WEG-Reform 2024 (2029)

Das Wohnungseigentumsgesetz wird Ende dieses Jahres erneut ein wenig geändert werden. Es gibt zwei Eingriffe. Der eine besteht darin, dass es eine weitere privilegierte bauliche Veränderung geben wird. Nämlich für die so genannten „Balkonkraftwerke“. Diese Änderung wird grundsätzlich von allen begrüßt, auch wenn mehr Mut für die erneuerbaren Energien nicht geschadet hätte. Schwamm drüber, zumal der Rechtsausschuss dogmatischen Bedenken verbal Rechnung trägt (siehe BR-Drs. 20/12146, 12 – Vorabfassung).

Der andere Eingriff erlaubt den Wohnungseigentümern, sich bloß virtuell zu versammeln. Es gibt also künftig drei Versammlungsformen – Präsenzversammlung, Hybrid-Versammlung und virtuelle Versammlung – bei denen die Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen wählen müssen, welche Versammlungsform ihnen angemessen ist.

Dieser zweite Eingriff sah sich starker Kritik ausgesetzt, wurde aber auch vehement verteidigt. Um den Schmerz, den einige fühlen werden, wenigstens etwas abzumildern, hat der Gesetzgeber in § 48 Absatz 6 Satz 1 WEG eine Übergangsvorschrift geschaffen. Fassen die Wohnungseigentümer vor dem 1. Januar 2028 einen Beschluss, sich virtuell versammeln zu wollen, ist danach bis einschließlich 2028 mindestens einmal im Jahr eine Präsenzversammlung durchzuführen. Damit wird die Reform bis Ende 2028 verschoben. Ein Feigenblatt. Die Behauptung, vorher werde das ganze Geschehen evaluiert, überzeugt kaum, wird aber genau zu verfolgen sein.

Damit aber nicht genug. Man hat den Wohnungseigentümern ferner die Möglichkeit gegeben, auf die notwendige Präsenzversammlung durch „einstimmigen Beschluss“ – also ein sehr geringes Maß – zu verzichten. Die eigentliche „Gemeinheit“ ist aber in § 48 Absatz 6 Satz 2 WEG versteckt. Dieser lautet: „Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt nicht zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der in einer virtuellen Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse.“ Das heißt, wenn man sich über das Gesetz hinwegsetzt (= die Verpflichtung, eine Präsenzversammlung abzuhalten), bleibt das grundsätzlich folgenlos. Eine Einladung für den Rechtsmissbrauch? Und was soll bei Schein-Präsenzversammlungen gelten? Reicht es beispielsweise, wenn der Verwalter eine Präsenzversammlung mit einem TOP anberaumt „Bericht der Verwaltung“?

Indes: So sind Kompromisse. Man nennt das Demokratie. Mit dem Ergebnis dürften zwar die Befürworter der Reform besser leben können. Es bleibt aber auch für die anderen zu hoffen, dass nur die Wohnungseigentumsanlagen nach einer Abwägung (siehe auch BR-Drs. 20/12146, 11 – Vorabfassung) das virtuelle Schwert ziehen, die es gekonnt beherrschen. Ist es so, lässt sich nichts sagen. Den anderen ist zu wünschen, dass es dort Mehrheiten gibt, sich wenigstens hybrid zu versammeln und sich also die Möglichkeit zu lassen, die Verwaltung in einer Versammlungsstätte zu treffen. Denn das kann bereichernd sein, für alle. Kommt es so, ist die Welt nicht untergegangen.

Verwaltungsbeirat: Verkappte Anforderungen oder bleibt es beim alten Schnack?

Ist etwas „verkappt“, so ist es so geschickt getarnt, dass sein tatsächliches Wesen jedenfalls nicht sofort zu erkennen ist. So ist es möglicherweise mit den Anforderungen an die Verwaltungsbeiräte im neuen Wohnungseigentumsrecht!

Vor der Novelle hieß es insoweit, man könne keine besonderen Anforderungen an die Person des Verwaltungsbeirats und seine Qualitäten stellen. Diese Ansicht war auch sehr gut vertretbar, da die Verwaltungsbeiräte im Kern machtlos waren. Die rechtlichen „Highlights“ waren erstens das Recht des Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats oder seines Vertreters, die Versammlung einzuberufen, wenn ein Verwalter fehlte oder dieser sich pflichtwidrig weigerte, seinerseits eine Versammlung einzuberufen. Und zweitens die Pflicht das Verwaltungsbeiratsvorsitzenden oder seines Vertreters, die Niederschrift über eine Versammlung zu unterschreiben. Die Pflicht / das Recht, die Jahresabrechnung, den Wirtschaftsplan und Angebote zu prüfen und mit einer Stellungnahme zu versehen, hatte hingegen jeder Wohnungseigentümer. Und die Möglichkeit, den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben zu unterstützen, hatte selbstverständlich auch jeder Wohnungseigentümer. Ob ein Verwaltungsbeirat „mächtig“ oder „ohnmächtig“ war, war damit keine Frage des geschriebenen Rechts, sondern mehr seiner Persönlichkeit und der Persönlichkeit des Verwalters.

Ganz anders ist es im neuen Recht! Denn die Verwaltungsbeiräte sind auf leisen Sohlen zu einem „Big Player“ geworden. Warum? Zum einen liegt das an dem kleinen Wort „überwacht“ in § 29 Absatz 2 Satz 1 WEG. Zwar haben andere – und auch ich – bewusst versucht, die Überwachung klein zu schreiben. Die herrschende Meinung hat das aber bislang nicht mitgemacht und lehnt sich letztlich an die Bestimmungen des Aktienrechts an (dort hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen). Zum anderen liegt die „Aufwertung“ des Verwaltungsbeirats an der Struktur des neuen Rechts. Denn die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ist jetzt eine Aufgabe der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Hieraus folgt, dass die Verwaltungsbeiräte dann, wenn sie ihnen auferlegte Pflichten und / oder Rechte ausüben, zum Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geworden sind. Besonders deutlich ist das bei § 9b Absatz 2 WEG, nach dem der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertritt. Nicht anders ist es aber, wenn der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Versammlung lädt oder den Verwalter für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer überwacht.

Macht man sich diese bedeutsamen Änderungen klar, muss man sich fragen, ob man an dem alten Bild festhalten kann, wonach „Jedermann“ zum Verwaltungsbeirat qualifiziert ist und es ausreicht, wenn er nur lesen und schreiben kann und die Grundrechenarten beherrscht.

Die Antwort lautet eher „Nein“. Denn unser bewährter „Jedermann“ wird häufig nicht qualifiziert sein, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer angemessen gegenüber dem Verwalter zu vertreten, beispielsweise dem Verwalter den Streit im Rahmen einer Beschlussklage zu verkünden. Denn zur Klärung dieser Frage müssen viele Antworten auf schwierige Probleme gefunden werden. Ferner wird „Jedermann“ häufig auch nicht qualifiziert sein, um die Schadenersatzansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter zu erkennen, zu organisieren und anschließend erfolgreich durchzusetzen. Für solche Tätigkeiten bedarf es vielmehr im Kern einer in besonderer Weise qualifizierten Person.

Wäre das aber so, hätte die WEG-Reform eine Vielzahl von Wohnungseigentümern von der Möglichkeit ausgeschlossen, Verwaltungsbeirat zu sein. Kann das gewollt gewesen sein?

 

Wohnungseigentümergesellschafter? Einspruch!

Zwischen dem 21. bis 23. Oktober 2020 fand in Fischen das 46. Fachgespräch zum WEG statt. Vor allem am ersten Tag wurde der Weg des Wohnungseigentumsrechts in das Gesellschaftsrecht befürwortet. Selbst der Idee, bestehende Vereinbarungen umzudeuten, nach denen der Verwalter Aufgaben für die Wohnungseigentümer erfüllen soll, zum Beispiel einer Veräußerung zustimmen, wurde von der Mehrheit nicht entgegengetreten. Solche Vereinbarungen müssten neu gelesen werden. Eigentlich stünde dort nicht Verwalter, sondern es stünde dort Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Kann dies der Wille der Vertragschließenden gewesen sein?).

Da tat es gut, dass am zweiten Tag daran erinnert wurde, eine Person nicht dann als einen Wohnungseigentümer anzusehen, wenn sie sich an der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beteiligt und ihr „Mitglied“ wird, sondern dann, wenn diese Person Miteigentum an einer Immobilie und Sondereigentum an einer Wohnung und/oder Räumen erwirbt. Es handelt sich beim Wohnungseigentumsrecht auch nach dem WEMoG keinesfalls um Gesellschaftsrecht, sondern weiterhin um Sachenrecht.

Es ist also nicht so, dass die Kommentierung zum WEG keinen Platz mehr im Sachenrecht hätte, wie es aber aus der Zuhörerschaft zu hören war (die weiter geäußerte Idee, ob es nicht richtig wäre, das Sondereigentum abzuschaffen und den Wohnungseigentümern bloße Nutzungsrechte zu geben, war freilich folgerichtig). Bereits im geltenden Recht ist es natürlich ohne weiteres möglich, dass eine GmbH oder eine GbR ein Haus erwirbt und ihren Gesellschaftern an den dortigen Räumlichkeiten Rechte zuweist. So ist es aber nicht, wenn wir Wohnungseigentumsrecht betrachten. Die Besonderheit des Wohnungseigentumsrechts war es immer – und muss es bleiben, wenn man es nicht einfach abschaffen und verfassungswidrig Eigentum vernichten will – dass der Wohnungseigentümer nicht bloßer Gesellschafter und Inhaber eines Nutzungs- und/oder Benutzungsrecht ist, sondern Eigentümer einer Immobilie.

Im Übrigen sei an dieser Stelle nur an Weniges erinnert, wonach auch das WEMoG eigentlich nicht falsch verstanden werden kann:

  • Die Wohnungseigentümer sind auch nach dem WEMoG Teilhaber einer Bruchteilseigentümergemeinschaft, für die das WEG nur Sonderregelungen schafft. § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG verweist ausdrücklich auf das subsidiär anzuwendende BGB-Recht (§§ 741 ff.). Soweit daher Wohnungseigentümer als „intensivere Nachbarn“ beschrieben werden, hat dies mit der Rechtswirklichkeit noch nichts zu tun. Hoffentlich ist es auch künftig so.
  • Das gemeinschaftliche Eigentum steht nicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu. Diese ist nur dazu berufen, ihr fremdes Eigentum als Dienstleisterin zu verwalten. Dies wird unter anderem deutlich durch § 9a Abs. 2 WEG, der der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zwar Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer zur Ausübung zuordnet, aber daran festhält, dass es Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer sind.
  • § 11 WEG beschäftigt sich nicht mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern der Bruchteilseigentümergemeinschaft.
  • § 12 WEG schützt die Wohnungseigentümer als Eigentümer der Immobilie, keinen Verband.
  • § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist allerdings irreführend. Danach ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet, sich an die Vereinbarungen und Beschlüsse zu halten. Indes: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist aus diesen Vereinbarungen weder berechtigt noch verpflichtet. Sie verwaltet insoweit ein ihr fremdes Rechtsregime und ist dessen Hüterin. Es ist eine Aufgabe wie die nach § 9a Abs. 2 WEG im offensichtlich fremden Rechtskreis. Es geht auch hier um das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander als Teilhaber der Bruchteilseigentümergemeinschaft und nicht um Gesellschaftsrecht.
  • Auch § 17 Abs. 1 WEG ist irreführend. Danach kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer von einem Wohnungseigentümer die Veräußerung seines Wohnungseigentums verlangen. Die Gemeinschaft ist freilich dem Wohnungseigentümer nicht in Gemeinschaft nach § 741 ff. BGB verbunden. Wenn sie daher die Veräußerung verlangt, so tut sie dies daher als Dienstleisterin und Kämpferin für die Teilhaber der Bruchteilseigentümergemeinschaft (auch wenn – völlig unsystematisch – § 17 WEG jetzt auch Verstöße gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sanktionieren will: durch Ausschluss aus der Bruchteilseigentümergemeinschaft?). Es ist eine Aufgabe wie die nach § 9a Abs. 2 WEG im offensichtlich fremden Rechtskreis.
  • § 18 Abs. 1 WEG ändert an diesem Bild nichts, er verstärkt es sogar. Danach obliegt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Es handelt sich insoweit um die Aufgabe, die sich vorher der Verwalter und die Wohnungseigentümer teilten. Es ist die Aufgabe des Dienstleisters, die sich fremden Rechtskreis verwirklicht.
  • Nicht letzter, aber wichtiger Baustein in diesem Denken ist auch § 28 WEG. Denn danach müssen die Wohnungseigentümer jährlich neue Mittel aufbringen. Für den Gesellschafter eines Verbandes ist dies nicht undenkbar (etwa für Vereinsmitglieder). Grundsätzlich ist es aber anders. Danach ist grundsätzlich nach einer Einlage keine Verpflichtung mehr erkennbar, die Gesellschaft durch finanzielle Mittel zu stützen.
  • Entlarvend im Übrigen ist aber § 9a Abs. 3 WEG. Für das Vermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Gemeinschaftsvermögen) gelten danach § 18, § 19 Absatz 1 und § 27 WEG nur entsprechend. Vorrangig wird also das gemeinschaftliche Eigentum durch Beschlüsse der Wohnungseigentümer verwaltet. Und vorrangig findet die Geschäftsführung des Verwalters für das gemeinschaftliche Eigentum, das der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht zusteht, statt. Erst durch die Anordnung des § 9a Abs. 3 WEG wird unter anderem die Versammlung der Wohnungseigentümer auch zu einer Mitgliederversammlung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Fazit: Das Wohnungseigentumsrecht hat sich zweifellos 2005 auf den Weg in das Gesellschaftsrecht gemacht. Dieser Weg ist aber nur gerechtfertigt, wo es die Verwaltung für eine Immobilie erfordert. Keinesfalls darf man den Wohnungseigentümer zu einem bloßen Gesellschafter herunterdefinieren. Daher darf man das Gesellschaftsrecht nicht 1:1 in das Wohnungseigentumsrecht implementieren. Stets ist zu fragen, ob Entsprechungen für die Wohnungseigentümer als Immobilieneigentümer von Nutzen sind. Das mag zum Beispiel bei der Organisation der Versammlung, aber auch beim Abschluss von Verträgen der Fall sein. Für den Schutz der Immobilie vor allem nach § 1004 BGB war der Weg ins Gesellschaftsrecht eher unnötig. Jedenfalls aber ist der Störungsschutz ein Recht, welches die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Dienstleisterin erfüllt, nicht im eigenen Rechtskreis. Für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gilt natürlich nichts anderes.

Neues Wohnungseigentumsrecht ab 1.12.2020

In seiner Plenumssitzung vom 9.10.2020  hat der Bundesrat das Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften, das WEMoG, durchgewunken; inzwischen ist das neue Wohnungseigentumsrecht verkündet worden (BGBl. I v. 22.10.2020, S. 2187 ff.) und wird damit für Millionen von Eigentümergemeinschaften ab dem 1.12.2020 Richtschnur des Zusammenlebens sein.

Angesichts der Komplexität der Neuregelungen (eine Lesefassung des neuen Gesetzestextes finden Sie hier zum kostenlosen Download) und der wirtschaftlichen Bedeutung des Themas ist die Vorlaufzeit bis zum Inkrafttreten ausgesprochen kurz bemessen, denn:

Das neue Wohnungseigentumsgesetz ist kein Reförmchen, es ist eine Totalreform, die in zentralen Punkten kaum einen Stein auf dem anderen lässt.

  • Die Rollen der rechtsfähigen Gemeinschaft und des Verwalters wandeln sich fundamental (vgl. hierzu den Beitrag von Elzer in diesem Blog).
  • Baumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum sind durch Individualansprüche u. a. auf Barrierefreiheit und E-Mobilität in weitaus größerem Maße zulässig als bisher.
  • Das gerichtliche Verfahren, insbesondere für Anfechtungsklagen, verändert sich grundlegend.

Wer auf einen reibungslosen Einstieg in das neue Recht angewiesen ist, dem sei der brandaktuelle Titel der beiden Autoren Arnold Lehmann-Richter und Felix Wobst ans Herz gelegt. Die Autoren haben intensiv an der Entstehung des neuen Rechts mitgearbeitet und geben aus erster Hand die für die künftige WEG-Praxis wichtigen Hilfestellungen. Das bei einem Preis von 49,80 € mit 550 Seiten ausgesprochen gehaltvolle Buch (das Inhaltsverzeichnis kann hier kostenlos heruntergeladen werden) ist soeben im Verlag Otto Schmidt erschienen und steht damit gerade noch rechtzeitig vor Inkrafttreten des neuen Rechts zur Verfügung. Das Werk ist natürlich bequem Online zu beziehen: Versandkostenfrei hier bestellen

Trittschallschutz auf mangelhaftem Gemeinschaftseigentum

Der BGH hat sich jüngst wieder mit dem Trittschallschutz nach Bodenbelagswechsel befasst, diesmal in Kombination mit mangelhaftem Gemeinschaftseigentum (BGH, Urt. v. 26.6.2020 – V ZR 173/19).

Das Problem: Zwei Eigentümer einer 1995 in Wohnungseigentum aufgeteilten Liegenschaft streiten um Vorkehrungen gegen Trittschall. Der Erwerber des erst 1995 zu Wohnraum umgebauten Dachgeschosses, in dem Teppichboden verlegt war, ersetzte diesen 2008 ohne Eingriff in das Gemeinschaftseigentum durch Fliesen. Seitdem klagt der Eigentümer der darunter liegenden Wohnung zu Recht über Belästigung durch Trittschall. Nach sachverständiger Feststellung im Prozess wird der Trittschallpegel nach der DIN 4109 (53 dB) um mindestens 13 dB verfehlt, während durch Verlegung von Teppichboden die DIN 4109 eingehalten werden könnte. Allerdings ist unstreitig, dass auch das Gemeinschaftseigentum nicht den Anforderungen der DIN 4109 entspricht. Der Eigentümer der Wohnung im Obergeschoss begehrte im Hilfsantrag, den Eigentümer der Dachgeschosswohnung zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen einen Normtrittschallpegel von mindestens 53 dB herzustellen. Mit diesem Antrag hatte die Klage in der Berufungsinstanz Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision.

Die Entscheidung des BGH: Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Ersetzt ein Wohnungseigentümer den Bodenbelag (hier: Teppichboden) durch einen trittschallintensiveren (hier: Fliesen) so entsteht dem Eigentümer der darunter liegenden Wohnung bei höherer Trittschallbelastung ein Nachteil gemäß §§ 14 Nr. 1; 15 Abs. 3 WEG, dessen Beseitigung er nach § 1004 Abs. 1 BGB verlangen kann. Denn der Eigentümer der darüber liegenden Wohnung hat durch die Auswechselung des Bodenbelags in einer Weise von seinem Sondereigentum Gebrauch gemacht, die den Kläger über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt. Der Trittschallschutz der Wohnungseigentümer untereinander richtet sich nach der DIN 4109, wenn ein vorhandener Bodenbelag ohne Eingriff in Estrich und Geschossdecke ersetzt wird. An der Pflicht zu seiner Einhaltung ändert sich nichts dadurch, dass die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums defekt ist. Zwar soll der Trittschallschutz vorrangig durch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile gewährleistet werden. Für die Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander, die sich bei einer Änderung des Bodenbelages ergeben, lässt sich hieraus nichts herleiten. Anderes gilt nur, wenn dem Wohnungseigentümer bei einer mangelhaften Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums keine zumutbare Abhilfemöglichkeit ergibt.

Die Konsequenzen für die Praxis: Die Entscheidung entspricht der h. M. Auch Eingriffe alleine in das Sondereigentum können eine Beeinträchtigung nach § 14 Nr. 1 WEG darstellen. Der durch zusätzlichen Trittschall beeinträchtigte Miteigentümer kann Abhilfe bis zur Wiedererreichung der ursprünglichen Dämmung verlangen, wenn gerade die Auswechselung des Bodenbelages zu einer Verschlechterung der Trittschalldämmung führt (OLG Düsseldorf ZMR 2008, 224), Dies gilt auch dann, wenn der im Gemeinschaftseigentum stehende Estrich gleichfalls mangelhaft ist (OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1594 = ZMR 2002, 70; ZMR 2008, 224; OLG München ZMR 2007, 811). Die Entscheidung dürfte auch nach dem WEMoG nicht anders ergehen, da auch nach Übergang der Beseitigungsansprüche wegen Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums (vgl. hierzu BT-Drucks. 19/18791, S. 44) jedem Wohnungseigentümer das Recht bleibt, Beeinträchtigungen seines Sondereigentums abzuwehren.

Ein rein praktischer Hinweis: Die vom Miteigentümer begehrte erhöhte Trittschalldämmung hätte man ohne weiteres durch entsprechende Dämmmatten bewerkstelligen können. Diese erhöhen die Kosten pro Quadratmeter Fußbodenaufbau um ca. 5 €, liegen also bei einem Bruchteil der Kosten des vorliegenden Prozesses. Überdies bleibt der Hausfriede gewahrt.

 

Verwaltung von Wohnungseigentum in Zeiten der „Corona“-Pandemie

I. Einführung

Zentraler Ort für Entscheidungen der Wohnungseigentümer ist die Eigentümerversammlung, die in der Regel in der ersten Jahreshälfte anberaumt wird. Die Einberufung von Eigentümerversammlung ist derzeit allerdings selbst in sehr kleinen Eigentümergemeinschaften aufgrund ordnungsbehördlicher Ansammlungsverbote nicht mehr zulässig. „Virtuelle“ Eigentümerversammlungen, die technisch als Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden können, sind im WEG nicht vorgesehen. Als Alternative bleibt die schriftliche Beschlussfassung gemäß § 23 Abs. 3 WEG, die aber Allstimmigkeit voraussetzt. Eine Eigentümerversammlung, bei der allein der Verwalter als Versammlungsleiter und zugleich als bevollmächtigter Vertreter von so vielen Wohnungseigentümern anwesend ist, so dass die Hälfte der Miteigentumsanteile, berechnet nach der im Grundbuch eingetragenen Größe dieser Anteile vertreten ist (§ 25 Abs. 3 WEG), erscheint vor dem Hintergrund der unentziehbaren Mitwirkungsrechte der einzelnen Wohnungseigentümer regelmäßig nicht als empfehlenswert, wo Wohnungseigentümer an der Versammlung teilnehmen möchten, aber aufgrund der öffentlich-rechtlichen Verbote nicht teilnehmen dürfen; dafür spricht auch, dass eine Durchführung von Versammlungen ohne physische Präsenz anders als bei Genossenschaften im Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nicht vorgesehen worden ist.

II. Überblick über die Rechtslage

Nach derzeit geltendem Recht, das gleichsam nebenbei gerade in der Krise grundlegend geändert werden soll (vgl. den Regierungsentwurf vom 23.03.2020 für ein Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG); abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/WEMoG.html), muss der Verwalter seine in § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WEG in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG geregelte Notkompetenz nutzbar machen, wo vorrangige Regelungen in der Gemeinschaftsordnung oder im Verwaltervertrag fehlen, will er die Verwaltung der Wohnungseigentumsanlage vorläufig ohne Eigentümerbeschluss weiterführen.
Weil die bestehenden Regelungen nicht ausreichend sein können und sich in einer Krise vergleichbaren Ausmaßes noch nicht bewähren mussten, sieht das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pan-demie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 25.03.2020 (BT-DrS 19/18110) in Art. 2 als § 6 des Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie – gemäß Art. 6 Abs. 2 bis zum 31.12.2021 geltend – vor:

§ 6 Wohnungseigentümergemeinschaften
(1) Der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bleibt bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt.
(2) Der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.

III. Einzelfragen

Was bedeutet das rechtlich für die Praxis der WEG-Verwaltung?

1. Verwaltungsverhältnis

Der Verwalter bleibt grundsätzlich bis 31.12.2021 im Amt, auch wenn sein Bestellungszeitraum vor dem 31.12.2021 enden würde. Das gilt jedenfalls solange, bis er – regelmäßig durch Eigentümerbeschluss – abberufen oder ein neuer Verwalter bestellt wird. Damit bleiben Wohnungseigentümergemeinschaften auch dann handlungsfähig, wenn ein neuer Verwalter vorübergehend nicht bestellt werden kann. Aus diesem Grund ist auch die damit einhergehende Durchbrechung der Obergrenzen für die Bestellungszeiträume des § 26 Abs. 1 S. 2 WEG vertretbar.
Eine gesetzliche Regelung zur Verlängerung des Verwaltervertrags fehlt. Eine ergänzende Vertragsauslegung wird für den Einzelfall anhand der bisherigen Regelungen klären müssen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie den Fall einer Verlängerung des Bestellungszeitraums bedacht hätten. Im Einzelfall mag danach der Vertrag zu den bisherigen Konditionen weiterlaufen, wenn das Honorar für den (langen) Bestellungszeitraum fest vereinbart war; wo eine alljährliche Honorarerhöhung vorgesehen war, kann diese im Einzelfall fortgeschrieben werden.
Der Verwalter seinerseits kann sein Amt nur unter den Voraussetzungen der §§ 675, 671 Abs. 2 BGB niederlegen, also wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft „für die Besorgung des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen kann, es sei denn, dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt“. „Anderweitige Fürsorge“ durch Bestellung eines neuen Verwalters durch Eigentümerbeschluss wird praktisch kaum möglich sein, solange Eigentümerversammlungen aufgrund ordnungsbehördlicher Anordnungen nicht durchgeführt werden dürfen. Allerdings erscheint es nicht mehr undenkbar, dass gleichwohl ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt, etwa weil dem Verwalter aufgrund eigener schwerer Erkrankung bzw. der seiner Mitarbeiter die Erfüllung seiner Aufgabe nicht mehr möglich ist. Wenn der Verwalter eine natürliche Person ist, kann allerdings der Fall des § 673 S. 2 Halbsatz 2 BGB eintreten, dass bei Tod des Verwalters dessen Erbe die Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen hat, bis der Auftraggeber anderweit Fürsorge treffen kann, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden wäre.
Wenn beim Verwalter niemand mehr in der Lage ist, die Verwaltung zu führen, etwa weil alle Mitarbeiter (z.B. nach dem gemeinsamen Besuch einer Karnevalssitzung) in Quarantäne sind, bleiben die Wohnungseigentümer auf ihr Notverwaltungsrecht gemäß § 21 Abs. 2 WEG verwiesen. Die Wohnungseigentümer dürfen erwarten, dass der gewerbliche Verwalter dem Ausfall aller seiner Mitarbeiter durch eine geeignete Betriebsorganisation (Home-Office, Zwei-Schicht-Betrieb) entgegenwirkt.

2. Instandhaltung

Die laufenden Instandhaltungsmaßnahmen darf der Verwalter gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WEG veranlassen. Auch dringende Instandsetzungsmaßnahmen kann der Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG veranlassen, insbesondere die Umsetzung behördlicher Anordnungen, etwa die Sperrung von Spielplätzen oder anderen Flächen. Im öffentlichen Recht wird der Verwalter unter dem Gesichtspunkt der effizienten Gefahrenabwehr immer noch als verantwortlicher Zustandsstörer angesehen (vgl. dazu Dötsch, Die Ordnungsverfügung gegen den Wohnungseigentumsverwalter, NZM 2020, 121).
In diesen Fällen ist der Verwalter auch zur Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WEG). Daneben ist der Verwalter gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG berechtigt, Maßnahmen zu treffen, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines sonstigen Rechtsnachteils erforderlich sind.
Einer Beteiligung der Wohnungseigentümer durch den Verwalter bedarf es nicht. Eine Information der Wohnungseigentümer wird regelmäßig sinnvoll sein. Der Verwaltungsbeirat und seine Mitglieder haben keinerlei Notkompetenzen.

3. Wirtschaftspläne

Wirtschaftspläne bleiben bis 31.12.2021 wirksam, auch wo eine Fortgeltungsklausel nicht beschlossen worden ist. Damit bleiben die Wohnungseigentümer zur Zahlung der Hausgelder in bisheriger Höhe verpflichtet. Zugleich ist die Gefahr gebannt, dass die Finanzierung einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht mehr sichergestellt ist, wenn die Fortgeltung des Wirtschaftsplans nicht beschlossen worden ist. An der Pflicht zur Abrechnung gesondert für jedes Wirtschaftsjahr ändert sich nichts, auch wenn im Jahr 2020 keine Beschlussfassung über die Abrechnung mehr erfolgen könnte.
Eine Aussetzung oder Stunden von Hausgeldern sehen weder das WEG noch die aktuellen Maßnahmegesetze vor. Das für Mieter vorgesehene Moratorium des Art. 240 § 1 EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 25.03.2020 (BT-DrS 19/18110) gilt für das Verhältnis von Wohnungseigentümer zur Wohnungseigentümergemeinschaft nicht; auch die Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen des Art. 240 § 2 EGBGB gilt in diesem Verhältnis nicht, sondern trifft den Wohnungseigentümer / Teileigentümer im Verhältnis zu seinem Mieter / Pächter. Soweit der vermietende Wohnungs- bzw. Teileigentümer aufgrund von Miet- bzw. Pachtausfällen seine Finanzierung nicht aufbringen kann, mag er als Verbraucher im Einzelfall durch die Regelungen zum Darlehensrecht gemäß Art. 240 § 3 EGBGB geschützt sein.

4. Infektionsfälle

Bei Infektionsfällen in einer Wohnungseigentumsanlage ist der Verwalter gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c) DSGVO zur Erfüllung der sich aus § 16 Abs. 2 S. 2 und 3 Infektionsschutzgesetz ergebenden Pflichten berechtigt und verpflichtet, den Beauftragten der zuständigen Behörde und des Gesundheitsamtes das Grundstück, Räume, Anlagen, Einrichtungen sowie sonstige Gegenstände zugänglich zu machen und Auskünfte zu erteilen. Dass die Reinigungsfachkräfte zur gründlichen Reinigung von Treppengeländern usw. angehalten werden sollten, bedarf keiner Erwähnung. – Die öffentliche Nennung von Erkrankten käme zum Schutz der lebenswichtigen Interessen einer anderen natürlichen Person gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. d) DSGVO in Betracht, doch wird der Verwalter von einer Erkrankung kaum Kenntnis erhalten.

5. Informationsverhalten

Die allgemeine Information aller Wohnungseigentümer durch Aushänge, Brief oder E-Mail (bei verdecktem E-Mail-Verteiler [„bcc“]) ist unproblematisch zulässig. Die Vorgaben des Datenschutzes sind im Übrigen nicht gelockert.

IV. Ausblick

Die vorstehende Übersicht zeigt, dass die Zahlungsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund der fortbestehenden Beitragspflicht ihrer Mitglieder gesichert ist. Auch ihre Handlungsfähigkeit ist regelmäßig in ausreichendem Maße durch die Kompetenz des Verwalters für die laufende Instandhaltung und die dringende Instandsetzung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WEG gegeben. Bei einem der Situation angemessenen Verständnis der Regelung bedarf es deshalb einer umfassenden Ermächtigung des Verwalters gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG nicht, selbst wenn diese im Einzelfall noch erfolgen könnte.

Tsunami

Das BMJV hat am 13. Januar 2020 den Verbänden zur Anhörung einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEModG) versandt (siehe hier).

Dieser Entwurf ist unerwartet. Er ist maximal radikal. Er ist ein Tsunami. Er ist ­­brillant – echte Kunst. Wie heißt es nicht nur von den Sportfreunden Stiller, sondern auch in der Muppet Show von Kermit: „Applaus, Applaus“!

Soweit auf den ersten Blick erkennbar, werden unter der natürlich nicht zwingenden Prämisse, dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums vollständig über die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu organisieren ist (die Vertretung der Wohnungseigentümer durch den Verwalter entfällt dabei vollständig), sämtliche bekannten Friktionen des heutigen WEG widerspruchsfrei und höchst elegant gelöst. Die Änderungen des WEG 2007, angesichts des WEModG wie biederes Handwerk anmutend, werden dabei an vielen Stellen schlicht verbrannt. Zu Recht! Und auch dem Versuch, auf das Überkommende einfach aufzubauen, wird grundsätzlich widerstanden.

Das bisherige WEG wird, käme das WEModG, nahezu vollständig atomisiert – bestimmt zur Freude der deutschen Buchverlage. Fast alles wäre deshalb neu zu durchdenken (Beispiele: Wer schuldet Schadensersatz bei der Verzögerung/Nichtdurchführung von Erhaltungsmaßnahmen? Kann man die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ohne § 27 Abs. 1, Abs. 2 WEG immer noch als Verbraucherin ansehen? Kann man der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das Wissen der Wohnungseigentümer zurechnen? Kann man noch Amateurverwalter als geeignet ansehen, auch wenn der Verwalter eigentlich nicht zwingend ist?).

Die bisherigen Bibliotheken sollten beim Inkrafttreten des WEModG zwar nicht verbrannt werden, wären aber nur noch teilweise brauchbar. Das fängt beim Sachenrecht an, geht über die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, den Gebrauch, die Umlageschlüssel, die Verwaltung, die Versammlung, den Verwalter, das Wirtschaftswesen zum Verfahren. Nichts bleibt unangetastet. Alles würde anders – und offensichtlich besser. Und grundsätzlich nichts wird vergessen. Durch § 47 WEG-E auch nicht die bisherigen Gemeinschaftsordnungen, die von diesem WEG nicht träumen konnten. Diese Bewertung gilt dabei auch für den gegenüber dem im Arbeitsgruppenbericht Angedachten wenigstens gut erträglichen § 556 Abs. 3 BGB-E. Selbst das GKG bekommt einen vertretbaren neuen § 49.

Natürlich würden Probleme nicht ausbleiben. Es wird voraussichtlich beispielsweise bei der Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 9b Abs. 2 WEG-E) zu Knacknüssen kommen, wenn es für einen Wohnungseigentümer gilt, gegen den Verwalter vorzugehen. Denn der vorgesehene Weg läuft bei § 46 Nr. 8 GmbHG nach meiner Beobachtung nicht reibungslos und nicht immer rund. Gegebenenfalls kommt vor diesem Hintergrund auch die actio pro socio ins WEG-Denken (§ 18 Abs. 3 WEG-E wird da eher nicht helfen). Vor allem werden die Kommentare bei der Zentralvorschrift für die Geschäftsführung in § 27 Abs. 1 WEG „liefern“ müssen. Der Begriff „gewöhnlich“ ist bei näherem Hinschauen wunderbar gewählt, aber natürlich maximal intransparent. Das ist aber bei der erkennbaren Muttervorschrift, dem § 116 Abs. 1 HGB, freilich auch nicht anders. Solche neuen Schlachtfelder sind im Übrigen nie zu vermeiden.

Natürlich hätte und kann man wie der Häwelmann oder des Fischers Frau noch mehr wollen. Musste etwa § 28 WEG karg ausfallen? Solche Kleinarbeit, wäre sie nötig, kann aber getrost späteren Reformen und neuen Generationen überlassen werden. Hier nur ein einziger Wunsch: Für § 23 Abs. 3 WEG ein vernünftiges Quorum! Das erlaubte APP-Abstimmungen. Alle Stimmen sind einfach zu viel.

Fazit: Das WEModG führte das WEG ins 21. Jahrhundert. Den Zöpfen, die es abschneidet, sollte keiner nachtrauern. Dem Entwurf ist daher zu wünschen, dass er die Anhörungen und das parlamentarische Procede ohne wirkliche Blessuren übersteht. Er hat es mehr als verdient. Da im Übrigen alles aufeinander aufbaut, kann nur vor jedem Eingriff gewarnt werden. Beispielsweise die maximale Privatautonomie, die er gewährt, sollte niemand antasten (auch nicht Karlsruhe). Und beim „jetzt“ sollte es nicht bleiben.

Die vertretbare Alternative (mit der ich selbst immer geliebäugelt habe und die gegebenenfalls dogmatisch Präferenzen hat), wäre grundsätzlich der Weg zurück ins Jahr 2005 gewesen. Man hätte also das Sachenrecht stärken und das Gesellschaftsrecht zurückdrängen müssen. Das WEModG, das den Wohnungseigentümer als Eigentümer auch des gemeinschaftlichen Eigentums hingegen bewusst schwächt (vor allem bei der Abwehr von Störungen und bei der Möglichkeit, den Verwalter zur Einhaltung seiner Pflichten anzuhalten), entspricht aber wohl der Realität und den Wünschen der Wohnungseigentümer und denen der Verwalter.

Was noch dringend, am besten noch in 2020 zu tun bleibt, ist ein Sachkundenachweis oder ein anderes Instrument, das verhindert, dass ungeeignete Personen das Amt des Verwalters ausfüllen. Amateure und andere ungeeignete Personen wären Gift für eine Akzeptanz von § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG-E und § 27 Abs. 1 WEG-E. Die ungeheure Macht, die diesen Bestimmungen innewohnt, muss von einem Fachverwalter gezügelt und beherrscht werden. Den Riegel des § 27 Abs. 1 WEG-E (= gewöhnlich kann hier sein, was es dort nicht ist), muss man schieben können!

Die guten Hirten

Nach dem Wohnungseigentumsgesetz können die Wohnungseigentümer dort über einen Gegenstand einen Beschluss fassen, wo ihnen das Gesetz die dafür notwendige Beschlusskompetenz einräumt. Solche Beschlusskompetenzen sind zwar über das gesamte Gesetz verstreut. Der Autonomie der Wohnungseigentümer, ihre eigenen Geschicke zu bestimmen, sind aber auch deutliche Grenzen gesetzt.

Dem Gesetzgeber war diese Enge bewusst. Aus diesem Grunde räumt das Gesetz den Wohnungseigentümern die Möglichkeit ein, zu vereinbaren, dass es weitere Beschlusskompetenzen geben soll. Dies folgt zum einen aus der Bestimmung des § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG. Und zum anderen werden diese Vereinbarungen ausdrücklich in § 23 Abs. 1 WEG genannt. Denn diese Regelung geht von „Angelegenheiten“ aus, die nach einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer durch Beschluss entschieden werden können.

Vereinbarungen, die den Wohnungseigentümern über die gesetzlichen Beschlusskompetenzen hinaus privatautonom bestimmte Beschlusskompetenz geben, nennt man üblicherweise „Öffnungsklausel“. Mit einer solchen Vereinbarung nehmen die Wohnungseigentümer wissend und wollend in Kauf, dass eine Entscheidung, für die das Gesetz annimmt, sie müsse wegen ihrer Bedeutung und Wichtigkeit von allen Wohnungseigentümern gemeinsam getroffen werden, etwa, ob man das Sondereigentum zum Wohnen oder nicht Wohnen gebrauchen und nutzen kann, ob es am gemeinschaftlichen Eigentum ein Sondernutzungsrecht geben soll oder wer das gemeinschaftliche Eigentum erhalten muss, nur von einer Mehrheit getroffen wird. Eine Öffnungsklausel ist mithin im Einzelfall gefährlich und kann ohne weiteres dazu führen, dass die Rechte einzelner Wohnungseigentümer gegenüber dem Interesse der Mehrheit der Wohnungseigentümer zurücktreten müssen. Dass aber ist ihr Ziel und Zweck. Und es ist von Gesetzes wegen so gewollt. Diese Möglichkeit ist durch den Bundestag demokratisch legitimiert und vom Willen des Volkes getragen.

Ungeachtet dessen hat der Bundesgerichtshof den Anwendungsbereich allgemeiner Öffnungsklauseln gleich in mehreren Entscheidungen beschnitten. Das letzte dieser Judikate ist BGH, Urteil vom 12. April 2019 – V ZR 112/18 (die weiteren sind dort nachlesbar). Es ging darum, ob Wohnungseigentümer, gestützt auf eine allgemeine Öffnungsklausel, also einer solchen Öffnungsklausel, die den Wohnungseigentümern für sämtliche denkbaren Angelegenheiten, die man eigentlich vereinbaren müsste, eine Beschlusskompetenz gibt, bestimmen können, dass kurzzeitige Vermietungen eines Wohnungseigentums untersagt werden. Der Karlsruher Sachenrechtssenat verneint diese Frage. Um die „Einhaltung fundamentaler inhaltlicher Schranken“ zum Schutz der Minderheit sicherzustellen, gäbe es Eingriffe, die der Zustimmung jedes Wohnungseigentümers bedürften. Dies ergebe sich aus einer verfassungskonformen Auslegung einer allgemeinen Öffnungsklausel (Anmerkung des Verfassers: kann man bloße Binnenverträge, mit denen Menschen ihre eigenen Geschicke privatautonom und nur für ihren Kreis bestimmen, wirklich verfassungskonform auslegen?). Die Ansicht, die Wohnungseigentümer hätten mit der Vereinbarung einer allgemeinen Öffnungsklausel vorab in jegliche Änderung der Gemeinschaftsordnung eingewilligt, sei falsch. Eine allgemeine Öffnungsklausel sei zwar als solche nicht zu beanstanden. Aus ihr könne aber nicht auf eine Zustimmung der Wohnungseigentümer zu allen künftig denkbaren Regelungen geschlossen werden. Denn die Gewährung rechtlicher Gestaltungsmacht trage ihre „Beschränkung auf das gebotene Maß als immanente Schranke“ in sich.

Es ist zu fragen, ob diese Überlegungen die Dinge womöglich verkehren und ins falsche Licht rücken. Denn grundsätzlich ist es ja so, dass jeder Wohnungseigentümer bei den Gegenständen, die man vereinbaren muss, zustimmen muss. Vereinbart man aber eine Öffnungsklausel, will man gerade, dass es nicht auf die Zustimmung aller Wohnungseigentümer ankommen soll. Wünscht man, dass nur bestimmte Regelungen auf Grundlage einer Öffnungsklausel bestimmt werden können, bestimmt man eine spezielle Öffnungsklausel (ihr Sinn und Zweck ist es, nur bestimmte Gegenstände dem Beschluss zu öffnen). Bestimmt man aber eine allgemeine Öffnungsklausel, sollen gerade alle denkbaren Gegenstände beschlussoffen sein. Wer hier ausgelegt, es sei nicht so, hat keinen festen Boden unter den Füßen.

Mit seiner Denkweise bestimmt der Bundesgerichtshof daher wohl das Ende allgemeiner Öffnungsklauseln, beraubt sie aber jedenfalls im Wesentlichen ihres Anwendungsbereichs – und macht auch speziellen Öffnungsklauseln womöglich den Garaus. Zwar behauptet der V. Zivilsenat nicht, es gebe keine Regelungen, die man noch auf eine allgemeine Öffnungsklausel stützen könnte. Der Weg versperrt ist künftig aber solchen Regelungen, die man nicht als „geboten“ ansieht. Was „geboten“ ist, müssen im Zweifel aber für die Wohnungseigentümerschafe Richter gleichsam als deren gute Hirten bestimmen (man muss kein großer Augur sein, um anzunehmen, dass diese auch meinen werden, künftig könnten auch keine Sondernutzungsrechte mehr auf Grundlage einer allgemeinen Öffnungsklausel bestimmt werden).

Wer diesen Weg begrüßt, muss wissen, dass in ihm eine ungezierte Einschränkung der Privatautonomie der Wohnungseigentümer liegt. Wenn es in der Presse gern heißt, der Bundesgerichtshof habe die Rechte des Bürgers gestärkt, muss man diese Aussage jedenfalls in diesem Fall bezweifeln. Die Entwicklung sollte man daher kritisch hinterfragen und begleiten. Ferner ist zu überlegen, ob in der anstehenden Reform des Wohnungseigentumsgesetzes nicht gegengesteuert werden sollte. Sieht man es in Berlin anders, könnte man hingegen schauen, ob man Öffnungsklauseln verbietet und dort, wo man es als angemessen ansieht, die gesetzlichen Beschlusskompetenzen – wenigstens behutsam – erweitert.

Die hier geäußerten Bedenken gelten im Übrigen nicht nur dem Wohnungseigentumsrecht, sondern auch dem Gesellschaftsrecht. Denn auch dort werden Satzungen überprüft und auch dort meint man, der Richter wisse letztlich besser als die Vertragschließenden, was für diese gut ist. Es gibt eben überall gute Hirten.

Schadenersatzansprüche: Gemeinschaftsbezogen oder was?

Das Wohnungseigentumsgesetz behandelt in seinem § 10 Abs. 6 Satz 3 die Frage, was bei Rechten gilt, die die Wohnungseigentümer als Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums haben, und bei Pflichten, die auf allen Wohnungseigentümern als Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums ruhen.

Man könnte insoweit in Anlehnung an § 1011 BGB vertreten, jeder einzelne Wohnungseigentümer sei bei Rechten berechtigt, sie geltend zu machen (siehe auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 1992 – V ZR 118/91, unter II 1 a). Und ferner könnte man die Ansicht vertreten, ein Gläubiger sei bei Pflichten berechtigt, jeden Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen. Diesen Weg geht das Wohnungseigentumsgesetz aber nicht. Stattdessen unterscheidet es zwischen gemeinschaftsbezogenen Rechten und Pflichten und solchen Rechten und Pflichten, die (bloß) gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. Diese Unterscheidung macht es notwendig, geht es um das gemeinschaftliche Eigentum und auf dieses bezogene Rechte und Pflichten, zu fragen, ob ein Recht oder eine Pflicht gemeinschaftsbezogen ist.

Der Gesetzgeber hielt diese Unterscheidung für leicht leistbar, da der Begriff in Rechtsprechung, Lehre und Praxis der Verwaltung bekannt sei und von seinem Wortlaut her die Zuordnung der Angelegenheiten, um die es gehe, deutlich mache (BT- Drucksache 16/887, 61 linke Spalte). Gemeinschaftsbezogen seien die Angelegenheiten, für die zum einen gemäß § 21 Abs. 1 WEG (Grundsatz der gemeinschaftlichen Verwaltung) bisher (= vor Änderung der Sichtweise, es gäbe eine rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) eine ausschließliche Verwaltungszuständigkeit der Gesamtheit der Wohnungseigentümer angenommen worden sei und bei deren Geltendmachung sich die Gemeinschaft und ein Wohnungseigentümer „wie Dritte“ gegenüber stünden. Gemeinschaftsbezogen sei insbesondere der Anspruch auf Schadenersatz wegen Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums (BT- Drucksache 16/887, 61 rechte Spalte).

In der Praxis hat sich ungeachtet der Einschätzung des Gesetzgebers die Frage, welches Recht gemeinschaftsbezogen ist, freilich zu einem besonderen Problemfall in der Anwendung des WEG entwickelt. Beinahe zu jedem Recht in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum ist unklar, ob es gemeinschaftsbezogen ist. Für Schadenersatzansprüche galt bislang allerdings als wohl geklärt, dass diese, so wie es der Gesetzgeber auch gewollt hat, gemeinschaftsbezogen sind (siehe nur Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 10 Rz. 243). Und dies gilt nicht nur, wenn ein Wohnungseigentümer oder ein Dritter das gemeinschaftliche Eigentum beschädigt hat, sondern auch dann, wenn es sich um „Wiederherstellungsansprüche“ handelt (BGH, Urteil vom 7.2.2014 – V ZR 25/13, Rz. 17). Solche Ansprüche können zwar in eine Konkurrenz zu dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB treten. Aber schon weil die Wahl zwischen Naturalrestitution und Geldersatz gemeinschaftlich getroffen werden müsse, seien Schadenersatzansprüche insgesamt als gemeinschaftsbezogene Rechte anzusehen (BGH, Urteil vom 7.2.2014 – V ZR 25/13, Rz. 17).

Die Bestimmung der Grenze zwischen Beseitigung/Unterlassung und Schadenersatz/ Wiederherstellungsanspruch war und ist freilich problematisch (siehe nur Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 22 Rz. 114a). Ich selbst meinte, dass der Störer im Wohnungseigentumsrecht im Rahmen des Beseitigungsanspruchs entfernen muss, was er selbst unzulässig angebracht oder entfernt hat. Gehe es indessen um durch die unzulässige bauliche Veränderung verursachte Schäden, ginge es um Schadenersatz. Ähnlich liege es, wenn der Störer über die Beseitigung hinaus den alten Zustand wiederherstellen soll, denn darin liegt keine Beseitigung mehr, sondern ein aliud.

Der Bundesgerichtshof kümmert sich um diesen gegebenenfalls lächerlichen Versuch, seiner Rechtsprechung gerecht zu werden, nicht. Stattdessen gibt er jetzt – leider mit einer statt an das Gesetz an einen Aufsatz angelehnten Diktion – lieber seine Rechtsprechung sang und klanglos einfach auf (BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 328/17, Rz. 8). Ich übersetze insoweit wie folgt:

Schadenersatzansprüche, die auf die Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums gestützt werden würden, seien nicht gemeinschaftsbezogen, wenn und soweit sie in Anspruchskonkurrenz zu Beseitigungsansprüchen der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB stünden. Das gelte auch, soweit der Beseitigungsanspruch die Wiederherstellung des vorherigen Zustands umfasse.

Gegen eine Gemeinschaftsbezogenheit spreche entscheidend, dass „andernfalls die an sich erwünschte Möglichkeit der Rechtsverfolgung des einzelnen Wohnungseigentümers erheblich beeinträchtigt wäre“. Bauliche Veränderungen oder ein rechtswidriger Gebrauch (?) des gemeinschaftlichen Eigentums würden häufig nicht alle Wohnungseigentümer gleichermaßen betreffen. Deshalb sei „es nicht erforderlich und auch nicht wünschenswert“, von vornherein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit der Durchsetzung solcher Ansprüche und dem damit verbundenen Kostenrisiko zu belasten. Vielmehr sei es interessengerecht, dass einzelne Wohnungseigentümer die ihnen zustehenden Ansprüche solange durchsetzen könnten, wie eine gemeinschaftliche Rechtsverfolgung nicht beschlossen worden sei (BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 328/17, Rz. 14).

Diese Sätze mögen richtig oder falsch sein. Sie erleichtern die Arbeit mit der Bestimmung des § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG nicht. Vielmehr besteht jetzt noch mehr als bislang Unsicherheit darin, die Frage zu beantworten, welches Recht – mit den Worten des Bundesgerichtshofes – so gelagert ist, dass „schutzwürdige Belange der Wohnungseigentümer oder des Schuldners an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das grundsätzlich vorrangige Interesse des Rechtsinhabers, seine Rechte selbst und eigenverantwortlich auszuüben und prozessual durchzusetzen, deutlich überwiegen und also ein gemeinschaftliches Vorgehen erforderlich ist“. Denn diese Frage wurde bislang und auch zu Recht bei Schadenersatzansprüchen dahingehend beantwortet (und so war wie dargestellt vom historischen Gesetzgeber auch gewollt), dass das Interesse der Wohnungseigentümer an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers, diesen zu verlangen, überlagert (sehr überzeugend: BGH, Urteil vom 11. Dezember 1992 – V ZR 118/91, unter II 1 b). Wenn es jetzt aber anders sein soll, was gilt für die vielen anderen Rechte, die als gemeinschaftsbezogen angesehen werden? Ist es auch dort nicht immer so, dass es wünschenswert wäre, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erst dann ins Spiel kommt, wenn eine Mehrheit der Wohnungseigentümer ihren „Einsatz“ wünscht und für richtig hält?

Diese Folgerung – starke Unsicherheit in der Rechtsanwendung – führt zwanglos zu einer dringenden Forderung und Bitte an die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Wohnungseigentumsgesetz, die sich bekanntlich zurzeit darum bemüht, Vorschläge für eine Reform des WEG zu erarbeiten (zur Arbeitsgruppe siehe nur Elzer, MDR 2018, Heft 21 R5): Man möge sich bitte daran machen, den Nutzer (vor allem, aber nicht nur: Wohnungseigentümer, Verwalter, Rechtsanwälte und Richter) deutlich vor Augen zu führen, welche Rechte, aber auch welche Pflichten als gemeinschaftsbezogen anzusehen sind – wenn es denn dieses Begriffs überhaupt bedarf – und was daraus folgt. Kann etwa ein Gläubiger bei einer gemeinschaftsbezogen Pflicht weiterhin den einzelnen Wohnungseigentümern Anspruch nehmen oder aber ist diese durch das Verständnis der Gemeinschaftsbezogenheit geschützt?

Kehrt·wen·de (Substantiv, feminin [die])

Nach Google ist eine Kehrtwende ein extremer [unerwarteter] Richtungs-, Kurswechsel. Man erwartet ihn von Politkern oder gegebenenfalls vom Ehepartner – aber von einem Gericht?

Und doch. Es gibt auch bei den Gerichten außergewöhnliche und unerwartete (indes erhoffte) Richtungswechsel. Einen solchen besonders bedeutsamen und in seiner praktischen und dogmatischen Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzenden Kurswechsel bietet etwa das Urteil des V. Zivilsenats des BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17. In der Entscheidung geht es um die Frage, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einem Wohnungseigentümer Schadenersatz schuldet, wenn der Verwalter einen Beschluss nicht, nicht ordnungsmäßig oder nur teilweise durchführt.

Die erste Antwort auf diese hoch praktische Frage fand sich bei BGH v. 13.7.2012 – V ZR 94/11 – Rz. 19. Es heißt dort (leicht übersetzt in eine Begrifflichkeit):

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber aus dem mitgliedschaftlichen Treueverhältnis verpflichtet, den Verwalter zur unverzüglichen Umsetzung der Beschlüsse der Wohnungseigentümer anzuhalten. Dieses Treueverhältnis hat der Senat im Verhältnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu dem einzelnen Wohnungseigentümer anerkannt und daraus dessen Verpflichtung abgeleitet, der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Schadensersatz zu leisten, wenn er seiner Verpflichtung zur Mitwirkung an der ordnungsmäßigen Verwaltung nicht nachkommt. Kehrseite dieser Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers ist die Verpflichtung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die gefassten Beschlüsse umzusetzen. Die Umsetzung obliegt nach § 27 I WEG dem Verwalter, der der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Erfüllung und ggf. auf Schadensersatz haftet. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist jedenfalls dann dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber verpflichtet, diesen Anspruch gegenüber dem Verwalter durchzusetzen, wenn die gefassten Beschlüsse – wie hier – den Zweck haben, einen Schaden am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen, der das Sondereigentum des Wohnungseigentümers unbenutzbar macht.

Diese Sätze ängstigten so, dass jedenfalls ich mich zu einem Aufsatz mit dem zugegeben provokanten, aber plakativen Titel „Zauberlehrling reloaded oder: Globalplayer am WEG-Horizont?, NZM 2012, 718“ entschied. Dieser Aufsatz fand Zustimmung und naturgemäß fand er auch Ablehnung.

Der BGH schrieb indes im Urteil vom 25.9.2015 – V ZR 246/14 – Rz. 15 und Rz. 25 wie folgt (leicht übersetzt in eine einzige Begrifflichkeit):

Für Defizite bei der Umsetzung der gefassten Beschlüsse haftet allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Eine Haftung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat der Senat allerdings in seinem Urteil vom 13.7.2012 für solche Schäden bejaht, die durch die unterbliebene Umsetzung eines bereits gefassten „Sanierungsbeschlusses“ entstehen. Ob angesichts der dagegen erhobenen Kritik an der hierfür gegebenen Begründung festgehalten werden kann oder ob der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vielmehr das Handeln des Verwalters als dem für die Umsetzung von Beschlüssen zuständigen Organ in analoger Anwendung von § 31 BGB zuzurechnen wäre bedarf keiner Entscheidung.

Und bei BGH v. 10.2.2017 – V ZR 166/16 – Rz. 14 hieß es dann wie folgt (wieder leicht übersetzt in eine Begrifflichkeit):

Erleidet ein Wohnungseigentümer aufgrund einer Versorgungssperre einen Schaden und beruht dies auf der schuldhaft unterbliebenen oder verspäteten Durchsetzung der beschlossenen Wohngeldansprüche, kann ihm allerdings ein Schadensersatzanspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zustehen.

Danach stand eigentlich doch wohl fest: Neben dem Verwalter, der natürlich seine Pflichten verletzt, wenn er Beschlüsse nicht durchführt, haftet einem Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Und jetzt vom BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17:

Die Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer trifft den Verwalter und nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer; daher begründen Pflichtverletzungen des Verwalters, die sich auf die Durchführung von Beschlüssen beziehen, keine Schadenersatzansprüche einzelner Wohnungseigentümer gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft.

Es ist also doch so, wie es immer sein sollte und nach meiner Ansicht stets war. Was sagt man da demütig: Man sagt Bravo!, Chapeau!, man gratuliert dem großen Mut, einen einmal beschrittenen Weg verlassen zu haben (das fällt jedem schwer, nicht zuletzt Kommentatoren), und schweigt, was gegebenenfalls auch bei BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17 – nicht ganz „sauber“ argumentiert ist. Und genau das soll auch hier im Folgenden geschehen (= Schweigen).

P.S. Goldrichtig ist auch der zweite Leitsatz BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, der wie folgt lautet: Ein Wohnungseigentümer kann von dem Verwalter verlangen, dass er seine gesetzliche Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen erfüllt; dieser Anspruch kann gegebenenfalls im Klageweg durchgesetzt werden. Auch hier heißt es respektvoll: Bravo!, alles richtig gemacht!, und: weiter so!