Gefährdung des Kindesvermögens durch WhatsApp-Nutzung? (AG Bad Hersfeld v. 20.03.2017 – F 111/17 EASO)

Die Überlassung eines Smartphones an ein Kind oder Jugendlichen ab einem bestimmten Alter stellt sich heute mehr oder weniger als eine Selbstverständlichkeit dar. Die dadurch ermöglichte Kontaktherstellung etwa zwischen einem berufsbedingt ortsabwesenden Elternteil und dem Kind oder Jugendlichen – insbesondere für Notfälle – ist nicht zwingend negativ zu bewerten. Dabei wird regelmäßig aber auch akzeptiert oder zumindest in Kauf genommen, dass das überlassene Gerät ebenso in seinen sonstigen Funktionen genutzt wird, etwa dem Herunterladen von Apps, wobei vor allem die Applikation „WhatsApp“ besondere Bedeutung für die Kontaktunterhaltung innerhalb einer sozialen Gruppe hat. Nicht jeder Elternteil berücksichtigt in diesem Kontext, welche rechtlichen Konsequenzen mit dieser eigentlich alltäglichen Handhabung verbunden sind bzw. inwieweit möglicherweise sich hieraus für das Kind wirtschaftliche Risiken ergeben können, für die ggf. der Elternteil selbst dann auch einzustehen hat.

Mit einem besonderen Sachverhalt zu dieser Thematik hat sich aktuell das Amtsgericht –Familiengericht – Bad Hersfeld auseinandergesetzt. Die Mutter eines 10-jährigen Sohnes hatte gerichtlich eine striktere Regelung des Umgangs zwischen dem Kind und dessen Vater erstrebt mit dem Sachvortrag, dass er das Umgangswochenende nicht hinreichend mit dem Kind verbringe, sondern auch sonstige Tätigkeiten erledige und in dieser Zeit das Kind bei der Großmutter abgebe. Vor allem die Beschwerde des Kindes im Rahmen der richterlichen Anhörung, dass sein Vater es bei „WhatsApp“ blockiert habe, veranlasste das Gericht nicht nur, dem Kind zunächst die Begriffe der Datenweitergabe sowie des Datenschutzes näher zu erläutern, sondern auch, der betreuenden Mutter Auflagen nach § 1666 BGB zu erteilen. Konkret ging das Gericht dabei davon aus, dass sich aus der Nutzung von WhatsApp eine Gefahr für das Vermögen des Kindes ergeben könne, da das Kind als Nutzer gem. § 823 BGB von Dritten abgemahnt oder analog § 1004 BGB zur Unterlassung aufgefordert werden könne. Das für § 823 BGB erforderliche deliktische Handeln sah das Gericht darin, dass das Kind als aktiver Nutzer der App fortlaufend Datensätze jener Personen, die auf dem Smartphone als App-Kontakte erfasst seien, quasi in einer Datenbrücke an den Betreiber weiterleite und hierzu mangels einer zuvor eingeholten Zustimmung dieser Personen nicht befugt sei. Der betreuenden Mutter wurde daher u.a. durch das Familiengericht aufgegeben, von sämtlichen Personen, die im Adressbuch des Smartphones gespeichert waren, eine schriftliche Zustimmungserklärung bezüglich der Datenübertragung einzuholen und für den Fall der verweigerten Zustimmung, den Kontakt zu entfernen.

Unabhängig von der Frage, ob man hier eine Vermögensgefährdung für gegeben hält oder nicht, stellt sich die rechtliche Situation so dar, dass die elterliche Sorge neben der Personensorge für ein Kind auch die Vermögenssorge in tatsächlicher und rechtlicher Ausgestaltung umfasst, d.h. neben den eigentlichen Fürsorgehandlungen auch die gesetzliche Vertretung des Kindes in diesen Bereichen umfasst wird. In das nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Elternrecht auf Pflege und Erziehung eines Kindes darf der Staat nur dann eingreifen, wenn Gründe des Kindeswohls dies dringend erfordern. Unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind dann ggf. von Amts wegen jene Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig sind. Welche Maßnahmen dabei in Betracht kommen können, ist in § 1666 Abs. 3 BGB näher geregelt, wobei der BGH in seiner aktuellen Rechtsprechung ausdrücklich hervorgehoben hat, dass die dort dargestellten Ge- und Verbote nicht abschließend sind, sondern auch sonstige zur Gefahrenabwehr geeignete Weisungen familiengerichtlich angeordnet werden können (BGH v. 23.11.2016 – XII ZB 149/16, FamRB 2017, 48).

Für die Praxisberatung verdient die vorab dargestellte Entscheidung in zweierlei Hinsicht Beachtung. Zunächst stellt sie klar, dass unter dem Blickwinkel der besonderen Verantwortlichkeiten im Rahmen der elterlichen Sorge für ein Kind, von den Eltern zwingend auch erwartet werden kann, dass sie sich mit den Einzelheiten der möglichen rechtlichen Folgen vertraut machen, die mit der Überlassung technischer Geräte an ein Kind verbunden sind, und ihre Verantwortlichkeit nicht mit der Aushändigung des Gerätes endet, sondern vielmehr darüber hinausgehend von ihnen eine fortlaufende Überwachung bis zur Volljährigkeit des Kindes erwartet wird. Daneben zeigt die Entscheidung aber auch, dass ein eigentlich in eine gänzlich andere Richtung gedachtes kindschaftsrechtliches Verfahren unter dem Blickwinkel des Amtsermittlungsgrundsatzes sich für den Antragsteller durchaus auch ins Gegenteil verkehren kann.