Urlaub mit dem Kind? – Aber nur, wenn ich es will! (OLG Frankfurt v. 7.6.2018 –1 UF 50/18)

Dass ein Elternteil mit dem Kind, für das gemeinsame Sorge besteht, verreisen möchte, ist zunächst nichts Außergewöhnliches. Lebt das Kind gewöhnlich im Haushalt dieses Elternteils, so sieht man die geplante Urlaubsreise zunächst als eine Selbstverständlichkeit. Nichts anderes gilt für den Elternteil, bei dem das Kind zu Umgangskontakten ist und der in Ausgestaltung dieser Umgangskontakte natürlich auch mit dem Kind verreisen möchte. An dieser Stelle beginnen aber die juristischen Probleme. Ist der die Reise beabsichtigende Elternteil ausländischer Staatsangehöriger, so taucht in fast gleichbleibender Stetigkeit sofort der Verdacht auf, dass er von der Urlaubsreise nicht zurückkehren, sondern diese vielmehr nutzen wird, um das Kind zu entführen. Entsprechend häufen sich zwischenzeitlich auch die Nachfragen der Grenzschutzbeamten an den Flughäfen, ob denn für ein Kind die gemeinsame oder alleinige Sorge besteht bzw. ob im Fall der gemeinsamen Sorge auch die Zustimmung des anderen Elternteils vorliegt. Nicht selten endet an dieser Stelle bereits die Urlaubsreise. Selbst in jenen Fällen, in denen bei dem verreisenden Elternteil keine familiären Bindungen zu einem ausländischen Staat bestehen, wird zunehmend hinterfragt, ob denn die Reise in ein bestimmtes Land mit einer Gefahr für das Kindeswohl verbunden ist und damit nur angetreten werden darf, wenn von dem anderen Elternteil die Zustimmung erteilt wurde.

Mit einem Sachverhalt, der diese Problematik aufgreift, hat sich aktuell das OLG Frankfurt befasst: In dem zugrunde liegenden Sachverhalt war die im April 2017 nach Deutschland eingereiste Kindesmutter zeitweise ausgereist, um ein Visum zu erhalten. Seit Oktober 2017 war sie dauerhaft mit dem Kind, für das gemeinsame elterliche Sorge bestand, in Deutschland wohnhaft. Anfang 2018 beantragte der Vater im Eilverfahren, der Mutter die Ausreise aus Deutschland zu untersagen, da sie plane nach Usbekistan auszuwandern. Das Ausgangsgericht folgte dem Antrag des Vaters und verhängte zusätzlich eine sog. Grenzsperre.

Auf die Beschwerde der Mutter änderte das OLG Frankfurt die Ausgangsentscheidung ab und stellte fest, dass keine kindesschutzrechtlichen Eilmaßnahmen zu treffen waren. Zur Begründung verwies es darauf, dass der Erlass kindesschutzrechtlicher Maßnahmen die durch konkrete Umstände begründete Besorgnis voraussetze, dass ein Elternteil das Kind nach einer Ausreise aus dem Ausland nicht zurückbringen werde. Der damit einhergehende Eingriff in das Elternrecht sei nicht bereits deshalb gerechtfertigt, weil dieser Elternteil in einem anderen Land lebe oder zu seinem Heimatland enge Beziehungen unterhalte, so dass die allein abstrakte Möglichkeit bestehe, dass er mit dem Kind dauerhaft im Ausland bleibe. Ausreichend sei aber durchaus, dass der Elternteil mit einer Entführung gedroht habe und dies zur Überzeugung des Gerichts konkret vorgetragen und glaubhaft gemacht worden sei. Im konkreten Fall habe eine Rückfrage des Senats bei der Polizei ergeben, dass sich die Mutter aufgrund von elterlichen Streitigkeiten in der Vergangenheit wiederholt an die Polizei gewendet habe. Sie habe auch von der beabsichtigten Reise nach Usbekistan berichtet, aber nicht angekündigt, ausreisen zu wollen. Die Bedenken des Vaters hätten sich allein darauf gegründet, dass die Mutter kein Rückflugticket gebucht habe. Eine telefonische Nachfrage des Senats habe zudem ergeben, dass das Kind in einer Krabbelgruppe angemeldet sei und diese regelmäßig besuche. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass selbst wenn sich das allgemeine Risiko einer Entführung verwirkliche, die Rückführung des Kindes nach dem HKÜ durchsetzbar sei.

Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob die Reise eines Elternteils mit dem Kind sich nach sorgerechtlichen oder umgangsrechtlichen Kriterien beurteilt, da prinzipiell von der Ausgestaltung des Umgangs Urlaubsreisen – auch ins Ausland – erfasst werden und es hier zunächst nicht zwingend der Zustimmung des jeweils anderen Elternteils bedarf. Diese Einschätzung wird bislang üblicherweise vertreten, soweit Reisen im europäischen Ausland in Rede standen. Bei Reisen zu außereuropäischen Zielen, insbesondere wenn es Fernreisen oder Länder betraf, mit denen üblicherweise Gefahren verbunden wurden, wird die Meinung vertreten, dass derartige Reisen nicht mehr als Alltagsangelegenheiten zu bewerten sind, sondern als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Ist in einer solchen Situation daher die Zustimmung des jeweils anderen Elternteils zu der konkreten Reise nicht erteilt, so bleibt nur die Möglichkeit, nach § 1628 BGB die Übertragung der spezifischen Entscheidungskompetenz durch gerichtliche Entscheidung herbeizuführen (s. dazu auch Stockmann, Wer bestimmt den Urlaubsort?, FamRB 2017, 315).

Ob in der aktuellen Situation diese Differenzierung zwischen einem „sicheren“ europäischen Ausland und Ländern, mit denen landläufig erhöhte Gefahren verbunden werden, noch gerechtfertigt ist, muss durchaus hinterfragt werden. Vor dem Jahr 2015 wäre es kaum vorstellbar gewesen, dass Reisende selbst nach Frankreich mit Blick auf die angespannte Sicherheitslage seitens des Auswärtigen Amtes zu besonderer Vorsicht aufgerufen worden wären. Um „unangenehme“ Überraschungen unmittelbar vor Reiseantritt zu vermeiden, sollte daher ein Elternteil, der eine Urlaubsreise ins Ausland plant, dies frühzeitig mit dem jeweils anderen Elternteil abstimmen und sich dessen Zustimmung einholen. So bleibt ihm ggf. genügend Zeit, um einer verweigerten Zustimmung durch familiengerichtliche Entscheidung zu begegnen.

Alle Jahre wieder – Verhinderung eines Sommerurlaubs (hier: einer Türkeireise) durch die gemeinsame elterliche Sorge?

Der Familienrechtler kennt diese Problematik: Unmittelbar vor einem längst geplanten Urlaub eines Elternteils mit dem gemeinsamen Kind gibt es Unstimmigkeiten. Ein typischer Streitpunkt – die bloße Information darüber, welchen konkreten Urlaubsort man anreisen will – kann häufig noch durch Korrespondenz mit dem anwaltlich vertretenen, die Reise beabsichtigenden Elternteil gelöst werden. Wesentlich schwieriger wird es dann jedoch, wenn der Urlaub als solcher in Rede steht. Klammert man die nach wie vor doch leider häufigen grundlosen Verweigerungen aus, die so kurz vor dem Urlaub erklärt werden, dass eine gerichtliche Regelung nicht mehr möglich ist, so bleiben immer noch jene Fälle, in denen ein mitsorgeberechtigter Elternteil aus tatsächlichen Befürchtungen mit einem bestimmten Urlaubsziel nicht einverstanden ist. In einer intakten Beziehung wäre dieses Problem in einem Gespräch unter Abwägung aller wesentlichen Aspekte gelöst worden. Nicht so in einer Phase nach Beziehungsende. Hier wird der Einwand gegen ein bestimmtes Urlaubsland so gedeutet, dass dem nichtbetreuenden Elternteil sein Urlaub mit dem gemeinsamen Kind missgönnt wird und auf irgendeine Weise versagt werden soll. An dieser Stelle bedarf es dann der Prüfung, ob die konkret geplante Urlaubsreise dem Alleinvertretungsrecht eines Elternteils unterliegt. Es handelt sich dabei um eine Frage, die in Zeiten angebotener Billigflüge auch in die entferntesten Länder und politischer und terroristischer Unruhen an vielen Orten der Welt, nicht immer eindeutig zu beantworten ist.

Die rechtliche Situation stellt sich so dar, dass bei gemeinsamer elterlicher Sorge die wesentlichen Fragen von den Eltern auch gemeinsam zu entscheiden sind und lediglich in Angelegenheiten des täglichen Lebens gem. § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB der betreuende Elternteil das Alleinentscheidungsrecht hat. Damit stellt sich regelmäßig aber auch das Problem der Abgrenzung zwischen Angelegenheiten des täglichen Lebens und den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Eine wesentliche Hilfe für diese Abgrenzung bietet die in § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB formulierte Legaldefinition. Danach sind Alltagsangelegenheiten solche Entscheidungen, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Kindesentwicklung haben. In der Praxis empfiehlt sich daher regelmäßig die Prüfung, ob es im Zusammenhang mit einer bestimmten Frage mit dem Kindeswohl vereinbar wäre, wenn die Entscheidung dieser Streitfrage unterbliebe.

Ist unter diesen Voraussetzungen eine bestimmte Streitfrage als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung zu bewerten und können die Eltern hierzu keinen Konsens finden, so eröffnet § 1628 BGB die Möglichkeit, zu dieser Einzelfrage einem Elternteil das Alleinvertretungsrecht zu übertragen. Die zu treffende gerichtliche Entscheidung unterliegt den gleichen Prüfungskriterien, wie sie für eine Sorgeentscheidung in ihrer Gesamtheit gilt, d.h. zentrales Prüfungskriterium ist auch hier das Kindeswohl und es bedarf der Abwägung, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, die am Kindeswohl orientierte konkrete Sachentscheidung zu treffen. Das Gericht hat dabei die Möglichkeit, die Zuweisung der Entscheidungskompetenz an einen Elternteil – betreffend diese konkrete Streitfrage – mit Auflagen zu verbinden. Keineswegs jedoch darf das Gericht eine Entscheidung anstelle des dazu berufenen Elternteils treffen.

Geplante Auslandsaufenthalte eines Kindes – sei es auch nur die Ermöglichung einer Urlaubsreise zusammen mit einem Elternteil in dessen Heimatland – sind in der Rechtsprechung häufig als Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung bewertet worden. Im Fall des OLG Frankfurt v. 21.7.2016 – 6 UF 206/16 ging es darum, dass der Vater nicht wollte, dass die Mutter mit dem gemeinsamen Kind zum jetzigen Zeitpunkt – nach dem Putschversuch und den diversen terroristischen Anschlägen in der Türkei – dorthin reiste. Zu dem Zweck der Verhinderung der beabsichtigten Türkeireise beantragte er die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis in dieser Sache im Wege der einstweiligen Anordnung, was das OLG Frankfurt abgelehnt hat. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge unterfalle die Entscheidung, mit dem Kind eine Urlaubsreise in die Türkei zu machen, unter den gegenwärtigen dortigen Verhältnissen nicht der Alleinentscheidungsbefugnis des § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB.

In der Praxisberatung sollte darauf geachtet werden, nicht nur mit dem Mandanten – soweit Umgangskontakte in Rede stehen – diese Problematik so früh wie möglich anzusprechen, um ihn diesbezüglich auch bei eigenen Planungen zu sensibilisieren. Gleichlautend sollte auch, wenn konkrete Urlaubsreisen geplant werden, mit dem jeweils anderen Elternteil frühestmöglich die Kontaktaufnahme veranlasst werden, verbunden mit der Aufforderung zur verbindlichen Stellungnahme, so dass ggf. auch noch eine gerichtliche Entscheidung in der verbleibenden Zeit herbeigeführt werden kann. Dabei darf man aber nicht die Augen davor verschließen, dass – insbesondere in Zeiten erhöhter Terrorgefahr – alle Planungen durch tatsächliche Abläufe überholt werden können. Dann wäre es wünschenswert, wenn Elternteile Bedenken des anderen zu einer Urlaubsreise nicht als persönlichen Affront werten, sondern besonnen überlegen würden, ob sie in einer intakten Partnerschaft ebenso beharrlich an diesem Urlaubsziel festgehalten und das auch nur latente Risiko für ihr Kind in Kauf genommen hätten.