Kindesunterhalt bei erweitertem Umgang („asymmetrisches Wechselmodell“)

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat wegen des (jedenfalls vorläufigen) Scheiterns der Reformpläne der früheren Bundesregierung zur gesetzlichen Regelung des Kindesunterhalts in den Fällen eines erweiterten Umgangs (sog. „asymmetrisches Wechselmodell“) in seine Unterhaltsgrundsätze 2025 eine neue Ziffer 12.5 „Erweiterter Umgang“ eingefügt und diese auch in den Unterhaltsgrundsätzen für 2026 beibehalten. Darin wird für die Bestimmung des Barunterhaltsbedarfs eines Kindes ausdrücklich auf die Möglichkeit der Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen nach BGH v. 12.3.2014 – XII ZB 234/13, FamRZ 2014, 917 sowie zwei weitere Regelungen zur Berücksichtigung von Umgangskosten verwiesen (bei besonderen Kosten evtl. auch durch Erhöhung des Selbstbehalts, Ziffer 21.2 Abs. 3).

Diese Regelungen könnten schon im kommenden Jahr wieder eine Änderung erfahren müssen, falls der BGH auf eine ihm vorliegende Rechtsbeschwerde (XII ZB 415/25) gegen einen der bisherigen Rechtsprechung entsprechenden Beschluss des OLG Düsseldorf vom 27.8.2025 – 5 UF 86/24, FamRZ 2025, 1711 so entscheiden würde wie von Rubenbauer/Dose in FamRZ 2025, 1677 ff. vorgeschlagen.

Aber ist das nur Zukunftsmusik oder muss tatsächlich damit gerechnet werden, dass der BGH in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung einer gesetzlichen Neuregelung vorgreift?

Unabhängig davon wie man die Auffassung von Rubenbauer/Dose a.a.O. beurteilt, dass bereits de lege lata (also mit einem noch unveränderten § 1606 III 2 BGB) auch schon beim sog. „asymmetrischen Wechselmodell“ die komplizierten Regeln der Unterhaltsberechnung nach § 1606 III 1 BGB ähnlich wie beim paritätischen Wechselmodell gelten sollen, ist jedenfalls die Aufforderung im zitierten Aufsatz S. 1679 an die Instanzgerichte, in solchen Fällen die BGH-Entscheidung „abzuwarten“ (hieße praktisch, auch den hiesigen Grundsatz Ziffer 12.5 nicht mehr anzuwenden und die Fälle liegen zu lassen), beim Unterhalt für Kinder kritisch zu sehen (ausführlich zu den drohenden Nachteilen, aber auch zu anderen Optionen: Lies-Benachib, FamRZ 2025, 1849 ff.).

Das gilt umso mehr, als die Ergebnisse bei einer angemessenen Herabstufung wie seit der Entscheidung des BGH 2014 und nach hiesiger Ziffer 12.5 in vielen Fallkonstellationen gar nicht so erheblich von den komplizierten Berechnungen, wie sie ja auch der letztjährige Referentenentwurf und das Eckpunktepapier vorsahen, abweichen, was Seiler in seinen Vergleichsberechnungen in FamRZ 2024, 591 ff. an einigen Beispielen vorgerechnet hat.

Nach Auffassung des Verfassers ist es nach wie vor (auch verfassungsrechtlich) problematisch, ohne Abschaffung bzw. Änderung von § 1606 III 2 BGB ganz neue Berechnungsmodelle de lege lata „einzuführen“, sei es beim Kindesunterhalt (kritisch auch Lies-Benachib aaO mwN, ferner m. E. zutreffend OLG Düsseldorf aaO) oder beim Ehegattenunterhalt (Stichwort: Naturalunterhalt des Betreuenden, nach wie vor streitig, ablehnend h.M. in der Literatur, u.a. Schwamb, FamRB 2022, 342, aber auch OLG Oldenburg FamRZ 2023, 1371 m. zust. Anm. Seiler). Ein Risiko wie bei der „Uminterpretation“ von § 1578 BGB mit den sich von der gesetzlichen Regelung zu weit entfernenden „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen“ auf der Bedarfsebene sollte die Rechtsprechung besser nicht noch einmal eingehen (dazu damals Schwamb, FamRB 2011, 120 ff.), denn die richterliche Rechtsfortbildung hat ihre Grenzen.

Anm. der Redaktion:

Den Text der Düsseldorfer Tabelle sowie die aktuellen Unterhaltsleitlinien für das Jahr 2026 finden Sie hier.

Kindesunterhalt bei Wechselmodell oder deutlich erweitertem Umgang

Alle Eltern sind ihren Kindern zu Unterhalt verpflichtet. In intakten Familien ist dies eine Selbstverständlichkeit und stellt somit kein rechtliches Problem dar. Nach einer Trennung der Eltern kommt es bezüglich des Kindesunterhalts jedoch häufig zu Streit. Das Gesetz sieht hierzu vor, dass derjenige Elternteil, bei dem die Kinder nach einer Trennung der Eltern ihren Lebensmittelpunkt haben, von dem anderen Elternteil Barunterhalt verlangen kann (§ 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der betreuende Elternteil erfüllt seine Unterhaltsverpflichtung in diesen Fällen hingegen bereits durch die tatsächliche „Pflege und Erziehung“ (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB).

Da die Rollenverteilung in den Familien aber längst nicht mehr so klar ist wie zu dem Zeitpunkt, in dem der Gesetzgeber diese Regelung schuf, sondern sich zunehmend viele Eltern die tatsächliche Betreuung der Kinder teilen, muss die Rechtsprechung immer häufiger für Betreuungsmodelle unterhaltsrechtliche Lösungen finden, die nicht dem gesetzlich ausdrücklich geregelten Fall entsprechen.

Bedauerlicherweise hat der Bundesgerichtshof durch seine bisherigen Entscheidungen zur Verteilung der Unterhaltsverpflichtung in Betreuungskonstellationen, die nicht dem gesetzlichen Regelfall entsprechen, nicht dazu beigetragen, Rechtsfrieden zu schaffen, sondern ganz im Gegenteil dafür gesorgt, dass es häufig zu erbitterten umgangsrechtlichen Streitigkeiten kommt, in die auch die Kinder zwangsläufig mit hineingezogen werden, obwohl es im Kern lediglich um Unterhaltsfragen geht:

In seinem Beschluss vom 12.3.2014 – XII ZB 234/13, FamRZ 2014, 917 = FamRB 2014, 204 führt der Bundesgerichtshof aus, dass die Verpflichtung zur Leistung von Barunterhalt so lange allein bei einem Elternteil liegt, als der Betreuungsschwerpunkt bei dem jeweils anderen Elternteil zu erkennen ist. Erst dann, wenn die Betreuungsleistungen annähernd paritätisch zwischen den Eltern aufgeteilt sind, soll die Barunterhaltsverpflichtung beide Elternteile (anteilig nach den Einkommensverhältnissen) treffen.

Der Betreuungsschwerpunkt in diesem Sinne soll nach der instanzgerichtlichen Rechtsprechung sogar dann noch bei einem Elternteil liegen, wenn der andere das Kind an drei von vier Tagen in der Woche betreut. Die erhöhten Kosten, die der barunterhaltspflichtige Elternteil durch die erweiterte Betreuungsleistung, und die geringeren Kosten, die der „hauptsächlich“ betreuende Elternteil hat, werden bisher unterhaltsrechtlich in diesen Fällen nur durch die Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen in der Düsseldorfer Tabelle erfasst.

Beraterhinweis

Bevor man sich auf ein Umgangsverfahren aus unterhaltsrechtlichen Gründen einlässt, sollte (abgesehen davon, dass vorher die emotionalen Folgen für die Kinder bedacht werden sollten) dringend durch konkrete Berechnung geprüft werden, ob das Wechselmodell im jeweiligen Einzelfall tatsächlich erhebliche negative finanzielle Auswirkungen hätte. Je nach Einkommensverhältnissen ergibt sich für die konkrete Zahlungsverpflichtung gegenüber einer Herabstufung der Düsseldorfer Tabelle keinerlei Unterschied, da die Eltern auch im Falle eines Wechselmodells nicht etwa ohne weiteres zu gleichen Teilen, sondern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen für den Unterhalt haften.

Mehr zum Thema: Siehe auch den Beitrag von Frau RiOLG Dr. Liceni-Kierstein zu den nicht verringerten Erwerbsobliegenheiten trotz Ausübung eines erweiterten Umgangsrechts, FamRB 2014, 132.