Ehe für alle – Was ändert sich?

Am 30.6.2017 hat der Bundestag den bereits im Jahr 2015 durch den Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts verabschiedet (BT-Drucks. 18/6665). Am 7.7.2017, in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause, hat der Bundesrat dem zugestimmt. Damit kann das Gesetz am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft treten.

Rein rechtlich betrachtet wird sich durch dieses politisch hochumstrittene Gesetz nicht allzu viel ändern, da die eingetragene Lebenspartnerschaft in ihren Rechtsfolgen der Ehe ohnehin bereits weitgehend entsprach. Neu ist insbesondere die nun auch für Paare gleichen Geschlechts bestehende Möglichkeit, gemeinsam ein Kind zu adoptieren und die begriffliche Gleichstellung. Auch die bisherigen Gesetzestexte werden zunächst nur geringfügig verändert. So wird § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB, der bisher lautete: „Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen.“ wie folgt neu gefasst: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ Zudem wird § 1309 BGB, der das Ehefähigkeitszeugnis für Ausländer regelt, folgender Abs. 3 angefügt: „Absatz 1 gilt nicht für Personen, die eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen wollen und deren Heimatstaat die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Ehe nicht vorsieht.“ Dies bedeutet, dass gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland auch dann heiraten können, wenn das Recht ihres Heimatstaates eigentlich anwendbar wäre, dieser Staat aber die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht kennt.

Im Lebenspartnerschaftsgesetz wird zunächst nur eine Vorschrift eingefügt, die es Paaren, die bereits in einer Lebenspartnerschaft verbunden sind, erlaubt, diese Lebenspartnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Hierzu bedarf es lediglich einer Erklärung gegenüber dem zuständigen Standesbeamten bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit der Beteiligten. Für die Rechte und Pflichten der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners bleibt auch nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft weiterhin maßgebend. Dies bedeutet faktisch, dass die Ehe als rückwirkend am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geschlossen gilt. Neue Lebenspartnerschaften können ab Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr begründet werden.

Die aktuell in den konservativen politischen Parteien diskutierte Verfassungsbeschwerde gegen die „Ehe für alle“ dürfte kaum Erfolg haben. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung zum Lebenspartnerschaftsgesetz (BVerfG v. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, FamRZ 2002, 1169) deutlich gemacht, dass der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Ehe (zwischen Mann und Frau) nicht das Gebot enthält, die Ehe zwischen Mann und Frau besserzustellen als andere Lebensformen. Wenn es aber verfassungsrechtlich unbedenklich ist, die Verbindung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen der Ehe zwischen Mann und Frau rechtlich gleichzustellen, so dürfte das Bundesverfassungsgericht in dem Umstand, dass diese Verbindung nun nicht mehr nur rechtlich, sondern auch namentlich gleichgestellt ist, kaum einen Verfassungsverstoß erblicken.

Der Juristentag 2016 und die knifflige Elternfrage

Ich hatte schon im August auf die praktischen Herausforderungen der medizinisch attestierten Fortpflanzung für das Abstammungsrecht hingewiesen („Geburt und Tod als Herausforderungen des Familienrechts“). Auf dem Juristentag ging es darüber auch hoch her. Die familienrechtlichen Veranstaltungen waren bestbesucht. Nun wurden die zu dieser Frage ergangenen Beschlüsse des 71. DJT veröffentlicht.

Es war zu erwarten, dass die Diskussionsergebnisse die Stellung der Wunscheltern und insbesondere der Wunschväter stärken und den genetischen Vater schützen. 

Vater soll sein, wer mit Zustimmung der Mutter in die Befruchtung eingewilligt hat. Diese Einwilligung ist nur bis zur Befruchtung widerruflich und ansonsten nicht anfechtbar, weshalb sie formbedürftig sein soll.

Der Samenspender soll nicht als Vater eines Kindes gerichtlich festgestellt werden können, wenn die Samenspende aus einer Samenbank zur Verfügung gestellt wurde oder Mutter und genetischer Vater vor Zeugung des Kindes erklärt haben, dem genetischen Vater solle keine Elternposition zukommen. Nur bei der privaten Samenspende (sog. Becherspende) soll der genetische Vater als Vater gerichtlich festgestellt werden können, wenn dem Kind kein zweiter rechtlicher Elternteil zugeordnet werden kann.

Lesbischen Paaren soll die Möglichkeit eröffnet werden, bereits bei der Geburt eines Kindes durch die Partnerin Elternschaft zu erreichen. Dabei sollen die zur Vaterschaft entwickelten Grundsätze sinngemäß angewendet werden.

Leihmutterschaft soll im Inland nach den im Geburtsland geltenden Regeln anerkannt werden, die Stiefkindadoption soll in diesen Fällen erleichtert und weitere Wege zur schnellen Erlangung rechtlicher Elternschaft vorgesehen werden. 

Viele von uns werden sagen: Na endlich! Bis zur Umsetzung der Vorschläge durch den Gesetzgeber wird aber noch viel geduldige oder erregte Diskussionszeit vergehen. Was Familienpatchworker als selbstverständlich ansehen, löst bei Anhängern christlich abendländischen Reinheitsgebots und einem Teil ihrer muslimischen Glaubensbrüder Schnappatmung aus. Sie alle sind auch im Bundestag vertreten. Die familienrechtliche Diskussion sollte aber nicht als Völkerschlacht, sondern mit dem Ziel geführt werden, dem klerikalen Traditionalisten jedweder Provenienz seinen Familienentwurf ebenso leben zu lassen wie den Familienfachpatchworker. Solange die Interessen der Kinder geschützt werden, können volljährige Erwachsene leben, wie sie wollen. Die Rechtsordnung hat nur sicherzustellen, dass Kinder einen gesicherten und schützenden rechtlichen Rahmen haben. Den Weg dazu könnten die Beschlüsse des Juristentages gewiesen haben.

 

 

Der BGH und die Willkommenskultur (BGH v. 20.4.2016 – XII ZB 15/15)

Da leben zwei Frauen in Südafrika zusammen. Beide haben die südafrikanische, eine noch zusätzlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie heiraten in Südafrika (civil union type marriage) und die Südafrikanerin wird Mutter eines mittels künstlicher Befruchtung gezeugten Kindes. Die Ehe wird beim Standesamt Berlin als Lebenspartnerschaft eingetragen. Die Eintragung der beiden Frauen als Eltern des Kindes verweigert das Standesamt.

Wie hätten Sie entschieden? Nach kurzer Denkpause sind Sie erleichtert, nicht Standesbeamter geworden zu sein. Der BGH (Beschl. v. 20.4.2016 – XII ZB 15/15) konnte das nicht und entschied, dass die Elternschaft beider Frauen einzutragen sei.

Der Fall macht deutlich, wie wichtig eine Reform des Abstammungsrechts ist. Wir können das hehre Abstammungsprinzip unserer Ahnen – Vater, Mutter, Kind – nicht mehr aufrecht erhalten, wenn rund herum gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen, homologe und heterologe Inseminationen, Leihmütterschaften und Kreuz- und Queradoptionen stattfinden. Ein funktionales Familien-, Ehe- und Elternverständnis hilft über manche dogmatische Hürde und stammtischrechtliche Empörung hinweg. Der Senat entscheidet:

  • Eine im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe gilt im Inland als Lebenspartnerschaft (Rz. 36).
  • Eine gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern zugeordnete Elternstellung stellt keine Verletzung des ordre public dar, weil ‚die Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können, wie die einer Ehe‘ (Rz. 50).
  • Das Kind hat daher die deutsche Staatsbürgerschaft, weil ein Elternteil die deutsche Staatsbürgerschaft hat.

Ich freue mich auf diesen neuen Staatsbürger als Nachbarn. Er wird Leben in die Bude und die Stammtischler zur Verzweiflung bringen.

P.S. Wer mehr zum Abstimmungsrecht erfahren will, sollte am 17.6. nach Berlin fahren. Das vom DAV veranstaltete ‚Forum Abstammungsrecht‘ ist mit hochkarätigen Referenten besetzt: http://familienanwaelte-dav.de/tl_files/downloads/events/PDF-Dateien/Programm-und-Referenten.pdf.

Und ewig grüßen Lebenspartner

„Bereinigungsgesetze“ sind spannend. Liest man sie, weiß man, was der Gesetzgeber verbockt hat und kann sich freuen: Nicht nur Bürger, Anwälte und Richter machen Fehler, nein auch der Gesetzgeber. Für Familienrechtler ist daher das „Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner“ (BGBl. 2015 I, 2010; s. dazu auch FamRB 2015, 237) Quelle solch klammheimlicher Freude. In 33 Artikeln werden die Lebenspartner verknüpft mit „und“ oder „oder“ an die Seite der Ehegatten gestellt. Das geht sprachlich nicht ohne Ermüdung und Wiederholungen ab. Den Literaturnobelpreis bekommt man für so etwas nicht, eher Fleißkärtchen.

Insinuiert die Überschrift des Gesetzes noch eine Befassung mit Lebenspartnern, lohnt für den überwiegend mit Heteros befassten Familienrechtler trotzdem die Lektüre. Nach der Einführung des FamFG hatten viele juristische Trüffelschweine emsig die Stellen im Gesetz markiert, bei denen es der Gesetzgeber bei der „Klage“ belassen hatte. Der so durchgearbeitete Gesetzestext glich dank der horizontalen Markierungen einem Kunstwerk von Vasarely und tausende „Anträge“ blieben ungestellt, weil man nach dem Gesetzeswortlaut hätte klagen müssen. Diesen wirklich beklagenswerten Zustand hat die GroKo nun abgeschafft. Nie wieder werden wir darüber klagen müssen zu klagen, wo etwas zu beantragen gewesen wäre. Nie wieder? Ich habe das Gesetz nicht ganz durchgearbeitet. Es ist zu vermuten, dass es neue Fehler enthält und einige alte übersehen hat. Es ist eben nicht ganz banal, Gesetze zu machen.

Einen „Fehler“ habe aber auch ich gefunden. § 1 LPartG enthält eine Definition der Lebenspartnerschaft. Die Ehe ist gesetzlich nirgendwo definiert. Wie einfach wäre es doch gewesen, der Gesetzgeber hätte den derzeit unbesetzten § 1300 BGB belebt und definiert: „Zwei Personen, die gegenüber dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, auf Lebenszeit für einander einstehen zu wollen, begründen eine Ehe.“ Das wäre Vereinfachung und Bereinigung gewesen. Ich garantiere Ihnen, das Abendland würde diese Reform überleben.