Klimaschutz oder Klimawahnsinn?

Das EU-Parlament hat am 14. März 2023 das „Go“ für Mindest-Energiestandards bei Gebäuden erklärt. Zwar muss der Rat noch zustimmen, aber das ist Formsache. Parallel steht in Berlin die geplante Novelle zum Gebäude-Energie-Gesetz an, ebenfalls mit dem Ziel einer „ordentlichen“ energetischen Ertüchtigung bestehender Gebäude und Neubauten, denn 40 % der CO₂-Emissionen sollen derzeit aus dem Gebäudebestand kommen.

„Angefasst“ werden sollen durch das Gebäude-Energie-Gesetz im Ergebnis vor allem die Heizungstechnik und auch die Gebäudehülle; ab 2024 sollen keinen neuen Heizsysteme mehr mit rein fossilen Energieträgern verbaut werden dürfen, sondern nur noch hybride Techniken, die zumindest 65 % des Energiebedarfs aus regenerativen Energien decken. 2045 soll der Einsatz fossiler Energieträger (Gas, Kohle, Öl) beim Heizen auf jeden Fall verboten sein. Die europäischen Vorstellungen verlagern diesen Stichtag noch vor.

Darüber hinaus sollen alle Gebäude in Europa bis 2033 mindestens die Energieklasse D erreichen. Das ist als Sanierungspflicht zu verstehen, alle nachgeordneten Energieklassen sollen eliminiert werden.

Das alles führt zu enormen wirtschaftlichen und logistischen Belastungen beim energetischen Umbau. Die aktuell bekannten Vorstellungen aus Brüssel führen dazu, dass 45 % der Wohngebäude in Deutschland innerhalb von 9 Jahren saniert werden müssen. Technische Machbarkeit und wirtschaftliche Belastung spielen für die Europäische Union keine Rolle. Vorsichtigen Schätzungen zufolge kostet der so definierte Sanierungsaufwand zwischen 125 und 182 Milliarden € pro Jahr.

Die Bewertung der Baubranche: „Völlig unrealistisch“!

Die Baubranche – zusammengefasst aus Industrie und Handwerk – berichtet, das im Jahre 2022 bei 1 Million verbauter Heizungen in Deutschland 2/3 reine Gas- und Ölheizungen installiert wurden. Erdgas ist die weit dominierende Energieform. Viele Gebäude sind bautechnisch noch nicht aufnahmefähig für moderne Heizsysteme, die mit regenerativer Energie betrieben werden. Das gilt insbesondere für den erstrebten Betrieb von Wärmepumpen und Solaranlagentechnik. Bausanierungen sind also vorgreiflich nötig. Dazu werden Handwerkerressourcen, Baumaterialien und Ausführungstermine benötigt, so Christoph Blepp, Berater in der Baubranche im WDR 5 Morgenecho – Interview am 06.03.2023.

Und weiter: Die dafür notwendigen Handwerkerkapazitäten fehlen. Schon deshalb ist die geplante Novelle des GEG (Habeck-Entwurf) als unrealistisch zu bewerten.

Vor allem: Wenn Gas-, Öl- und Kohleheizungen ab 2024 vor allem durch Wärmepumpen und durch Photovoltaiksysteme ersetzt werden sollen, müssen sie in der ausreichenden Zahl vorproduziert worden sein. Die Industrie baut entsprechende Produktionskapazitäten in beiden Bereichen auf. Dies ist aber über Nacht schon bis zum Jahre 2024 nicht möglich. Den Vorstellungen Robert Habeck‘s fehlt deshalb die Grundlage. Für eine zeitlich realistische Umstellung ist folgendes zu bedenken:

In Deutschland existieren ca. 41 Millionen Haushalte; davon werden 30 Millionen Haushalte mit Gas- und Ölheizungen versorgt. Lassen sich von den verfügbaren Kapazitäten 1 Million Heizungen pro Jahr tauschen, wären bis zu einem vollständigen „Roll Over“ 30 Jahre notwendig!

Die Bewertung der Wohnungswirtschaft: „Unbezahlbarer Zwangsansatz“

Mit dem Hinweis auf fehlende Industriekapazitäten, Handwerkerüberlastungen und ein wirtschaftlich untragbares wie unzumutbares Finanzopfer zieht der Verband „Haus & Grund“ dasselbe Fazit. Und: „Der Gesetzesentwurf aus dem Wirtschaftsministerium zeigt, dass Minister Habeck bei der Energiewende im Gebäudebestand ausschließlich auf Zwang und Verbote setzt. Die soziale Marktwirtschaft hat hier offenbar keinen Platz mehr. Das wird für viele Menschen gerade in älteren Einfamilienhäusern unbezahlbar. Jetzt hilft nur noch ein konsequentes Eingreifen des Bundeskanzlers“, so Verbandspräsident Dr. Kai H. Warnecke. Auch der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft warnt vor Überteuerung und Kapazitätsengpässen

Die Bewertung durch den Deutschen Städte- und Gemeindebund: „Unrealistische Fristen“

„Die Umstellung der Wärmeerzeugung zu beschleunigen, ist grundsätzlich ein richtiger Ansatz. Wir warnen allerdings davor, hier nun Fristen in den Blick zu nehmen, die unrealistisch sind und die jetzt bereits laufenden, zum Teil sehr komplexen Planungen bei kommunalen Bauvorhaben gefährden“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg; ebenso im Ergebnis GdW-Präsident Axel Gedaschko.

Die Bewertung der Politik: „Nicht zustimmungsfähig“

Auch die Bundesunion lehnt als politische Opposition die Pläne mit den hier schon vorgestellten Argumenten ab. Auch aus der Ampel-Koalition selbst kommt Widerspruch von der FDP. Ihr wohnungsbaupolitischer Sprecher, Daniel Föst, bezeichnet den GEG-Entwurf als nicht zustimmungsfähig. Er schieße weit über die Vereinbarung der Koalition hinaus.

Kritische Töne kommen auch aus Niedersachsen von Bauminister Olaf Lies. Auch er warnt vor den Folgen der geplanten Novelle des GEG. Vor allem die Fristen zur Umrüstung von Heizungsanlagen würden die Baubranche sowie Haus- und Wohnungseigentümer überfordern.

Die eigene Bewertung: „Hochexplosiver sozialen Sprengstoff“

Olaf Lies hat absolut recht. Den hier skizzierten Argumenten und Schlussfolgerungen kann man sich nur anschließen. Ungeklärte technische Umsetzung und eine immens überfordernde wirtschaftliche Belastung der betroffenen Immobilieneigentümer zeigen sich geradezu als „Fallbeil“. Klimaschutz, so wichtig er ist, und bezahlbare Mieten entfernen sich immer weiter voneinander. Knallharte Ordnungspolitik beim Klimaschutz „nach Gutsherrenart“ – an schier absolutistische Machtformen erinnernd – lösen dies nicht – und können dies auch nicht lösen, weil ein ganzes Pflichtenheft von Geboten und Verboten noch nie zu einer technischen Umsetzbarkeit und Bezahlbarkeit geführt hat!

Man kann nur hoffen, dass die Haltung Niedersachsens über den Bundesrat Schule macht und zum Scheitern der Novelle in der augenblicklichen Planung führt, wenn die Bundesregierung nicht selbst vernünftig werden sollte.

Es bleibt die Frage, wie mit der neuen EU-Gebäude-Energieeffizienzrichtlinie umzugehen ist. Denn sie steht buchstäblich vor der Tür.

Insgesamt führen die Pläne einer so drakonischen energetischen Ertüchtigung mit entsprechenden Sanierungspflichten zu einer Kostenexplosion. Sie ergibt sich unabhängig davon, ob es sich um Wohngebäude oder anders genutzte Gebäude handelt, ob es sich um einzelne Haushalte oder um Großunternehmen handelt, oder ob es um private oder öffentliche Gebäude geht. Ohne Belang bleibt auch, ob die Gebäude vermietet sind oder privat genutzt werden.

Genauso vernachlässigt wird die Frage, ob die verlangte Sanierung / Modernisierung unter Berücksichtigung des Lebenszyklus des Gebäudes überhaupt angezeigt ist. Gerade dieser Umstand führt zusätzlich zu stark erhöhten Kosten.

Überhaupt keine Rolle soll die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gebäudeeigentümer spielen. Dies ist für ältere Gebäudeeigentümer und für hochverschuldete Eigentümer besonders fatal. Denn in beiden Fällen wird es entweder keine Kredite oder nur Kredite zu sehr hohen Konditionen geben können. Wenn aufgrund der Modernisierungspflichten der anzunehmende Verkehrswert und damit auch der Beleihungswert der Immobilie nach unten erodiert, wird dieser Effekt zusätzlich verstärkt.

Und die Gretchenfrage all derer, die das nicht stemmen können: Was passiert mir mit meinem Haus, wenn ich die Vorgaben der EU-Gebäude-Energie-Effizienzrichtlinie und der ehrgeizigen nationalen Vorstellungen dazu nicht einhalte? Ein Verkaufs- und / oder Vermietungsverbot? Ein Nutzungsverbot für mich selbst? Ein Betriebsverbot für bisherige Anlagentechnik? Ein – wahrscheinlich saftiges – Bußgeld? Die staatlich erzwungene Zwangssanierung mit Eintrag einer „Aufbauhypothek“ im Grundbuch (als staatlich gelenkte und verordnete Maßnahme aus DDR-Zeiten bekannt – „ökonomischer Zwang“ – mit der Folge einer Rückführung der so entwundenen Immobilien über die damalige Restitutionsgesetzgebung)? Oder gar eine Enteignung?

Diese „Details“ sollen im Rahmen der Umsetzung in nationales Recht geklärt werden. Der Verordnungsentwurf bestimmt dazu in seinem Artikel 31 lediglich: „Die Mitgliedstaaten legen fest, welche Sanktionen bei einem Verstoß (…) zu verhängen sind, und ergreifen die zu deren Durchsetzung erforderlichen Maßnahmen.“ Damit entscheidet Deutschland über die Folgen einer „verpassten Energieoffensive.“

Wie auch immer: Im Ergebnis wird dies in einer Vielzahl von Fällen im Ergebnis zu einer wirtschaftlichen Enteignung und damit zu einem hochexplosiven sozialen Sprengstoff führen – alles im Dienste eines völlig überzogenen Klimaschutzes, den niemand mehr stemmen kann?

 

 

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