Alle Jahre wieder – Verhinderung eines Sommerurlaubs (hier: einer Türkeireise) durch die gemeinsame elterliche Sorge?

Der Familienrechtler kennt diese Problematik: Unmittelbar vor einem längst geplanten Urlaub eines Elternteils mit dem gemeinsamen Kind gibt es Unstimmigkeiten. Ein typischer Streitpunkt – die bloße Information darüber, welchen konkreten Urlaubsort man anreisen will – kann häufig noch durch Korrespondenz mit dem anwaltlich vertretenen, die Reise beabsichtigenden Elternteil gelöst werden. Wesentlich schwieriger wird es dann jedoch, wenn der Urlaub als solcher in Rede steht. Klammert man die nach wie vor doch leider häufigen grundlosen Verweigerungen aus, die so kurz vor dem Urlaub erklärt werden, dass eine gerichtliche Regelung nicht mehr möglich ist, so bleiben immer noch jene Fälle, in denen ein mitsorgeberechtigter Elternteil aus tatsächlichen Befürchtungen mit einem bestimmten Urlaubsziel nicht einverstanden ist. In einer intakten Beziehung wäre dieses Problem in einem Gespräch unter Abwägung aller wesentlichen Aspekte gelöst worden. Nicht so in einer Phase nach Beziehungsende. Hier wird der Einwand gegen ein bestimmtes Urlaubsland so gedeutet, dass dem nichtbetreuenden Elternteil sein Urlaub mit dem gemeinsamen Kind missgönnt wird und auf irgendeine Weise versagt werden soll. An dieser Stelle bedarf es dann der Prüfung, ob die konkret geplante Urlaubsreise dem Alleinvertretungsrecht eines Elternteils unterliegt. Es handelt sich dabei um eine Frage, die in Zeiten angebotener Billigflüge auch in die entferntesten Länder und politischer und terroristischer Unruhen an vielen Orten der Welt, nicht immer eindeutig zu beantworten ist.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass bei gemeinsamer elterlicher Sorge die wesentlichen Fragen von den Eltern auch gemeinsam zu entscheiden sind und lediglich in Angelegenheiten des täglichen Lebens gem. § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB der betreuende Elternteil das Alleinentscheidungsrecht hat. Damit stellt sich regelmäßig aber auch das Problem der Abgrenzung zwischen Angelegenheiten des täglichen Lebens und den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Eine wesentliche Hilfe für diese Abgrenzung bietet die in § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB formulierte Legaldefinition. Danach sind Alltagsangelegenheiten solche Entscheidungen, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Kindesentwicklung haben. In der Praxis empfiehlt sich daher regelmäßig die Prüfung, ob es im Zusammenhang mit einer bestimmten Frage mit dem Kindeswohl vereinbar wäre, wenn die Entscheidung dieser Streitfrage unterbliebe.

Ist unter diesen Voraussetzungen eine bestimmte Streitfrage als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung zu bewerten und können die Eltern hierzu keinen Konsens finden, so eröffnet § 1628 BGB die Möglichkeit, zu dieser Einzelfrage einem Elternteil das Alleinvertretungsrecht zu übertragen. Die zu treffende gerichtliche Entscheidung unterliegt den gleichen Prüfungskriterien, wie sie für eine Sorgeentscheidung in ihrer Gesamtheit gilt, d.h. zentrales Prüfungskriterium ist auch hier das Kindeswohl und es bedarf der Abwägung, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, die am Kindeswohl orientierte konkrete Sachentscheidung zu treffen. Das Gericht hat dabei die Möglichkeit, die Zuweisung der Entscheidungskompetenz an einen Elternteil – betreffend diese konkrete Streitfrage – mit Auflagen zu verbinden. Keineswegs jedoch darf das Gericht eine Entscheidung anstelle des dazu berufenen Elternteils treffen.

Geplante Auslandsaufenthalte eines Kindes – sei es auch nur die Ermöglichung einer Urlaubsreise zusammen mit einem Elternteil in dessen Heimatland – sind in der Rechtsprechung häufig als Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung bewertet worden. Im Fall des OLG Frankfurt v. 21.7.2016 – 6 UF 206/16 ging es darum, dass der Vater nicht wollte, dass die Mutter mit dem gemeinsamen Kind zum jetzigen Zeitpunkt – nach dem Putschversuch und den diversen terroristischen Anschlägen in der Türkei – dorthin reiste. Zu dem Zweck der Verhinderung der beabsichtigten Türkeireise beantragte er die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis in dieser Sache im Wege der einstweiligen Anordnung, was das OLG Frankfurt abgelehnt hat. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge unterfalle die Entscheidung, mit dem Kind eine Urlaubsreise in die Türkei zu machen, unter den gegenwärtigen dortigen Verhältnissen nicht der Alleinentscheidungsbefugnis des § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB.

In der Praxisberatung sollte darauf geachtet werden, nicht nur mit dem Mandanten – soweit Umgangskontakte in Rede stehen – diese Problematik so früh wie möglich anzusprechen, um ihn diesbezüglich auch bei eigenen Planungen zu sensibilisieren. Gleichlautend sollte auch, wenn konkrete Urlaubsreisen geplant werden, mit dem jeweils anderen Elternteil frühestmöglich die Kontaktaufnahme veranlasst werden, verbunden mit der Aufforderung zur verbindlichen Stellungnahme, so dass ggf. auch noch eine gerichtliche Entscheidung in der verbleibenden Zeit herbeigeführt werden kann. Dabei darf man aber nicht die Augen davor verschließen, dass – insbesondere in Zeiten erhöhter Terrorgefahr – alle Planungen durch tatsächliche Abläufe überholt werden können. Dann wäre es wünschenswert, wenn Elternteile Bedenken des anderen zu einer Urlaubsreise nicht als persönlichen Affront werten, sondern besonnen überlegen würden, ob sie in einer intakten Partnerschaft ebenso beharrlich an diesem Urlaubsziel festgehalten und das auch nur latente Risiko für ihr Kind in Kauf genommen hätten.