Der BGH ein Bollwerk gegen dispositive Elternschaft – zugleich einige Gedanken zu BGH v. 20.3.2019 – XII ZB 530/17

‚Das Sichere ist nicht sicher. So, wie es ist, bleibt es nicht‘ heißt es in einem Lied von Bertold Brecht, dessen Inhalt jeden Tag neu bestätigt wird. Das gilt auch für das Abstammungsrecht, dessen Kenner die Unwissenden unter uns mit der Frage nerven, wie viele Eltern denn nun ein Kind haben kann.[1] Das BGB in seiner jetzigen Fassung kennt nur eine Mutter und nur einen Vater. Bei diesem Zwei-Eltern-Prinzip soll es auch nach dem vom BMJV veröffentlichten Diskussionsentwurf zur Reform des Abstammungsrechts bleiben. Die Versuchung, der Reproduktionsfantasie der Medizin juristisch nachzugeben, ist groß, weil selbst im vereinten Europa kaum ein Land in seinem Abstammungsrecht mit einem anderen vergleichbar ist. Weil kulturelle, religiöse und geschichtliche Determinanzen vielfältig sind, ist es auch das Abstammungsrecht.

So ist es auch in dem vom BGH entschiedenen Fall. Differenzialgeschlechtliche Ehegatten lassen eine von der Ehefrau gespendete Eizelle vom ehemännlichen Samen befruchten und von einer ukrainischen Leihmutter austragen. So viel Technik macht einfache Lösungen schwierig. Der Ehemann hatte die Vaterschaft vor der Deutschen Botschaft in Kiew vorgeburtlich anerkannt, nachgeburtlich gab die Leihmutter die notariell beurkundete Erklärung ab, nicht genetisch mit dem Kind verwandt zu sein, woraufhin die deutschen Ehegatten als Eltern des Kindes in der Ukraine registriert wurden. Diese Beurkundung übernahm auch das deutsche Standesamt, das aber den Geburtsurkundeneintrag berichtigte, als es – fast zufällig – von der Leihmutterschaft erfuhr und diese als Mutter in die Geburtsurkunde eintrug.

Das – so der BGH – sei nicht zu beanstanden. § 1591 BGB bestimme eindeutig, dass als rechtliche Mutter die Frau zu gelten habe, die das Kind geboren habe, und da der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes wegen der intendierten nachgeburtlichen Rückkehr nach Deutschland nicht die Ukraine gewesen sei, sei ausschließlich deutsches Abstammungsrecht anzuwenden. Da der verheiratete Vater feststehe und die Wunschmutter mit diesem verheiratet sei, könne sie das Kind, dessen genetische Mutter sie sei, ja schließlich adoptieren.

Es ist gut, dass der BGH den klaren Normwortlaut des § 1591 BGB nicht mutterfreundlich interpretiert hat. Da ist nämlich nichts auszulegen, man könnte nur etwas ‚einlegen‘,[2] wenn man der Meinung wäre, der historische Gesetzgeber der Jahres 1900 habe die Reproduktionsmedizin nicht gekannt und ein weitgehend sanguinistisches Unterhalts- und Erbrecht weise auch dem Abstammungsrecht den richtigen Weg. Dann aber schwänge sich die Justiz zum Gesetzgeber auf und entließe diesen aus der Pflicht, ein den reproduktiven Möglichkeiten entsprechendes, mit europäischen Nachbarrechtsordnungen harmonisierendes Abstammungsrecht zu schaffen.

Schon heute haben wir weitgehend disponible Elternschaft, die durch Anerkennung, Heirat und Anfechtung hergestellt und aufgelöst werden kann. Das war aber schon immer so, weil der Hochadel die Adoption zur dynastischen Herrschaftssicherung benötigte und die eheliche Geburt nie ehemännliche Abstammung garantierte.

Die Möglichkeit einer nichtgenetischen Elternschaft wird auch im Diskussionsentwurf des BMJV erweitert. Darüber sollten wir allerdings nicht vergessen, dass Kinder genetische Eltern nicht nur zur Entstehung, sondern auch für ihr Wohlergehen brauchen. Darüber habe ich schon einmal im Anschluss an eine Herbsttagung in diesem Blog berichtet („Elternschaft und Reproduktionsmedizin“, 26.10.2016). Die Betreuungszeiten der Kinder durch leibliche Eltern sollten durch die Familienrechtler gesichert werden, wenn die Eltern sich darüber nicht einigen können.

In seinem Diskussionsentwurf zur Reform des Abstammungsrechts sollte der Gesetzgeber aber die sanguinistische sprachliche Differenzierung aufgeben. Auch die ‚Mit-Mutter‘ hat Elternpflichten und der ‚Mit-Vater‘ sollte gar nicht erst eingeführt werden. Das deutsche Wort der ‚Elternschaft‘ ist geschlechtsneutral, warm und treffend. Seine Implementierung im zukünftigen Gesetzestext machte diesen deutlich lesbarer.

[1] Es sind – ohne spätere Adoption – sechs: die Gebärmutter, die Wunschmutter, die Eispenderin, die Mitochondrienspenderin, der Samenspender und der Wunschvater.

[2] Vgl. B. Rüthers, Die heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat. Verfassung und Methoden, Mohr Siebeck, 2. Aufl. 2016.

Unerwünschte Folgen einer Erwachsenenadoption

Nicht selten werden Kinder von ihren Ziehvätern erst im Erwachsenenalter adoptiert. Einer der häufigsten Gründe, auf die Adoption eines minderjährigen Ziehkindes zunächst zu verzichten, ist der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Erzeuger, der mit einer Adoption enden würde. Wird die Adoption im Erwachsenenalter nachgeholt, so ist dies oft rein erbrechtlich bzw. erbschaftsteuerrechtlich motiviert. Nicht bedacht wird dabei gelegentlich, dass die erbrechtlichen bzw. erbschaftsteuerlichen Konsequenzen nicht die einzigen Rechtsfolgen einer Adoption darstellen. Bei mangelnder Aufklärung der Beteiligten durch die beteiligten Rechtsanwälte und Notare folgt auf die Adoption dann oft ein böses Erwachen. 

Als unliebsam wird bei Erwachsenenadoptionen besonders die Rechtsfolge empfunden, dass der Anzunehmende den Namen des Annehmenden erhält. Gerade wenn die Adoption in erster Linie erbrechtlich bzw. erbschaftsteuerlich motiviert ist, erfolgt sie nicht selten erst dann, wenn das anzunehmende „Kind“ selbst schon mitten im Leben steht und entsprechend sowohl beruflich als auch privat mit seinem bisherigen Namen eng verbunden ist. Erstaunlicherweise kann das Familiengericht gemäß § 1757 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BGB selbst dann, wenn alle Beteiligten dies beantragen, dem Anzunehmenden nicht einfach seinen bisher geführten Namen belassen. Die einzige Möglichkeit des Anzunehmenden, mit dem bisher geführten Namen weiter verbunden zu bleiben, besteht nach dieser Vorschrift darin, dass dem neuen Familiennamen des Kindes der bisher geführte Name vorangestellt oder beigefügt wird (a.A. nur AG Leverkusen v. 17.12.2007 – 14 XVI 12/07, FamRZ 2008, 2058 m. Anm. Maurer, FamRZ 2009, 440), wohl aber nur aus praktischen Gründen offen gegen das Gesetz). Selbst dies ist aber nur dann zulässig, wenn es „aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist“. Besonders grotesk erscheint diese Regelung in den Fällen, in denen der nichteheliche Lebensgefährte der Mutter, von der das Kind seinen bisherigen Namen erhalten hat, das Kind adoptiert. Selbst in diesem Fall hat das Kind nur ganz ausnahmsweise die Möglichkeit, den Namen der Mutter nach der Adoption als Teil eines Doppelnamens weiter zu führen, obwohl die Adoption in diesen Fällen weder rechtlich noch emotional in irgendeiner Weise eine Abkehr von der Mutter bedeutet.  

Ist die Adoption einmal erfolgt, ohne dass dem Antrag auf Weiterführung des bisherigen Namens als Teil eines Doppelnamens stattgegeben bzw. ohne dass dieser überhaupt gestellt wurde, ist es sehr schwierig, sich von der Namensänderung wieder zu befreien. Der Antrag nach § 1757 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BGB kann nicht nachgeholt werden (BayOblG v. 23.9.2002 – 1Z BR 113/02, FamRZ 2003, 1773 [LS]), wenn die Adoption einmal wirksam ist. Selbst wenn der Anzunehmende im Vorfeld der Adoption nicht darauf hingewiesen wurde, dass die Volljährigenadoption eine Änderung des Geburtsnamens (und damit auch des aktuellen Namens, wenn der Anzunehmende selbst nicht den Namen seines Ehepartners führt) nach sich zieht, soll dies keinen hinreichenden Grund für eine Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG sein (so jedenfalls VG Ansbach v. 10.11.2004 – AN 15 K 04.01600, BeckRS 2012, 48331). In Betracht zu ziehen ist auch noch eine Readoption durch den leiblichen Elternteil. Zumindest das AG Starnberg v. 13.2.1995 – XVI 22/94, FamRZ 1995, 827, hat einem solchen Antrag in einem Einzelfall stattgegeben, weil es die Readoption für sittlich gerechtfertigt hielt, obwohl die einzige Rechtsfolge der Adoption in diesem Fall die Wiedererlangung des alten Geburtsnamens war. 

Wie man an diesen absurden rechtlichen Verrenkungen unschwer erkennen kann, die sowohl Betroffene als auch Gerichte unternehmen, um die Vorschrift des § 1757 BGB zu umgehen, wobei gleichzeitig kein Grund ersichtlich ist, dem Anzunehmenden den Namen des Annehmenden aufzudrängen, besteht jedenfalls bzgl. dieser Rechtsfolge der Erwachsenenadoption dringender Reformbedarf (siehe hierzu Molls, ZRP 2012, 174 ff.).