Ehe für alle – Was ändert sich?

Am 30.6.2017 hat der Bundestag den bereits im Jahr 2015 durch den Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts verabschiedet (BT-Drucks. 18/6665). Am 7.7.2017, in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause, hat der Bundesrat dem zugestimmt. Damit kann das Gesetz am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft treten.

Rein rechtlich betrachtet wird sich durch dieses politisch hochumstrittene Gesetz nicht allzu viel ändern, da die eingetragene Lebenspartnerschaft in ihren Rechtsfolgen der Ehe ohnehin bereits weitgehend entsprach. Neu ist insbesondere die nun auch für Paare gleichen Geschlechts bestehende Möglichkeit, gemeinsam ein Kind zu adoptieren und die begriffliche Gleichstellung. Auch die bisherigen Gesetzestexte werden zunächst nur geringfügig verändert. So wird § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB, der bisher lautete: „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen.“ wie folgt neu gefasst: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ Zudem wird § 1309 BGB, der das Ehefähigkeitszeugnis für Ausländer regelt, folgender Abs. 3 angefügt: „Absatz 1 gilt nicht für Personen, die eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen wollen und deren Heimatstaat die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Ehe nicht vorsieht.“ Dies bedeutet, dass gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland auch dann heiraten können, wenn das Recht ihres Heimatstaates eigentlich anwendbar wäre, dieser Staat aber die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht kennt.

Im Lebenspartnerschaftsgesetz wird zunächst nur eine Vorschrift eingefügt, die es Paaren, die bereits in einer Lebenspartnerschaft verbunden sind, erlaubt, diese Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Hierzu bedarf es lediglich einer Erklärung gegenüber dem zuständigen Standesbeamten bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit der Beteiligten. Für die Rechte und Pflichten der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners bleibt auch nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft weiterhin maßgebend. Dies bedeutet faktisch, dass die Ehe als rückwirkend am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geschlossen gilt. Neue Lebenspartnerschaften können ab Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr begründet werden.

Die aktuell in den konservativen politischen Parteien diskutierte Verfassungsbeschwerde gegen die „Ehe für alle“ dürfte kaum Erfolg haben. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung zum Lebenspartnerschaftsgesetz (BVerfG v. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, FamRZ 2002, 1169) deutlich gemacht, dass der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Ehe (zwischen Mann und Frau) nicht das Gebot enthält, die Ehe zwischen Mann und Frau besserzustellen als andere Lebensformen. Wenn es aber verfassungsrechtlich unbedenklich ist, die Verbindung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen der Ehe zwischen Mann und Frau rechtlich gleichzustellen, so dürfte das Bundesverfassungsgericht in dem Umstand, dass diese Verbindung nun nicht mehr nur rechtlich, sondern auch namentlich gleichgestellt ist, kaum einen Verfassungsverstoß erblicken.

Wirklich kein Elternrecht auf Facebook?

Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Bei der elterlichen Erziehungsverantwortung (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) handelt es sich um ein universelles Menschenrecht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 34, 165, 184) bezeichnet die Eltern als „natürliche Sachwalter für die Erziehung der Kinder“. Allerdings scheint dieses Recht auf Facebook, jedenfalls nach dem Tod eines Kindes, wenig wert zu sein. Eine für ihre fünfzehnjährige Tochter sorgeberechtigte Mutter wollte nach ihrem Tod Zugang zu deren Facebook-Account erhalten. Dies wurde ihr verweigert.

Das Kammergericht ging in seinem Urteil vom 31.5.2017 – 21 U 9/16 davon aus, dass § 88 Abs. 3 TKG Facebook zur Verweigerung der Zugangseröffnung verpflichtet. Die elterliche Sorge habe mit dem Tod des Kindes geendet, deshalb käme nur das Recht des Erben am digitalen Nachlass in Betracht, das aber durch die vorgenannte Bestimmung zum Schutz des Fernmelde- bzw. Telekommunikationsgeheimnisses beschränkt werde. Frau Kollegin Dr. Susanne Sachs hat in ihrem Blog-Beitrag vom 19.6.2017 diese Entscheidung für richtig gehalten. Außerdem geht sie davon aus, dass der Zugriff auf die persönliche Kommunikation eines verstorbenen Kindes nach §§ 202, 202a StGB strafbar wäre. Das Lesen von geöffneten Briefen eines verstorbenen Kindes und der Zugang zu seinem Facebook-Account mittels des den Eltern mitgeteilten Passwortes fallen bereits tatbestandmäßig nicht unter diese Strafbestimmungen. Zudem dürfte zusätzlich eine Rechtfertigung durch das Elternrecht vorliegen.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in den 1970er-Jahren (Mephisto-Entscheidung) einen postmortalen Persönlichkeitsschutz generell anerkannt, wenn auch im konkreten Fall verneint. Für die betroffenen Eltern wird es schwer verständlich sein, wieso angesichts zwischenzeitlich veränderter (sozialer) Medien zwar eine intensive Debatte über den digitalen Nachlass geführt wird, das Thema der Fortwirkung der Elternrechte als Teil des Schutzes der Familie über den Tod des Kindes hinaus dagegen nicht einmal ansatzweise diskutiert wird. Ist es wirklich richtig, dass der Tod eines Kindes für die Eltern zum bloßen Nachlassabwicklungsfall wird?

Zusatzversorgung kürzt unberechtigt Renten aus Altentscheidungen (OLG Karlsruhe v. 2.5.2017 – 12 U 136/16)

Bereits mit Blog-Beitrag v. 17.8.2016 hatte der Verfasser auf eine Entscheidung des LG Köln hingewiesen, in der das LG die Höhe der Versorgung einer ausgleichspflichtigen Person nach Durchführung des Versorgungsausgleichs nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrecht beanstandet und den Versorgungsträger zu einer Nachzahlung der unberechtigten Kürzung verurteilt hat. Die Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes nehmen die Kürzung der Versorgung der ausgleichspflichtigen Person in den nach altem Recht ergangenen Versorgungsausgleichsfällen nach der sogenannten Redynamisierungsmethode vor. Danach entspricht die Versorgungskürzung in der Höhe dem nominalen Ausgleichsbetrag, obgleich die ausgleichsberechtigte Person wegen der Anwendung der Barwertverordnung nur einen Bruchteil dieser Versorgung erhält oder erhalten wird. Das Oberschiedsgericht der VBL in Karlsruhe ( Oberschiedsgericht der VBL in Karlsruhe v. 6.6.2012 – OS 51/10, FamRZ 2012, 1877) hatte bereits diese Kürzungsmethode für unzulässig erklärt. Dem war das LG Köln mit Urteil v. 17.8.2016 – 20 S 8/16 beigetreten. Nunmehr hat auch das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe v. 2.5.2017 – 12 U 136/16) sich dieser Auffassung angeschlossen und seine alte Rechtsprechung (OLG Karlsruhe v. 9.12.2004 – 12 U 303/04) aufgegeben. Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Dort ist bereits unter Az. IV ZR 260/16 ein entsprechendes Verfahren, die Revision zum Urteils des LG Köln, anhängig.

Für die Betroffenen ausgleichspflichtigen Personen bergen diese Entscheidungen erhebliches Verbesserungspotenzial. Sollte der Bundesgerichtshof sich den Entscheidungen des OLG Karlsruhe und des LG Köln anschließen, wären die Rentenkürzungen für die ausgleichspflichtigen Personen aufgrund eines Versorgungsausgleichs, der nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht durchgeführt worden ist, unberechtigt hoch. Es entsteht für diesen Personenkreis ein erhebliches Nachzahlungspotenzial.

Bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist Folgendes zu beachten:

  • Betroffen sind alle Entscheidungen über einen Versorgungsausgleich in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes die nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Versorgungsausgleichsrechts ergangen sind.
  • Die Kürzung der Rente der ausgleichspflichtigen Person ist in diesen Fällen in Höhe der Hälfte des Ehezeitanteils der Versorgung vorgenommen worden, obwohl die Kürzung nur in Höhe der Hälfte des bilanzierten Ehezeitanteils hätte durchgeführt werden dürfen.
  • Der der ausgleichspflichtigen Person zustehende Nachzahlungsbetrag kann über einen Zeitraum von max. 47 Monaten geltend gemacht werden (Verjährungsfrist drei Jahre).
  • Vor Geltendmachung des Nachzahlungsbetrags sollten die betroffenen Personen bedenken, dass der Versorgungsträger nach § 51 Abs. 3 VersAusglG eine Abänderung der alten Versorgungsausgleichs betreiben und dadurch den Versorgungsausgleich komplett ins neue Recht transferieren kann. Geschieht dies, wird die Versorgung der ausgleichspflichtigen Person tatsächlich um die Hälfte des Ausgleichswerts gekürzt. Es wäre dann nichts gewonnen außer der Versorgungsnachzahlung für den nicht verjährten Zeitraum. Gleichzeitig kann jedoch eine Abänderung der Altentscheidung gravierende Auswirkungen auf andere Versorgungen haben. Dies kann für die ausgleichspflichtige Person positiv oder negativ sein. Vor Erhebung des Nachzahlungsanspruch müssen daher die Auswirkungen eines möglichen Abänderungsverfahrens auf das gesamte Gefüge des Versorgungsausgleichs geprüft werden.

Sinnvoll ist es in jedem Fall, zunächst die Entscheidung des Bundesgerichtshofs abzuwarten. Es ist zu hoffen, dass diese alsbald ergeht.

Schutzimpfung – eine Maßnahme zum Wohl des Kindes ? (BGH v. 3.5.2017 – XII ZB 157/16)

Die Frage, ob Kleinkinder bestimmten Schutzimpfungen zugeführt werden sollen, ist nicht nur im Kreis betreuender Eltern ein hochemotional diskutiertes Thema und nicht unerheblich davon überlagert, welchen grundsätzlichen Wertvorstellungen sie insbesondere zu medizinischen Fragen folgen. In dieser Diskussion wird nicht selten übersehen, dass allein die Information durch Internetforen nicht zwingend die erforderliche Basis bieten kann, um nach heutigem Forschungsstand hochkomplexe medizinische Sachverhalte abschließend würdigen und werten zu können. Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung ist zudem aber auch nicht nur eine Einzelentscheidung mit Blick auf das unmittelbar betroffene eigene Kind, sondern kann nicht überschaubare Folgen für Teile der Gesellschaft haben. Zu erinnern ist etwa an eine epidemische Verbreitung von Masern in Berlin im Jahr 2014, die mit Schulschließungen verbunden war, bzw. ein Schulverbot für nicht geimpfte Kinder in Marburg im Jahr 2015. Dass im Zusammenhang mit diesen Erkrankungen dann auch Todesfälle zu beklagen waren und aktuell wieder zu beklagen sind, zeigt die besondere Brisanz dieser Thematik und der hieraus folgenden Fragen, ob ein Kind Schutzimpfungen zugeführt werden soll bzw. wer letztlich hierüber entscheidet, wenn sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern zu dieser Frage nicht einigen können.

Mit dieser Problematik hat sich der BGH in einer aktuellen Entscheidung auseinander gesetzt. Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern konnten zu der Frage von Schutzimpfungen ihrer Tochter kein Einvernehmen herstellen. Während der Vaters altersentsprechende Schutzimpfungen entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) befürwortete, lehnte die Mutter diese ab, da nach ihrer Einschätzung das Risiko von Impfschäden das Infektionsrisiko überwog. Nur bei ärztlich mit Sicherheit ausgeschlossenen Schäden befürwortete sie anlassunabhängige Impfungen. Dem Vater wurde das Entscheidungsrecht über die Impfdurchführung erstinstanzlich übertragen. Die Beschwerdeinstanz hat diese Entscheidung bestätigt, aber die Entscheidungsbefugnis auf bestimmte Schutzimpfungen beschränkt, wie etwa Tetanus, Masern, Röteln oder Mumps. Die Rechtsbeschwerde der Mutter hat der BGH zurückgewiesen und die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis auf den Elternteil bestätigt, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der STIKO durchführen möchte, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen. Zudem hat der BGH klargestellt, dass auch die Entscheidung zur Durchführung von Standard- oder Routineimpfungen als eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung zu bewerten ist, so dass es bei gemeinsamer elterlicher Sorge auch grundsätzlich einer gemeinsamen Entscheidung hierzu bedarf.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass einem Elternteil nach § 1628 BGB ein Teilbereich der elterlichen Sorge – soweit es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung und nicht nur um eine Alltagsangelegenheit handelt – zur alleinigen Entscheidung übertragen werden kann, wenn zwischen den Eltern Dissens zu dieser konkreten sorgerechtlichen Frage besteht und das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass der Lösungsvorschlag jenes Elternteils, dem die Entscheidungsbefugnis letztlich übertragen wird, dem Kindeswohl besser gerecht wird. Ob von einer grundlegenden sorgerechtlichen Entscheidung oder einer Frage auszugehen ist, die den Alltagsangelegenheiten zuzuordnen ist, beurteilt sich nach der Legaldefinition des § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB: Danach zeichnen sich Angelegenheiten des täglichen Lebens dadurch aus, dass sie häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Kindesentwicklung haben. Soweit es um die Impfung eines Kindes geht, können sich diese schwerwiegenden Auswirkungen sowohl aus der Gefahr einer Infektion bei Nichtimpfung aber auch aus einem gesundheitlichen Schaden bei durchgeführter Impfung ergeben.

In der Praxisberatung ist es wichtig, Eltern, die die Sorge für ihr Kind gemeinsam ausüben, auf die Notwendigkeit hinzuweisen, etwaige Impfungen nicht nur zwingend mit dem jeweils anderen Elternteil abzustimmen, sondern auch auf die bestehenden Empfehlungen der STIKO zu verweisen, die den Kreis der empfohlenen Impfungen selbst bereits begrenzt. Daneben sollte zwingend aber auch mit den Eltern abgestimmt werden, dass ggf. durch den behandelnden Kinderarzt ein besonderes Impfrisiko ausgeschlossen werden kann. Sind diese grundlegenden Fragen geklärt, kann möglicherweise ein Einvernehmen der Eltern hergestellt, in jedem Fall aber das Verfahrensrisiko eingegrenzt werden.

Gefährdung des Kindesvermögens durch WhatsApp-Nutzung? (AG Bad Hersfeld v. 20.03.2017 – F 111/17 EASO)

Die Überlassung eines Smartphones an ein Kind oder Jugendlichen ab einem bestimmten Alter stellt sich heute mehr oder weniger als eine Selbstverständlichkeit dar. Die dadurch ermöglichte Kontaktherstellung etwa zwischen einem berufsbedingt ortsabwesenden Elternteil und dem Kind oder Jugendlichen – insbesondere für Notfälle – ist nicht zwingend negativ zu bewerten. Dabei wird regelmäßig aber auch akzeptiert oder zumindest in Kauf genommen, dass das überlassene Gerät ebenso in seinen sonstigen Funktionen genutzt wird, etwa dem Herunterladen von Apps, wobei vor allem die Applikation „WhatsApp“ besondere Bedeutung für die Kontaktunterhaltung innerhalb einer sozialen Gruppe hat. Nicht jeder Elternteil berücksichtigt in diesem Kontext, welche rechtlichen Konsequenzen mit dieser eigentlich alltäglichen Handhabung verbunden sind bzw. inwieweit möglicherweise sich hieraus für das Kind wirtschaftliche Risiken ergeben können, für die ggf. der Elternteil selbst dann auch einzustehen hat.

Mit einem besonderen Sachverhalt zu dieser Thematik hat sich aktuell das Amtsgericht –Familiengericht – Bad Hersfeld auseinandergesetzt. Die Mutter eines 10-jährigen Sohnes hatte gerichtlich eine striktere Regelung des Umgangs zwischen dem Kind und dessen Vater erstrebt mit dem Sachvortrag, dass er das Umgangswochenende nicht hinreichend mit dem Kind verbringe, sondern auch sonstige Tätigkeiten erledige und in dieser Zeit das Kind bei der Großmutter abgebe. Vor allem die Beschwerde des Kindes im Rahmen der richterlichen Anhörung, dass sein Vater es bei „WhatsApp“ blockiert habe, veranlasste das Gericht nicht nur, dem Kind zunächst die Begriffe der Datenweitergabe sowie des Datenschutzes näher zu erläutern, sondern auch, der betreuenden Mutter Auflagen nach § 1666 BGB zu erteilen. Konkret ging das Gericht dabei davon aus, dass sich aus der Nutzung von WhatsApp eine Gefahr für das Vermögen des Kindes ergeben könne, da das Kind als Nutzer gem. § 823 BGB von Dritten abgemahnt oder analog § 1004 BGB zur Unterlassung aufgefordert werden könne. Das für § 823 BGB erforderliche deliktische Handeln sah das Gericht darin, dass das Kind als aktiver Nutzer der App fortlaufend Datensätze jener Personen, die auf dem Smartphone als App-Kontakte erfasst seien, quasi in einer Datenbrücke an den Betreiber weiterleite und hierzu mangels einer zuvor eingeholten Zustimmung dieser Personen nicht befugt sei. Der betreuenden Mutter wurde daher u.a. durch das Familiengericht aufgegeben, von sämtlichen Personen, die im Adressbuch des Smartphones gespeichert waren, eine schriftliche Zustimmungserklärung bezüglich der Datenübertragung einzuholen und für den Fall der verweigerten Zustimmung, den Kontakt zu entfernen.

Unabhängig von der Frage, ob man hier eine Vermögensgefährdung für gegeben hält oder nicht, stellt sich die rechtliche Situation so dar, dass die elterliche Sorge neben der Personensorge für ein Kind auch die Vermögenssorge in tatsächlicher und rechtlicher Ausgestaltung umfasst, d.h. neben den eigentlichen Fürsorgehandlungen auch die gesetzliche Vertretung des Kindes in diesen Bereichen umfasst wird. In das nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Elternrecht auf Pflege und Erziehung eines Kindes darf der Staat nur dann eingreifen, wenn Gründe des Kindeswohls dies dringend erfordern. Unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind dann ggf. von Amts wegen jene Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig sind. Welche Maßnahmen dabei in Betracht kommen können, ist in § 1666 Abs. 3 BGB näher geregelt, wobei der BGH in seiner aktuellen Rechtsprechung ausdrücklich hervorgehoben hat, dass die dort dargestellten Ge- und Verbote nicht abschließend sind, sondern auch sonstige zur Gefahrenabwehr geeignete Weisungen familiengerichtlich angeordnet werden können (BGH v. 23.11.2016 – XII ZB 149/16, FamRB 2017, 48).

Für die Praxisberatung verdient die vorab dargestellte Entscheidung in zweierlei Hinsicht Beachtung. Zunächst stellt sie klar, dass unter dem Blickwinkel der besonderen Verantwortlichkeiten im Rahmen der elterlichen Sorge für ein Kind, von den Eltern zwingend auch erwartet werden kann, dass sie sich mit den Einzelheiten der möglichen rechtlichen Folgen vertraut machen, die mit der Überlassung technischer Geräte an ein Kind verbunden sind, und ihre Verantwortlichkeit nicht mit der Aushändigung des Gerätes endet, sondern vielmehr darüber hinausgehend von ihnen eine fortlaufende Überwachung bis zur Volljährigkeit des Kindes erwartet wird. Daneben zeigt die Entscheidung aber auch, dass ein eigentlich in eine gänzlich andere Richtung gedachtes kindschaftsrechtliches Verfahren unter dem Blickwinkel des Amtsermittlungsgrundsatzes sich für den Antragsteller durchaus auch ins Gegenteil verkehren kann.

Pensionsminderung durch Rentengewinne im Versorgungsausgleich?

Die Umsetzung eine Versorgungsausgleichsentscheidung überfordert manchmal die Träger der Beamtenversorgung. Wird zugunsten des Beamten im Versorgungsausgleich eine Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet und erhält der Beamte später neben seiner Beamtenpension daraus eine Rente, kommt es immer wieder vor, dass diese Rente auf die Beamtenversorgung angerechnet wird. Selbst bei Richtern besteht diesbezüglich oftmals Unsicherheit. Die Versorgungsträger berufen sich dabei auf § 55 BeamtVG oder vergleichbare Vorschriften in den entsprechenden Landes-Beamtenversorgungsgesetzen. Zugegeben, die Norm ist lang. Aber schon in Abs. 1 findet man Satz 7: 

§ 55 Abs. 1 S. 7 BeamtVG:

Renten, Rentenerhöhungen und Rentenminderungen, die auf § 1587b des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder § 1 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich, jeweils in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung, beruhen, sowie übertragene Anrechte nach Maßgabe des Gesetzes über den Versorgungsausgleich vom 3. April 2009 (BGBl. I S. 700) und Zuschläge oder Abschläge beim Rentensplitting unter Ehegatten nach § 76c des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleiben unberücksichtigt. 

Es wäre auch ein merkwürdiges Ergebnis, wenn der Versorgungsausgleichsgewinn aus einem Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Pensionsminderung der durch den Versorgungsausgleich ohnehin geminderten Versorgung führte. Recht hat immer etwas mit Logik zu tun. Die Norm schafft ein logisches und damit auch gerechtes Ergebnis.

 

Verträgt das Kindeswohl in sozialen Netzwerken veröffentlichte Kinderfotos? (AG Stolzenau v. 28.3.2017 – 5 F 11/17 SO)

In der anwaltlichen Beratungspraxis mehren sich die Beschwerden, dass seitens eines Elternteils Fotos eines gemeinsamen Kindes in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden. Der Aufforderung, diese Fotos zu löschen, wird häufig mit dem Hinweis begegnet, dass sie ohnehin nicht für jeden Nutzer einsehbar seien, sondern nur dem hierzu erlaubten Personenkreis. Diese Argumentation greift zu kurz. Natürlich geht es zunächst um den Schutz eines Kindes vor Straftätern. Diese können durchaus jedoch auch aus dem familiären Umfeld stammen bzw. es zeigt sich immer wieder, dass auch mit dem Auseinanderbrechen persönlicher Bindungen oder Beziehungen bislang beachtete Grenzen überschritten und „Freunde“ eines sozialen Netzwerks ebenso schnell zu Feinden werden können. Darüber hinausgehend darf auch nicht verkannt werden, dass Fotos, die einen Säugling oder ein Kleinkind zeigen, auch dann im Netz verbleiben, wenn dieses Kind seine eigenen sozialen Kontakte aufgebaut hat und zu einem späteren Zeitpunkt mit diesen ihm dann möglicherweise unangenehmen Bildern aus Kindertagen konfrontiert und bloßgestellt werden kann.

Mit einem entsprechend gelagerten Sachverhalt hat sich aktuell das Amtsgericht – Familiengericht – Stolzenau befasst. Der Vater einer 10-jährigen Tochter hatte bereits zu einem früheren Zeitpunkt Fotos des Kindes im Internet veröffentlicht. Erst auf wiederholte Aufforderung der Mutter hatte er die Fotos dann entfernt. Nachdem er aktuell erneut Fotos auf seinem Facebook-Account veröffentlichte, die von jedem Nutzer eingesehen werden konnten, und auf die Forderung zur Löschung nicht reagierte, beantragte die Mutter des Kindes, ihr das Recht zur Geltendmachung von gerichtlichen Unterlassungsansprüchen zur alleinigen Ausübung zu übertragen. Das Familiengericht ist diesem Antrag gefolgt.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass jeder Grundrechtsträger, d.h. auch ein minderjähriges Kind, aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat, das zugleich das Recht am eigenen Bild schützt. Hieraus folgt die Befugnis, über die Verwendung des Bildes der eigenen Person zu bestimmen und ggf. der Veröffentlichung des Bildes zu widersprechen. Wird diesem Widerspruch keine Folge geleistet, so kann aus den Vorschriften des KunstUrhG i.V.m. §§ 823, 1004 BGB ein Unterlassungsanspruch geltend und auch im gerichtlichen Verfahren durchgesetzt werden. Während der Minderjährigkeit des Kindes obliegt die Wahrnehmung dieser Rechte dem gesetzlichen Vertreter, d.h. bei gemeinsamer elterlicher Sorge den Eltern in gemeinsamer Ausübung. Wird jedoch gerade durch einen Elternteil die Ursache für die Rechtsverletzung gesetzt und ist er zu einer Verhaltenskorrektur nicht bereit, so sieht § 1628 BGB die Möglichkeit vor, die Alleinentscheidungsbefugnis einem Elternteil gerade zu dieser Angelegenheit zu übertragen, d.h. das Gericht trifft keine eigene Entscheidung zu der konkreten Angelegenheit, sondern nur zu der Frage, welcher Elternteil zur Wahrung des Kindeswohls in diesem Fall die Entscheidungskompetenz erhalten soll. § 1628 BGB knüpft dabei an die Frage an, ob es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handelt, da Alltagsangelegenheiten ohnehin dem jeweils betreuenden Elternteil obliegen. Die Abgrenzung zwischen Alltagsangelegenheiten und solchen von grundlegender Bedeutung gestaltet sich in der Praxis häufig schwierig, kann allerdings in Anlehnung an die Legaldefinition des § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB überprüft werden. Alltagsangelegenheiten sind nur solche, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Zentraler Prüfungsmaßstab ist letztlich das Kindeswohl, d.h. die Frage, welcher Elternteil in der konkret zu entscheidenden Angelegenheit am ehesten geeignet erscheint, die am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu treffen. Hier hat das AG Stolzenau gem. § 1628 BGB der Mutter die Entscheidungsbefugnis übertragen, für die gemeinsame Tochter einen Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. §§ 823 Abs. 2 BGB, 22, 23 KUG gegen den Vater geltend zu machen.

In der Praxisberatung sollte im Mandantengespräch sehr deutlich darauf hingewiesen werden, dass die Veröffentlichung von Kinderfotos in sozialen Netzwerken nicht leichtfertig behandelt werden darf. Auch mit Blick auf zwischenzeitlich veröffentlichte ausdrückliche diesbezügliche Warnungen der Polizei sollten die Eltern für die dem Kind drohenden Gefahren sensibilisiert und einem uneinsichtigen Elternteil ggf. mit einer gerichtlichen Entscheidung zwingend aufgegeben werden, die zum Schutz des Kindes notwendigen Maßnahmen zu veranlassen.

Nun schätzt mal schön – Der Versorgungsausgleich in der Zusatzversorgung (BGH v. 8.3.2017 – XII ZB 697/13)

Rechtzeitig vor Ostern sorgt der BGH für Unruhe bei den Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes und kippt einen zentralen Bestandteil ihres Berechnungsmodells: die geschlechtsspezifische Versorgungsbegründung im Versorgungsausgleich. Damit sind fast alle Auskünfte der Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes und der VBL, die nach dem 31.12.2012 erteilt wurden, als Grundlage für den Versorgungsausgleich Makulatur.

Drei Fragen im Zusammenhang mit der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes waren offen:

  1. Ist die Berechnung des Ausgleichswerts auf der Basis der zu teilenden Versorgungspunkte in einen Kapitalwert und die Begründung der Versorgung für die ausgleichsberechtigte Person auf der Basis der aus diesem Kapitalwert resultierenden altersabhängigen Entgeltpunkte zulässig?
  2. Ist es in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zulässig, geschlechtsspezifische Barwertfaktoren für die Rentenbegründung im Versorgungsausgleich zu benutzen?
  3. Ist es bei der internen Teilung eines Anrechts des ZVK zulässig, vom Pflicht- in den freiwilligen Versicherungszeig zu wechseln?

Die ersten beiden Fragen sind nun beantwortet:

Zu 1.:

In der ZVK des öffentlichen Dienstes sind die Versorgungspunkte die Bezugsgröße. Nach § 5 Abs. 1 VersAusglG wird auf der Basis der jeweiligen Bezugsgröße geteilt und für die ausgleichsberechtigte Person eine Versorgung begründet. Wenn also ehezeitlich 20 Versorgungspunkte (VP) begründet wurden, wären 10 VP für die ausgleichsberechtigte Person zu begründen. So einfach macht es sich und uns die ZVK indessen nicht. Vielmehr werden die ehezeitlich erworbenen VP anhand der biometrischen Daten der ausgleichspflichtigen Person in einen Barwert umgerechnet, dieser wird geteilt und anhand der biometrischen Faktoren der ausgleichsberechtigten Person wird das geteilte Kapital in VP umgerechnet. Das führt für die Beteiligten zu der oftmals als verblüffend empfundenen Erkenntnis, dass die Teilung von 12,64 VP für die ausgleichsberechtigte Person zu einer Versorgung in Höhe von 10,82 VP führt. Falsche Mathematik? Nein, richtige Versicherungsmathematik sagt die ZVK und nun auch der BGH, denn der Versorgungsausgleich müsse für Versorgungsträger kostenneutral abgewickelt werden und deswegen sei es zulässig, wenn unterschiedliches Alter von ausgleichspflichtiger und ausgleichsberechtigter Person zu unterschiedlich hohen Versorgungen führe. Bei jüngeren Ausgleichsberechtigten verweile das Ausgleichskapital länger im Versorgungssystem, erziele Zinserträge und könne daher auch höhere Renten generieren. Deshalb seien die Teilung auf Kapitalwertbasis und deren Umrechnung in Versorgungspunkte zulässig.

Zu 2.:

  1. Die Anwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren bei der Umrechnung des Kapitalbetrages in Versorgungspunkte hält der BGH allerdings nicht für zulässig (Rz. 26 ff.). Die Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes seien als Anstalten des öffentlichen Rechts an die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes gebunden. Zwar hätten Frauen eine längere Lebenserwartung als Männer, was versicherungsmathematisch differierende Barwertfaktoren rechtfertige. Letztlich stelle dies aber eine geschlechtsspezifische Diskriminierung von Frauen dar, die im Lichte von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht zu rechtfertigen sei. Dies bedeute allerdings nicht, dass alle Versorgungsausgleiche, die auf der Basis nicht genderneutraler Auskünfte der Zusatzversorgungen durchgeführt worden seien, fehlerhaft seien. Erst solche Versorgungsauskünfte, die nach dem 1.1.2013 erteilt worden seien, könnten vor der Rechtsordnung keinen Bestand haben, weil der Europäische Gerichtshof Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie 2004/113/EG mit Wirkung zum 21.12.2012 für ungültig erklärt habe (Rz. 43) und seitdem fraglich sei, ob die Anwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren in der betrieblichen Altersversorgung unionsrechtlich zulässig sei. Da eine solche geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung aber bereits gegen nationales Verfassungsrecht verstoße (Rz. 48), könne sie nur bis zum 31.12.2012 hingenommen werden. Nach diesem Stichtag erteilte Versorgungsauskünfte von öffentlich-rechtlichen Zusatzversicherungen seien grundsätzlich nicht verwertbar. Bis zur Umstellung der Rechnungsgrundlagen durch die Versorgungsträger könnten die Werte geschätzt werden. Ein brauchbares Schätzmodell sei in der Entscheidung des OLG Celle (FamRZ 2014, 305, 308 f.) enthalten.
  2. Nun schätzt mal schön*, will uns der BGH sagen. Das ist aber gar nicht so einfach und dürfte die Familienrechtler ohne besondere Hilfsmittel überfordern.
    • Das OLG Celle hatte in der vom BGH erwähnten Entscheidung die ZVK aufgefordert, alle maßgeblichen alters- und geschlechtsspezifischen Barwertfaktoren für die Stichtage zur Berechnung des Kapitalwerts und des Rentenwerts mitzuteilen und dann folgendes Schema entwickelt (entnommen Hauß/Bührer, Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis, 2. Aufl., Rz. 952):

      OLG Celle, geschlechtsneutrale Teilungsberechnung

      Barwertfaktor Mann (47)

      Barwertfaktor Frau (42)

      Monatsrente

      148,09 €

      148,09 €

      Jahresrente

      1.777,08 €

      1.777,08 €

      Barwertfaktor (47)

      7,42

      7,434

      Barwert

      13.185,93 €

      13.210,81 €

      Barwert / 2

      6.592,97 €

      6.605,41 €

      Teilungskosten

      – 125,00 €

      – 125,00 €

      Ausgleichswert

      6.467,97 €

      6.480,41 €

      Barwertfaktor (42)

      6,417

      6,436

      Jahresrente

      1.007,94 €

      1.006,90 €

      Monatsrente

      84,00 €

      83,91 €

      Versorgungspunkte (Rente / 4)

      21,00

      20,98

      gemittelte Versorgungspunkte

      20,99

      Der Unterschied zwischen grundgesetzkonformer geschlechtsneutraler und geschlechtsdifferenzierender Berechnungsmethode betrug im Fall des OLG Celle gerade einmal 20 Eurocent (vgl. Hauß, FamRB 2013, 386).

    • Die Gerichte könnten nun recht einfach die Bewertungen vornehmen, wenn die Träger der Zusatzversorgungen nicht ein Geheimnis um Ihre Barwertfaktoren machten. Diese werden nämlich nicht veröffentlicht. Würden sie veröffentlicht, könnte man sehr einfach und auch sehr schnell ein Programm zur geschlechtsneutralen Kalkulation der Werte entwickeln, das den Gerichten die Möglichkeit böte, anhand der Berechnungsparameter der ZVK einen geschlechtsneutralen Ausgleich vorzunehmen. Solange die Parameter allerdings Geheimsache sind, muss man nun in allen Fällen die Versorgungsträger zwingen, neue Auskünfte zu erteilen oder ihnen mit wilden Schätzungen drohen. Das alles kostet Geld der Versorgungsträger und Zeit der Mandanten. Schade.
    • Besteht jetzt Abänderungspotential um bei 180.000 Scheidungen pro Jahr zehntausende genderpolitisch fehlerhaft durchgeführten Versorgungsausgleiche zu korrigieren? Wohl kaum. Das Beispiel des OLG Celle zeigt, wie gering der versicherungsmathematische Unterschied genderpolitischer Korrektheit materiell ausfällt. Bevor die Anwaltschaft nun die Abänderungsmaschine anwirft, sollte man kurz die Reaktion der Zusatzversorgungen abwarten. Diese täten gut daran, nun endlich ihre Barwertfaktoren zu veröffentlichen und so eine einfache Möglichkeit der Prüfung und Neuberechnung zu schaffen, ganz ohne neue Auskünfte und ohne lange Stauzeiten.

Zu 3.:

Die Frage, ob ein interner Ausgleich vorliegt, wenn der Versicherungszweig in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes gewechselt wird, und ein Anrecht statt in der Pflicht- in der freiwilligen Versicherung begründet wird (z.B. in der eZVK Hessen), ist noch nicht beantwortet. Sie weist auch über das Zusatzversorgungssystem hinaus, weil auch der BVV und viele private Versorgungen einen für die ausgleichsberechtigte Person regelmäßig nachteiligen Tarifwechsel vornehmen. Es bleibt zu hoffen, dass der BGH mit ähnlich beeindruckender Rigidität wie im obigen Beschluss das System eines gerechten Ausgleichs der ehezeitlichen Versorgungen vor der schleichenden Demontierung durch die Versorgungsträger schützt.

* Leichte Abwandlung eines Satzes des ehemaligen Bundespräsidenten Heuss, der als Manövergast der Bundeswehr 1958 die Generalität in scherzend ironischer Art mit dem Satz konfrontierte: „Nun siegt mal schön!“

Revolutionäres von der Kindesunterhaltsbemessung? (zu BGH v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16)

Der eine betreut, der andere zahlt, und die Höhe der Zahlung wird aus dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils berechnet. Diese Gewissheit gerät nun ins Wanken. Der BGH entscheidet im Fall einer auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen berufstätigen und alleinerziehenden Mutter, dass der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes aus dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern zu erheben sei. Der barunterhaltspflichtige Elternteil brauche zwar maximal nur den aus seinen Einkünften errechneten Unterhaltsbedarf des Kindes zu befriedigen, die das Kind betreuende Mutter könne aber von ihrem Erwerbseinkommen den die Zahlung des Kindesvaters übersteigenden Tabellenbedarf des Kindes abziehen.

So ganz überraschend kommt das nicht. Leben Eltern zusammen, wird der Bedarf der Kinder im Elternunterhalt schon immer aus dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern berechnet, weil der Lebensstandard der Familie durch die beiderseitigen Elterneinkünfte geprägt wird. Warum dies anders sein soll, wenn eine Trennung vorliegt, ist nicht nachvollziehbar.

Trotzdem wird man sich auch im sonstigen Unterhaltsrecht gründlich mit dieser Entscheidung auseinandersetzen müssen. Die Unterhaltsberechnung für den betreuenden Elternteil fiele nämlich anders aus, wenn man die Berechnungsmethode des BGH für die Bestimmung des Bedarfs des minderjährigen Kindes auf den Unterhaltsbedarf des betreuenden Elternteils ausdehnen würde:

Revolutionaeres

Immerhin ergäbe sich in diesem Fall ein um 54 € (11,25 %) höherer Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils.

Der BGH lehnt in der Entscheidung die Berücksichtigung eines pauschalen Betreuungsbonus für die betreuende Person ab, weist aber ausdrücklich darauf hin, es könne auch sein, dass die Erwerbseinkünfte des betreuenden Elternteils als überobligatorisch anzusehen seien, entsprechender Vortrag sei jedoch nicht zur Akte gereicht worden.

Die Entscheidung hat in den familienrechtlichen Fachforen bereits heftige Reaktionen ausgelöst. Der Gesetzgeber – soviel steht fest – hat bislang § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht geändert. Was aber beim Wechselmodell für die Bedarfsbestimmung des minderjährigen Kindes gilt (BGH v. 11.1.2017 XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437 = FamRB 2017, 126), sollte doch auch sonst als richtig erwogen werden. Jedenfalls ist nicht ohne weiteres zu erkennen, wieso bei einer Erwerbstätigkeit beider Eltern der Bedarf des Kindes sich nur aus einem Einkommen ableiten soll. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB sagt nur etwas zum Barunterhalt. Deswegen definiert der BGH in der Entscheidung die Aufwendungen des betreuenden Elternteils als Naturalunterhalt, denn der Barunterhalt dürfte bei Doppelverdienern fast nie ausreichen, Wohnen, Sport, Freizeit, Essen und Kleidung des Kindes hinreichend zu finanzieren. Mit dem Einkommen wachsen auch die Bedürfnisse. Im Gesetz steht auch nichts über die Einstufung nach der Düsseldorfer Tabelle.

Man sollte und muss die Diskussion über die Austarierung des Kindesunterhalts offen führen. Erste Ansätze dazu sind gemacht. Sowohl die Struktur der Düsseldorfer Tabelle (dazu Schürmann, FamRB 2017, 27, 29) als auch der nacheheliche (dazu Hauß, FamRB 2017, 121) und der Kindesunterhalt (s. FamRB 2017, 124) werden diskutiert. Gut so.

Elternunterhalt und Altersvorsorge (zu BGH v. 18.1.2017 – XII ZB 118/16)

Bei der Berechnung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit im Elternunterhalt spielt neben dem Einkommen des Kindes dessen Kreditbelastung und monatliche Altersvorsorgerückstellung eine große Rolle. Da die selbst bewohnte Immobilie in den seltensten Fällen bereits vollständig schuldenfrei ist, summieren sich die Tilgung des Immobilienkredits und die Altersvorsorgerückstellungen zu ansehnlichen Abzugsposten. Das ging dem OLG Hamm (OLG Hamm v. 9.7.2015 – II-134 UF 70/15, FamRZ 2015, 1974 = FamRB 2016, 7) zu weit. Sie meinten Volkes Stimme zu interpretieren, wonach das Eigenheim die beste Altersvorsorge sei, weswegen sie die Tilgungsleistungen für die selbst bewohnte Immobilie auf die im Elternunterhalt großzügig mit 5 % des Bruttoeinkommens bemessene Altersvorsorgerückstellung anrechnen wollten.

Das konnte und durfte nicht gut gehen. Der BGH hatte nämlich schon vor geraumer Zeit entschieden, die selbst bewohnte Immobilie sei kein Altersvorsorgevermögen (BGH v. 7.8.2013 – XII ZB 269/12, FamRZ 2013, 1554 = FamRB 2013, 310), weil die im Elternunterhalt geltende Lebensstandardgarantie (BGH v. 23.10.2002 – XII ZR 266/99, FamRZ 2002, 1698 = FamRB 2003, 3) die Annahme einer Verwertungsobliegenheit nach Abschluss der Erwerbsphase zur Erreichung angemessenen Alterseinkommens verböte. Die Logik gebietet dann aber, Tilgungsleistungen zum Erwerb eines Eigenheims nicht der Altersvorsorge zuzurechnen, wenn das Eigenheim selbst keine Altersvorsorge ist.

Dieser Linie ist der BGH nun treu geblieben und hat entschieden, dass neben den Zinsen auch die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen abzuziehen sind, ohne dass dies die Befugnis zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert. Nur der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil sei als Vermögensbildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der sekundären Altersvorsorge auf die Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens des Elternunterhaltspflichtigen anzurechnen.

Die danach zulässigen monatlichen Altersvorsorgerückstellungen betragen 5 % des sozialversicherungspflichtigen und 25 % des nicht sozialversicherungspflichtigen Bruttoerwerbseinkommens (BGH v. 30.8.2006 – XII ZR 98/04, FamRZ 2006, 1511 = FamRB 2006, 327). Das kann recht viel sein (bei einem Einkommen von 100.000 € immerhin 833 € monatlich). Kommen noch die Tilgungsleistungen dazu, findet erhebliche Vermögensbildung zu Lasten des Elternunterhaltsanspruchs statt.

Die Essenz der Entscheidung lautet: Solange Zins und Tilgung für die selbst bewohnte Immobilie deren Wohnvorteil nicht übersteigen, kann die pauschal berechnete Altersvorsorgerücklage ungekürzt vom unterhaltspflichtigen Einkommen abgezogen werden. 

Der erfreuliche Nebeneffekt verblüfft: Der Wohnvorteil spielt nun solange keine Rolle mehr, solange Zins und Tilgung nicht höher als der Wohnvorteil sind. Nur bei ‚negativem Wohnvorteil‘ wird der Tilgungsüberschuss auf die Altersvorsorge angerechnet. Paradoxerweise werden nun die Sozialhilfeträger darum wetteifern, den Wohnvorteil (OLG Hamm v. 9.7.2015 – II-134 UF 70/15, FamRZ 2015, 1974 = FamRB 2016, 7) so niedrig wie möglich anzusetzen, während sie derzeit noch versuchen, den Wohnvorteil so hoch wie möglich zu treiben.

Erfreulich ist auch, dass der BGH Kosten einer Risikolebensversicherung und einer Krankenhaustagegeldversicherung unterhaltsrechtlich berücksichtigen will. Das muss dann auch für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gelten.

Und auch bei der Berechnung der Einkünfte von Kind und Schwiegerkind bleibt der BGH sich selbst treu: Das Einkommen ist fiktiv unter Geltung von Steuerklasse IV/IV zu berechnen und der Splittingvorteil nach § 270 AO zu verteilen (BGH v. 17.6.2015 – XII ZB 458/14, FamRZ 2015, 1594 = FamRB 2015, 333). Das ist kompliziert, aber zu schaffen.