Datenbrücke an den Betreiber weiterleite und hierzu mangels einer zuvor eingeholten Zustimmung dieser Personen nicht befugt sei. Der betreuenden Mutter wurde daher u.a. durch das Familiengericht aufgegeben, von sämtlichen Personen, die im Adressbuch des Smartphones gespeichert waren, eine schriftliche Zustimmungserklärung bezüglich der Datenübertragung einzuholen und für den Fall der verweigerten Zustimmung, den Kontakt zu entfernen.

Unabhängig von der Frage, ob man hier eine Vermögensgefährdung für gegeben hält oder nicht, stellt sich die rechtliche Situation so dar, dass die elterliche Sorge neben der Personensorge für ein Kind auch die Vermögenssorge in tatsächlicher und rechtlicher Ausgestaltung umfasst, d.h. neben den eigentlichen Fürsorgehandlungen auch die gesetzliche Vertretung des Kindes in diesen Bereichen umfasst wird. In das nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Elternrecht auf Pflege und Erziehung eines Kindes darf der Staat nur dann eingreifen, wenn Gründe des Kindeswohls dies dringend erfordern. Unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind dann ggf. von Amts wegen jene Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig sind. Welche Maßnahmen dabei in Betracht kommen können, ist in § 1666 Abs. 3 BGB näher geregelt, wobei der BGH in seiner aktuellen Rechtsprechung ausdrücklich hervorgehoben hat, dass die dort dargestellten Ge- und Verbote nicht abschließend sind, sondern auch sonstige zur Gefahrenabwehr geeignete Weisungen familiengerichtlich angeordnet werden können (BGH v. 23.11.2016 – XII ZB 149/16, FamRB 2017, 48).

Für die Praxisberatung verdient die vorab dargestellte Entscheidung in zweierlei Hinsicht Beachtung. Zunächst stellt sie klar, dass unter dem Blickwinkel der besonderen Verantwortlichkeiten im Rahmen der elterlichen Sorge für ein Kind, von den Eltern zwingend auch erwartet werden kann, dass sie sich mit den Einzelheiten der möglichen rechtlichen Folgen vertraut machen, die mit der Überlassung technischer Geräte an ein Kind verbunden sind, und ihre Verantwortlichkeit nicht mit der Aushändigung des Gerätes endet, sondern vielmehr darüber hinausgehend von ihnen eine fortlaufende Überwachung bis zur Volljährigkeit des Kindes erwartet wird. Daneben zeigt die Entscheidung aber auch, dass ein eigentlich in eine gänzlich andere Richtung gedachtes kindschaftsrechtliches Verfahren unter dem Blickwinkel des Amtsermittlungsgrundsatzes sich für den Antragsteller durchaus auch ins Gegenteil verkehren kann.

Verträgt das Kindeswohl in sozialen Netzwerken veröffentlichte Kinderfotos? (AG Stolzenau v. 28.3.2017 – 5 F 11/17 SO)

In der anwaltlichen Beratungspraxis mehren sich die Beschwerden, dass seitens eines Elternteils Fotos eines gemeinsamen Kindes in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden. Der Aufforderung, diese Fotos zu löschen, wird häufig mit dem Hinweis begegnet, dass sie ohnehin nicht für jeden Nutzer einsehbar seien, sondern nur dem hierzu erlaubten Personenkreis. Diese Argumentation greift zu kurz. Natürlich geht es zunächst um den Schutz eines Kindes vor Straftätern. Diese können durchaus jedoch auch aus dem familiären Umfeld stammen bzw. es zeigt sich immer wieder, dass auch mit dem Auseinanderbrechen persönlicher Bindungen oder Beziehungen bislang beachtete Grenzen überschritten und „Freunde“ eines sozialen Netzwerks ebenso schnell zu Feinden werden können. Darüber hinausgehend darf auch nicht verkannt werden, dass Fotos, die einen Säugling oder ein Kleinkind zeigen, auch dann im Netz verbleiben, wenn dieses Kind seine eigenen sozialen Kontakte aufgebaut hat und zu einem späteren Zeitpunkt mit diesen ihm dann möglicherweise unangenehmen Bildern aus Kindertagen konfrontiert und bloßgestellt werden kann.

Mit einem entsprechend gelagerten Sachverhalt hat sich aktuell das Amtsgericht – Familiengericht – Stolzenau befasst. Der Vater einer 10-jährigen Tochter hatte bereits zu einem früheren Zeitpunkt Fotos des Kindes im Internet veröffentlicht. Erst auf wiederholte Aufforderung der Mutter hatte er die Fotos dann entfernt. Nachdem er aktuell erneut Fotos auf seinem Facebook-Account veröffentlichte, die von jedem Nutzer eingesehen werden konnten, und auf die Forderung zur Löschung nicht reagierte, beantragte die Mutter des Kindes, ihr das Recht zur Geltendmachung von gerichtlichen Unterlassungsansprüchen zur alleinigen Ausübung zu übertragen. Das Familiengericht ist diesem Antrag gefolgt.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass jeder Grundrechtsträger, d.h. auch ein minderjähriges Kind, aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat, das zugleich das Recht am eigenen Bild schützt. Hieraus folgt die Befugnis, über die Verwendung des Bildes der eigenen Person zu bestimmen und ggf. der Veröffentlichung des Bildes zu widersprechen. Wird diesem Widerspruch keine Folge geleistet, so kann aus den Vorschriften des KunstUrhG i.V.m. §§ 823, 1004 BGB ein Unterlassungsanspruch geltend und auch im gerichtlichen Verfahren durchgesetzt werden. Während der Minderjährigkeit des Kindes obliegt die Wahrnehmung dieser Rechte dem gesetzlichen Vertreter, d.h. bei gemeinsamer elterlicher Sorge den Eltern in gemeinsamer Ausübung. Wird jedoch gerade durch einen Elternteil die Ursache für die Rechtsverletzung gesetzt und ist er zu einer Verhaltenskorrektur nicht bereit, so sieht § 1628 BGB die Möglichkeit vor, die Alleinentscheidungsbefugnis einem Elternteil gerade zu dieser Angelegenheit zu übertragen, d.h. das Gericht trifft keine eigene Entscheidung zu der konkreten Angelegenheit, sondern nur zu der Frage, welcher Elternteil zur Wahrung des Kindeswohls in diesem Fall die Entscheidungskompetenz erhalten soll. § 1628 BGB knüpft dabei an die Frage an, ob es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handelt, da Alltagsangelegenheiten ohnehin dem jeweils betreuenden Elternteil obliegen. Die Abgrenzung zwischen Alltagsangelegenheiten und solchen von grundlegender Bedeutung gestaltet sich in der Praxis häufig schwierig, kann allerdings in Anlehnung an die Legaldefinition des § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB überprüft werden. Alltagsangelegenheiten sind nur solche, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Zentraler Prüfungsmaßstab ist letztlich das Kindeswohl, d.h. die Frage, welcher Elternteil in der konkret zu entscheidenden Angelegenheit am ehesten geeignet erscheint, die am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu treffen. Hier hat das AG Stolzenau gem. § 1628 BGB der Mutter die Entscheidungsbefugnis übertragen, für die gemeinsame Tochter einen Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. §§ 823 Abs. 2 BGB, 22, 23 KUG gegen den Vater geltend zu machen.

In der Praxisberatung sollte im Mandantengespräch sehr deutlich darauf hingewiesen werden, dass die Veröffentlichung von Kinderfotos in sozialen Netzwerken nicht leichtfertig behandelt werden darf. Auch mit Blick auf zwischenzeitlich veröffentlichte ausdrückliche diesbezügliche Warnungen der Polizei sollten die Eltern für die dem Kind drohenden Gefahren sensibilisiert und einem uneinsichtigen Elternteil ggf. mit einer gerichtlichen Entscheidung zwingend aufgegeben werden, die zum Schutz des Kindes notwendigen Maßnahmen zu veranlassen.

Wird durch die Beschleunigungsbeschwerde alles besser und schneller? (KG Berlin v. 31.1.2017 – 13 WF 12/17)

Ein zentrales gesetzgeberisches Anliegen im Zuge der Neueinführung des FamFG war das in § 155 FamFG verankerte Vorrang- und Beschleunigungsgebot. In Verfahren, die den Aufenthalt eines Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, soll hierdurch sichergestellt werden, dass nicht allein aus der Verfahrensdauer folgend Fakten geschaffen werden. Dem soll durch geeignete verfahrensfördernde Maßnahmen entgegen gesteuert werden. Hierzu gehört insbesondere, dass spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattfindet und eine Verlegung des Termins nur aus zwingenden Gründen zulässig ist. Gerade in Umgangsrechtsverfahren hat diese enge zeitliche Vorgabe besondere Bedeutung, da häufig nur im Zusammenhang mit einer zeitnahen gerichtlichen Entscheidung auch die Entfremdung zwischen einem Kind – insbesondere wenn es jünger und daher sein Zeitempfinden auch entsprechend anders ausgestaltet ist – und dem nicht betreuenden Elternteil vermieden werden kann.

Problematisch war allerdings immer auch die Frage, wann eine Verfahrensdauer noch angemessen ist und welche konkreten Möglichkeiten die Verfahrensbeteiligten haben, um einen zügigen Verfahrensfortgang zu erwirken. Mangels konkreter Regelungen hierzu behalf sich die Praxis bis zum Jahr 2011 mit der sog. Untätigkeitsbeschwerde, die immer dann erhoben werden konnte, wenn eine unzumutbare Verfahrensverzögerung vorlag, die letztlich einen Rechtsverlust für den unmittelbar Betroffenen bedeutet hätte. Bereits im Jahr 2010 hatte aber der EGMR schon festgestellt, dass in Deutschland kein wirksamer Rechtsbehelf bei überlangen Verfahren existierte, so dass die Bundesrepublik unter Frist aufgefordert wurde, einen solchen Rechtsbehelf einzuführen. Zum 3.12.2011 trat daher das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren in Kraft, mit dem nun den Verfahrensbeteiligten die Geltendmachung einer „angemessenen Entschädigung“ bei überlangen gerichtlichen Verfahren eröffnet wurde, sofern zuvor eine „Verzögerungsrüge“ erhoben worden war. Dieser Rechtsbehelf wies jedoch keinerlei präventiven Schutz auf, d.h. es wurde lediglich die Kompensation für eine lange Verfahrensdauer eröffnet, ohne dass allerdings ein wirksamer Rechtsbehelf dahin gehend bestanden hätte, bereits im Verfahren selbst auf die zügige Verfahrensfortführung Einfluss zu nehmen. In seinem Urteil vom 15.1.2015 hat daher der EGMR erneut die geltende Gesetzeslage als nicht mit Art. 8, 13 EMRK vereinbar bewertet und den nationalen Gesetzgeber aufgefordert, einen den supranationalen Vorgaben entsprechenden Rechtsbehelf gegen Verfahren mit überlanger Verfahrensdauer zu schaffen, um den Verfahrensbeteiligten nun die Möglichkeit zu eröffnen, bereits im Verfahren selbst eine überlange Dauer rügen zu können.

Zum 15.10.2016 ist daher mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des FamFG die in § 155b Abs. 1 FamFG verankerte Beschleunigungsrüge, ein eigenständiger präventiver Rechtsbehelf bei Verfahrensverzögerungen, eingeführt worden. Damit eröffnet sich nunmehr für die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zur Rüge, dass die bisherige Verfahrensdauer nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG entspricht. Die dafür maßgeblichen Umstände sind im Einzelnen darzulegen. Das Gericht ist sodann gehalten, spätestens innerhalb eines Monats über diese Rüge zu entscheiden und ggf. geeignete Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung zu ergreifen. Hilft das Ausgangsgericht der Rüge nicht ab, so ist gegen die ablehnende Entscheidung Beschwerde möglich (Beschleunigungsbeschwerde, § 155c FamFG).

In einer aktuellen Entscheidung vom 31.1.2017 hat sich nun das KG Berlin mit einer Beschleunigungsbeschwerde auseinandergesetzt. Hintergrund waren hochstreitige Auseinandersetzungen der Eltern zum Umgangsrecht der Mutter mit den gemeinsamen Kindern. Gegen die aus ihrer Sicht verzögerte Verfahrensführung hatte sie Beschleunigungsrüge erhoben, der jedoch das Ausgangsgericht nicht abhalf. Auch die von ihr eingelegte Beschleunigungsbeschwerde blieb ohne Erfolg. Das KG Berlin hat in seiner Begründung darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet habe, eine Verfahrenshöchstdauer festzusetzen, da das Beschleunigungsgebot kein Selbstzweck sei, sondern vielmehr dazu diene, dass Entscheidungen nicht durch Zeitablauf faktisch präjudiziert würden. Es sei stets am konkreten Einzelfall orientiert ein objektiver Prüfungsmaßstab anzulegen. Im konkreten Sachverhalt konnte dann auch der Antragstellerin dezidiert entgegen gehalten werden, dass die von ihr gerügte Verletzung des Vorrang- und Beschleunigungsgebotes nicht dadurch eingetreten war, dass das Gericht verfahrensfördernde Verfügungen verabsäumt hatte, sondern vielmehr sie selbst nicht nur den Umgang zu den Kindern abgebrochen hatte, sondern auch wiederholte von ihr eingereichte Ablehnungsgesuche gegen die Abteilungsrichterin dazu geführt hatten, dass erst verspätet – nach Entscheidung über diese Gesuche – die Akten an den Sachverständigen weitergeleitet werden konnten. Neben terminlichen Verschiebungen aus nachweislich dringenden beruflichen Abwesenheiten des Antragsgegners waren zudem neue tatsächliche Umstände – folgend aus streitigen Auseinandersetzungen der Familien in Anwesenheit der Kinder – für die Verfahrensverzögerung maßgeblich, da letztere seitens des Sachverständigen sodann neu bewertet werden mussten.

In der Praxisberatung sollten die Mandanten umfassend über die gesetzlichen Neuregelungen zur Sicherstellung der gebotenen Verfahrensbeschleunigung informiert werden. Bei der Bewertung, ob die vorzutragenden Umstände allerdings tatsächlich eine Rüge begründen können, muss aber auch ein gewisses Augenmaß gewahrt werden. Stets ist zu berücksichtigen, inwieweit der eigene Mandant durch seine Mitarbeit zur Verfahrensbeschleunigung oder -verzögerung selbst beigetragen hat. Auch nicht jede kritische Anmerkung des Richters muss zwingend ein Ablehnungsgesuch nach sich ziehen. Häufig ist eine Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz schneller zu erreichen als eine Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch, wobei gerade die Beschwerdegerichte regelmäßig auch deutliche Worte für eine nicht der gebotenen Objektivität entsprechende Verfahrensführung finden. Neben der gebotenen konsequenten Kontrolle der zeitlichen Abläufe eines Kindschaftsverfahrens muss stets ebenso bedacht werden, dass auch die Gerichte gelegentlich mit ihrer tatsächlichen personellen Ausstattung häufig an ihre Grenzen stoßen.

Wechselmodell – rotes Tuch oder Chance?

Kaum eine Debatte des Familienrechts wird mit so viel Inbrunst, Emotion und Leidenschaft geführt wie die Diskussion um das Wechselmodell. Nun hat der BGH entschieden, dass ein solches auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann, wenn es dem Kindeswohl am besten entspricht (BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15). Eingefleischte Gegner des Wechselmodells werden dem BGH vorwerfen, keine Kinder zu haben, zu wenig basisbezogen das Kindeswohl zu werten oder die aus dem Wechselmodell resultierenden Streitigkeiten als einen die Gerichte der ersten Instanzen überschwemmenden Tsunami zu menetekeln. 

Kein Familienrechtler würde heute noch den Satz formulieren, ‚Kinder gehören zur Mutter‘. Trotzdem entspricht dies unserer Familientradition und unserem Vorverständnis. Man merkt es bei sich selbst. Da kommt eine Frau und berichtet, sie habe nach Streitigkeiten mit dem Mann die Wohnung verlassen und die beiden Kinder (5 und 7 Jahre alt) beim Mann zurückgelassen. Man wird skeptischer, aufmerksamer vielleicht sogar misstrauisch und achtet auf Zwischentöne. Umgekehrt wäre man in der Erwartungshaltung bestätigt und gelassen. Alles liefe nach ‚Drehbuch‘.

Vor wenigen Tagen verbreitete die Presse die Meldung, Deutschlands Frauen trügen von allen OECD-Ländern den geringsten Teil zum Familieneinkommen bei. Das liegt an vielem, aber auch daran, dass Kinder ‚Frauensache‘ sind und diese sich für die Kinder opfern. Alles andere erregt Misstrauen. So wie auch das Doppelresidenz- oder Wechselmodell.

Viele im Zusammenhang mit dem Wechselmodell stehenden Fragen aus dem Sozial- und Steuerrecht sind nach wie vor ungeklärt. Auch weiss man nicht so ganz routiniert, wie der Unterhalt zu berechnen sei. Wenn beide Eltern hälftig betreuen, schmilzt dann die Barunterhaltspflicht, weil ja betreut wird (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB)? Die Sparsamen unter uns fragen sich, ob die betreuungsbedingten Verdiensteinbußen und die Erfüllung der Barunterhaltsverpflichtung durch Betreuung (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB) nun Schäubles schwarze Null gefährden

All denen sei versichert: Das Abendland wird nicht untergehen. Und die Kinder? Die verkraften ein Wechselmodell genauso gut oder schlecht wie eine übersorgende gluckenhafte Mutter, einen arbeitssüchtigen Vater oder umgekehrt. Sie leben auch in der intakten Familie mit unterschiedlichen Erziehungsstilen, die sie aus Kindergarten und Schule ohnehin gewohnt sind. Jedenfalls verkraften Kinder ein Wechselmodell besser als streitende Eltern, und sei es auch nur, sie stritten ums Besuchsrecht. Der BGH schreibt völlig zu Recht in die Entscheidung, dass das Wechselmodell höhere Anforderungen an Eltern und Kind stellt als das Alleinresidenzmodell.

Das Wechselmodell stellt aber auch hohe Anforderungen an die damit befassten Juristinnen und Juristen. Es wird in mehr Fällen praktiziert, als von der Rechtsprechung entschieden werden, weil es meist einvernehmlich gehandhabt wird und diese Fälle beschäftigen nicht die Justiz. Da aber, wo Eltern sich nicht einigen können, welches Modell der Kinderbetreuung sie nach der Trennung praktizieren wollen, haben Kinder das Recht darauf, dass wir uns als Juristen vorurteils- und vorverständnisfrei damit beschäftigen und Lösungen finden. Die Randprobleme Unterhalt, Sozial- und Steuerrecht werden wir doch wohl in den Griff bekommen. Juristinnen und Juristen waren immer kreativ. Wir sollten aber vermeiden, zu hohe Anforderungen an die vom BGH geforderte Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft der Eltern zu stellen und bei tatsächlichen Konflikten zu schnell das Wechselmodell als konkrete Falllösung aussondern. Wir würden den Rosenkrieger mit dem Residenzrecht adeln, falls wir nicht sehr genau analysieren, wer zündelt und zankt und damit dem Kind schadet.

Auskunftsansprüche in Ergänzung des persönlichen Umgangs (BGH v. 14.12.2016 – XII ZB 345/16)

Die Frage von Umgangskontakten und generell der Teilhabe des nicht betreuenden Elternteils an der persönlichen Entwicklung eines Kindes ist für viele Elternteile nach der Trennung ein zentrales Thema. Auch wenn es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleibt, obliegt gleichwohl dem betreuenden Elternteil die Befugnis, über die Alltagsangelegenheiten allein zu entscheiden. Die in der Regel bis zur Trennung stattfindenden gemeinsamen Gespräche und Abstimmungen der Eltern auch zu diesen Alltagsangelegenheiten gibt es nicht mehr, so dass sich häufig aus der Alltagszuständigkeit letztlich auch ein Informationsvorsprung eines Elternteils ergibt, aus dem sich faktisch dann auch die Weichenstellung für grundlegende Fragen – etwa die der Schulwahl – ableitet. Viele nicht betreuende Elternteile fühlen sich durch die Reduzierung allein auf Umgangskontakte letztlich aus dem Leben des Kindes ausgegrenzt. Hierbei wird häufig nicht bedacht, dass neben den Umgangskontakten auch Auskunftsansprüche zu den persönlichen Verhältnissen sowie zur grundlegenden Entwicklung des Kindes geltend gemacht werden können.

Mit wesentlichen in diesem Kontext bestehenden Fragen hat sich der BGH in einer aktuellen Entscheidung auseinandergesetzt. Das gemeinsame Kind der beteiligten Eltern lebte bereits längerfristig in einer Pflegefamilie, nachdem den Eltern u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestimmt worden war. Beide Elternteile hatten Umgangskontakte mit dem Kind, wobei der Vater gegenüber der Mutter, den Pflegeltern und dem Jugendamt Auskunftsansprüche in der Form detaillierter monatlicher Berichte geltend machte. In den Vorinstanzen wurden Auskunftsansprüche gegenüber der Mutter und den Pflegeeltern – in halbjährlicher Form – zuerkannt. Auf die Rechtsbeschwerde des Vaters hat der BGH erkannt, dass dem Vater gegenüber der Mutter ein Auskunftsanspruch nach § 1686 BGB zusteht. Der Anspruch setzt nicht voraus, dass der auskunftsverpflichtete  Elternteil die Obhut über das Kind ausübt. Grundsätzlich kommt daher auch ein auf Umgangskontakte beschränkter Elternteil als Anspruchsgegner in Betracht. Zudem hat der BGH entschieden, dass nicht nur ein Elternteil zur Auskunft verpflichtet sein kann, sondern ggf. auch das Jugendamt, wenn es als Ergänzungspfleger teilweise Sorgerechtsinhaber ist, vor allem jedoch mit Blick auf die ihm obliegende Aufsicht im Rahmen des bestehenden Fürsorgeverhältnisses für das in Vollzeitpflege befindliche Kind über die zur Auskunftserteilung erforderlichen Informationen verfügt. Darüber hinaus hat der BGH entschieden, dass typischerweise etwa Auskunft zu erteilen ist über das schulische Fortkommen, die gesundheitliche Situation oder die soziale Entwicklung des Kindes, jedoch keine detaillieren Angaben zum Tagesablauf, ärztliche Unterlagen oder Informationen zur vermögensrechtlichen Situation geschuldet werden. Ob Fotos vorzulegen sind, soll sich am Einzelfall entscheiden.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass ein Elternteil, dem nicht die persönliche Betreuung eines Kindes obliegt, unabhängig von der bestehenden Regelung der elterlichen Sorge, Auskunftsansprüche geltend machen kann, um sich über die Entwicklung und die wesentlichen Lebensumstände des Kindes zu informieren. Durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters vom 4.7.2013 wurde erstmals auch dem nur leiblichen Vater ein solcher Auskunftsanspruch zuerkannt. Unabdingbare Voraussetzung eines jeden Auskunftsanspruchs ist aber, dass er dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Durch die Auskunft soll dem nicht betreuenden Elternteil die Möglichkeit gegeben werden, sich über das Befinden und die Entwicklung des Kindes in Kenntnis zu setzen. Der Auskunftsanspruch besteht neben dem Umgangsanspruch und kann unabhängig von diesem geltend gemacht werden. Allerdings muss der die Auskunft begehrende Elternteil ein berechtigtes Interesse an den geforderten Informationen haben. Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn er keine andere Möglichkeit hat, um sich über die Entwicklung des Kindes in zumutbarer Weise zu informieren. Dies kann etwa auch anlässlich der Umgangskontakte erfolgen. Dem berechtigten Interesse steht es entgegen, wenn mit dem Auskunftsanspruch missbräuchliche Zwecke verfolgt werden, etwa der Sorgeberechtigte überwacht oder ein geheim zu haltender Aufenthalt des Kindes ermittelt werden soll.

Durch die Umsetzung des Auskunftsanspruchs soll der berechtigte Elternteil Informationen über die Entwicklung des Kindes sowie seine Lebensumstände erhalten. Hierzu gehören in jedem Fall die Darstellung der persönlichen Interessen, der schulische Werdegang sowie der Gesundheitszustand, wobei zu letzterem jedoch keine detaillierten Unterlagen vorzulegen sind. Zudem ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass mit zunehmendem Alter eines Kindes auch dessen Privat- und Intimsphäre zu respektieren ist und damit Informationen zu höchstpersönlichen Angelegenheiten nicht mehr zu erteilen sind.

In der Praxisberatung sollte dem Auskunftsanspruch verstärkte Bedeutung beigemessen werden. Ein Elternteil, der umfassend über die persönliche Situation seines Kindes in Kenntnis gesetzt wird und an dessen Entwicklung sowohl durch regelmäßige Umgänge als auch darüber hinausgehend erteilte Informationen teilnehmen kann, wird sich aus dem Leben des Kindes nicht als ausgegrenzt fühlen. Streitigkeiten um Teilbereiche der elterlichen Sorge lassen sich auf diesem Wege möglicherweise auch umgehen.

Namensänderung zum Wohl des Kindes? (BGH v. 9.11.2016 – XII ZB 298/15)

Auch wenn nach Goethes „Faust“ Namen Schall und Rauch sind, haben sie in der familienrechtlichen Praxis einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert; sei es, dass ein geschiedener Ehegatte möglichst schnell den Ehenamen ablegen möchte oder die Familie eines Ehegatten darauf „drängt“, dass der geschiedene Partner nicht mehr berechtigt sein soll, den Familiennamen weiterzutragen. Hohe Brisanz haben jedoch vor allem jene Verfahren, in denen es um den Namenswechsel eines gemeinsamen Kindes geht. Nicht immer sind die Motive, die diese Verfahren leiten, streng am Kindeswohl orientiert, sondern eher Ausdruck dafür, dass der frühere Partner nun auch auf dieser Ebene endgültig aus dem eigenen Leben und ebenso dem des Kindes ausgeklammert werden soll. Die „selbstverständliche“ Zustimmung des Kindes zu der erstrebten Namensänderung wird häufig von floskelhaften Begründungen überlagert, die nur vordergründig an realen Kindesbelangen ausgerichtet sind.

Mit einem entsprechenden Sachverhalt hat sich der BGH in einer aktuellen Entscheidung auseinander gesetzt. Die nicht verheirateten, gemeinsam sorgeberechtigten Eltern hatten ihrem Kind nach dessen Geburt den Nachnamen des Vaters als Geburtsnamen erteilt. Nach der Trennung der Eltern wollte die Mutter dem Kind ihren Nachnamen erteilen. Mangels Zustimmung des Vaters beantragte sie die Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Namensänderung. Auf die Rechtsbeschwerde des Vaters wurde ihr Antrag zurückgewiesen, da im konkreten Fall die Namensänderung für das Kindeswohl nicht erforderlich war.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass einem Elternteil nach § 1628 BGB ein Teilbereich der elterlichen Sorge – soweit es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung und nicht nur eine Alltagsangelegenheit handelt – zur alleinigen Entscheidung übertragen werden kann, wenn zwischen den Eltern Dissens zu dieser konkreten sorgerechtlichen Frage besteht und das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass der Lösungsvorschlag jenes Elternteils, dem die Entscheidungsbefugnis letztlich übertragen wird, dem Kindeswohl besser gerecht wird.

Geht es um die Namensänderung eines Kindes, so bedarf sie der behördlichen Beantragung und ist – ohne Einwilligung des jeweils anderen Elternteils – nach § 3 Abs. 1 NamÄndG nur dann erfolgreich, wenn es für die Änderung einen wichtigen Grund gibt, d.h. sie für das Wohl des Kindes erforderlich ist. Erforderlich in diesem Sinn ist eine Änderung nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung erst dann, wenn das Kindeswohl die Änderung geradezu gebietet. Zwischen den Folgen der Änderung und der Namensbeibehaltung ist abzuwägen. Dabei muss die Änderung für das Kind solche Vorteile mit sich bringen, dass die Beibehaltung der Namensgleichheit mit dem anderen Elternteil nicht zumutbar erscheint.

Hierzu hat der BGH in seiner Rechtsprechung hervorgehoben, dass allein der Wunsch des Kindes ebenso wenig ausreichend ist wie der elterliche Wunsch, um von der Erforderlichkeit einer Namensänderung auszugehen, da eine Namensverschiedenheit zwischen Eltern und Kinder nicht ungewöhnlich sei. Ebenso hat der BGH klargestellt, dass allein die Trennung der Eltern keine abweichende Bewertung ihrer Motive rechtfertige, die ursprünglich für sie bei der Namensgebung entscheidend waren. In die Abwägung sei zudem einzubeziehen, in welchem tatsächlichen persönlichen Verhältnis der Elternteil, dessen Namen abgelegt werden soll, zu dem Kind stehe.

In der Praxisberatung ist es daher wichtig, Eltern, die eine Namensänderung anstreben, unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass eine solche – am Kindeswohl orientiert und aus der Bedeutsamkeit der Namenskontinuität folgend – an restriktiv zu prüfende Voraussetzungen gebunden ist. Es bedarf einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung, im Rahmen derer insbesondere auch die persönliche Beziehungen des Kindes zum jeweils anderen Elternteil sowie dessen Bemühen um das Kind zu bewerten sind. Erst wenn diese umfassenden Ermittlungen abgeschlossen sind, sollte vom Gericht die Entscheidung getroffen werden, ob eine Namensänderung tatsächlich erforderlich ist oder das gerichtliche Verfahren nichts anderes zum Ergebnis hat, als eine vermeidbare Belastung des Kindes.

Löschung zwangsvernetzter Apps zur Abwehr von Kindeswohlgefährdungen (AG Bad Hersfeld v. 22.07.2016 – F 361/16 EASO)

Wohl kaum ein anderer Begriff wie der der Kindeswohlgefährdung ist in der familiengerichtlichen Praxis mit so viel negativen Emotionen aber auch häufiger Unsicherheit bei der Frage verbunden, ob getroffene Maßnahmen tatsächlich geeignet sind, der bestehenden Gefährdung entgegenzuwirken und wie sich die Lebenswelt des Kindes durch diese Maßnahme künftig bestimmt. Nicht selten wird allein das zu schützende Kind – statt des Schädigers – belastet und in seiner kindlichen Entwicklung eingeschränkt durch Maßnahmen, die seinem Schutz dienen sollen.

Dass zur kindlichen Entwicklung nicht nur der regelmäßige Kontakt mit Gleichaltrigen gehört, sondern auch die Nutzung neuester technischer Kommunikationsmittel, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Gerade die sich hieraus ergebenden uneingeschränkten Kontaktmöglichkeiten bergen jedoch in einem zunehmend unkontrollierbaren Datenaustausch ebenso nur noch schwer kontrollierbare und beherrschbare Gefahren für Kinder. Für Eltern ist es daher auch zunehmend schwieriger, nicht nur mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten, sondern auch – bei gleichzeitiger Vertrauenssicherung gegenüber dem Kind – mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl eine Kontrolle darüber zu halten, mit wem und mit welchem Inhalt das Kind Daten austauscht.

Mit einem entsprechenden Sachverhalt hat sich das AG Bad Hersfeld umfassend in einer aktuellen Entscheidung auseinander gesetzt, in der es um die Frage ging, wie konkret ein Elternteil sexuellen Belästigungen der beiden Töchter mittels der Messenger-App „WhatsApp“ entgegenwirken kann bzw. welche konkreten Handlungen von den Eltern in dieser Situation zu verlangen sind. Das Gericht hat in seinem Beschluss dem betreuenden Vater Auflagen erteilt, durch die er nicht nur verpflichtet wurde, einen physisch-realen Kontakt des Belästigers zu den Kindern zu unterbinden, sondern auch jeglichen virtuellen Kontakt, indem er die auf Zwangsvernetzung beruhende App von den Smartphones zu entfernen und diesen abgesicherten Zustand mittels geeigneter Kontrollen der Geräte laufend aufrecht zu erhalten hatte. Daneben wurde er verpflichtet, in regelmäßigen Abständen mit den Kindern den aktuellen Stand der Smartphones zu besprechen und die Geräte gemeinsam mit seinen Töchtern auf gespeicherte Apps und etwaig auftretende Ungereimtheiten zu prüfen.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass nach § 1666 Abs. 1 BGB als ultima ratio Eingriffe in die Personensorge erfolgen können, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes nachhaltig gefährdet ist und die Eltern nicht willens oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Von einer Kindeswohlgefährdung im Sinn dieser Vorschrift ist auszugehen, wenn entweder die Gefahr bereits konkret besteht oder zumindest so nahe bevorsteht, dass eine erhebliche Schädigung des Kindeswohls mit ziemlicher Sicherheit voraussehbar ist. Neben den Fällen der tatsächlich missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge ist vor allem das unverschuldete Versagen der Eltern von hoher praktischer Bedeutung. Der Entzug der Personensorge insgesamt oder in Teilbereichen kommt gleichwohl jedoch nur dann in Betracht, wenn andere niederschwelligere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder bereits zuverlässig abgeschätzt werden kann, dass sie zur Gefahrenabwehr nicht ausreichend sind. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet in diesem Kontext seine besondere Ausprägung. Die Gerichte haben bei der Auswahl der in Betracht kommenden Maßnahmen jeweils zu prüfen, ob diese zur Gefahrenabwehr geeignet, erforderlich und auch zumutbar sind. Erforderlich in diesem Sinn sind daher Maßnahmen nur dann, wenn aus den zur Zielerreichung geeigneten Maßnahmen das mildeste Mittel gewählt wird, das die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigt. Das Gesetz differenziert weitergehend danach, ob sich die zum Schutz des Kindes zu treffenden Maßnahmen gegen die sorgeberechtigten Eltern richten oder die Gefährdung von einem Dritten ausgeht. Sollen Maßnahmen gegenüber den Eltern selbst ergriffen werden, so werden in § 1666 Abs. 3 BGB konkrete Beispiele aufgelistet, durch die der Kindeswohlgefährdung begegnet werden kann, d.h. diese Beispiele präzisieren in gewisser Weise den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da sie dem Eingriff in die elterliche Sorge vorgelagert sind. Folgt demgegenüber die Kindeswohlgefährdung aus dem Verhalten eines Dritten, so sieht § 1666 Abs. 4 BGB vor, dass auch unmittelbar diesem gegenüber Schutzmaßnahmen veranlasst werden können. In dieser Konstellation ist ein doppelter Kindesschutz möglich. Einerseits haben die Eltern die Möglichkeit, gestützt auf das GewSchG, gerichtlichen Rechtsschutz einzufordern, etwa durch ein Näherungsverbot. Parallel wird zudem das Familiengericht von Amts wegen tätig und trifft die zur Abwehr der Gefährdung notwendigen Maßnahmen, die sich auf Ermahnungen, Verhaltensgebote und -verbote sowie auf Umgangsverbote richten können. Im äußersten Fall kann aber auch ein Wohnungswechsel angeordnet werden.

In der Praxisberatung ist es wichtig, Eltern die mit gerichtlichen Maßnahmen zum Schutz des Kindes konfrontiert werden, umfassend darüber aufzuklären, dass das gerichtliche Eingreifen auch als Chance für sie zu verstehen ist. Nur durch ein konstruktives Zusammenwirken von Eltern, Gericht und Jugendamt ist ein effektiver Kindesschutz zu gewährleisten, aber auch zu verhindern, dass weitere Eingriffe in das Elternrecht erforderlich werden.

Elternwunsch gleich Kindeswohl? Vegane Ernährung eines Kleinkindes (OLG Frankfurt v. 4.2.2016 – 4 UF 274/15)

Kindschaftsverfahren werden regelmäßig hochemotional geführt. Häufig haben die beteiligten Eltern eine schmerzhafte Trennung hinter sich und sehen sich sodann auch noch mit der Auseinandersetzung zu der Frage konfrontiert, im Haushalt welchen Elternteils künftig das oder die gemeinsamen Kinder leben werden. Nicht immer gelingt es den Eltern, emotionale Betroffenheit auszuklammern und ihr Verhalten konsequent darauf zu richten, was aus objektiver Sicht dem Kindeswohl am besten entspricht. Bestimmte Haltungen zum Erziehungsstil oder der allgemeinen Lebensführung werden nicht selten in einer intakten Beziehung gerade nur wegen dieser Beziehung mitgetragen, so dass deren Ende häufig auch das Ende der Akzeptanz der Erziehungsvorstellungen des anderen Elternteils ist.

Die damit einhergehende Problematik potenziert sich, wenn ein Elternteil zu Fragen der Ernährung oder der Gesundheitsfürsorge im Allgemeinen Vorstellungen verfolgt, die bei objektiver Betrachtung Risiken für ein ihm anvertrautes Kind befürchten lassen. Mit einem entsprechenden Sachverhalt hat sich das OLG Frankfurt in einer aktuellen Entscheidung auseinander gesetzt, in der es um die Frage der elterlichen Sorge ging vor dem Hintergrund einer streng veganen Ernährung eines Kleinkindes, die letztlich zu wiederholten kinderärztlichen Gefährdungsmeldungen u.a. wegen Wachstumsverzögerungen führte, bzw. einem Erziehungskonzept ohne erzieherische Vorgaben, sondern allein orientiert an den natürlichen Bedürfnisvorgaben des Kindes. In dieser Situation begehrte der Kindesvater, in dessen Obhut sich zum Zeitpunkt der Trennung das zweijährige Kind befand, das Recht der Gesundheitsfürsorge sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Gegenläufig verfolgte die Mutter mit ihrem Antrag die alleinige elterliche Sorge in ihrer Gesamtheit.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass bei bestehender gemeinsamer elterlicher Sorge und nicht nur vorübergehender Trennung der Eltern die Übertragung von Teilbereichen der elterlichen Sorge oder deren Übertragung in ihrer Gesamtheit gem. § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB geltend gemacht werden kann. Steht bei nicht verheirateten Elternteilen die elterliche Sorge der Mutter nach § 1626a Abs. 3 BGB zu, so eröffnet § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB dem Vater die Möglichkeit zur Erlangung der alleinigen Sorge. In beiden Konstellationen bedarf es einer sog. großen Kindeswohlprüfung.

Im ersten Schritt erfolgt die Prüfung, ob die Aufhebung oder Nichtherstellung der gemeinsamen Sorge im Interesse des Kindes liegt, wobei nach geltender höchstrichterlicher Rechtsprechung es bezüglich der gemeinsamen Sorge keinen Vorrang gegenüber der Alleinsorge gibt. Entscheidend ist vielmehr, ob zwischen den Eltern eine tragfähige soziale Beziehung besteht, die ihnen die gemeinsame Ausübung der elterlichen Verantwortung ermöglicht. Es bedarf daher einer objektiven Kooperationsfähigkeit und einer subjektiven Kooperationswilligkeit, um im Interesse des Kindes regelungsbedürftige Fragen gemeinsam zu entscheiden.

Kann eine solche tragfähige Beziehung nicht festgestellt werden, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gerade auf den antragstellenden Elternteil sich als die dem Kindeswohl beste Entscheidung darstellt. Der unbestimmte Begriff des Kindeswohls wird dabei von mehreren Kriterien näher präzisiert. Ein wesentlicher Aspekt ist der Kontinuitätsgrundsatz, d.h. die Frage, welcher Elternteil auch künftig eine möglichst einheitliche, stabile und gleichmäßige Erziehung und Betreuung des Kindes wird gewährleisten können. Ebenso bedeutsam ist der Förderungsgrundsatz, d.h. inwieweit ein Elternteil aufgrund eigener pädagogischer Kompetenz dem Kind in seiner weiteren Entwicklung die notwendige Sicherheit und Orientierung geben kann. Hierbei spielt es eine Rolle, ob dieser Elternteil ein tragfähiges Erziehungskonzept hat, er als Betreuungsperson stabil und verlässlich ist und letztlich ihm auch eine Bindungstoleranz attestiert werden kann. Gerade der Bindungstoleranz kommt eine wesentliche Bedeutung zu, d.h. der Fähigkeit eines Elternteils, spannungsfreie Kontakte des Kindes mit dem jeweils anderen Elternteil nicht nur zuzulassen, sondern in eigener Person auch zu fördern. Ebenso bedeutsam sind die Bindungen des Kindes sowohl zu seinen Eltern als auch zu Geschwistern oder engen Bezugspersonen des sozialen Umfeldes. Letztlich darf auch der Kindeswille nicht außer Betracht bleiben, der mit zunehmendem Alter des Kindes auch Ausdruck einer sich verstärkenden Selbstbestimmung ist. Die vorab dargestellten Kriterien stehen nicht kumulativ nebeneinander. Sie sind jeweils einzelfallbezogen mit entsprechender Gewichtung zu prüfen, um die dem Kindeswohl am besten entsprechende Regelung zu finden.

Im Fall des OLG Frankfurt hatte das Familiengericht dem Vater unter Zurückweisung des Antrags der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitssorge zur alleinigen Ausübung übertragen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Mutter blieb vor dem OLG ohne Erfolg, da die Bereitschaft, eigene Ernährungs- und Erziehungsvorstellungen den Bedürfnissen des Kindes anzupassen, bei der Mutter nicht vorhanden sei.

In der Praxisberatung sollte darauf geachtet werden, dass im Mittelpunkt jeder zu treffenden Entscheidung das Kindeswohl steht. Dieses muss nicht immer deckungsgleich sein mit den Wünschen und Vorstellungen eines Elternteils. Zu Beginn jeder Mandatierung sollte immer die umfassende Erörterung stehen, worauf sich das eigentliche Interesse eines Elternteils richtet. Dies muss nicht immer zwingend die formale Position einer Sorgerechtsinhaberschaft sein.

„Nehmen Sie das Kind einfach mit, wenn er bei der Arbeit ist“ – Ist dieser anwaltliche Ratschlag strafbar?

Wenn nach einer Trennung ein Elternteil die bisher gemeinsame Wohnung verlassen möchte, ist die erste Frage, die er an den Anwalt richtet, meist, ob er die gemeinsamen Kinder an den neuen Wohnort mitnehmen darf und ob er den anderen Elternteil vorher fragen muss.

1. Typischer anwaltlicher Ratschlag in der Praxis

In der Praxis lautet der anwaltliche Ratschlag erfahrungsgemäß sehr häufig, man solle das Kind einfach an den neuen Wohnort mitnehmen, wenn der andere Elternteil gerade nicht zu Hause ist. Dieser Ratschlag wird insbesondere dann erteilt, wenn der Elternteil, der ausziehen will, die Kinder bis dahin überwiegend betreut hat. Davon, den anderen Elternteil über dieses Vorhaben zu informieren, wird meist abgeraten, damit dieser sich nicht durch eine einstweilige Anordnung rechtzeitig zur Wehr setzen kann, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Ist der Auszug mit dem Kind oder den Kindern erst einmal vollzogen, dauert es häufig Wochen, bis endlich eine Gerichtsentscheidung bzgl. der Herausgabe des Kindes bzw. des Aufenthaltsbestimmungsrechts getroffen ist. Da die Entscheidung nicht nach dem Schuldprinzip, sondern ausschließlich in Orientierung am Wohl des Kindes gefällt wird, kann der übergangene Elternteil den Umzug seines Kindes, das sich möglicherweise schon am neuen Wohnort eingewöhnt hat, oft nicht mehr rückgängig machen.

2. Strafbarkeit dieses Ratschlags

Meines Erachtens ist ein solcher überraschender, heimlicher Umzug mit dem gemeinsamen Kind ohne Einverständnis des anderen Elternteils strafbar gemäß § 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB, womit sich auch ein Anwalt, der einen solchen Ratschlag erteilt, wegen Anstiftung strafbar macht:

Der objektive Tatbestand der Vorschrift setzt voraus, dass einem Elternteil ein Kind mit Gewalt, Drohung oder List entzogen wird. Der Tatbestand der Entziehung ist bei gemeinsamer Sorge jedenfalls dann erfüllt, wenn ein Elternteil das Sorgerecht unter Ausschluss des anderen auf Dauer für sich in Anspruch nimmt. Dies ist in dem oben geschilderten Fall jedenfalls bzgl. des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Fall. Gewalt und Drohung liegen hier ersichtlich nicht vor, meines Erachtens ist hier aber das Tatbestandsmerkmal der „List“ regelmäßig zu bejahen. „List“ ist ein Verhalten, das darauf abzielt, unter geflissentlichem und geschicktem Verbergen der wahren Zwecke der Mittel die Ziele des Täters durchzusetzen. Dies ist nach herrschender Meinung bereits dann anzunehmen, wenn der Täter die Unkenntnis des anderen von seinem Vorhaben ausnutzt (siehe nur Wieck-Noodt in MünchKomm/StGB, § 234 Rz. 38). Wenn ein sorgeberechtigter Elternteil hinter dem Rücken des anderen einen Umzug plant, um dann überraschend auszuziehen, ist aber meines Erachtens genau dies der Fall.

Der subjektive Tatbestand ist bei entsprechender Planung ohne weiteres erfüllt. Auch von einem rechtfertigenden mutmaßlichen Einverständnis des anderen kann hier nicht ausgegangen werden, da der Elternteil, der das Kind überraschend und heimlich mitnimmt, ja gerade davon ausgeht, dass der andere Elternteil nicht einverstanden sein wird, da sonst diese Vorgehensweise nicht erforderlich wäre.

3. Praxishinweis

Wie über jede juristische Frage kann man sicherlich über die Strafbarkeit eines unangekündigten Umzugs mit einem gemeinsamen Kind streiten. Fest steht aber jedenfalls, dass kein Anwalt sich dazu hinreißen lassen sollte, einen entsprechenden Ratschlag zu erteilen, da hier die Annahme einer strafbaren Anstiftung zur Kindesentziehung jedenfalls ernsthaft in Betracht kommt.