Keine familiengerichtliche Überprüfung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen an Schulen II

Gut einen Monat nach Bekanntwerden des die 3. Gewalt erschütternden Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Weimar v. 8.4.2021 – 9 F 148/21, mit dem es die öffentlich-rechtliche Maskenpflicht und das Abstandsgebot für Schüler in den Schulen über § 1666 Abs. 4 BGB kippen wollte (ablehnende Besprechung Schwamb im Experten-Blog des FamRB; ferner Lies-Benachib, NZFam 2021, 448), hat das Thüringer OLG in Jena am 14.5.2021 – 1 UF 136/21 den Beschluss des AG Weimar aufgehoben, und zwar auf die sofortige Beschwerde des Freistaates Thüringen, die das Amtsgericht nicht für möglich hielt (Rechtsbehelfsbelehrung: „Der Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.“), weil es wohl nur § 57 FamFG im Blick hatte (wie wohl auch Gietl, NZFam 2021, 421 in seiner im Übrigen ebenfalls den Weimarer Beschluss ablehnenden Anmerkung).

Das OLG stützt die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde aber auf § 17a Abs. 4 S. 3 GVG und die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum BGH auf § 17a Abs. 4 S. 4, 5 GVG (ansonsten ist die Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen in familienrechtlichen EA-Verfahren gemäß § 70 Abs. 4 FamFG nicht statthaft).

Gemäß § 17a Abs. 4 S. 3 GVG ist nämlich die Zuständigkeitsbeschwerde nach erfolgloser Rüge der Zulässigkeit des Rechtswegs (§ 17a Abs. 3 S. 2 GVG) statthaft. Das gilt auch, wenn auf die Rüge des Rechtswegs die nach § 17a Abs. 3 S. 2 GVG erforderliche Vorabentscheidung unterbleibt, stattdessen über die Zuständigkeit und sogleich in der Sache mitentschieden wird. Den noch nicht abschließend veröffentlichten Gründen des OLG müsste dann allerdings auch eine Auseinandersetzung damit zu entnehmen sein, dass das AG Weimar ausgeführt hat, innerhalb einer gesetzten Frist habe das Land nicht Stellung genommen, denn wenn es unter diesen Umständen an einer Rüge der Zuständigkeit fehlte, stünde § 17a Abs. 5 GVG einer späteren Berücksichtigung der mangelnden Zuständigkeit entgegen (BGH v. 18.9.2008 – V ZB 40/08, NJW 2008, 3572 = MDR 2008, 1412; Lückemann in Zöller, ZPO, 33. Aufl., zu § 17a GVG Rz. 18 m.w.N.). Dem widerspricht das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf v. 25.10.2018 – 1 WF 124/18, FamRZ 2019, 379) zwar für den Fall, dass sich der angefochtene Beschluss zur Zuständigkeit überhaupt nicht verhält, was jedoch auf das AG Weimar – bei aller Kritik an seinen diesbezüglichen Gründen – nicht zutrifft.

Das Thüringer OLG sieht im Weiteren den Rechtsweg zu den Familiengerichten als nicht gegeben an und stellt das Verfahren ein ebenso wie das OLG Nürnberg (OLG Nürnberg v. 27.4.2021 – 9 WF 342/21 und v. 28.4.2021 – 9 WF 343/21) in den umgekehrten Fällen von Beschwerden gegen die Nichteinleitung von Verfahren. Eine Verweisung an das Verwaltungsgericht kommt dagegen nicht in Betracht, denn § 17a Abs. 2 GVG gilt jedenfalls für nur von Amts wegen einzuleitende Verfahren nicht (BT-Drucks. 16/6308, 318; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl., § 122 Rz. 10; Lückemann in Zöller, ZPO, 33. Aufl., zu § 17a GVG Rn. 21; Pfälz. OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 764, 765; OLG Karlsruhe v. 28.4.2021 – 20 WF 70/21; Schwamb im Experten-Blog des FamRB; Lies-Benachib, NZFam 2021, 448, 449).

Konsequenzen für die Praxis: Damit ist aber auch klar, dass die nun immer häufiger auftretenden Entscheidungen, in denen auf die offensichtlich haltlosen formularmäßigen Anregungen entgegen § 24 FamFG ein Verfahren eingeleitet wird, um es sofort wieder mit einem Beschluss nebst Kostenentscheidung und Wertfestsetzung zu beenden, weil kein Anlass für familiengerichtliche Maßnahmen besteht, ebenfalls verfehlt sind.

Das gilt insbesondere für die Beschlüsse des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen v. 3.5.2021 – 1 F 125/21 und 1 F 128/21), in denen dem darin auch noch namentlich genannten ehemaligen Familienrichter und „Erfinder“ des Formulars zur Anregung solcher Verfahren die Kosten unter Überdehnung von § 81 Abs. 4 FamFG als unbeteiligtem Dritten auferlegt worden sind. Abgesehen davon, dass der Begriff des Dritten im Sinne dieser Vorschrift offensichtlich nicht Personen erfasst, die nur Anderen zur Anregung eines Verfahrens geraten oder Hilfsmaterial dafür zur Verfügung gestellt haben, führt bereits die richtige Anwendung von § 20 Abs. 1 S. 1 FamGKG dazu, dass für anlasslos eingeleitete Verfahren überhaupt keine Kosten zu erheben sind.

Damit erübrigt sich eigentlich schon, zu den teils astronomisch hohen Wertfestsetzungen in verschiedenen Entscheidungen (vgl. AG Essen v. 7.5.2021 – 106 F 83/21 und 106 F 84/21) Stellung zu nehmen, die auch bereits deshalb verfehlt sind, weil die Zahl der (allenfalls in den Blick genommenen, nicht wirklich betroffenen) Kinder nach § 45 Abs. 2 FamGKG dafür nicht ausschlaggebend ist, wenn man von einem Sorgerechtsverfahren ausgeht. Aber auch bei Anwendung der Auffangvorschrift für nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten käme allenfalls der geringfügig höhere Wert von 5.000 Euro nach § 42 Abs. 3 FamGKG (bzw. gemäß § 41 FamGKG die Hälfte in EA-Verfahren) in Frage, weil bei diesen Verfahren weder Umfang noch Bedeutung der Sache Anhaltspunkte für einen höheren Wert nach § 42 Abs. 2 FamGKG liefern. Wie bereits in meiner Erwiderung auf einen Kommentar zu meinem ersten Blogbeitrag zum Thema ausgeführt, darf gar nicht erst der Eindruck von „Retourkutsche“ entstehen, was die aufgeheizte Diskussion nur noch weiter verschärfen würde.

Aktualisierung vom 8.6.2021: Inzwischen ist der Beschluss des Thüringer OLG v. 14.5.2021 – 1 UF 136/21 auch vollständig veröffentlicht, und seine Gründe haben es fürwahr in sich. Das im Blog vom 25.5.2021 angesprochene Problem der Anfechtbarkeit des Weimarer Beschlusses gemäß § 17a Abs. 4 S. 3 GVG (nämlich nur, wenn die Zuständigkeit zuvor beim Amtsgericht gerügt wurde) hat sich nämlich auf geheimnisvolle Weise weiterentwickelt.

Das AG Weimar war, wie hier im Blog am 25.5.2021 ausgeführt, von der Unanfechtbarkeit seines Beschlusses ausgegangen, der ursprünglich auf den 8.4.2021 datiert war. Am Abend des 8.4.2021 war aber, wie jetzt aus den Gründen des Thüringer OLG ersichtlich wird, die vom Amtsgericht ausweislich seiner Gründe noch vermisste Stellungnahme mit einer Zuständigkeitsrüge des Freistaats Thüringen, der am 31.3.2021 um eine Fristverlängerung gebeten hatte, eingegangen. Danach ist der Beschluss des AG Weimar durch eine „Korrektur“ des Erlassvermerks auf den 9.4.2021 umdatiert worden, so dass die Zuständigkeitsrüge des Freistaates Thüringen noch zu beachten gewesen wäre und ein Vorabbescheid darüber nach § 17a Abs. 3 S. 2 GVG ergehen musste, was dann die Anfechtbarkeit gemäß § 17a Abs. 4 S. 3 GVG erst wieder eröffnet hat. Unter welchen genauen Umständen die Änderung des Erlassdatums des Weimarer Beschlusses zustande gekommen ist, ist noch nicht ganz aufgeklärt. Ausweislich der Gründe des Thüringer OLG ist dagegen sogar noch die Erinnerung eingelegt worden, deren weiteres Schicksal das OLG jedoch nicht mehr abgewartet hat.

Keine familiengerichtliche Überprüfung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen an Schulen

Es lässt einen fassungslos zurück, was diese Pandemie mit zunehmender Dauer alles hervorbringt und nun auch in der 3. Gewalt für Spuren hinterlässt. Aber beginnen wir der Reihe nach. Am 8.4.2021 erlässt das AG – FamG – Weimar (9 F 148/21) ohne mündliche Erörterung eine einstweilige Anordnung gem. §§ 49 ff. FamFG, mit dem es Schulleitungen, deren Vorgesetzten und Lehrern zweier Schulen untersagt vorzuschreiben, dass alle Schüler dieser Schulen Gesichtsmasken tragen, Abstand halten und an Coronaschnelltests teilnehmen; ferner gebietet es, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten. Vorausgegangen ist die Anregung der Mutter zweier Kinder, ein „Kinderschutzverfahren gem. § 1666 Abs. 1 und 4 BGB“ einzuleiten. Es folgen seitenlange Aufzählungen von Rechtsvorschriften aller Art und Aufzählungen von Studien pro und contra Maskenpflicht sowie zur Zuverlässigkeit von Coronatests. Danach folgen schmale Ausführungen, dass die Familiengerichte gem. § 1666 Abs. 4 BGB vorrangig befugt seien, auch Maßnahmen gegen die Lehrer und Schulleitungen sowie deren Vorgesetzte entgegen bestehender Allgemeinverfügungen zu treffen; der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 VwGO trete dahinter zurück. Die Begründetheit seiner Maßnahmen stützt das AG Weimar auf angebliche Kindeswohlgefährdungen gem. § 1666 Abs. 1 BGB durch Abstand halten, Masken tragen und Testungen. Wie abstrus diese Begründung ist, wird besonders in den Passagen deutlich, in denen sogar die Abstandsregeln als überflüssig angesehen werden und die inzwischen – bis auf wenige Außenseitermeinungen, auf die sich das Gericht stützt – schon zum Allgemeinwissen gehörende Infektionsgefahr durch Aerosole geleugnet wird. Mit teilweise übereinstimmender Begründung hat das AG Weilheim am 13.4.2021 (2 F 192/21) eine ähnliche einstweilige Anordnung erlassen, allerdings – insoweit ausdrücklich in Unterscheidung zum AG Weimar – nur mit Wirkung für das Kind der die Maßnahmen anregenden Eltern und im Wesentlichen beschränkt auf das Verbot, das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen dieses Kindes anzuordnen und es gegenüber den anderen Kindern zu isolieren. Der Fall liegt auch insofern anders, als das Kind persönlich angehört worden ist, Kopfschmerzen und Übelkeit durch das Maskentragen angegeben hat und bis vor kurzem aufgrund eines ärztlichen Attests vom Tragen einer Maske befreit war. Ein auf Verlangen der Schulleitung vorgelegtes neues Attest wurde dann nicht mehr anerkannt. Das AG Weilheim hat sich dann jedoch nicht auf die Beurteilung der Nichtanwendung der Ausnahmevorschrift durch den Schulleiter in diesem Einzelfall beschränkt, sondern § 18 Abs. 2 der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (trotz der bestehenden Ausnahmeregelung) insgesamt für nicht anwendbar erklärt.

Demgegenüber kommen das AG Wittenberg am 8.4.2021 (5 F 140/21 EASO) nach ausführlicher mündlicher Erörterung und das AG München am 18.3.2021 (542 F 2559/21) ohne mündliche Verhandlung jeweils mit ausführlichen, den „Erkenntnissen“ der Formularanregungen auch inhaltlich widersprechenden Gründen zum gegenteiligen Ergebnis. Beide verweisen u.a. darauf, dass die Anregungen auf einheitlichen im Internet abrufbaren Mustern beruhen und jeweils keine individuellen Kindeswohlgefährdungen vorgetragen werden. Die persönlich beim AG Wittenberg angehörte Kindesmutter distanziert sich dann auch von den in dem Formular sogar angestellten Vergleichen der Infektionsschutzmaßnahmen mit Folter. Beide Gerichte kommen zu dem Ergebnis, dass keine „kinderschutzrechtlichen Maßnahmen“ veranlasst sind. Soweit das AG München dies ohne mündliche Erörterung nach Kenntnisnahme des Inhalts der Anregung entscheidet, stellt sich allerdings die Frage, warum es dann unter Geltung von § 24 FamFG ein kostenauslösendes Verfahren eingeleitet und es nicht bei einer Mitteilung nach § 24 Abs. 2 FamFG belassen hat.

Einen völlig anderen Weg schlägt das AG Waldshut-Tiengen mit Beschluss vom 13.4.2021 (306 AR 6/21) ein, erklärt den Rechtsweg zum FamG für unzulässig und verweist das Verfahren an das Verwaltungsgericht. Treffend wird dort zwar ausgeführt wird, dass § 1666 Abs. 4 BGB kein Gesetz ist, wonach gem. § 40 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 VwGO ausnahmsweise öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. § 1666 Abs. 4 BGB hat nach den Materialien lediglich den Zweck, im Einzelfall nicht den Zivilrechtsweg gegen (private) Dritte einschlagen zu müssen.

Dazu sei ergänzend darauf hingewiesen, dass de lege lata nach h.M. die Familiengerichte nicht einmal in der besonderen „Verantwortungsgemeinschaft“ mit dem Jugendamt befugt sind, in klaren Fällen von § 1666 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1666a BGB dem öffentlichen Recht zugewiesene jugendhilferechtliche Maßnahmen für die Jugendhilfeträger verbindlich anzuordnen und bei einem darüber bestehenden Konflikt mit Trägern der Jugendhilfe den Beteiligten nur der Verwaltungsrechtsweg bleibt (so ausdrücklich BVerfG v. 24.3.2014 – 1 BvR 160/14 Rz. 50 = ZKJ 2014, 242 m. Anm. Gottschalk; ferner BVerfG v. 22.5.2014 – 1 BvR 2882/13, FamRZ 2014, 1266 Rz. 55; BVerfG v. 17.3.2014 – 1 BvR 2695/13, FamRZ 2014, 1177 Rz. 33 ff.; BVerwG v. 21.6.2001 – 5 C 6.00, FamRZ 2002, 668; OLG Nürnberg v. 17.11.2014 – 11 UF 1097/14, FamRZ 2015, 1211; Lugani in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 1666 Rz. 180, 181; Meysen, NZFam 2016, 580 m.w.N.; a.A. OLG Koblenz v. 11.6.2012 – 11 UF 266/12, NJW 2012, 3108; Fahl, NZFam 2015, 248; Heilmann/Köhler, Praxiskommentar, § 36a SGB VIII Rz. 4–8; krit. auch Heilmann, NJW 2014, 2904, 2908 f. und – vermittelnd – Coester in Staudinger, BGB, § 1666a Rz. 13–22 m.w.N.). Insoweit wird auch gesetzgeberischer Bedarf gesehen (Coester in Staudinger, BGB, § 1666a Rz. 23; Meysen, NZFam 2016, 580, 585). Über den dafür nicht geschaffenen § 1666 Abs. 4 BGB öffentlich-rechtliche Vorschriften auszuhebeln, ist aber jedenfalls nicht einmal in diesen Fällen eine Option.

Die Konsequenz der Verweisung an das Verwaltungsgericht, die das AG Waldshut-Tiengen aus seiner richtigen Erkenntnis zieht, ist allerdings nicht zutreffend, denn § 17a GVG gilt jedenfalls für nur von Amts wegen einzuleitende Verfahren nicht (BT-Drucks. 16/6308, 318; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl., § 122 Rn. 10; Lückemann in Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 17a GVG Rz. 21; Pfälz. OLG v. 26.7.1999 – 3 W 161/99, FamRZ 2000, 764, 765). Es fehlt nämlich insoweit schon am „beschrittenen Rechtsweg“ i.S.v. § 17a GVG als Voraussetzung einer Verweisung oder Abgabe.

Konsequenzen für die Praxis: Statt einer Verweisung ist deshalb nach dem bereits erwähnten § 24 FamFG zu prüfen, ob überhaupt ein Verfahren einzuleiten ist. Folgt das Gericht der Anregung nach § 24 Abs. 1 FamFG nicht, wofür in den besprochenen Fällen, die der Sache nach gar keine „Kinderschutzverfahren“ sind (s.o.), sehr viel spricht, hat es nach § 24 Abs. 2 FamFG denjenigen, der die Einleitung angeregt hat, darüber – formlos – zu unterrichten, soweit ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung ersichtlich ist. Dies dürfte bei einer Anregung von Eltern allerdings regelmäßig der Fall sein.

Soweit dagegen insbesondere das AG Weimar – einem dahinter offenbar steckenden Netzwerk folgend – seine Zuständigkeit für eine Anordnung gegenüber sämtlichen Kindern zweier Schulen mit abwegiger Begründung bejaht hat, besteht Veranlassung darauf hinzuweisen, dass in der Vergangenheit schon aus geringeren Anlässen Verfahren gegen Richter geführt worden sind, die sich einer offensichtlich nicht gegebenen Zuständigkeit berühmt haben (vgl. „Fall Görgülü“ OLG Naumburg v. 6.10.2008 – 1 Ws 504/07, NJW 2008, 3585). Nach Presseberichten prüft die Erfurter Staatsanwaltschaft auf Strafanzeigen gegen den Weimarer Richter, ob sie ein Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung einleitet, während bundesweit weitere Anregungen derselben Machart die deutschen Familiengerichte überfluten. Das AG Hannover hat deshalb auf seiner Homepage Amtsgericht Hannover (niedersachsen.de) eine Pressemitteilung hinterlegt, dass es in den mehr als 100 Fällen mit nahezu gleichlautenden Anregungen keine Verfahren einleitet, weil nach Auffassung der Richterinnen und Richter des Familiengerichts des AG Hannover eine konkrete Kindeswohlgefährdung i.S.v. § 1666 BGB nicht ersichtlich ist.

Aktualisierung vom 22.4.2021: Inzwischen hat das VG Weimar mit Beschluss vom 20.4.2021 (8 E 416/21 We) in einem Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO dem Beschluss des Weimarer Familiengerichts zur Frage der Zuständigkeit mit etwa derselben Begründung wie hier und folgendem Satz deutlich widersprochen: „Der Beschluss ist als ausbrechender Rechtsakt (VGH München v. 16.4.2021 – 10 CS 21.1113) offensichtlich rechtswidrig.“

In der Sache weist das VG die Eilanträge der Antragsteller kostenpflichtig zurück, setzt sich dabei ausführlich mit deren Angriffen auf die den Schulbetrieb betreffende Allgemeinverfügung des Freistaates Thüringen auseinander und hält diese auf der Basis des Infektionsschutzgesetzes i.V.m. § 2 Abs. 2, § 38 Abs. 5 ThürSARS-CoV-2-KiJuSSp-VO (vgl. dazu Thüringer Oberverwaltungsgericht v. 17.3.2021 – 3 EN 93/21, juris) zur Eindämmung des Coronavirus für rechtmäßig. Bei der Interessenabwägung wiege das öffentliche Interesse am Schutz von Leben und Gesundheit einerseits der Personen im Nähebereich der Antragsteller (z. B. sonstige Familienmitglieder oder Freunde) und andererseits der Mitschülerinnen und Mitschüler und der gesamten Bevölkerung höher als das Interesse der Antragsteller, von den ihnen auferlegten Maßnahmen vorläufig verschont zu bleiben. Durchgreifende gesundheitliche Bedenken, die gerade auch bei jüngeren Kindern im Grundschulalter generell gegen eine Tragepflicht von Mund-Nasenschutz sprechen könnten, seien nicht zu erkennen (so auch OVG Münster v. 9.3.2021 – 13 B 266/21.NE, juris Rz. 53 ff.).

Aktualisierung vom 7.5.2021: Inzwischen befassen sich die Oberlandesgerichte mit den Beschwerden von Eltern gegen die ihren Anregungen nicht folgenden Entscheidungen der Familiengerichte. Aus Pressemitteilungen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Nürnberg ist zu entnehmen, dass diese es genauso sehen wie vom Verfasser hier vertreten. Beide heben daher die erstinstanzlichen Beschlüsse insoweit auf, als Verweisungen an die Verwaltungsgerichte erfolgten, weil diese Verfahrensweise bei Amtsverfahren nicht in Frage komme. Am Ende der Karlsruher Pressemitteilung wird auf § 24 FamFG hingewiesen. Das OLG Nürnberg hat das „Verfahren“ eingestellt und die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.