Die Entscheidung, ob man eine Erbschaft annehmen oder ausschlagen soll, ist nicht immer einfach zu treffen. Insbesondere wenn die Erben nur oberflächlichen Kontakt zum Erblasser hatten oder der Erblasser sie schlicht nicht über seine Finanzen informiert hat, kaufen sie mit der Annahme der Erbschaft „die Katze im Sack“. Das Gesetz erleichtert die Entscheidung für die Erben kaum. Die Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft ist mit sechs Wochen ab Kenntnis von dem Tod des Erblassers bzw. seiner letztwilligen Verfügung extrem kurz. Wird die Erbschaft nicht innerhalb dieser Frist ausgeschlagen, gilt sie als angenommen. Innerhalb dieser kurzen Zeit ist es aber meist nicht möglich, sich ein vollständiges Bild von dem Nachlass zu machen. Verschärft wird die Problematik dadurch, dass die Banken und Versicherungen den Erben die Auskunft verweigern, wenn sie keinen Erbschein vorlegen können oder nicht zufälligerweise über eine Vollmacht des Erblassers verfügen. Einen Erbschein können die Erben wiederum erst nach Annahme der Erbschaft erhalten. Durchaus nicht selten stellen die Erben daher erst nach der Annahme der Erbschaft fest, dass der Nachlass überschuldet ist, und wollen die Erbschaft wieder loswerden, zumal sie als Erben grundsätzlich auch mit ihrem persönlichen Vermögen für die Nachlassschulden haften. Eine einmal angenommene Erbschaft wieder loszuwerden ist allerdings nicht ganz einfach.
Das Gesetz stellt den Erben zwar die Möglichkeit der Anfechtung der Annahme einer Erbschaft zur Verfügung, wenn sie irrtümlich davon ausgegangen sind, dass der Nachlass nicht überschuldet ist. Ein solcher Irrtum liegt allerdings bereits dann nicht vor, wenn die Erbschaft „spekulativ“ in der Hoffnung angenommen wurde, sie sei nicht überschuldet (OLG Düsseldorf v. 17.10.2016 – I-3 Wx 155/15). Eine Anfechtung wegen Überschuldung des Nachlasses ist also nur dann möglich, wenn die Erben bei der Annahme der Erbschaft davon überzeugt waren, dass der Nachlass nicht überschuldet ist, nicht aber schon dann, wenn die Erben keine Informationen über den Nachlass hatten.
Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 17.10.2016 nun die Möglichkeit einer Anfechtung wegen Überschuldung sogar in einem Fall für ausgeschlossen gehalten, in dem die Erben – jedenfalls angeblich – davon überzeugt gewesen waren, der Nachlass sei schuldenfrei. Zu dieser Überzeugung waren sie dadurch gelangt, dass die Erblasserin ihnen gegenüber zu Lebzeiten mehrfach geäußert hatte, es bestünden keine Verbindlichkeiten mehr, sie müssten sich also wegen der zukünftigen Erbschaft keine Sorgen machen. Das OLG wies die Beschwerde der Erben mit der Begründung zurück, dass diese Aussagen der Mutter ungeeignet gewesen seien, die Überzeugung zu begründen, der Nachlass sei nicht überschuldet. Allenfalls hätte diese Aussage diesbezüglich eine vage Hoffnung begründen können, zumal den Erben die Unzuverlässigkeit der Erblasserin in finanziellen Fragen bekannt gewesen sei. Eine bloße Hoffnung sei aber eben kein rechtserheblicher Irrtum, der zur Anfechtung berechtigt.
Diese Entscheidung ist zwar unsauber begründet, dürfte jedoch im Ergebnis richtig sein. Das OLG vermischt in seiner Argumentation die materiellen Voraussetzungen eines rechtserheblichen Irrtums und Fragen der Feststellungslast. Wären die Erben tatsächlich davon überzeugt gewesen, dass der Nachlass nicht überschuldet ist, und hätte sich dies später als falsch herausgestellt, hätte ein rechtserheblicher Irrtum vorgelegen und nicht eine bloße Hoffnung der Erben. Wirtschaftliches/vernünftiges Denken des Irrenden ist keine Voraussetzung für das Vorliegen eines rechtserheblichen Irrtums. Allerdings müssen die Erben im Zweifel beweisen, dass sie tatsächlich zur verfehlten Überzeugung gelangt sind, dass der Nachlass nicht überschuldet ist. Ein Zweifel daran besteht immer dann, wenn ein objektiver Dritter an Stelle der Erben nicht zu der Überzeugung gelangt wäre, dass der Nachlass schuldenfrei ist, sondern sich allenfalls Hoffnungen in diese Richtung gemacht hätte. In dem von dem OLG Düsseldorf entschiedenen Fall, wäre ein objektiver Dritter auf der Grundlage der Aussagen der Erblasserin nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Nachlass schuldenfrei ist, weil ihre Unzuverlässigkeit in finanziellen Dingen bekannt war. Den Beweis, dass sie – unvernünftigerweise – dennoch davon überzeugt waren, dass der Nachlass schuldenfrei ist, konnten die Erben nicht führen. Die Beschwerde war daher richtigerweise zurückzuweisen.
Zusammenfassung:
- Die Annahme einer Erbschaft kann angefochten werden, wenn die Erben bei der Annahme irrtümlich davon überzeugt sind, dass der Nachlass schuldenfrei (oder zumindest nicht überschuldet) ist.
- Die Annahme einer Erbschaft kann nicht angefochten werden, wenn die Erben keine konkreten Vorstellungen von dem Nachlass haben, sondern nur hoffen, dass dieser nicht überschuldet ist.
- Im Zweifel müssen die Erben beweisen, dass sie tatsächlich zu einer verfehlten Überzeugung gelangt sind und sich nicht nur Hoffnungen gemacht haben. Dieser Beweis ist kaum zu führen, wenn ein objektiver Dritter an Stelle der Erben nicht zu der Überzeugung gelangt wäre, dass der Nachlass schuldenfrei ist.
Hinweis für die Praxis:
Auch wenn die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anfechtung einer Erbschaftsannahme sehr hoch sind und eine solche sogar von vornherein ausgeschlossen ist, wenn die Erben bei der Annahme keinerlei Vorstellung von der Zusammensetzung des Nachlasses haben, ist den Erben in solchen Fällen nicht ohne Weiteres zu raten, die Erbschaft vorsorglich auszuschlagen. Selbst wenn sich nach der Annahme herausstellt, dass der Nachlass überschuldet ist, kann eine Haftung der Erben mit ihrem persönlichen Vermögen vermieden werden, indem die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt wird. Ein solcher Antrag hat auch keine negativen Konsequenzen für die Kreditwürdigkeit der Erben. Vorsicht bei der Annahme einer Erbschaft ist allerdings dann geboten, wenn Immobilienvermögen vorhanden ist, denn für die laufenden Kosten der Immobilien, die nach dem Tod des Erblassers entstehen, haften die Erben auch im Fall eines Nachlassinsolvenzverfahrens persönlich, wenn diese nicht aus dem Nachlass beglichen werden können.