WEG-Reform: Die Vorschläge, Leitlinien und Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe

I. Überblick

Seit dem 27. August 2019, also seit vorgestern, liegt der Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes vor. Den Abschlussbericht findet man hier. Er umfasst insgesamt 121 Seiten. Nicht nur dies zeugt davon, dass man sehr große Sorgfalt und Ernsthaftigkeit hat walten lassen, das WEG nach Schwachstellen zu durchleuchten, diese auszumachen und aufzuzeigen, wie es besser wäre.

Der Bericht gliedert sich in insgesamt 17 Teile. Diese Gliederung erschwert allerdings das Verständnis. Vorschläge zu bestimmten Themen finden sich jedenfalls nicht an einer Stelle. Am Ende der Teile finden sich in der Regel grundsätzlich Vorschläge, nämlich etwas zu ändern – oder es nicht zu ändern. Vor diesen stehen die Erwägungen, die man angestellt, die Ideen, die man gutgeheißen oder verworfen hat. Das ist sehr gut.

Nur die Vorschläge, also die Essenz des Berichts, sollen und können im Folgenden kurz angesprochen werden. Dabei ist daran zu erinnern, dass die Idee, das Gesetz wirklich vollständig neu aufzusetzen, es also auch neu zu gliedern und es dabei „modern“ zu machen, ebenso abgelehnt wurde wie der Vorschlag, an einer Diskussion alle am Gesetz Interessierten in einem längeren Prozess zu beteiligen.

Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, erklärte zum Bericht in einer Pressemitteilung, die Bundesregierung werde „bauliche Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität erleichtern“ und „Um die Handlungsfähigkeit von Eigentümerversammlungen zu verbessern, wollen wir die Anforderungen an ihre Beschlussfähigkeit senken und die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Teilnahme nutzen.“ Da der Bericht sehr viel mehr bietet, mag jeder für sich entscheiden, ob die Ankündigung des BMJV, auf Grundlage des Abschlussberichts werde bis Ende des Jahres ein Gesetzentwurf erarbeitet werden, so zu lesen ist, dass man sich vor allem zwei Themen zuwenden wird. Der Bayerische Staatsminister der Justiz, Georg Eisenreich, erklärte im Übrigen, „sinnvolle Sanierungen und die Erweiterung von Wohnraum“ sollten „künftig leichter möglich sein“. Und: „Das WEG-Recht darf auch die Trendwende bei der privaten Elektromobilität nicht behindern“. Etwas pikant ist insoweit, dass die Länder Bayern und Baden-Württemberg bereits vor wenigen Wochen den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Wohnungseigentumsgesetzes zur Förderung der Elektromobilität (BR-Drs. 347/19) in den Bundesrat eingebracht hatten. Der dortige Vorschlag „dockt“ an das Bestehende an. Da der Abschlussbericht indes viele Ideen entwickelt, § 22 WEG zu ändern, wäre es, meinte man, die Änderungen sollen kommen, wohl besser gewesen, man hätte gewartet. Gegebenenfalls geht es aber eben auch nur um Symbolik.

II. Allgemeines

Der Bericht zeigt auf, dass man den Begriff des „werdenden Wohnungseigentümers“ regeln könnte, schlägt das aber nicht vor. Angesichts der parallel tagenden Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht (siehe dazu im Internet den Bericht), der dieses Ergebnis wichtig war, ein eher mageres Ergebnis.

Wenig überzeugend ist ferner der Vorschlag, auf besondere Regeln für Sondernutzungsrechte zu verzichten. Richtig ist es hingegen, in keiner Beziehung besondere Vorschriften für Mehrhausanlagen oder andere Wohnungseigentumsanlagen, etwa Doppel- oder Reihenhäuser, zu schaffen.

Aufgenommen wird die Idee, dass vereinbarungsändernde Beschlüsse der Eintragung im Grundbuch bedürfen sollen, um gegenüber Rechtsnachfolgern zu wirken. Das ist natürlich richtig, wenn auch über ein Jahrzehnt zu spät.

Der Vorschlag, die Informationsrechte der Wohnungseigentümer als Minderheitenrechte zu kodifizieren, ist unnötig. Probleme sind hier nicht bekannt. Die Möglichkeit der Veräußerungszustimmung nach § 12 WEG beizubehalten, ist ebenso richtig, wie letztlich unerwähnenswert. Der Vorschlag, dass schriftliche Beschlüsse in Textform gefasst werden können, ist hervorragend. Wir brauchen die Abstimmungs-App.

III. Sachenrecht

In 2018 war angeregt worden, die Vorschriften, wie Wohnungseigentum begründet wird (§§ 2 bis 4 und §§ 7 bis 9 WEG), zu überprüfen. Der Bericht erteilt dem eine Absage. Die Arbeitsgruppe sehe keine Alternative zu einer wertungsabhängigen Abgrenzung. Das ist aus Sicht der Wohnungseigentümer mehr als bedauerlich. Auch das so wichtige Zentralgrundbuch (siehe etwa v. Oefele/Schneider, DNotZ 2004, 741 und Schneider, ZMR 2005, 15), wird verworfen.

Der Vorschlag, die Sondereigentumsfähigkeit grundsätzlich auf Freiflächen zu erweitern, ist zu begrüßen. Auch zu begrüßen ist, dass nicht vergessen wird, für die Freiflächen die Raumeigenschaft zu fingieren. Nicht ganz deutlich ist, warum eine Fiktion für Gartenflächen oder Terrassen nicht für nötig erachtet wird. Denn es geht nicht darum, mit derartigen Freiflächen zu handeln. Hier wird § 6 WEG übersehen: Man kann mit Sondereigentum nicht handeln. Es geht um die Kosten, die Instandhaltungslast, das Eigentum an Pflanzen und Terrassenbelägen und Verkehrssicherung. Hier sollte man also nochmals ran.

Der Vorschlag, dass die Aufhebung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unter bestimmten Voraussetzungen verlangt oder beschlossen werden kann, ist strikt abzulehnen. Man setzt unnötig die Axt am Wohnungseigentum als werthaltiges Eigentum an. § 11 WEG darf nicht angegriffen werden. Hier muss es erstmals und laut meiner Ansicht nach heißen: Nein! Nein! Nein!

IV. Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Der Bericht schlägt vor, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Falle der Teilung nach § 8 WEG bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher als Ein-Mann-Gemeinschaft entstehen soll. Dem kann man zustimmen. Dann muss man allerdings regeln, was im frühen Zeitraum möglich ist (dazu Lieder, DNotZ 2018, 177). Die dazu gemachte Empfehlung, die Anfechtungsfrist für Ein-Mann-Beschlüsse zu hemmen, ist zu kurz gegriffen. Besser wäre freilich, von diesem Modell die Hände zu lassen. Eine Gemeinschaft kann es erst geben, wenn ihr mehrere Personen angehören. Es sollte daher so bleiben, wie es jetzt schon ist.

Der Vorschlag, die Vorschrift zur Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 10 Absatz 6 Satz 3 WEG) „redaktionell“ zu überarbeiten, ist so leider noch eine „Nullnummer“. Was soll denn wie geregelt werden? Und muss die Regelung nicht „stehen“, bevor man an die Verwalterrechte herangeht (dazu hier unter VIII.)?

Was einen aber „grausen“ lässt, ist der Vorschlag, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Trägerin der gesamten Verwaltung werden soll, die durch ihre Organe handelt (Versammlung der Wohnungseigentümer als Willensbildungsorgan; Verwalter als Vertretungsorgan). Er ist meiner Ansicht nach der falsche Weg zu einer Vergesellschaftung des WEG. Hier propft man dem Miteigentum eine unnötige, undogmatische und verfehlte Gesellschaftsform auf. Hier sollte es also heißen: Nein! Nein! Nein!

V. Verwaltung

Die Idee, in § 18 WEG zwar das schleppende Zahlungsverhalten, nicht aber den Zahlungsausfall zu sanktionieren, ist nicht zu folgen. Im Übrigen: Nichts!? Halt! Denn der Vorschlag, die Bildung anderer Rückstellungen als die Instandhaltungsrückstellung (warum spricht man von „Instandhaltungsrücklage“?) ausdrücklich zu gestatten, ist natürlich richtig, wenn auch eher Symbolpolitik.

VI. Baumaßnahmen

Für Baumaßnahmen finden sich Thesen als Leitlinien, an denen sich eine Reform des Rechts der baulichen Maßnahmen orientieren soll. Hier wird sehr viel geschrieben, aber letztlich noch nichts entschieden. Also erst ein Anfang. Es bleibt abzuwarten, was wirklich kommt – zumal es die erwähnte Bundesratsinitiative gibt. Nur so viel: Der kleine Teil „bauliche Veränderungen des Sondereigentums“ lässt einen angesichts von § 5 Abs. 1 WEG rätseln.

VII. Versammlung

Hier wird viel berichtet, was erwogen, aber dann doch verworfen wurde. Es wird aber neben der Textform für Einberufungsverlangen positiv vorgeschlagen, dass die Einberufungsfrist auf vier Wochen verlängert werden soll. Das dürfte kein Problem sein. Der Vorschlag, das Beschlussfähigkeitsquorum aufzuheben, ist hingegen ein „Hammer“. Man möchte sagen: „Ade Verbraucherrechte“? Also auch hier eher „Nein“, wenn auch manche Gemeinschaftsordnungen hier schon die Latte tief hängen (sollte man das nicht verbieten?). Ferner wird vorgeschlagen, eine Beschlusskompetenz zu schaffen, um die Online-Teilnahme an Präsenzversammlungen zu ermöglichen. Das ist zweifellos eine große technische Herausforderung und schwer praktisch umzusetzen, aber der vom StS Billen bereits im Herbst 2018 angekündigte Schritt. Er ist grundsätzlich richtig. Ein „Anlehnen“ an § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG – wie vorgeschlagen – reicht keinesfalls!

VIII. Verwalter

Dem Vorschlag, dass der Verwalter in eigener Verantwortung über Maßnahmen entscheiden können soll, bei denen die Einberufung einer Versammlung „nicht erforderlich oder nicht geboten“ erscheint, und dem Vorschlag, dass der Verwalter grundsätzlich unbeschränkte Vertretungsmacht haben soll, sollte eher nicht gefolgt werden. Er ist zum einen der Weg zur Vergesellschaftung des WEG und zur Entmachtung der Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümer sind aber keine Gesellschafter. Wollen sie das, können sie eine Wohnungseigentumsanlage als GmbH gründen oder ihre Entmachtung vereinbaren. Zum anderen wäre der Weg nur gangbar, wenn wir qualifizierte Verwalter hätten und das gesetzlich gesichert wäre. Wenn es im Bericht heißt, die Forderung nach Einführung eines Sachkundenachweises sowie die Erweiterung des nach § 34c der Gewerbeordnung und nach § 15 MaBV verlangten Versicherungsschutzes auf Sachschäden zu unterstützen, reicht das nicht. Der Weg muss wenigstens ein paralleler sein. Der Vorschlag, dass Wohnungseigentümer die Befugnisse des Verwalters durch Mehrheitsbeschluss erweitern und beschränken können, ist im Übrigen bereits Gesetz (§ 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG); oder soll an § 27 Abs. 4 WEG gedreht werden? Richtig ist hingegen, dass der Verwalter Hausgeldforderungen in eigener Verantwortung auch gerichtlich geltend machen können soll. Aber auch hier ist zu sehen, dass erhebliche Kompetenzen auf den Verwalter übertragen werden. Auch diese Übertragung geht nur, wenn die Person des Verwalters qualifiziert ist und bleibt. Die Idee zu regeln, was für Rechtsgeschäfte, die der Verwalter aufgrund eines später für unwirksam erklärten Beschlusses vorgenommen hat, gesetzlich geregelt werden soll, ist richtig.

IX. Abrechnung

Der Gedanke, dass der Gegenstand des Beschlusses über die Abrechnung die Abrechnungsspitze ist, ist nach richtiger Ansicht nichts Neues. Der Vorschlag, dass diese Idee kodifiziert wird, kann aber kaum schaden und ist sehr nützlich. Der Vorschlag, dass die Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen und die Darstellung der Instandhaltungsrückstellung Bestandteile der Abrechnung sein sollen, ergibt sich zwanglos bereits jetzt aus § 28 Abs. 1 WEG. Dieses zu regeln ist aber auch nicht schädlich. Anders ist es mit der Darstellung des Vermögens. Will man das, wie vorgeschlagen, muss man auch sagen, was darzustellen ist. Vorschlag: alles!

X. Verwaltungsbeirat

Der Vorschlag, dass die Anzahl der Verwaltungsbeiräte sowie die Person des Vorsitzenden und dessen Stellvertreters durch Beschluss bestimmt werden sollen, ist nicht kühn, nicht nötig, aber kein Irrweg. Ebenso liegt es beim Vorschlag, die Amtszeit des Verwaltungsbeirats auf vier Jahre mit der Möglichkeit der Wiederbestellung festzulegen. Die Idee, dass 31a BGB entsprechend gelten soll, ist zu begrüßen.

XI. Verfahrensrecht

Der Gedanke, § 49 Abs. 2 WEG zu streichen, ist nochmals zu prüfen. Der Sache nach änderte sich nichts (die Haftung kommt aus § 280 BGB), es wird nur alles zäher und länger. Oder? Auch der Vorschlag, § 48 Abs. 3 WEG zu streichen, ist eher fraglich. Zu „Beschlusskassationsklagen“ (?) finden sich „Leitlinien“. Eine Stellungnahme muss daher wieder einem Vorschlag vorbehalten bleiben. Die Empfehlung, dass die Zuständigkeit nach § 43 WEG auch für Streitigkeiten aus dem sachenrechtlichen Grundverhältnis begründet werden soll, ist bereits jetzt in Kommentierungen als geltendes Recht zu lesen, etwa im Bärmann bei Roth.

XII. Mietrecht

Die Eingebung, ein gesetzliches Duldungsrecht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einzuführen, das sich an die mietrechtlichen Duldungsnormen anlehnt, mag richtig sein. Der Vorschlag, § 556 Abs. 1 BGB zu ändern, ist hingegen zu bekämpfen und aus sehr vielen Gründen ein Weg in die falsche Richtung. Die dem Wohnungseigentümer erteilte Abrechnung ist als Betriebskostenabrechnung völlig ungeeignet, ein Sonderrecht daher völlig entbehrlich und eine Verkürzung der Mieterrechte. Meine Bitte: Hände weg von §§ 556, 556a BGB!

XIII. Fazit

Es haben sich Fachleute zum WEG ausgetauscht. Dies zeigen gerade die vielen Punkte, die erörtert werden mit dem Schluss, eben nichts zu ändern. Es ist also ein sehr guter Aufschlag gemacht. Einige Vorschläge (Hände weg von § 11 WEG! Keine „GWEG“! Keinen Verwalter als Übervater! Keine Beschneidung von Mieterrechten!) sollten meiner Ansicht nach eher nicht weiterverfolgt werden. Die Zurückhaltung bei § 22 WEG und den §§ 43 ff. WEG ist verständlich, aber bedauerlich. Vieles vom Rest mag kommen, wird das Leben der Wohnungseigentümer aber kaum positiv oder negativ beeinflussen. Dazu hätte es eines modernen, neuen Gesetzes bedurft. Das aber war nicht das Ziel. Bedauerlich ist, dass schon Ende des Jahres der Gesetzentwurf kommen soll. Will man den wirklich guten Bericht nicht erst einmal wirken lassen und einen Diskurs abwarten?

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