Von Anrisstexten

Recht ist kompliziert, Rechtsstreitigkeiten komplex. Es ist daher fraglich, ob es überhaupt gelingen kann, über Rechtsstreitigkeiten und das zu Grunde liegende Recht in einem bloßen Anrisstext („Teaser“) zu berichten. Meine Antwort wäre: Vielleicht. Es gelingt aber bestimmt nicht immer.

Ein Beispiel. Nach dem Mietvertrag muss der Vermieter spätestens am 30. Juni über die vorangegangene Heizperiode, die am 30. April endet, abrechnen. Der Vermieter übermittelt seine Abrechnung am 30. Oktober. Der Mieter ist der Ansicht, dies sei zu spät. Er müsse daher nichts zahlen. Amts- und Landgericht meinen, der Mieter habe Recht. Der 30. Juni sei eine Ausschlussfrist. Der BGH sieht das anders. Zwar müsse der Vermieter bis zum 30. Juni abrechnen. Die Frist sei nach einer Auslegung aber bloße eine Abrechnungsfrist (BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 152/15 – Rz. 20). Der Mieter sei daher zwar berechtigt, laufende Vorauszahlungen zurückzubehalten oder eine Rückzahlung der geleisteten und noch nicht abgerechneten Vorauszahlungen zu verlangen. Dem Vermieter könne aber, auch wenn er die Abrechnungsfrist überschreite, wie im Fall die Abrechnung nachholen und den Mieter – auch nach Rechtskraft eines von diesem auf Rückzahlung geleisteter Vorauszahlungen erstrittenen Urteils – auf Zahlung der Betriebskosten bzw. des sich aus der Abrechnung ergebenden Saldos in Anspruch zu nehmen (BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 152/15 – Rz. 28.)

Über eine solche Mietentscheidung berichten naturgemäß die Medien. Im Teaser der Tagesschau heißt es dazu, „Mieter müssten Heizkostenabrechnungen zahlen – selbst wenn die verspätet erfolgen“. Ähnlich, offensichtlich unklar sind die Überschriften der FAZ, der Augsburger Allgemeinen und – besser – der LTO und – noch besser – von haufe.de.

Und was wird aus solchen Teasern. Einige Beispiele zum Text der Tagesschau: „karwandler“ kommentiert, er würde den Kerl (= Mieter) bei der nächsten „juristisch glasklaren Möglichkeit“ rausschmeißen. „Akuratesse“ meint, es müsse einen gewichtigen Grund geben, dass der BGH eine zulässige Vertragsklausel ausgehebelt habe und mahnt mehr Informationen an. „Treppenwitz“ fragt, wozu es eigentlich Fristen gebe. „rechenkraft“ erinnert daran, dass die Wohnung ja beheizt worden sei und Kosten entstanden waren. Und „klausass“ meint, der BGH habe den strukturell stärkeren Vermieter stärken müssen.

Sind die Medien an dieser Wahrnehmung schuld? Eher nicht. Dass nur der Teaser gelesen und der Rest nicht wahrgenommen wird, wird man nicht vermeiden können. Der Teaser sollte eben aus diesem Grunde aber den Fall wenigstens nicht entstellen und versuchen, die Entscheidung auf den Punkt zu bringen. Dafür muss man nicht Jura studieren. Es dürfte aber vielleicht helfen.

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