Von Wegen und Irrwegen

Wohnungseigentümer können vereinbaren, dass ein Wohnungseigentümer an einem Raum, einer Fläche, einem wesentlichen Gebäudebestandteil oder an einer Anlage oder Einrichtung besondere Rechte, vor allem Gebrauchsrechte, zustehen sollen. Liegt es so, spricht man gemeinhin von einem Sondernutzungsrecht. Dieser Begriff, der bereits in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts „herumgeisterte“, hat sich in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts etabliert und ist heute jedem im Wohnungseigentumsrecht Tätigen geläufig.

Das Sondernutzungsrecht wirkt auf den Jedermann wie etwas „Besonderes“, wie etwas, dass wir nicht als einfache Vereinbarung ansehen dürfen. Die meisten werden die Sondernutzungsrechts-Mysterien kennen, etwa dass man ein Sondernutzungsrecht nur auf einen Wohnungseigentümer übertragen und dass es nur am gemeinschaftlichen Eigentum bestehen kann. Ferner werden die meisten „wie aus der Pistole geschossen“ wissen, dass man nach ganz herrschender Meinung Sondernutzungsrechte verkaufen und übertragen kann, wenn auch nicht belasten. Manch einer wird auch wissen, dass Sondernutzungsrechte gutgläubig erworben werden können soll und dass man sie als einen Vermögenswert ansieht – jedenfalls schuldrechtliche Sondernutzungsrechte sollen daher gepfändet werden können. Schließlich subsumieren Juristen unter den Begriff „Sondernutzungsrecht“, und versuchen die Rechte und Pflichten des Berechtigten dem Begriff zu entlocken (das, was sie vorher reingesteckt haben?).

Ich selbst fühle mich dann immer wie im Märchen. Erden wir uns also. Es geht bei einem „Sondernutzungsrecht“ um eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer für ihr Verhältnis untereinander. Einem Wohnungseigentümer sind durch diese Vereinbarung besondere Rechte (Gebrauch, Nutzung, Baurechte) und – hoffentlich – besondere Pflichten (Erhaltungskosten, Betriebs- und Verwaltungskosten) auferlegt. Das ist es. Nicht mehr und nicht weniger. So ein Recht kann man weder kaufen, verkaufen noch übertragen. Möglich ist hingegen, dass die Ausgangsbestimmung einen anderen Berechtigten nennt. Diese Änderung muss vereinbart werden – wobei ggf. ein Wohnungseigentümer die anderen Wohnungseigentümer vertreten kann. Wer eine solche Vertretungsmacht hat, muss von den Wohnungseigentümern bestimmt werden. Und zwar klar, einfach und transparent. Dies zeigt, dass man die Berechtigung nicht „verkaufen“ noch dass ein Dritter diese gutgläubig erwerben kann. Ferner wird so klar, dass die Berechtigung aus einer Vereinbarung nicht der Zwangsvollstreckung unterworfen sein kann: Nach welcher Norm sollte das Zwangsvollstreckungsgericht auf eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer (= nach der eine Person aus einer Vereinbarung berechtigt und verpflichtet ist) einwirken und gegebenenfalls eine andere Person bestimmen können?

Warum aber meinen das alle? Warum steht das so überall? Nun, das liegt daran, dass sich Begriffe und Ideen, getragen von ihren Schöpfern und Nachfolgern, verselbständigen und die Köpfe verwirren. Niemand guckt mehr auf Anfang und Wurzel, alle wollen wie der kleine Häwelmann immer „weiter und weiter“. Dogmatik, sauberes Arbeiten und klares Denken wird dabei über Bord geworfen. Daran wird man in Bezug auf Sondernutzungsrechte auch nichts mehr ändern können – niemand muss wohl eine weitere „Jahrhundertentscheidung“ befürchten.

Die „causa Sondernutzungsrecht“ und ihre teilweise wundersamen Auswüchse sollte uns allen aber Warnung sein, soweit es irgend geht, stets „sauber“ zu arbeiten und zu denken, Begriffe zu bilden und diese ernst zu nehmen. Freilich: Auch beim Verband Wohnungseigentümergemeinschaft sind wir auf dem besten Weg ist Nirgendwo. Denn diesem dichten die Gerichte immer mehr Rechte und Pflichten zu und „enteignen“ gleichsam Wohnungseigentümer und Verwalter. Schritt für Schritt. Sage keiner, niemand habe wenigstens hier nicht gewarnt!

furor zitandi – oder was?

In einer Leitsatzentscheidung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 7. April 2016, VII ZR 56/15, finden sich zur Frage, ob § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 VOB/B (2009) wegen Verstoßes gegen §§ 103, 119 InsO unwirksam ist, im Abdruck bei Rz. 19 und Rz. 21 jeweils eine ganze Seite Zitate. Ich selbst fand das beim ersten Lesen übertrieben. Das sehe ich eigentlich immer noch so. Unter anderem fragt sich, wer zitiert wird und wer – trotz der Fülle – nicht, wer diese Auswahl trifft und was wohl die Prüfsteine sind? Und ist es richtig, wenn sich Richter selbst zitieren? Oder ihnen nahe stehende Autoren?

Indes: der VII. Zivilsenats zeigt Lesefrüchte, nennt Argumente und begründet, wie er selbst die Sache sieht. Also: alles richtig gemacht – auch wenn man die gefundene Lösung nicht teilt (ich selbst habe da keine Meinung). Denn dieses Vorgehen ist meines Erachtens besser als die „Politik“ anderer Senate. Etwa in einer jüngeren Leitsatzentscheidung des VIII. Zivilsenats  vom 27. April 2016, VIII ZR 323/14, findet sich Rz. 16 zur Frage, wer nach einer Umwandlung eines Mietshauses Vermieter ist, wenn Mietsache ein Sondereigentum, aber auch das gemeinschaftliche Eigentum ist und das gemeinschaftliche Eigentum einem Sondernutzungsrecht unterliegt, genau ein Zitat. Und auf wen verweist der Senat? Richtig, er verweist auf sich selbst. Dabei dürfte ihm kaum entgangen sein, dass die zitierte Entscheidung vom 28. September 2005, VIII ZR 399/03, hoch streitig ist (ist verzichte mit Vergnügen auf Belege – sie sind überall leicht zu finden). Ferner dürfte dem Senat kaum entgangen sein, dass die Entscheidung vielfach abgelehnt wird (dass die folgende Rz. 26, wo apodiktisch behauptet wird, der Käufer eines Wohnungseigentumsrechts könne sich, soweit keine abweichenden Nutzungs- und Gebrauchsabreden getroffen sind, gegenüber den anderen Wohnungseigentümern nicht auf fortbestehende Nutzungsbefugnisse aus dem ehemaligen Mietverhältnis berufen, die mit der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung nicht in Deckung zu bringen sind, so nicht haltbar ist, wird da fast zur Petitesse).

Ich selbst wünschte mir angesichts dieses Befunds, dass jeder Senat, jede Kammer und jede Abteilung stets die Kraft hat, zu sagen, warum man trotz an ihm geübter Kritik Recht hat. Und ich wünsche mir, dass nicht zu vergessen, wenn ich selbst richte.

Dingliches Vorkaufsrecht nicht beurkundungspflichtig

Die auch nur bedingte Verpflichtung zur Veräußerung eines Grundstücks ist beurkundungspflichtig (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB). Grund ist, dass der Eigentümer eines Grundstücks vor unüberlegten und übereilten diesbezüglichen Vereinbarungen geschützt werden soll. Eigentümer von Immobilien sollen sich nicht im Wirtshaus auf einem Bierdeckel, wenn auch bedingt, zur Veräußerung einer Immobilie verpflichten können. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof auch die Einräumung eines dinglichen Vorkaufsrechtes mit Urteil vom 7.11.1990 (XII ZR 11/89, NJW-RR 1991, 205, 206) als beurkundungspflichtig angesehen.

 

Nunmehr hat der zuständige Immobiliensenat diese Rechtsprechung geändert. Mit Urteil vom 8.4.2016 (V ZR 73/15) hat er entschieden, dass die zur Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechtes gemäß § 873 BGB erforderliche Einigung nicht notariell beurkundet werden muss. Gerade Vorkaufsrechte werden häufig leichtfertig bestellt, obwohl mit ihnen zahlreiche Risiken verbunden sind. Faktisch erschwert das Vorkaufsrecht eine Beleihung des Grundstücks. Zudem wird das Vorkaufsrecht einen Verkauf regelmäßig komplizieren, da Kaufinteressenten nicht auf die Erklärung des Vorkaufsberechtigten über die Ausübung des Vorkaufsrechtes warten wollen. Dieser Schutz geht bei Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechtes verloren. Wird es in einen schriftlichen Vertrag, z. B. einen Mietvertrag, aufgenommen, ist es allerdings widerruflich, solange nicht die Unterschrift des Vermieters unter dem Mietvertrag notariell beglaubigt und dieses Exemplar dem Mieter ausgehändigt wurde (§ 873 Abs. 2 BGB).

 

Unklar bleibt nach der neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wie ein dingliches Vorkaufsrecht ohne eine bedingte Verpflichtung zur Veräußerung des Grundstücks vereinbart werden kann.

 

 

Zweites Mietrechtsnovellierungsgesetz – Referentenentwurf liegt vor

Der Referentenentwurf (mit Begründung 50 Seiten) hat sich vier Themenschwerpunkte vorgenommen:

– Änderungen im Mietspiegelrecht
– Änderungen bei der Mieterhöhung nach Modernisierung
– Änderungen bei der Behandlung von Flächenabweichungen im Mietrecht
– Änderungen zur Harmonisierung der Verzugsfolgen im Wohnungsmietrecht.

Kurz in Stichworte gefasst soll im wesentlichen folgendes passieren:
– genauere Vorgaben der Grundsätze, nach denen einfache und qualifizierte Mietspiegel zu erstellen sind
– die dazugehörige Verordnung soll kommen (mit Begründung weitere 36 Seiten!)
– Beweislast bei qualifiziertem Mietspiegel, dessen Rechtsfolge
– Senkung der Modernisierungsmieterhöhung von 11 % auf 8 %
– Einführung einer Kappungsgrenze für die Modernisierungsmieterhöhung
– Konkretisierung des Härtefalleinwands (40 % des Nettoeinkommens)
– neues vereinfachtes Mieterhöhungsverfahren für Modernisierungskosten von bis zu € 10.000,00 / Wohnung
– Härtefallabwägung auch, wenn nur der allgemein übliche Zustand hergestellt wird
– Festlegung, wie Wohnflächen zu berechnen sind
– Abschaffung der 10-%-Grenze für Flächenabweichungen bei Betriebskostenumlage und bei Mieterhöhungen nach Modernisierung
– auch Flächenabweichungen untr 10 % könen einen Mangel darstellen
– die Mieterschutzvorschriften bei Kündigung wegen Zahlungsverzugs gelten gleichermaßen für die ordentliche wie für die außerordentliche Kündigung.

Das alles will verstanden und bewertet sein und ist bestimmt nicht das letzte Wort. Ambitioniert und streitträchtig ist es sicher.

Der rechtlose Wohnungseigentümer

Wohnungseigentum ist echtes Eigentum. So lautet die nahezu gebetsmühlenartige Aussage der Rechtsprechung und der Literatur zum Wesen des Wohnungseigentums. Allerdings haben die einzelnen Wohnungseigentümer immer weniger zu sagen, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft einzelne Dinge per Beschluss an sich gezogen hat. Dies betrifft sowohl den bordellartigen Betrieb in der Nachbarwohnung (BGH, Urt. v. 5.12.2014 – V ZR 5/14) als auch das Anbringen von Rauchwarnmeldern, wenn dies öffentlich-rechtlich vorgeschrieben ist (BGH, Urt. v. 8.3.2013 – V ZR 238/11). Gegen Abstandsflächenverstöße, die „nur“ das gemeinschaftliche Eigentum betreffen, kann sich der einzelne Wohnungseigentümer, auch wenn er faktisch wegen der Lage seiner Einheit allein davon betroffen ist, nicht wenden (OVG Münster, Beschl. 15.7.2015 – 7 B 478/15). Bleibt die Gemeinschaft untätig, muss er in sämtlichen Fällen zunächst die anderen Wohnungseigentümer verklagen, damit diese in seinem Sinne entscheiden. Tun sie dies nicht, muss er den betreffenden Beschluss anfechten. Derjenige Wohnungseigentümer, der nicht zufällig auch Jurist ist, wird dies nicht ständig tun. Insofern wird die Position des Wohnungseigentümers als echter Eigentümer durch die zunehmenden Kompetenzen der Wohnungseigentümergemeinschaft systematisch eingeschränkt. Wohnungseigentum, das gerade dem Normalbürger den Erwerb eines Eigenheims ermöglichen sollte, wird dadurch faktisch zum Eigentum 2. Klasse.

Betriebskosten: Wirklich jedem bekannt?

In der Urteilsbegründung des schon angesprochenen BGH Urteils vom 10.02.2016 (VIII ZR 137/15) heißt es weiterhin, der Betriebskostenbegriff sei in der Wohnraummiete gesetzlich „seit langem festlegt“ und im Sinne des § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verstehen.

Fraglich ist jedoch, ob daraus geschlossen werden kann, dass der „juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulte“ Mieter (vgl. BGH 23.11.1981 – VIII ZR 298/80, NJW 1982, 574) wirklich weiß, was damit gemeint ist. Fragen Sie mal einen Durchchnittsmieter ob das Entkalken der Rohre, die zu einer wohnungsbezogenen Warmwasserversorgung gehören, unter die Betriebskosten fällt. Antwort: Gem. § 2 BetrKV Ziff. 4 d bei Etagenheizungen = ja; gem. Ziff. 5 c bei Warmwassergeräten = nein.

Noch kniffeliger die Frage, wann urheberrechtlich anfallende Gebühren für die Kabelweitersendung zu dem Betriebskosten gem. § 2 Ziff. 15a BetrKV gehören oder nicht. Antwort: Das ist u.a. abhängig von der „sozialen Bindung“ zwischen den Wohneinheiten (LG Leipzig, 10.03.2015 – 5 0 3641/13, Zeitschr. für Urheber- und Medienrecht 2015, 706). Es kommt also darauf an, ob die per Kabelweitersendung verbreiteten Fernseh-Programme „allein oder im privaten oder familiären Kreis“ genutzt werden (BGH, 17.09.2015 – I ZR 228/14, MDR 2016, 103).

Schlussfolgerung: Der Betriebskostenbegriff ist so vielgestaltig, dass man gerade nicht davon ausgehen kann, jeder Mieter wisse schon, um was es gehe.

Praxistipp: Nach eigener Einschätzung in den Mietvertrag schreiben, dass der Mieter zumindest die Betriebskosten gem. § 2 BetrKV trägt und diesen Paragraphen an den Mietvertrag fest anheften.

Betriebskosten = Kein Zauberwort – Klare Vereinbarung empfehlenswert

Im Leitsatz des BGH-Urteils vom 10.02.2016 (VIII ZR 137/15) heißt es, der Wohnraummieter müsse die Betriebskosten zahlen, wenn vereinbart sei, dass er „die Betriebskosten“ zu tragen habe. Und zwar a) ohne Beifügung des Betriebskostenkatalogs; b) ohne ausdrückliche Bezugnahme auf § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB und die BetrKV.

Die Urteilsgründe jedoch tragen diese apodiktische Aussage des Leitsatzes nicht. Denn die streitige, im Jahre 2007 vereinbarte Vertragsklausel knüpfte an Anl. 3 zu § 27 II. BV an. Der BGH legt – anders als das LG – die Vertragsklausel mit ihrem Hinweis auf die Anl. 3 so aus, dass damit die Betriebskosten nach § 556 Abs. 1 BGB in Verb. m. der BetrKV gemeint seien (anders z.B. OLG Jena, NZM 2002, 70).

Nun sind Urteilsleitsätze keine Rechtsnormen (anders im Sinne von § 31 Abs. 2 BVerfGG und den seinerzeitigen Rechtsentscheiden – RGBl. 1923, 889 und BGBl. 1980, 657). Sie sind also nicht bindend; so dass auch der Leitsatz des o.g. BGH-Urteils nicht bindend ist.

Daher die Empfehlung: Nach eigener Einschätzung zur Umlage von Betriebskosten ein klare Vereinbarung treffen, darin zumindest auf § 2 BetrKV zu verweisen und die letztgenannte Bestimmung dem Mietvertrag beizuheften.

Grundbucheinsicht in Eigentümergemeinschaft

Im Grundbuch sind auch persönliche Daten, wie zB das Geburtsdatum, Grundpfandrechte und Verfügungsbeschränkungen, eingetragen, an deren Geheimhaltung der Eigentümer ein berechtigtes Interesse hat. Deshalb ist die Grundbucheinsicht nur demjenigen gestattet, der diesbezüglich ein berechtigtes Interesse nachweist. Dieses bestimmt auch den Umfang der Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten. Bei der Eigentümergemeinschaft ging in das OLG Düsseldorf (15.10.1986 – 3 Wx 340/86, MDR 1987, 417 = NJW 1987, 1651) davon aus, dass jedem Wohnungs- und Teileigentümer ein Einsichtsrecht hinsichtlich der Grundbücher der anderen Miteigentümer zusteht. Grund dafür ist, dass der Eigentümer der Gemeinschaft in vielfältiger Weise, z. B. durch das Wohngeld und Reparaturkostenumlagen, miteinander verbunden sind.

Demgegenüber haben das KG (Beschl. v. 3.4.2014 – I W 83/14, NotBZ 2014, 380) und das OLG München (Beschl. v. 9.10.2015 – 34 Wx 184/15, MietRB 2016, 12; Urt. v. 11.12.2015 – 34 Wx 208/15, MietRB 2016, 76) entschieden, dass Wohnungs- bzw. Teileigentümer nicht bereits aus dem Verhältnis der Eigentümer untereinander ein Recht haben, die Belastungen der II. und III. Abteilung der Wohnungsgrundbücher der anderen Miteigentümer einzusehen. Die großzügige Ansicht des OLG Düsseldorf führt letztlich dazu, dass ein Wohnungseigentümer aus reiner Neugier in das Grundbuch eines anderen Wohnungseigentümer einsehen kann, ohne dass er insoweit ein besonderes Interesse darlegen muss, und vor allem, ohne dass der andere Wohnungseigentümer vorher davon erfährt. Umgekehrt kann, insbesondere bei Schrottimmobilien, durchaus ein Bedürfnis vorliegen zu sehen, ob andere Wohnungseigentümer die laufenden Kosten der Unterhaltung und Instandhaltung und eventuell erforderlicher Sonderumlagen zusätzlich zu ihren sonstigen Belastungen tragen können. Insofern ist ihnen bei konkreter Darlegung eines diesbezüglichen Interesses im Hinblick auf die Situation der Wohnungseigentümergemeinschaft wohl auch eine Einsicht der Belastungen der II. und III. Abteilung der Wohnungsgrundbücher der anderen Eigentümer im Einzelfall zuzugestehen. Man darf gespannt sein, was der BGH, wenn ihm die Frage vorgelegt wird, dazu sagen wird.

Kernbereiche??

Der  II. Zivilsenat des BGH hält mit seinem Urteil vom 16.02.2016 – II ZR 348/14 – Rz. 14, daran fest, Regelungen in Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften unterlägen unabhängig davon, ob § 310 Abs. 4 BGB eingreift, einer „ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen“.

Wenn ich so etwas lese, klingeln mir immer ein wenig die Ohren. Die Idee ist immer die gleiche – wenn sie auch im Wohnungseigentumsrecht hinter dem Begriff des „Kernbereichs“ schamvoll versteckt wird: Richter meinen, besser als Gesellschafter oder Wohnungseigentümer zu wissen, was zu regeln ist bzw. was hätte geregelt werden sollen. Es kommt für Gesellschafter oder Wohnungseigentümer also nicht mehr darauf an, vorher Verträge zu lesen. Steht dort etwas drin, was einem nachteilig sein kann (dem anderen ist es hingegen von Nutzen?), hilft der Richter, der einem erklärt, was recht und billig ist und was in Gesellschaftsvertrag oder in Gemeinschaftsordnung hätte stehen sollen.

Ist es aber richtig, Richtern diese Macht zu geben? Reichte es nicht, dass ein Wohnungseigentümer vor dem Erwerb seines Wohnungseigentums, der Gesellschafter vor seinem Beitritt in die Gesellschaft, die für ihn wichtigen Unterlagen studiert? Ich selbst meine, dies wäre der bessere Weg. Hält man es hingegen mit der herrschenden Meinung und eine Inhaltskontrolle für möglich und wünschenswert, so rate ich selbst jedenfalls zur größt möglichen Zurückhaltung. Der Schluss, der Gesellschaftsvertrag oder die Gemeinschaftsordnung seien teilweise nichtig, sollte die seltene Ausnahme bleiben.

Wer dieses anders sieht, öffnet womöglich Willkür Tür und Tor, entmündigt den Bürger und nimmt diesen und seine Entscheidungen nicht ernst genug. Wer will das?

Von Anrisstexten

Recht ist kompliziert, Rechtsstreitigkeiten komplex. Es ist daher fraglich, ob es überhaupt gelingen kann, über Rechtsstreitigkeiten und das zu Grunde liegende Recht in einem bloßen Anrisstext („Teaser“) zu berichten. Meine Antwort wäre: Vielleicht. Es gelingt aber bestimmt nicht immer.

Ein Beispiel. Nach dem Mietvertrag muss der Vermieter spätestens am 30. Juni über die vorangegangene Heizperiode, die am 30. April endet, abrechnen. Der Vermieter übermittelt seine Abrechnung am 30. Oktober. Der Mieter ist der Ansicht, dies sei zu spät. Er müsse daher nichts zahlen. Amts- und Landgericht meinen, der Mieter habe Recht. Der 30. Juni sei eine Ausschlussfrist. Der BGH sieht das anders. Zwar müsse der Vermieter bis zum 30. Juni abrechnen. Die Frist sei nach einer Auslegung aber bloße eine Abrechnungsfrist (BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 152/15 – Rz. 20). Der Mieter sei daher zwar berechtigt, laufende Vorauszahlungen zurückzubehalten oder eine Rückzahlung der geleisteten und noch nicht abgerechneten Vorauszahlungen zu verlangen. Dem Vermieter könne aber, auch wenn er die Abrechnungsfrist überschreite, wie im Fall die Abrechnung nachholen und den Mieter – auch nach Rechtskraft eines von diesem auf Rückzahlung geleisteter Vorauszahlungen erstrittenen Urteils – auf Zahlung der Betriebskosten bzw. des sich aus der Abrechnung ergebenden Saldos in Anspruch zu nehmen (BGH v. 20.1.2016 – VIII ZR 152/15 – Rz. 28.)

Über eine solche Mietentscheidung berichten naturgemäß die Medien. Im Teaser der Tagesschau heißt es dazu, „Mieter müssten Heizkostenabrechnungen zahlen – selbst wenn die verspätet erfolgen“. Ähnlich, offensichtlich unklar sind die Überschriften der FAZ, der Augsburger Allgemeinen und – besser – der LTO und – noch besser – von haufe.de.

Und was wird aus solchen Teasern. Einige Beispiele zum Text der Tagesschau: „karwandler“ kommentiert, er würde den Kerl (= Mieter) bei der nächsten „juristisch glasklaren Möglichkeit“ rausschmeißen. „Akuratesse“ meint, es müsse einen gewichtigen Grund geben, dass der BGH eine zulässige Vertragsklausel ausgehebelt habe und mahnt mehr Informationen an. „Treppenwitz“ fragt, wozu es eigentlich Fristen gebe. „rechenkraft“ erinnert daran, dass die Wohnung ja beheizt worden sei und Kosten entstanden waren. Und „klausass“ meint, der BGH habe den strukturell stärkeren Vermieter stärken müssen.

Sind die Medien an dieser Wahrnehmung schuld? Eher nicht. Dass nur der Teaser gelesen und der Rest nicht wahrgenommen wird, wird man nicht vermeiden können. Der Teaser sollte eben aus diesem Grunde aber den Fall wenigstens nicht entstellen und versuchen, die Entscheidung auf den Punkt zu bringen. Dafür muss man nicht Jura studieren. Es dürfte aber vielleicht helfen.