Corona-Krise zum Zweiten …

… nein, nicht die befürchtete zweite Infektionswelle rollt auf uns zu, sondern das 2. Paket steuerlicher Hilfsmaßnahmen durchläuft im Eiltempo das Gesetzgebungsverfahren. Nachdem der Regierungsentwurf am 12. Juni auf den Weg gebracht wurde, soll das Gesetz in Sondersitzungen von Bundestag und Bundesrat am 29. Juni beschlossen werden, um am 1. Juli 2020 in Kraft zu treten.

Neben einer Reihe steuerrechtlicher Detailfragen sind es vor allem drei Gesetzesänderungen, die Familien aufhorchen lassen. Diese betreffen

  • die angekündigte Senkung der Umsatzsteuer von 19 % auf 16 % sowie von 7 % auf 5 % beim ermäßigten Satz. Die Umsatzsteuer wird befristet vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 gesenkt. Davon verspricht sich die Regierung einen kräftigen Impuls bei den Konsumausgaben. Die Hoffnung ist nicht ganz unberechtigt, weil die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen diese Mittel in der Regel vollständig für den laufenden Lebensunterhalt verbrauchen und sie daher durch Verbrauchssteuern überproportional belastet sind. Ob sich der gewünschte Erfolg wirklich einstellt, hängt aber nicht allein vom Verbrauchsverhalten ab, sondern auch davon, ob sich die Senkung des Steuersatzes in entsprechend ermäßigten Preisen niederschlägt.
  • den sog. Kinderbonus von 300 €, der in zwei Raten von jeweils 150 € im September und Oktober 2020 ausgezahlt werden soll, sofern im September 2020 ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Die Leistung wird aber auch dann erbracht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen zumindest in einem Monat des Jahres 2020 vorgelegen haben – nur erfolgt die Auszahlung dann möglicherweise verzögert und in einem Betrag. Auch von dieser Leistung verspricht sich die Regierung einen mit der Steuersenkung vergleichbaren Effekt. Für die unterhaltsrechtlichen Folgen ist wesentlich, dass es sich bei diesen Zahlungen um ein erhöhtes Kindergeld handelt und diese auch steuerlich so behandelt werden. Die Bezeichnung als Kinderbonus oder Einmalbetrag ändert hieran nichts. Denn die Regelung findet sich in der Vorschrift zur Höhe des Kindergeldes (§ 66 Abs. 1 Satz 2 EStG bzw. § 6 Abs. 3 BKGG), weshalb § 1612b Abs. 1 BGB unmittelbar anzuwenden ist. Besondere Vorschriften zur Nichtberücksichtigung gibt es lediglich bei mehreren Sozialleistungen und beim Unterhaltsvorschuss. Insofern ist die Rechtslage mit dem 2009 ausgezahlten Kinderbonus vergleichbar (s. AG Offenburg FamRZ 2009, 2014; Diehl, FamRZ 2009, 932).
  • den für zwei Jahre (2020, 2021) um 2.100 € erhöhte Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG). Dieser bewirkt abhängig von dem individuellen Steuersatz eine zusätzliche steuerliche Entlastung zwischen 35 € und 75 € und ein entsprechend höheres Monatseinkommen. Die Erhöhungsbetrag von jeweils 240 € für das zweite und weitere Kinder bleibt unverändert erhalten.

Bei den schrittweise eingeführten Lockerungen beginnt sich allmählich ein Gefühl von Normalität einzustellen. Gleichwohl sollten wir nicht vergessen, dass sich die Welt unverändert im Krisenmodus befindet und wir von einem „Normalzustand“ noch weit entfernt sind. Daher hat das Motto „gemeinsam schaffen wir es“ auch im Familienrecht weiterhin seine Berechtigung. Die aktuellen Gesetzesänderungen mögen nicht ohne Folgen für den Unterhalt sein; an die Stelle streng schematischer Berechnungen sollte daher gleichwohl die Suche nach maßgeschneiderten Modellen treten, die den tatsächlichen Lebensverhältnissen aller Beteiligten gerecht werden.

Hier kommen Sie zum Regierungsentwurf: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_IV/19_Legislaturperiode/Gesetze_Verordnungen/2020-06-12-Zweites-Corona-Steuerhilfegesetz/0-Gesetz.html

Keine „Durchhalteprämie“ für Verbleiben bei der Partnerin (BGH v. 18.6.2019 – X ZR 107/16)

Wenden Eltern ihrem Kind sowie dessen nichtehelichen Partner einen größeren Geldbetrag zum Erwerb einer Immobilie zu, gehen sie in der Regel davon aus, dass diese Schenkung nicht nur einem kurzfristigen Zusammenleben des Paares dienen werde. Deshalb fällt die Geschäftsgrundlage für die Zuwendung weg, wenn sich die beiden Partner bereits ca. zwei Jahre nach der Schenkung trennen. Das OLG Brandenburg als Vorinstanz hatte noch einen Abzug von ca. 5 % pro Jahr des Zusammenlebens gemacht. Der BGH zieht eine derartige „Verbleibensprämie“ nicht von dem zu erstattenden Betrag ab. Der Rückerstattungsbetrag vermindert sich nicht deshalb, weil der Partner des Kindes der Schenker einen bestimmten Zeitraum in der Partnerschaft verblieben ist.

Grundsätzlich sollten Eltern größere Geldbeträge nur ihrem eigenen Kind zuwenden, und zwar unabhängig davon, ob dieses verheiratet ist oder nicht, nicht jedoch dem echten oder unechten Schwiegerkind. Überschreitet der dem Partner des Kindes zugewandte Betrag 40.000 Euro, fällt zudem Schenkungsteuer an. Insofern kann in diesem Fall eine Trennung zumindest steuersparend wirken (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

Verpflichtung zum Antrag auf Veranlagung in den Steuerklassen III und V zugunsten der Insolvenzgläubiger des Ehegatten?

Eheleute sind einander aus § 1353 BGB zur Solidarität verpflichtet. Dies bedeutet einfach gesagt, dass ein Ehegatte dem anderen verpflichtet ist, alle Handlungen vorzunehmen, die dem anderen nützen, wenn sie ihm selbst nicht schaden. In der Praxis spielt dieser Anspruch auf „eheliche Solidarität“ hauptsächlich in Steuerfragen eine Rolle, nämlich beispielsweise dann, wenn ein Ehegatte sich in der für ihn günstigeren Steuerklasse III veranlagen will, was nur möglich ist, wenn der andere Ehegatte zugleich die Veranlagung seines Einkommens in der für ihn ungünstigeren Steuerklasse V beantragt (§ 38b Abs. 1 Nr. 5 EStG). Eine Verpflichtung eines Ehegatten, diese Art der steuerlichen Veranlagung gemeinsam mit dem anderen zu beantragen, besteht nur, wenn sich hierdurch das Familieneinkommen insgesamt und damit auch der Unterhaltsanspruch des steuerlich benachteiligten Ehegatten erhöht, sein Nachteil also zumindest ausgeglichen wird. Dieses Prinzip ist einfach und unmittelbar einleuchtend. Für jeden, der auf dem Gebiet des Familienrechts tätig ist, handelt es sich daher auch um eine Selbstverständlichkeit.

 Grundlegendes Unverständnis bzgl. der Herkunft und des Sinnes des Anspruchs auf steuerliche Veranlagung in den Steuerklassen III und V herrscht allerdings – sehr zum Nachteil der meist ohnehin schon gebeutelten Insolvenzschuldner und ihrer Familien – offenbar bei den Insolvenzgerichten. Jedenfalls das Amtsgericht Kleve (AG Kleve v. 26.7.2107 – 38 IN 2/17) und leider auch das Landgericht Kleve (LG Kleve v. 26.10.2017 – 4 T 193/17) als Beschwerdeinstanz stellen das Prinzip der ehelichen Solidarität geradezu auf den Kopf, wenn sie den Ehegatten eines Privatinsolvenzschuldners sogar dann für verpflichtet halten, einer Veranlagung in den Steuerklassen III und V zuzustimmen, wenn es für beide Ehegatten ungünstig ist und das Familieneinkommen insgesamt hierdurch sinkt (!). Der Schuldner mag ja grundsätzlich den Gläubigern gegenüber verpflichtet sein, sich in der für die Gläubiger günstigsten Steuerklasse zu veranlagen, es kann aber doch offensichtlich keine Verpflichtung des Ehegatten des Schuldners bestehen, sich in der für ihn ungünstigsten Steuerklasse zu veranlagen, wenn dies ausschließlich den Gläubigern nützt. Woraus soll sich denn dieser Anspruch ergeben? Ein direkter Anspruch der Gläubiger gegen den Ehegatten des Schuldners scheidet – vermutlich sogar für die Insolvenzgerichte offensichtlich – aus. Aber auch ein Anspruch aus § 1353 BGB besteht nicht. Inwiefern soll es denn eheliche Solidarität darstellen, dafür zu sorgen, dass das in diesen Fällen meist ohnehin schon dürftige Familieneinkommen noch weiter sinkt?

Erstaunlicherweise berufen sich das Amtsgericht und das Landgericht Kleve für ihre interessante Rechtsauffassung auch noch auf die Rechtsprechung verschiedener Senate des Bundesgerichtshofs, wobei keiner der Senate des Bundesgerichtshofs derlei selbstredend jemals geäußert hat. Das Amtsgericht Kleve zitiert für seine Entscheidung die Beschlüsse des BGH v. 5.3.2009 – IX ZB 2/07, v. 3.7.2008 – IX ZB 65/07 und v. 4.10.2005 – VII ZB 26/05. Sämtliche dieser Beschlüsse beziehen sich aber auf die Verpflichtung eines Schuldners, von der für ihn und die Gläubiger ungünstigeren Steuerklasse V in die günstigere Steuerklasse IV zu wechseln. Ja, dieser Wechsel ist natürlich aber auch ohne Mitwirkung des Ehegatten möglich! Immerhin nimmt das Landgericht Kleve in seiner Beschwerdebegründung davon Abstand, die genannten Beschlüsse erneut zu zitieren, bezieht sich aber stattdessen auf eine Entscheidung des Familiensenats des Bundesgerichtshofs, nämlich auf ein Urteil vom 23.3.1983  (BGH v. 23.3.1983 – IVb ZR 369/81), die ebenfalls nicht das Geringste zur Sache tut. In dieser Entscheidung ist nämlich ausschließlich die o.g. bereits geschilderte Selbstverständlichkeit zu lesen, dass ein Ehegatte dem anderen helfen muss, solange es ihm selbst nicht schadet.  

Hinweis für die Praxis: Die Situation der Insolvenzschuldner und ihrer Familien ist bzgl. dieser Rechtsfrage einigermaßen katastrophal. Auch wenn die Rechtsprechung der Insolvenzgerichte noch so offensichtlich falsch ist, kann der Insolvenzschuldner sich gegen eine Entscheidung der 2. Instanz nicht wehren, wenn nicht die Rechtsbeschwerde zugelassen wird, denn noch nicht einmal eine Nichtzulassungsbeschwerde ist in diesen Fällen möglich. Außerdem besteht die Gefahr, dass dem Schuldner auch noch die Restschuldbefreiung versagt wird, wenn die Insolvenzgerichte irrigerweise der Auffassung sind, der Schuldner habe durch die „Wahl“ der Steuerklasse IV versucht, seine Gläubiger zu schädigen, obwohl schlicht der Ehegatte die Zustimmung zur Veranlagung in den Steuerklassen III und V verweigert hat (und das auch noch zu Recht). Es bleibt zu hoffen, dass die juristische Literatur zunehmend auf dieses Problem hinweist und die Insolvenzgerichte in Zukunft in derlei Fällen wenigstens die Rechtsbeschwerde zulassen.

Die Kindergeldfalle (zu BFH v. 18.5.2017 – III R 11/15)

Trennen sich Eltern, ist die finanzielle Abwicklung der Trennung stets schwierig. Das gilt auch für das Kindergeld. Dessen Regelung ist – für viele immer noch überraschend – nicht im Kindergeldgesetz, sondern fast ausschließlich im Einkommensteuergesetz (§§ 62 ff. EStG) zu finden. Danach hat derjenige, der

  • ein leibliches Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder
  • ein bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend gemeldetes Kind bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres oder
  • ein in der Berufsausbildung befindliches Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres hat,

Anspruch auf Kindergeld.

Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Da nach dieser Regelung beide Eltern Anspruch auf Kindergeld hätten, bestimmt § 64 Abs. 2 S. 2 EStG, dass bei gemeinsamem Haushalt von Eltern und Kind die Eltern untereinander bestimmen, wer kindergeldberechtigt ist. Liegt eine solche Bestimmung nicht vor, bestimmt das Familiengericht auf Antrag den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 S. 3 EStG). Besteht kein gemeinsamer Haushalt der Eltern mit dem Kind, steht das Kindergeld demjenigen Elternteil zu, in dessen es Haushalt aufgenommen ist.

Diese Regelungen sorgen im Fall von Trennungen stets für Probleme. Trennen sich die Eltern und verbleibt das Kind im Haushalt des Elternteils, der das Kindergeld nicht bekommt, einigen sich diese meist darauf, dass das Kindergeld an den betreuenden Elternteil ausgekehrt wird. Diese praktische und weitverbreitete Lösung führt jedoch, wenn es im weiteren Verlauf zwischen den Eltern zu Streitigkeiten kommt, oftmals zu nicht beabsichtigten Ergebnissen. Auch wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Residenzelternteil das Kindergeld in vollem Umfang überwiesen und deshalb den Kindesunterhalt um die Hälfte des Kindergeldes vermindert hat, ändert dies nichts daran, dass ab Trennung die Kindergeldkasse das Kindergeld an den nichtberechtigten Elternteil gezahlt hat. Die Kindergeldkasse fordert dann vom Nichtberechtigten die Überzahlung des Kindergeldes zurück. Zwar kann der nicht berechtigte Elternteil vom anderen die Überzahlung wieder zurückverlangen, das setzt jedoch Leistungsfähigkeit des Residenzelternteils voraus. Dieser könnte z.B. mit der Entreicherungseinrede den Anspruch zu Fall bringen.

In dem vom BFH entschiedenen Fall unternahmen die Eltern nach einer 6-monatigen Trennung einen 2-monatigen Versöhnungsversuch und lebten in dieser Zeit zusammen. Der Vater, der von den Eltern während ihres ursprünglichen Zusammenlebens als Kindergeldberechtigter bezeichnet worden war, hatte während der gesamten Trennungszeit das Kindergeld stets an die Mutter überwiesen. Auch während der Zeit des Versöhnungsversuchs erhielt er das Kindergeld. Erst nachdem der Versöhnungsversuch scheiterte, beantragte die Kindesmutter die Auszahlung des Kindergeldes an sich. Der BFH entschied, dass die Bezugsberechtigtenbestimmung (welch ein Wort!) der Eltern durch deren Trennung und die Übersiedlung des Kindes ausschließlich in den Haushalt eines der beiden Elternteile erloschen und auch nicht durch den Versöhnungsversuch wieder aufgelebt sei. Die Kindergeldkasse könne also für den gesamten Trennungszeitraum einschließlich des Versöhnungsversuchs das gezahlte Kindergeld zurückfordern.

Familienrechtlich wirkt eine solche Entscheidung nicht sonderlich befriedend. Sie ist gleichwohl konsequent. Denn die Gesetzeslage lässt eine andere Lösung nicht zu.

Insgesamt wird man allerdings in einem modernen Familienrecht das Kindergeld neu zu regeln haben. Schon heute wird die Implementierung einer Unterhaltslösung im Fall beiderseitiger Betreuung eines Kindes durch die Eltern (vulgo Wechselmodell) durch die im Einkommensteuergesetz angesiedelte Vorschrift, dass nur einem Elternteil das Kindergeld zusteht, oftmals kompliziert und schwer durchschaubar. Darüber hinaus ist die Verortung des Kindergelds im Steuerrecht wenig sozial, führt sie doch bei Gutverdienern zu einer höheren staatlichen Bezuschussung ihrer Kinder als bei Niedrigverdienern. Der familienpolitische Sinn einer derartigen Regelung ist nicht erkennbar. Bedenklich ist auch, dass die gieskannenartige Auskehrung des Kindergeldes bislang keinen Beitrag zur Behebung der Kinderarmut geleistet hat. Auch dies sollte die Familienpolitiker nachdenklich stimmen und die Koalitionsverhandlungen hoffentlich befruchten.