Wohnungseigentümergesellschafter? Einspruch!

Zwischen dem 21. bis 23. Oktober 2020 fand in Fischen das 46. Fachgespräch zum WEG statt. Vor allem am ersten Tag wurde der Weg des Wohnungseigentumsrechts in das Gesellschaftsrecht befürwortet. Selbst der Idee, bestehende Vereinbarungen umzudeuten, nach denen der Verwalter Aufgaben für die Wohnungseigentümer erfüllen soll, zum Beispiel einer Veräußerung zustimmen, wurde von der Mehrheit nicht entgegengetreten. Solche Vereinbarungen müssten neu gelesen werden. Eigentlich stünde dort nicht Verwalter, sondern es stünde dort Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Kann dies der Wille der Vertragschließenden gewesen sein?).

Da tat es gut, dass am zweiten Tag daran erinnert wurde, eine Person nicht dann als einen Wohnungseigentümer anzusehen, wenn sie sich an der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beteiligt und ihr „Mitglied“ wird, sondern dann, wenn diese Person Miteigentum an einer Immobilie und Sondereigentum an einer Wohnung und/oder Räumen erwirbt. Es handelt sich beim Wohnungseigentumsrecht auch nach dem WEMoG keinesfalls um Gesellschaftsrecht, sondern weiterhin um Sachenrecht.

Es ist also nicht so, dass die Kommentierung zum WEG keinen Platz mehr im Sachenrecht hätte, wie es aber aus der Zuhörerschaft zu hören war (die weiter geäußerte Idee, ob es nicht richtig wäre, das Sondereigentum abzuschaffen und den Wohnungseigentümern bloße Nutzungsrechte zu geben, war freilich folgerichtig). Bereits im geltenden Recht ist es natürlich ohne weiteres möglich, dass eine GmbH oder eine GbR ein Haus erwirbt und ihren Gesellschaftern an den dortigen Räumlichkeiten Rechte zuweist. So ist es aber nicht, wenn wir Wohnungseigentumsrecht betrachten. Die Besonderheit des Wohnungseigentumsrechts war es immer – und muss es bleiben, wenn man es nicht einfach abschaffen und verfassungswidrig Eigentum vernichten will – dass der Wohnungseigentümer nicht bloßer Gesellschafter und Inhaber eines Nutzungs- und/oder Benutzungsrecht ist, sondern Eigentümer einer Immobilie.

Im Übrigen sei an dieser Stelle nur an Weniges erinnert, wonach auch das WEMoG eigentlich nicht falsch verstanden werden kann:

  • Die Wohnungseigentümer sind auch nach dem WEMoG Teilhaber einer Bruchteilseigentümergemeinschaft, für die das WEG nur Sonderregelungen schafft. § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG verweist ausdrücklich auf das subsidiär anzuwendende BGB-Recht (§§ 741 ff.). Soweit daher Wohnungseigentümer als „intensivere Nachbarn“ beschrieben werden, hat dies mit der Rechtswirklichkeit noch nichts zu tun. Hoffentlich ist es auch künftig so.
  • Das gemeinschaftliche Eigentum steht nicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu. Diese ist nur dazu berufen, ihr fremdes Eigentum als Dienstleisterin zu verwalten. Dies wird unter anderem deutlich durch § 9a Abs. 2 WEG, der der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zwar Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer zur Ausübung zuordnet, aber daran festhält, dass es Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer sind.
  • § 11 WEG beschäftigt sich nicht mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern der Bruchteilseigentümergemeinschaft.
  • § 12 WEG schützt die Wohnungseigentümer als Eigentümer der Immobilie, keinen Verband.
  • § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist allerdings irreführend. Danach ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet, sich an die Vereinbarungen und Beschlüsse zu halten. Indes: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist aus diesen Vereinbarungen weder berechtigt noch verpflichtet. Sie verwaltet insoweit ein ihr fremdes Rechtsregime und ist dessen Hüterin. Es ist eine Aufgabe wie die nach § 9a Abs. 2 WEG im offensichtlich fremden Rechtskreis. Es geht auch hier um das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander als Teilhaber der Bruchteilseigentümergemeinschaft und nicht um Gesellschaftsrecht.
  • Auch § 17 Abs. 1 WEG ist irreführend. Danach kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer von einem Wohnungseigentümer die Veräußerung seines Wohnungseigentums verlangen. Die Gemeinschaft ist freilich dem Wohnungseigentümer nicht in Gemeinschaft nach § 741 ff. BGB verbunden. Wenn sie daher die Veräußerung verlangt, so tut sie dies daher als Dienstleisterin und Kämpferin für die Teilhaber der Bruchteilseigentümergemeinschaft (auch wenn – völlig unsystematisch – § 17 WEG jetzt auch Verstöße gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sanktionieren will: durch Ausschluss aus der Bruchteilseigentümergemeinschaft?). Es ist eine Aufgabe wie die nach § 9a Abs. 2 WEG im offensichtlich fremden Rechtskreis.
  • § 18 Abs. 1 WEG ändert an diesem Bild nichts, er verstärkt es sogar. Danach obliegt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Es handelt sich insoweit um die Aufgabe, die sich vorher der Verwalter und die Wohnungseigentümer teilten. Es ist die Aufgabe des Dienstleisters, die sich fremden Rechtskreis verwirklicht.
  • Nicht letzter, aber wichtiger Baustein in diesem Denken ist auch § 28 WEG. Denn danach müssen die Wohnungseigentümer jährlich neue Mittel aufbringen. Für den Gesellschafter eines Verbandes ist dies nicht undenkbar (etwa für Vereinsmitglieder). Grundsätzlich ist es aber anders. Danach ist grundsätzlich nach einer Einlage keine Verpflichtung mehr erkennbar, die Gesellschaft durch finanzielle Mittel zu stützen.
  • Entlarvend im Übrigen ist aber § 9a Abs. 3 WEG. Für das Vermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Gemeinschaftsvermögen) gelten danach § 18, § 19 Absatz 1 und § 27 WEG nur entsprechend. Vorrangig wird also das gemeinschaftliche Eigentum durch Beschlüsse der Wohnungseigentümer verwaltet. Und vorrangig findet die Geschäftsführung des Verwalters für das gemeinschaftliche Eigentum, das der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht zusteht, statt. Erst durch die Anordnung des § 9a Abs. 3 WEG wird unter anderem die Versammlung der Wohnungseigentümer auch zu einer Mitgliederversammlung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Fazit: Das Wohnungseigentumsrecht hat sich zweifellos 2005 auf den Weg in das Gesellschaftsrecht gemacht. Dieser Weg ist aber nur gerechtfertigt, wo es die Verwaltung für eine Immobilie erfordert. Keinesfalls darf man den Wohnungseigentümer zu einem bloßen Gesellschafter herunterdefinieren. Daher darf man das Gesellschaftsrecht nicht 1:1 in das Wohnungseigentumsrecht implementieren. Stets ist zu fragen, ob Entsprechungen für die Wohnungseigentümer als Immobilieneigentümer von Nutzen sind. Das mag zum Beispiel bei der Organisation der Versammlung, aber auch beim Abschluss von Verträgen der Fall sein. Für den Schutz der Immobilie vor allem nach § 1004 BGB war der Weg ins Gesellschaftsrecht eher unnötig. Jedenfalls aber ist der Störungsschutz ein Recht, welches die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Dienstleisterin erfüllt, nicht im eigenen Rechtskreis. Für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gilt natürlich nichts anderes.

Neues Wohnungseigentumsrecht ab 1.12.2020

In seiner Plenumssitzung vom 9.10.2020  hat der Bundesrat das Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften, das WEMoG, durchgewunken; inzwischen ist das neue Wohnungseigentumsrecht verkündet worden (BGBl. I v. 22.10.2020, S. 2187 ff.) und wird damit für Millionen von Eigentümergemeinschaften ab dem 1.12.2020 Richtschnur des Zusammenlebens sein.

Angesichts der Komplexität der Neuregelungen (eine Lesefassung des neuen Gesetzestextes finden Sie hier zum kostenlosen Download) und der wirtschaftlichen Bedeutung des Themas ist die Vorlaufzeit bis zum Inkrafttreten ausgesprochen kurz bemessen, denn:

Das neue Wohnungseigentumsgesetz ist kein Reförmchen, es ist eine Totalreform, die in zentralen Punkten kaum einen Stein auf dem anderen lässt.

  • Die Rollen der rechtsfähigen Gemeinschaft und des Verwalters wandeln sich fundamental (vgl. hierzu den Beitrag von Elzer in diesem Blog).
  • Baumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum sind durch Individualansprüche u. a. auf Barrierefreiheit und E-Mobilität in weitaus größerem Maße zulässig als bisher.
  • Das gerichtliche Verfahren, insbesondere für Anfechtungsklagen, verändert sich grundlegend.

Wer auf einen reibungslosen Einstieg in das neue Recht angewiesen ist, dem sei der brandaktuelle Titel der beiden Autoren Arnold Lehmann-Richter und Felix Wobst ans Herz gelegt. Die Autoren haben intensiv an der Entstehung des neuen Rechts mitgearbeitet und geben aus erster Hand die für die künftige WEG-Praxis wichtigen Hilfestellungen. Das bei einem Preis von 49,80 € mit 550 Seiten ausgesprochen gehaltvolle Buch (das Inhaltsverzeichnis kann hier kostenlos heruntergeladen werden) ist soeben im Verlag Otto Schmidt erschienen und steht damit gerade noch rechtzeitig vor Inkrafttreten des neuen Rechts zur Verfügung. Das Werk ist natürlich bequem Online zu beziehen: Versandkostenfrei hier bestellen

Gewerberaummiete: Mietzahlungspflichten in Corona-Zeiten – Erste Gerichtsentscheidungen und gerichtliche Tendenzen

Während der corona-bedingten behördlichen Schließungsanordnungen von Einzelhandelsgeschäften in den Monaten März bis April 2020 haben viele Einzelhandelsmieter ihre Mietzahlungen eingestellt und die Zahlungen (teilweise) erst wieder mit den Ladenöffnungen aufgenommen. Für die betroffenen Monate sind vielfach Einigungen zwischen Vermietern und Mietern zustande gekommen, die von (teilweisen) Mietreduzierungen, Vereinbarungen von reinen Umsatzmieten bis hin zu Stundungsvereinbarungen reichen. Nicht selten haben Vermieter aber auch den Klageweg beschritten und die Zahlungsrückstände gerichtlich geltend gemacht. Nunmehr liegen mit dem Urteil des Landgerichts Zweibrücken (Az.: HK O 18/20) und des Landgerichts Heidelberg (Az.: 5 O 66/20) erste gerichtliche Entscheidungen vor und es zeichnet sich – auch in anderen Klageverfahren – in der (erstinstanzlichen) Rechtsprechung folgende Tendenz ab:

 I. Kein Mangel des Mietgegenstandes (§ 536 Abs. 1 BGB) wegen der Corona-bedingten Geschäftsschließungen

Minderungsrechte des Mieters (§ 536 Abs. 1 BGB) wegen der Corona-bedingten Geschäftsschließungen wurden bislang in der Rechtsprechung durchweg verneint. Denn die Geschäftsschließungen, die auf den behördlichen Beschränkungen und gesetzgeberischen Maßnahmen beruhten, stehen nicht unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand und der Lage des Mietobjekts im Zusammenhang. Wörtlich heißt es insoweit im Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 30.07.2020 (Az.: 5 O 66/20):

„Die hoheitlichen Maßnahmen dienen im vorliegenden Fall dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren. Sie knüpfen nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache an, sondern allein an den Betrieb des jeweiligen Mieters. Die Maßnahmen stellen dabei nicht auf die konkreten baulichen Gegebenheiten ab, sondern allgemein auf die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dies Infektionen begünstigt. Daran ändert auch nichts, dass die streitgegenständlichen Gewerberäume im vorliegenden Fall zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs vermietet wurden und sich aus der Kurzbaubeschreibung ergibt, dass es sich um ein kik-Ladenlokal handeln sollte. Denn die Mietsache ist zu diesem Zweck weiterhin in gleicher Weise geeignet, wie vor dem hoheitlichen Einschreiten. Untersagt ist lediglich dessen Betrieb und zwar losgelöst von Fragen der Beschaffenheit oder Lage der Mietsache. Dieser Umstand fällt jedoch in den Risikobereich des Mieters.“

II. Kein Entfallen der Mietzahlungspflicht wegen Unmöglichkeit (§ 326 Abs. 1 BGB)

Auch ein Entfallen der Mietzahlungspflicht wegen Unmöglichkeit (§ 326 Abs. 1 BGB) wird mit dem Argument verneint, dass der Vermieter seiner Leistungspflicht (Zurverfügungstellung der Mieträume) auch dann nachgekommen ist, wenn der Mieter die Räumlichkeiten faktisch wegen der behördlichen Schließungsanordnungen nicht als Verkaufsflächen nutzen konnte. Hierzu äußert sich das Landgericht Heidelberg wie folgt:

„Der Vermieter muss dem Mieter nur eine Gebrauchsmöglichkeit verschaffen. Immer wenn der Mieter die Sache nicht gebrauchen kann, weil sie selbst nicht nutzungstauglich ist, geht der Vermieter nach § 326 Abs. 2 oder § 536 BGB seines Anspruchs auf die Miete verlustig. Betrifft die Störung dagegen die Nutzungstätigkeit des Mieters, bleibt dieser zur Mietzahlung verpflichtet. Dies gilt nicht nur, wenn ihn der Umstand ganz individuell an der Nutzung der Sache hindert, sondern auch, wenn ein beliebiger anderer Mieter von der Sache nicht den vertragsgemäßen Gebrauch machen könnte. Dies lässt die Verpflichtung zur Mietzahlung nicht entfallen, solange es nicht an der Sache selbst liegt, dass sie nicht bestimmungsgemäß verwendet werden kann.“

 III. Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)

 Verbleiben dem Mieter daher allein mögliche Vertragsanspruchssprüche wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).

1. Allgemeines/Voraussetzungen

Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann eine Vertragsanpassung verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten und einem (Vertrags-)Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Kommt eine Anpassung des Vertrags nicht in Betracht oder ist sie einem Teil nicht zumutbar, so kann bei Dauerschuldverhältnissen der benachteiligte Teil den Vertrag kündigen (§ 313 Abs. 3 Satz 2 BGB).

2. Schwerwiegende Störung

Gebrauchshindernisse, die nicht aus der Sphäre des Mieters stammen, können die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages schwerwiegend stören (Gerlach/Manzke, ZMR 2020, 551, 555; Jauernig/Teichmann, BGB, 17. Aufl. 2018, § 537, Rn. 2). Anerkannt ist das beispielsweise dann, wenn Eingriffe „von hoher Hand“, insbesondere Änderungen der Rechtslage, die Zwecke hinfällig werden lassen, die eine Partei mit dem Vertrag verfolgt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, § 313 Rz. 34). Die Geschäftsgrundlage ergibt sich regelmäßig aus dem vereinbarten Mietzweck. Aus diesem ergibt sich, dass der Mieter die angemieteten Räume für den angegebenen Geschäftsbetrieb nutzen will. Letzteres ist ihm aber durch die behördlichen Schließungsanordnungen nicht möglich gewesen. Auch hierzu hat sich das Landgericht Heidelberg ausdrücklich geäußert und ist folgender Auffassung:

„Zwar ist nicht im Hinblick auf die Nutzbarkeit der Mietsache von der Geschäftsgrundlage auszugehen, da diese maßgeblicher Vertragsinhalt ist, sondern vielmehr die Vorstellung der Parteien, dass keine zumindest bundesweit – tatsächlich aber weltweite – Pandemie auftritt, aufgrund derer flächendeckend Gewerbebetriebe geschlossen werden müssen. Diese ist auch schwerwiegend gestört, da die Nutzbarkeit der Mietsache – jedenfalls vorübergehend – vollständig entfallen ist. Es handelt sich damit um eine zu berücksichtigende Zweckstörung, die eine Fallgruppe des § 313 BGB darstellt. Die Leistung des Vermieters ist für den Mieter aufgrund der Unmöglichkeit, das Gewerbe in dem hierfür angemieteten Objekt betreiben, sinnlos geworden.“

3. Zumutbarkeit unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikoverteilung

Weitere Voraussetzung für eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage ist aber, dass die Störung der Geschäftsgrundlage durch das Betriebsverbot das Festhalten am unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikoverteilung (für den Mieter) unzumutbar macht.

 

a) Vereinbarung einer Umsatzmiete (Landgericht Heidelberg, Az.: 5 O 66/12)

Mit dem Landgericht Heidelberg führt allein die Vereinbarung einer Mindestmiete mit zusätzlicher Umsatzmiete ab einem gewissen Umsatz nicht zur Unzumutbarkeit. Vielmehr lässt sich aus einer solchen Vereinbarung lediglich der Wille zu einer Beteiligung ab einem bestimmten Umsatz ablesen, also bei einem besonderen Erfolg der Mieterin. Gerade die Vereinbarung einer Mindestmiete zeigt jedoch, dass der Vermieter an einem gänzlichen Misserfolg nicht partizipieren wollte, wobei den Parteien hierbei die Möglichkeit schwankender Umsätze sichtlich bewusst war.

 

b) Reine Umsatzrückgänge des Mieters

Vielfach werden für die Unzumutbarkeit des Fortbestandes der Mietzahlungspflicht Umsatzrückgänge (in den betroffenen Monaten) angeführt. „Reine“ Umsatzrückgänge für die betroffenen Monate genügen nach der Rechtsprechung allerdings grundsätzlich nicht. Erforderlich sei vielmehr, dass es zu einer existenzbedrohenden Situation des Mieters kommt, für die der Mieter darlegungs- und beweisbelastet ist. Zudem sind in diesem Zusammenhang vom Mieter anderweitig empfangene Leistungen (z.B. Kurzarbeitergeld, staatliche Förderprogramme, Rücklagen und sonstige Vorteile) gegenüberzustellen. Auch hierzu hat sich das Landgericht Heidelberg ausdrücklich geäußert:

„Zwar mag ein filialbezogener netto Umsatzrückgang von 45,42 % bzw. 39,2 % bzw. 39,24 % im März bzw. April 2020 bzw. ein betriebsbezogener netto Umsatzverlust von 5-7 Millionen Euro pro Tag – der jedoch nicht näher dargelegt ist – zunächst erheblich erscheinen. Allerdings wurden diesem netto Umsatzrückgang weder die ersparten Mitarbeiterkosten durch die Inanspruchnahme von Kurzarbeit, noch etwaige Rücklagen gegenübergestellt.“

IV. Ausblick

Nach den bisherigen Tendenzen in der Rechtsprechung scheidet eine Minderung der Miete (§ 536 Abs. 1 BGB) wegen einer Corona-bedingten Schließungsanordnung aus, da es an einem Mangel des Mietgegenstandes fehlt.

Allenfalls kommen Vertragsanpassungsansprüche unter den Voraussetzungen des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) in Betracht. Im Schrifttum und zum Teil auch in der gerichtlichen Praxis wird insoweit davon ausgegangen, dass die Miete grundsätzlich zu halbieren ist (vgl. Gerlach/Manzke, ZMR März 2020, 551, 556), wobei aber auch zu berücksichtigen ist, ob und in welcher Höhe der Mieter staatliche oder sonstige finanzielle Hilfen erhalten hat oder noch erhalten wird. Nach derzeitiger gerichtlicher Praxis werden Vertragsanpassungsansprüche lediglich dann als gegeben angesehen, wenn der Mieter trotz sonstiger „Beihilfen“ durch die Corona-bedingten Ladenschließungen in eine existenzbedrohende Situation geraten ist.

Ob sich diese Tendenz in der Rechtsprechung festigen wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls sind Vermieter und Mieter gut beraten, sich außergerichtlich zu einigen. Denn zumeist erfolgt auch in Klageverfahren eine vergleichsweise Einigung zwischen den Parteien. Diese ist dann nur teurer, weil sie die Einigung über die Gerichts- und Anwaltskosten mit umfasst.

Trittschallschutz auf mangelhaftem Gemeinschaftseigentum

Der BGH hat sich jüngst wieder mit dem Trittschallschutz nach Bodenbelagswechsel befasst, diesmal in Kombination mit mangelhaftem Gemeinschaftseigentum (BGH, Urt. v. 26.6.2020 – V ZR 173/19).

Das Problem: Zwei Eigentümer einer 1995 in Wohnungseigentum aufgeteilten Liegenschaft streiten um Vorkehrungen gegen Trittschall. Der Erwerber des erst 1995 zu Wohnraum umgebauten Dachgeschosses, in dem Teppichboden verlegt war, ersetzte diesen 2008 ohne Eingriff in das Gemeinschaftseigentum durch Fliesen. Seitdem klagt der Eigentümer der darunter liegenden Wohnung zu Recht über Belästigung durch Trittschall. Nach sachverständiger Feststellung im Prozess wird der Trittschallpegel nach der DIN 4109 (53 dB) um mindestens 13 dB verfehlt, während durch Verlegung von Teppichboden die DIN 4109 eingehalten werden könnte. Allerdings ist unstreitig, dass auch das Gemeinschaftseigentum nicht den Anforderungen der DIN 4109 entspricht. Der Eigentümer der Wohnung im Obergeschoss begehrte im Hilfsantrag, den Eigentümer der Dachgeschosswohnung zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen einen Normtrittschallpegel von mindestens 53 dB herzustellen. Mit diesem Antrag hatte die Klage in der Berufungsinstanz Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision.

Die Entscheidung des BGH: Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Ersetzt ein Wohnungseigentümer den Bodenbelag (hier: Teppichboden) durch einen trittschallintensiveren (hier: Fliesen) so entsteht dem Eigentümer der darunter liegenden Wohnung bei höherer Trittschallbelastung ein Nachteil gemäß §§ 14 Nr. 1; 15 Abs. 3 WEG, dessen Beseitigung er nach § 1004 Abs. 1 BGB verlangen kann. Denn der Eigentümer der darüber liegenden Wohnung hat durch die Auswechselung des Bodenbelags in einer Weise von seinem Sondereigentum Gebrauch gemacht, die den Kläger über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt. Der Trittschallschutz der Wohnungseigentümer untereinander richtet sich nach der DIN 4109, wenn ein vorhandener Bodenbelag ohne Eingriff in Estrich und Geschossdecke ersetzt wird. An der Pflicht zu seiner Einhaltung ändert sich nichts dadurch, dass die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums defekt ist. Zwar soll der Trittschallschutz vorrangig durch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile gewährleistet werden. Für die Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander, die sich bei einer Änderung des Bodenbelages ergeben, lässt sich hieraus nichts herleiten. Anderes gilt nur, wenn dem Wohnungseigentümer bei einer mangelhaften Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums keine zumutbare Abhilfemöglichkeit ergibt.

Die Konsequenzen für die Praxis: Die Entscheidung entspricht der h. M. Auch Eingriffe alleine in das Sondereigentum können eine Beeinträchtigung nach § 14 Nr. 1 WEG darstellen. Der durch zusätzlichen Trittschall beeinträchtigte Miteigentümer kann Abhilfe bis zur Wiedererreichung der ursprünglichen Dämmung verlangen, wenn gerade die Auswechselung des Bodenbelages zu einer Verschlechterung der Trittschalldämmung führt (OLG Düsseldorf ZMR 2008, 224), Dies gilt auch dann, wenn der im Gemeinschaftseigentum stehende Estrich gleichfalls mangelhaft ist (OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1594 = ZMR 2002, 70; ZMR 2008, 224; OLG München ZMR 2007, 811). Die Entscheidung dürfte auch nach dem WEMoG nicht anders ergehen, da auch nach Übergang der Beseitigungsansprüche wegen Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums (vgl. hierzu BT-Drucks. 19/18791, S. 44) jedem Wohnungseigentümer das Recht bleibt, Beeinträchtigungen seines Sondereigentums abzuwehren.

Ein rein praktischer Hinweis: Die vom Miteigentümer begehrte erhöhte Trittschalldämmung hätte man ohne weiteres durch entsprechende Dämmmatten bewerkstelligen können. Diese erhöhen die Kosten pro Quadratmeter Fußbodenaufbau um ca. 5 €, liegen also bei einem Bruchteil der Kosten des vorliegenden Prozesses. Überdies bleibt der Hausfriede gewahrt.

 

Corona-Eindämmungsverordnungen: Ist die 800 m²-Grenze verfassungswidrig?

Innerhalb von nur knapp einer Woche nach Inkrafttreten der jüngsten „Corona-Eindämmungsverordnungen“ der Bundesländer liegen bereits verschiedene Gerichtsentscheidungen zur (Nicht-)Verfassungsgemäßheit der 800 m²-Grenze für Einzelhandelsgeschäfte vor, die Einzelhändler zum Betrieb/Nichtbetrieb ihrer Ladenflächen berechtigen. Die bereits befürchtete „Rechtszersplitterung“ in den Bundesländern ist nunmehr auch „Alltag“ bei den Verwaltungsgerichten. Denn diese sind sich uneins bei der Beantwortung der Frage, ob die 800 m²-Grenze verfassungswidrig ist oder nicht.

1. Verwaltungsgericht Hamburg, Bayerischer Verwaltungsgerichtshof und Oberverwaltungsgericht Saarlouis einerseits

Das Verwaltungsgericht Hamburg und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof halten die 800 m²-Grenze für verfassungswidrig. So hat das Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 21.04.2020 (Az.: 3 E 1675/20) konstatiert, dass Mieter von Mietflächen, die größer als 800 m² sind, entgegen den Vorgaben in der Hamburger Rechtsverordnung (wieder) öffnen dürfen. Das Verwaltungsgericht Hamburg bejaht insoweit einen Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG und einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG). Ebenso wie das Verwaltungsgericht Hamburg hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27.04.2020 (Az.: 20 NE 20.793) einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend die bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung stattgegeben und klargestellt, dass die Verkaufsflächenregelung von 800 m² nicht dem Gleichheitssatz entspricht. Mit gleicher Argumentation hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts Saarlouis in seinem Beschluss vom 27.04.2020 (Az.: 2 B 143/20) im Eilverfahren entschieden, dass Einrichtungs- und Möbelhäuser unter Gleichheitsgesichtspunkten nach der Corona-Verordnung nicht als auf eine Verkaufsfläche von 800 m² begrenzte Geschäfte des Einzelhandels zu behandeln seien.

2. Oberverwaltungsgericht Hamburg und Oberverwaltungsgericht Saarlouis sowie Oberverwaltungsgericht Lüneburg andererseits

Demgegenüber entschied das Oberverwaltungsgericht Saarlouis in einem Eilverfahren mit Beschluss vom 24.04.2020 (Az.: 2 B 122/20), dass die Kaufhäuser der Galeria Karstadt Kaufhof im Saarland weiterhin geschlossen bleiben müssen. Die Begrenzung der zulässigen Verkaufsfläche auf 800 m² sei nach Auffassung des Oberverwaltungsgericht Saarlouis nicht zu beanstanden, da der Verordnungsgeber die Größe der Verkaufsfläche als Maßstab für den Käuferzustrom zugrunde gelegt habe und großflächige Einzelhandelsbetriebe, die aufgrund ihrer Größe regelmäßig ein breites Warensortiment oft zu günstigen Preisen anbieten und präsentieren könnten, als Einkaufsort besonders attraktiv seien. Im Einklang damit hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg in einer Zwischenverfügung vom 22.04.2020 (Az.: 5 Bs 64/20) der Beschwerde der Stadt Hamburg stattgegeben und hat – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Hamburg (siehe zuvor unter 1.) – entschieden, dass die Betreiberin eines Sportwarengeschäfts in der Hamburger Innenstadt dieses vorläufig – zunächst befristet bis zum 30.04.2020 – nur mit einer maximalen Verkaufsfläche von 800 m² betreiben darf. Auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg ist in seinem Beschluss vom 27.04.2020 (Az.: 13 MN 98/20) der Auffassung, dass die Flächenbeschränkung von 800 m² eine notwendige infektionsschutzrechtliche Maßnahme darstellt und hat ein Verkaufsverbot für Geschäfte über 800 m² Verkaufsfläche bestätigt. Ein anderes solle indes nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Saarlouis in seinem Beschluss vom 24.04.2020 (Az.: 2 B 122/20) für Möbel- und Einrichtungshäuser gelten.

3. Oberverwaltungsgericht Münster

Das Oberverwaltungsgericht Münster will in dieser Woche über die 800 m² Regel in der nordrheinwestfälischen Verordnung entscheiden.

4. Streitgegenständliche Sachverhalte und gerichtliche Entscheidungen

Die Sachverhalte in den verschiedenen Fällen waren jeweils nahezu gleich gelagert. Die Antragsteller sind jeweils im Einzelhandel tätig und betreiben Einzelhandelsgeschäfte, die die Grenze von 800 m² überschreiten. Sie wandten sich – im Eilrechtsschutz – gegen die behördlichen Betriebsuntersagungen und machten geltend, dass die andauernde Betriebsschließung existenzgefährdend sei.

Das Verwaltungsgericht Hamburg und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sehen insoweit u.a. einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die Freistellung von Buchhandlungen und Fahrradhändlern etc. ohne Begrenzung der Verkaufsfläche sei aus infektionsschutzrechtlicher Sicht sachlich nicht gerechtfertigt. Mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz sei zudem zu beanstanden, dass nach dem Wortlaut der Verordnung (in Bayern) im Fall der Ladenöffnung nur sonstige Einzelhandelsbetriebe eine Begrenzung der Kundenzahl auf einen Kunden je 20 m² sicherstellen müssen, nicht aber die übrigen Einzelhändler (so der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, a.a.O.). Das Verwaltungsgericht Hamburg bejaht darüber hinaus einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG. Denn die Differenzierung zwischen Verkaufsstellen des Einzelhandels mit einer Verkaufsfläche bis 800 m², die öffnen dürfen, und größeren Verkaufsstellen, die lediglich in einem bis zu dieser Größe reduzierten Umfang öffnen dürfen, sei nicht geeignet, die hiermit verfolgten Zwecke umzusetzen.

Während das Oberverwaltungsgericht Hamburg die Erfolgsaussichten der Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg (siehe zuvor unter 1.) für offen hält, ist nach Auffassung des Oberverwaltungsgericht Saarlouis (Az.: 2 B 122/20) eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht darin zu erblicken, dass in der Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 5 Nr. 1 bis 17 der Saarländischen Verordnung spezialisierte Einzelhandelsgeschäfte ohne Beschränkung der Verkaufsfläche öffnen dürften, branchenübergreifende Warenhäuser jedoch nicht. Denn diese Branchen seien mit Warenhäusern nicht zu vergleichen. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sei eine Reduzierung des Warenangebots durch eine Verkleinerung der Verkaufsfläche auf 800 m² auch nicht zu beanstanden.

5. „Großflächigkeit“ als geeignetes Abgrenzungskriterium?

Die Grenzmarke von 800 m² ist also in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung stark umstritten. Das zu Recht. Die 800 m² Grenze ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 24.11.2005, Az.: 4 C 8/05) entnommen, wonach Einzelhandelsbetriebe großflächig im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO sind, wenn sie eine Verkaufsfläche von 800 m² überschreiten. Das Merkmal der Großflächigkeit hat den Zweck, die Einzelhandelsbetriebe, auf die sich § 11 Abs. 3 BauNVO bezieht, von Vornherein abzugrenzen von kleineren Einzelhandelsbetrieben und Läden, die vor allem den Wohngebieten zugeordnet sind und für die die Zulässigkeit beschränkenden Regeln des § 11 Abs. 3 BauNVO nicht in Betracht kommen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 – 4 C 19.85 und 4 C 30.86). Die Grundvoraussetzung der Großflächigkeit für die Anwendung des § 11 Abs. 3 BauNVO hat daher auch die Funktion, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nicht großflächiger Einzelhandelsbetriebe nicht auch von der Frage abhängig zu machen, ob und inwieweit sie jeweils städtebaulich nachteilige Auswirkungen haben können. Mit dem Begriff der Großflächigkeit soll damit vornehmlich städtebaulichen Auswirkungen einer Bauleitplanung begegnet werden.

Ob sich diese Grenzmarke bei der Eindämmung und Bewältigung des SARS-CoV-2-Virus heranziehen lässt, ist daher mehr als fraglich. Vor dem Hintergrund, dass das Kriterium der 800 m²-Grenze einer geordneten Stadtentwicklungsplanung dient, kommt diesem Abgrenzungskriterium nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Hamburg ein infektionsschutzrechtlicher Aspekt unmittelbar nicht zu. Das Verwaltungsgericht Hamburg stellt insoweit auch auf „mildere“ Mittel ab, beispielsweise die Umsetzung des in den jeweiligen Eindämmungsverordnungen einzuhaltenden Mindestabstands von 1,5 m. Soweit das Verwaltungsgericht Hamburg richtigerweise insoweit auf eine Überwachung dieses Mindestabstands und darauf abstellt, dass Verstöße als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden können, stehen hier vornehmlich praktische Probleme der Umsetzung im Raume. Konkret geht es um Überwachungsmaßnahmen. Das gilt inzwischen auch für die seit Anfang dieser Woche geltende Maskenpflicht. Auch hier steht nicht selten in Frage, wer für die Überwachung der jeweiligen Pflicht Sorge zu tragen hat. Zum Teil finden sich in den jeweiligen Pressemitteilungen der Landesregierungen hierzu Vorgaben, dass „die Beachtung der Regelungen von den Geschäftsinhabern innerhalb ihrer Geschäfte genauso wie die bisherigen Vorgaben zu Mindestabständen, Personenbegrenzung etc. sicherzustellen sind“ (vgl. https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/landesregierung-fuehrt-maskenpflicht-ein).

In der Tat erscheint es naheliegender, als mildere Mittel auf eine exaktere Umsetzung der jeweiligen (weiteren) Eindämmungsmaßnahmen, wie die Einhaltung des Mindestabstands, der Maskenpflicht etc. abzustellen, als „pauschal“ auf die 800 m²-Grenze der Großflächigkeit. Die praktischen Umsetzungsprobleme stehen dem nicht entgegen, da hier – wie zuvor erwähnt – auch die jeweiligen Geschäftsinhaber in der Pflicht stehen. Hinzu kommt folgende Überlegung: Es erscheint nicht nachvollziehbar, warum beispielsweise ein „Single-Tenant-Mieter“, der ein Einzelhandelsgeschäft in einem Gebäude betreibt, welches die Grenze von 800 m² überschreitet, sein Ladenlokal nicht öffnen kann, während kleinere Mietflächen im Innenstadtbereich, bei denen die Mindestabstandsregelungen etc. zum Teil viel schwieriger einzuhalten sind, ihrerseits in die Ausnahmetatbestände der jeweiligen Landesverordnungen fallen. Sofern in der Politik zur Stütze ausdrücklich darauf abgestellt wird, dass hier wirtschaftliche Interessen (namentlich bei den Möbelhäusern) auf dem Spiel stehen (so NRW Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann), so liegen exakt die gleichen wirtschaftlichen Interessen bei denjenigen Unternehmen vor, die ihre Einzelhandelsflächen nicht betreiben dürfen. Dieses Kriterium ist also ungeeignet, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

6. Ausblick

Interessant ist, dass sowohl der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als auch das Oberverwaltungsgericht Hamburg  jeweils auf die „Kurzfristigkeit“ der Geltungsdauer der Einschränkungen in den einschlägigen Landesverordnungen (3. Mai 2020) Bezug genommen und – so der Bayerische Verwaltungsgerichtshof – deshalb davon abgesehen haben, die Bestimmungen der Corona-Eindämmungsverordnungen außer Vollzug zu setzen. Das dürfte dahin zu werten sein, dass der jeweilige (Landes-)Gesetzgeber/Verordnungsgeber „nachzubessern“ hat. Von daher bleibt die weitere Entwicklung – wie in den vergangenen Wochen – spannend und es dürfte zu weiteren Fortschreibungen kommen. Hierbei bleibt zu hoffen, dass – wie bei den damaligen Schließungen („Lockdown“) – die Bundesländer (wieder) an einem Strang ziehen und nicht – wie momentan – jedes Bundesland seinen eigenen Weg geht. Letzteres führt in der (Rechts-)Praxis nämlich zu großen Verunsicherungen und leider auch zu Ungleichbehandlungen, wie es die Gerichte bislang auch deutlich aufgezeigt haben.

Anm. der Red.: Einen Überblick von Lützenkirchen zum Thema „Corona und Mietrecht“ erhalten MietRB-Abonnenten unter diesem Link.

Das Corona-Moratorium im Mietrecht – Steine statt Brot?

Beherzt und entschlossen haben Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat ein Maßnahmenpaket zur Abmilderung der katastrophalen Folgen der Corona-Pandemie auf den Weg gebracht. Die Regeln treten am 1. April 2020 in Kraft. Enthalten ist auch ein Mietkündigungsmoratorium: wer coronabedingt seine Miete in dem Zeitraum vom 1.4.2020 bis zum 30.6.2020 nicht zahlen kann, muss deswegen zahlungsverzugsbedingte Kündigungen bis zum 30. Juni 2022 nicht fürchten.

Dem Corona-Notpaket werden bereits handwerkliche Fehler attestiert (vgl. Spiegel Online Wirtschaft vom 27.3.2020 – Interview mit Professor Dr. Markus Artz).

Dass der Gesetzgeber schnell reagiert hat, ist so gut wie notwendig. Denn coronabedingt soll kein Wohnungsmieter seine Wohnung verlieren müssen und kein Gewerbemieter bei „Nullumsatz“ wegen erdrückender Mietforderungen in Insolvenz gehen. Dass bei einem einmalig schnellen Handeln durch sämtliche Instanzen des Gesetzgebungsverfahrens in nur einer Woche dogmatische Schwächen auftreten, ist sicher nachvollziehbar – und verzeihlich. Der Gesetzgeber hat aber etwas völlig überflüssiges und im Ergebnis wirkungsloses geschaffen, dass in den Medien zu allem Unglück auch noch zu der Aussage verballhornt wird, Mieter müssten nun ab April überhaupt keine Miete mehr bezahlen. Das ist völliger Unsinn und vom Gesetzgeber auch keinesfalls gewollt.

Selbstverständlich werden Mieten auch in dieser Zeit wie gewohnt fällig und sind zu bedienen, im Verzugsfalle auch mit Verzugszinsen. Auch Zahlungsklagen bleiben uneingeschränkt möglich, wenn man von den coronabedingten Behinderungen der Justiz einmal absieht. Nur die Kündigung wegen der Mietaußenstände wird um zwei Jahre „vertagt“, damit auch eine darauf gegründete Räumungsklage. Dabei wäre all das überhaupt nicht nötig gewesen: Denn bekanntlich setzt ein Zahlungsverzug im Gegensatz zum eingetretenen Zahlungsrückstand ein Verschulden des Schuldners daran voraus. Dem steht es gleich, wenn ihm ein Verschulden Dritter zugeordnet werden muss (vertreten müssen; § 286 Abs. 4 BGB).

Kann der Gewerbemieter dafür, dass coronabedingt zwingend notwendige behördliche Betriebsverbote mit Nutzungsuntersagung der Mieträume erlassen werden müssen? Trägt er ein Verschulden daran, wenn ihm seine Kunden wegen behördlicher Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote mit entsprechendem Umsatzrückgang ausbleiben? Kann er dafür, wenn Zulieferbetriebe nicht mehr funktionieren? Und vor allem: ist es ihm abgesehen von der nur zu geißelnden Teilnahme an „Corona Partys“ anzulasten, wenn er selbst infiziert wird und erkrankt? Natürlich nicht! Von einem verzugsbegründenden „Vertretenmüssen“ kann dann aber auch keine Rede sein. Eine Kündigung hätte in Coronafällen also schon deshalb überhaupt nicht mit Erfolg ausgesprochen werden können.

Alle anderen Konstellationen thematisiert das neue gesetzliche Moratorium nicht (vgl. hierzu den Beitrag von Lützenkirchen im Beratermodul Miet- und WEG-Recht). Zu Recht nicht! Wer also ohnehin schon bei den Mietverbindlichkeiten „auf lau machte“ und /oder „auf Zeit spielte“, der soll jetzt gerade nicht belohnt werden – und wird es auch nicht! Denn in all diesen Fällen bleiben zahlungsverzugsbedingte Kündigungen natürlich möglich. Nur muss eben nicht nur ein Mietaußenstand, sondern eben ein Mietzahlungsverzug eingetreten sein. „Corona“ im Mietrecht wäre  also durchaus ohne gesetzgeberische Bemühungen im Griff zu halten gewesen. Dogmatisch hätte es eines Kündigungsmoratoriums nicht bedurft.

Also nur Aktionismus? Soweit sollte man in seiner eigenen Bewertung in Zeiten der Ausnahmesituation auch nicht gehen. Der Gesetzgeber beabsichtigt vor allem eine Appellfunktion. Und die hat er erhalten – allerdings durch bisweilen verantwortungslos handelnde einzelne Medien in die völlig falsche Richtung!

Zumindest die Medien müssen sich sehr viel verantwortungsvoller verhalten und sich mit reißerischen Überschriften zurücknehmen. Fake News sind wirklich das allerletzte, was wir jetzt noch brauchen können. Als ob die Menschen nicht genug verunsichert wären! Als ob wir alle nicht schon genug Probleme hätten! Dieses ewige gegeneinander hetzen gesellschaftlicher Gruppen – diese schon vor „Corona“ mit immer stärkerer ideologischer Wucht betriebene Lagerbildung zwischen Vermietern und Mietern muss endlich ein Ende finden! Denn dafür ist jetzt wirklich nicht mehr die Zeit!

Verwaltung von Wohnungseigentum in Zeiten der „Corona“-Pandemie

I. Einführung

Zentraler Ort für Entscheidungen der Wohnungseigentümer ist die Eigentümerversammlung, die in der Regel in der ersten Jahreshälfte anberaumt wird. Die Einberufung von Eigentümerversammlung ist derzeit allerdings selbst in sehr kleinen Eigentümergemeinschaften aufgrund ordnungsbehördlicher Ansammlungsverbote nicht mehr zulässig. „Virtuelle“ Eigentümerversammlungen, die technisch als Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden können, sind im WEG nicht vorgesehen. Als Alternative bleibt die schriftliche Beschlussfassung gemäß § 23 Abs. 3 WEG, die aber Allstimmigkeit voraussetzt. Eine Eigentümerversammlung, bei der allein der Verwalter als Versammlungsleiter und zugleich als bevollmächtigter Vertreter von so vielen Wohnungseigentümern anwesend ist, so dass die Hälfte der Miteigentumsanteile, berechnet nach der im Grundbuch eingetragenen Größe dieser Anteile vertreten ist (§ 25 Abs. 3 WEG), erscheint vor dem Hintergrund der unentziehbaren Mitwirkungsrechte der einzelnen Wohnungseigentümer regelmäßig nicht als empfehlenswert, wo Wohnungseigentümer an der Versammlung teilnehmen möchten, aber aufgrund der öffentlich-rechtlichen Verbote nicht teilnehmen dürfen; dafür spricht auch, dass eine Durchführung von Versammlungen ohne physische Präsenz anders als bei Genossenschaften im Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nicht vorgesehen worden ist.

II. Überblick über die Rechtslage

Nach derzeit geltendem Recht, das gleichsam nebenbei gerade in der Krise grundlegend geändert werden soll (vgl. den Regierungsentwurf vom 23.03.2020 für ein Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG); abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/WEMoG.html), muss der Verwalter seine in § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WEG in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG geregelte Notkompetenz nutzbar machen, wo vorrangige Regelungen in der Gemeinschaftsordnung oder im Verwaltervertrag fehlen, will er die Verwaltung der Wohnungseigentumsanlage vorläufig ohne Eigentümerbeschluss weiterführen.
Weil die bestehenden Regelungen nicht ausreichend sein können und sich in einer Krise vergleichbaren Ausmaßes noch nicht bewähren mussten, sieht das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pan-demie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 25.03.2020 (BT-DrS 19/18110) in Art. 2 als § 6 des Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie – gemäß Art. 6 Abs. 2 bis zum 31.12.2021 geltend – vor:

§ 6 Wohnungseigentümergemeinschaften
(1) Der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bleibt bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt.
(2) Der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.

III. Einzelfragen

Was bedeutet das rechtlich für die Praxis der WEG-Verwaltung?

1. Verwaltungsverhältnis

Der Verwalter bleibt grundsätzlich bis 31.12.2021 im Amt, auch wenn sein Bestellungszeitraum vor dem 31.12.2021 enden würde. Das gilt jedenfalls solange, bis er – regelmäßig durch Eigentümerbeschluss – abberufen oder ein neuer Verwalter bestellt wird. Damit bleiben Wohnungseigentümergemeinschaften auch dann handlungsfähig, wenn ein neuer Verwalter vorübergehend nicht bestellt werden kann. Aus diesem Grund ist auch die damit einhergehende Durchbrechung der Obergrenzen für die Bestellungszeiträume des § 26 Abs. 1 S. 2 WEG vertretbar.
Eine gesetzliche Regelung zur Verlängerung des Verwaltervertrags fehlt. Eine ergänzende Vertragsauslegung wird für den Einzelfall anhand der bisherigen Regelungen klären müssen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie den Fall einer Verlängerung des Bestellungszeitraums bedacht hätten. Im Einzelfall mag danach der Vertrag zu den bisherigen Konditionen weiterlaufen, wenn das Honorar für den (langen) Bestellungszeitraum fest vereinbart war; wo eine alljährliche Honorarerhöhung vorgesehen war, kann diese im Einzelfall fortgeschrieben werden.
Der Verwalter seinerseits kann sein Amt nur unter den Voraussetzungen der §§ 675, 671 Abs. 2 BGB niederlegen, also wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft „für die Besorgung des Geschäfts anderweit Fürsorge treffen kann, es sei denn, dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt“. „Anderweitige Fürsorge“ durch Bestellung eines neuen Verwalters durch Eigentümerbeschluss wird praktisch kaum möglich sein, solange Eigentümerversammlungen aufgrund ordnungsbehördlicher Anordnungen nicht durchgeführt werden dürfen. Allerdings erscheint es nicht mehr undenkbar, dass gleichwohl ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt, etwa weil dem Verwalter aufgrund eigener schwerer Erkrankung bzw. der seiner Mitarbeiter die Erfüllung seiner Aufgabe nicht mehr möglich ist. Wenn der Verwalter eine natürliche Person ist, kann allerdings der Fall des § 673 S. 2 Halbsatz 2 BGB eintreten, dass bei Tod des Verwalters dessen Erbe die Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen hat, bis der Auftraggeber anderweit Fürsorge treffen kann, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden wäre.
Wenn beim Verwalter niemand mehr in der Lage ist, die Verwaltung zu führen, etwa weil alle Mitarbeiter (z.B. nach dem gemeinsamen Besuch einer Karnevalssitzung) in Quarantäne sind, bleiben die Wohnungseigentümer auf ihr Notverwaltungsrecht gemäß § 21 Abs. 2 WEG verwiesen. Die Wohnungseigentümer dürfen erwarten, dass der gewerbliche Verwalter dem Ausfall aller seiner Mitarbeiter durch eine geeignete Betriebsorganisation (Home-Office, Zwei-Schicht-Betrieb) entgegenwirkt.

2. Instandhaltung

Die laufenden Instandhaltungsmaßnahmen darf der Verwalter gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WEG veranlassen. Auch dringende Instandsetzungsmaßnahmen kann der Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG veranlassen, insbesondere die Umsetzung behördlicher Anordnungen, etwa die Sperrung von Spielplätzen oder anderen Flächen. Im öffentlichen Recht wird der Verwalter unter dem Gesichtspunkt der effizienten Gefahrenabwehr immer noch als verantwortlicher Zustandsstörer angesehen (vgl. dazu Dötsch, Die Ordnungsverfügung gegen den Wohnungseigentumsverwalter, NZM 2020, 121).
In diesen Fällen ist der Verwalter auch zur Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 WEG). Daneben ist der Verwalter gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 WEG berechtigt, Maßnahmen zu treffen, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines sonstigen Rechtsnachteils erforderlich sind.
Einer Beteiligung der Wohnungseigentümer durch den Verwalter bedarf es nicht. Eine Information der Wohnungseigentümer wird regelmäßig sinnvoll sein. Der Verwaltungsbeirat und seine Mitglieder haben keinerlei Notkompetenzen.

3. Wirtschaftspläne

Wirtschaftspläne bleiben bis 31.12.2021 wirksam, auch wo eine Fortgeltungsklausel nicht beschlossen worden ist. Damit bleiben die Wohnungseigentümer zur Zahlung der Hausgelder in bisheriger Höhe verpflichtet. Zugleich ist die Gefahr gebannt, dass die Finanzierung einer Wohnungseigentümergemeinschaft nicht mehr sichergestellt ist, wenn die Fortgeltung des Wirtschaftsplans nicht beschlossen worden ist. An der Pflicht zur Abrechnung gesondert für jedes Wirtschaftsjahr ändert sich nichts, auch wenn im Jahr 2020 keine Beschlussfassung über die Abrechnung mehr erfolgen könnte.
Eine Aussetzung oder Stunden von Hausgeldern sehen weder das WEG noch die aktuellen Maßnahmegesetze vor. Das für Mieter vorgesehene Moratorium des Art. 240 § 1 EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 25.03.2020 (BT-DrS 19/18110) gilt für das Verhältnis von Wohnungseigentümer zur Wohnungseigentümergemeinschaft nicht; auch die Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen des Art. 240 § 2 EGBGB gilt in diesem Verhältnis nicht, sondern trifft den Wohnungseigentümer / Teileigentümer im Verhältnis zu seinem Mieter / Pächter. Soweit der vermietende Wohnungs- bzw. Teileigentümer aufgrund von Miet- bzw. Pachtausfällen seine Finanzierung nicht aufbringen kann, mag er als Verbraucher im Einzelfall durch die Regelungen zum Darlehensrecht gemäß Art. 240 § 3 EGBGB geschützt sein.

4. Infektionsfälle

Bei Infektionsfällen in einer Wohnungseigentumsanlage ist der Verwalter gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c) DSGVO zur Erfüllung der sich aus § 16 Abs. 2 S. 2 und 3 Infektionsschutzgesetz ergebenden Pflichten berechtigt und verpflichtet, den Beauftragten der zuständigen Behörde und des Gesundheitsamtes das Grundstück, Räume, Anlagen, Einrichtungen sowie sonstige Gegenstände zugänglich zu machen und Auskünfte zu erteilen. Dass die Reinigungsfachkräfte zur gründlichen Reinigung von Treppengeländern usw. angehalten werden sollten, bedarf keiner Erwähnung. – Die öffentliche Nennung von Erkrankten käme zum Schutz der lebenswichtigen Interessen einer anderen natürlichen Person gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. d) DSGVO in Betracht, doch wird der Verwalter von einer Erkrankung kaum Kenntnis erhalten.

5. Informationsverhalten

Die allgemeine Information aller Wohnungseigentümer durch Aushänge, Brief oder E-Mail (bei verdecktem E-Mail-Verteiler [„bcc“]) ist unproblematisch zulässig. Die Vorgaben des Datenschutzes sind im Übrigen nicht gelockert.

IV. Ausblick

Die vorstehende Übersicht zeigt, dass die Zahlungsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund der fortbestehenden Beitragspflicht ihrer Mitglieder gesichert ist. Auch ihre Handlungsfähigkeit ist regelmäßig in ausreichendem Maße durch die Kompetenz des Verwalters für die laufende Instandhaltung und die dringende Instandsetzung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WEG gegeben. Bei einem der Situation angemessenen Verständnis der Regelung bedarf es deshalb einer umfassenden Ermächtigung des Verwalters gemäß § 27 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 WEG nicht, selbst wenn diese im Einzelfall noch erfolgen könnte.

Mietverhältnisse in Zeiten Coronas

Weitere Infos zum Thema Mietrecht und Corona finden MietRB-Abonnenten in ihrer Datenbank „Beratermodul Miet- und WEG-Recht“ unter diesem Link

Der pandemischen Ausbreitung von COVID-19 kann – jedenfalls bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffes oder wirkungsvoller Medikation der Erkrankung – die Gesellschaft letzten Endes nur Konzepte sozialer Distanzierung entgegensetzen. Ziel hierbei ist eine zeitliche Streckung der Infektionsausbreitung, um das Gesundheitssystem handlungsfähig zu erhalten, Mittel sind vor allem (lokale) Ausgangssperren sowie Ansammlungs- und Kontaktverbote. Diese Konzepte sind alternativlos, führen aber zwangsläufig zu massiven ökonomischen Verwerfungen und in der Folge zu extremen Einkommensverlusten bei den durch die Maßnahmen direkt oder indirekt Betroffenen.

Von Seiten der Politik wird einerseits versucht, dem durch ein historisch einmaliges Paket an Unterstützungsleistungen für mehr oder weniger alle Sparten der Wirtschaft entgegenzuwirken. Andererseits ist erkannt worden, das schon sehr bald existenziell wichtige Dauerschuldverhältnisse von Auflösung bedroht sein werden, weil, bedingt durch solche Einkommensverluste, eine der Parteien ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.

Um zu verhindern, dass durch solche Vertragsimplosionen irreversible Folgen eintreten, hat der Bundesrat am 27.3.2020 das ihm am 26.3. vom Bundestag zugeleitete Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz-und Strafverfahrensrecht passieren lassen. Das Gesetz ist im Anschluss daran am gleichen Tag im BGBl. verkündet worden.

Betroffen hierdurch sind auch Mietverhältnisse, die bekanntlich aus wichtigem Grund bereits dann außerordentlich fristlos gekündigt werden können, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht (§ 543 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 BGB).

Diese Möglichkeiten zur außerordentlichen Kündigung werden durch das Gesetz für solche Mietschulden ausgesetzt, die aus dem Zeitraum vom 1.4.2020 bis 30.6.2020 datieren und für die der Mieter einen ursächlichen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie glaubhaft macht.

Über die außerordentliche Kündigung hinaus betreffen die Folgen von COVID-19 aber eine Vielzahl weiterer Punkte, die geeignet sind, das Mietverhältnis empfindlich zu stören und zu denen das Gesetz nichts sagt:

  • Kommen Mietminderungen wegen eines Mangels der Mietsache in Betracht, wenn z.B. ein gewerblicher Vermieter das Mietobjekt schließt oder seine Öffnungszeiten beschränkt?
  • Hat der Mieter womöglich ein Kündigungsrecht, wenn die Mietsache z.B. nicht mehr zugäglich ist?
  • Muss der Vermieter die technischen Voraussetzungen zur Einrichtung von Home-Office dulden oder gar ermöglichen?
  • Kommen Mietanpassungen nach § 313 BGB in Betracht?
  • Wann stehen dem Mieter Schadenersatzansprüche zu?
  • Welche Mitwirkungspflichten treffen die Vertragsparteien, um Coronaschäden so gering wie möglich zu halten?

Wer als Mietrechtler für die Beratung seiner Mandanten jetzt sichere Anworten auf diese Fragen benötigt, findet sie im brandaktuellen Beitrag von Lützenkirchen: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Mietverhältnisse.

Der Aufsatz wird im Aprilheft des MietRB erscheinen, steht Abonnenten wegen des dringenden Informationsbedarfs aber schon jetzt zum kostenlosen Abruf aus der Datenbank „Beratermodul Miet- und WEG-Recht“ unter diesem Link zur Verfügung.

Für Nichtabonnenten ist der Beitrag im Rahmen eines kostenlosen, vierwöchigen Datenbanktests ebenfalls unter diesem Link möglich.

Tipp: Wer als Miet- oder Wohnungseigentumsrechtler derzeit ins Homeoffice verbannt ist, sollte einen Test des Beratermoduls Miet- und WEG-Recht in jedem Fall in Betracht ziehen. Mit dieser Datenbank steht Ihnen für vier Wochen kostenlos alles zur Verfügung, was Sie für Ihre Arbeit benötigen:

Tsunami

Das BMJV hat am 13. Januar 2020 den Verbänden zur Anhörung einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEModG) versandt (siehe hier).

Dieser Entwurf ist unerwartet. Er ist maximal radikal. Er ist ein Tsunami. Er ist ­­brillant – echte Kunst. Wie heißt es nicht nur von den Sportfreunden Stiller, sondern auch in der Muppet Show von Kermit: „Applaus, Applaus“!

Soweit auf den ersten Blick erkennbar, werden unter der natürlich nicht zwingenden Prämisse, dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums vollständig über die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu organisieren ist (die Vertretung der Wohnungseigentümer durch den Verwalter entfällt dabei vollständig), sämtliche bekannten Friktionen des heutigen WEG widerspruchsfrei und höchst elegant gelöst. Die Änderungen des WEG 2007, angesichts des WEModG wie biederes Handwerk anmutend, werden dabei an vielen Stellen schlicht verbrannt. Zu Recht! Und auch dem Versuch, auf das Überkommende einfach aufzubauen, wird grundsätzlich widerstanden.

Das bisherige WEG wird, käme das WEModG, nahezu vollständig atomisiert – bestimmt zur Freude der deutschen Buchverlage. Fast alles wäre deshalb neu zu durchdenken (Beispiele: Wer schuldet Schadensersatz bei der Verzögerung/Nichtdurchführung von Erhaltungsmaßnahmen? Kann man die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ohne § 27 Abs. 1, Abs. 2 WEG immer noch als Verbraucherin ansehen? Kann man der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das Wissen der Wohnungseigentümer zurechnen? Kann man noch Amateurverwalter als geeignet ansehen, auch wenn der Verwalter eigentlich nicht zwingend ist?).

Die bisherigen Bibliotheken sollten beim Inkrafttreten des WEModG zwar nicht verbrannt werden, wären aber nur noch teilweise brauchbar. Das fängt beim Sachenrecht an, geht über die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, den Gebrauch, die Umlageschlüssel, die Verwaltung, die Versammlung, den Verwalter, das Wirtschaftswesen zum Verfahren. Nichts bleibt unangetastet. Alles würde anders – und offensichtlich besser. Und grundsätzlich nichts wird vergessen. Durch § 47 WEG-E auch nicht die bisherigen Gemeinschaftsordnungen, die von diesem WEG nicht träumen konnten. Diese Bewertung gilt dabei auch für den gegenüber dem im Arbeitsgruppenbericht Angedachten wenigstens gut erträglichen § 556 Abs. 3 BGB-E. Selbst das GKG bekommt einen vertretbaren neuen § 49.

Natürlich würden Probleme nicht ausbleiben. Es wird voraussichtlich beispielsweise bei der Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 9b Abs. 2 WEG-E) zu Knacknüssen kommen, wenn es für einen Wohnungseigentümer gilt, gegen den Verwalter vorzugehen. Denn der vorgesehene Weg läuft bei § 46 Nr. 8 GmbHG nach meiner Beobachtung nicht reibungslos und nicht immer rund. Gegebenenfalls kommt vor diesem Hintergrund auch die actio pro socio ins WEG-Denken (§ 18 Abs. 3 WEG-E wird da eher nicht helfen). Vor allem werden die Kommentare bei der Zentralvorschrift für die Geschäftsführung in § 27 Abs. 1 WEG „liefern“ müssen. Der Begriff „gewöhnlich“ ist bei näherem Hinschauen wunderbar gewählt, aber natürlich maximal intransparent. Das ist aber bei der erkennbaren Muttervorschrift, dem § 116 Abs. 1 HGB, freilich auch nicht anders. Solche neuen Schlachtfelder sind im Übrigen nie zu vermeiden.

Natürlich hätte und kann man wie der Häwelmann oder des Fischers Frau noch mehr wollen. Musste etwa § 28 WEG karg ausfallen? Solche Kleinarbeit, wäre sie nötig, kann aber getrost späteren Reformen und neuen Generationen überlassen werden. Hier nur ein einziger Wunsch: Für § 23 Abs. 3 WEG ein vernünftiges Quorum! Das erlaubte APP-Abstimmungen. Alle Stimmen sind einfach zu viel.

Fazit: Das WEModG führte das WEG ins 21. Jahrhundert. Den Zöpfen, die es abschneidet, sollte keiner nachtrauern. Dem Entwurf ist daher zu wünschen, dass er die Anhörungen und das parlamentarische Procede ohne wirkliche Blessuren übersteht. Er hat es mehr als verdient. Da im Übrigen alles aufeinander aufbaut, kann nur vor jedem Eingriff gewarnt werden. Beispielsweise die maximale Privatautonomie, die er gewährt, sollte niemand antasten (auch nicht Karlsruhe). Und beim „jetzt“ sollte es nicht bleiben.

Die vertretbare Alternative (mit der ich selbst immer geliebäugelt habe und die gegebenenfalls dogmatisch Präferenzen hat), wäre grundsätzlich der Weg zurück ins Jahr 2005 gewesen. Man hätte also das Sachenrecht stärken und das Gesellschaftsrecht zurückdrängen müssen. Das WEModG, das den Wohnungseigentümer als Eigentümer auch des gemeinschaftlichen Eigentums hingegen bewusst schwächt (vor allem bei der Abwehr von Störungen und bei der Möglichkeit, den Verwalter zur Einhaltung seiner Pflichten anzuhalten), entspricht aber wohl der Realität und den Wünschen der Wohnungseigentümer und denen der Verwalter.

Was noch dringend, am besten noch in 2020 zu tun bleibt, ist ein Sachkundenachweis oder ein anderes Instrument, das verhindert, dass ungeeignete Personen das Amt des Verwalters ausfüllen. Amateure und andere ungeeignete Personen wären Gift für eine Akzeptanz von § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG-E und § 27 Abs. 1 WEG-E. Die ungeheure Macht, die diesen Bestimmungen innewohnt, muss von einem Fachverwalter gezügelt und beherrscht werden. Den Riegel des § 27 Abs. 1 WEG-E (= gewöhnlich kann hier sein, was es dort nicht ist), muss man schieben können!

Fundamental

Zur Notwendigkeit, eine Sprinkleranlage zu beheizen, meint das OLG Frankfurt, dass das Wasser stets zur Verfügung stehen müsse (OLG Frankfurt M. v. 10.01.2019 ‒  2 U 109/17, juris, dort: Randnr. 256):

„Feuer ist gefährlich. Da Wasser, ­ dies ist eine gerichtsbekannte Tatsache, ­ die spezifisch physikalische Eigenschaft aufweist, ab einer Temperatur von 0 °C zu frieren, sich gefrorenes Wasser ausdehnt, muss verhindert werden, dass das Wasser im Tank … friert.“

Wer hätte das gedacht: Wasser friert ab Null Grad und sich dehnt sich dann auch noch aus.