WEG-Reform: Die Vorschläge, Leitlinien und Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe

I. Überblick

Seit dem 27. August 2019, also seit vorgestern, liegt der Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes vor. Den Abschlussbericht findet man hier. Er umfasst insgesamt 121 Seiten. Nicht nur dies zeugt davon, dass man sehr große Sorgfalt und Ernsthaftigkeit hat walten lassen, das WEG nach Schwachstellen zu durchleuchten, diese auszumachen und aufzuzeigen, wie es besser wäre.

Der Bericht gliedert sich in insgesamt 17 Teile. Diese Gliederung erschwert allerdings das Verständnis. Vorschläge zu bestimmten Themen finden sich jedenfalls nicht an einer Stelle. Am Ende der Teile finden sich in der Regel grundsätzlich Vorschläge, nämlich etwas zu ändern – oder es nicht zu ändern. Vor diesen stehen die Erwägungen, die man angestellt, die Ideen, die man gutgeheißen oder verworfen hat. Das ist sehr gut.

Nur die Vorschläge, also die Essenz des Berichts, sollen und können im Folgenden kurz angesprochen werden. Dabei ist daran zu erinnern, dass die Idee, das Gesetz wirklich vollständig neu aufzusetzen, es also auch neu zu gliedern und es dabei „modern“ zu machen, ebenso abgelehnt wurde wie der Vorschlag, an einer Diskussion alle am Gesetz Interessierten in einem längeren Prozess zu beteiligen.

Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, erklärte zum Bericht in einer Pressemitteilung, die Bundesregierung werde „bauliche Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität erleichtern“ und „Um die Handlungsfähigkeit von Eigentümerversammlungen zu verbessern, wollen wir die Anforderungen an ihre Beschlussfähigkeit senken und die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Teilnahme nutzen.“ Da der Bericht sehr viel mehr bietet, mag jeder für sich entscheiden, ob die Ankündigung des BMJV, auf Grundlage des Abschlussberichts werde bis Ende des Jahres ein Gesetzentwurf erarbeitet werden, so zu lesen ist, dass man sich vor allem zwei Themen zuwenden wird. Der Bayerische Staatsminister der Justiz, Georg Eisenreich, erklärte im Übrigen, „sinnvolle Sanierungen und die Erweiterung von Wohnraum“ sollten „künftig leichter möglich sein“. Und: „Das WEG-Recht darf auch die Trendwende bei der privaten Elektromobilität nicht behindern“. Etwas pikant ist insoweit, dass die Länder Bayern und Baden-Württemberg bereits vor wenigen Wochen den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Wohnungseigentumsgesetzes zur Förderung der Elektromobilität (BR-Drs. 347/19) in den Bundesrat eingebracht hatten. Der dortige Vorschlag „dockt“ an das Bestehende an. Da der Abschlussbericht indes viele Ideen entwickelt, § 22 WEG zu ändern, wäre es, meinte man, die Änderungen sollen kommen, wohl besser gewesen, man hätte gewartet. Gegebenenfalls geht es aber eben auch nur um Symbolik.

II. Allgemeines

Der Bericht zeigt auf, dass man den Begriff des „werdenden Wohnungseigentümers“ regeln könnte, schlägt das aber nicht vor. Angesichts der parallel tagenden Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht (siehe dazu im Internet den Bericht), der dieses Ergebnis wichtig war, ein eher mageres Ergebnis.

Wenig überzeugend ist ferner der Vorschlag, auf besondere Regeln für Sondernutzungsrechte zu verzichten. Richtig ist es hingegen, in keiner Beziehung besondere Vorschriften für Mehrhausanlagen oder andere Wohnungseigentumsanlagen, etwa Doppel- oder Reihenhäuser, zu schaffen.

Aufgenommen wird die Idee, dass vereinbarungsändernde Beschlüsse der Eintragung im Grundbuch bedürfen sollen, um gegenüber Rechtsnachfolgern zu wirken. Das ist natürlich richtig, wenn auch über ein Jahrzehnt zu spät.

Der Vorschlag, die Informationsrechte der Wohnungseigentümer als Minderheitenrechte zu kodifizieren, ist unnötig. Probleme sind hier nicht bekannt. Die Möglichkeit der Veräußerungszustimmung nach § 12 WEG beizubehalten, ist ebenso richtig, wie letztlich unerwähnenswert. Der Vorschlag, dass schriftliche Beschlüsse in Textform gefasst werden können, ist hervorragend. Wir brauchen die Abstimmungs-App.

III. Sachenrecht

In 2018 war angeregt worden, die Vorschriften, wie Wohnungseigentum begründet wird (§§ 2 bis 4 und §§ 7 bis 9 WEG), zu überprüfen. Der Bericht erteilt dem eine Absage. Die Arbeitsgruppe sehe keine Alternative zu einer wertungsabhängigen Abgrenzung. Das ist aus Sicht der Wohnungseigentümer mehr als bedauerlich. Auch das so wichtige Zentralgrundbuch (siehe etwa v. Oefele/Schneider, DNotZ 2004, 741 und Schneider, ZMR 2005, 15), wird verworfen.

Der Vorschlag, die Sondereigentumsfähigkeit grundsätzlich auf Freiflächen zu erweitern, ist zu begrüßen. Auch zu begrüßen ist, dass nicht vergessen wird, für die Freiflächen die Raumeigenschaft zu fingieren. Nicht ganz deutlich ist, warum eine Fiktion für Gartenflächen oder Terrassen nicht für nötig erachtet wird. Denn es geht nicht darum, mit derartigen Freiflächen zu handeln. Hier wird § 6 WEG übersehen: Man kann mit Sondereigentum nicht handeln. Es geht um die Kosten, die Instandhaltungslast, das Eigentum an Pflanzen und Terrassenbelägen und Verkehrssicherung. Hier sollte man also nochmals ran.

Der Vorschlag, dass die Aufhebung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unter bestimmten Voraussetzungen verlangt oder beschlossen werden kann, ist strikt abzulehnen. Man setzt unnötig die Axt am Wohnungseigentum als werthaltiges Eigentum an. § 11 WEG darf nicht angegriffen werden. Hier muss es erstmals und laut meiner Ansicht nach heißen: Nein! Nein! Nein!

IV. Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Der Bericht schlägt vor, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Falle der Teilung nach § 8 WEG bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher als Ein-Mann-Gemeinschaft entstehen soll. Dem kann man zustimmen. Dann muss man allerdings regeln, was im frühen Zeitraum möglich ist (dazu Lieder, DNotZ 2018, 177). Die dazu gemachte Empfehlung, die Anfechtungsfrist für Ein-Mann-Beschlüsse zu hemmen, ist zu kurz gegriffen. Besser wäre freilich, von diesem Modell die Hände zu lassen. Eine Gemeinschaft kann es erst geben, wenn ihr mehrere Personen angehören. Es sollte daher so bleiben, wie es jetzt schon ist.

Der Vorschlag, die Vorschrift zur Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 10 Absatz 6 Satz 3 WEG) „redaktionell“ zu überarbeiten, ist so leider noch eine „Nullnummer“. Was soll denn wie geregelt werden? Und muss die Regelung nicht „stehen“, bevor man an die Verwalterrechte herangeht (dazu hier unter VIII.)?

Was einen aber „grausen“ lässt, ist der Vorschlag, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Trägerin der gesamten Verwaltung werden soll, die durch ihre Organe handelt (Versammlung der Wohnungseigentümer als Willensbildungsorgan; Verwalter als Vertretungsorgan). Er ist meiner Ansicht nach der falsche Weg zu einer Vergesellschaftung des WEG. Hier propft man dem Miteigentum eine unnötige, undogmatische und verfehlte Gesellschaftsform auf. Hier sollte es also heißen: Nein! Nein! Nein!

V. Verwaltung

Die Idee, in § 18 WEG zwar das schleppende Zahlungsverhalten, nicht aber den Zahlungsausfall zu sanktionieren, ist nicht zu folgen. Im Übrigen: Nichts!? Halt! Denn der Vorschlag, die Bildung anderer Rückstellungen als die Instandhaltungsrückstellung (warum spricht man von „Instandhaltungsrücklage“?) ausdrücklich zu gestatten, ist natürlich richtig, wenn auch eher Symbolpolitik.

VI. Baumaßnahmen

Für Baumaßnahmen finden sich Thesen als Leitlinien, an denen sich eine Reform des Rechts der baulichen Maßnahmen orientieren soll. Hier wird sehr viel geschrieben, aber letztlich noch nichts entschieden. Also erst ein Anfang. Es bleibt abzuwarten, was wirklich kommt – zumal es die erwähnte Bundesratsinitiative gibt. Nur so viel: Der kleine Teil „bauliche Veränderungen des Sondereigentums“ lässt einen angesichts von § 5 Abs. 1 WEG rätseln.

VII. Versammlung

Hier wird viel berichtet, was erwogen, aber dann doch verworfen wurde. Es wird aber neben der Textform für Einberufungsverlangen positiv vorgeschlagen, dass die Einberufungsfrist auf vier Wochen verlängert werden soll. Das dürfte kein Problem sein. Der Vorschlag, das Beschlussfähigkeitsquorum aufzuheben, ist hingegen ein „Hammer“. Man möchte sagen: „Ade Verbraucherrechte“? Also auch hier eher „Nein“, wenn auch manche Gemeinschaftsordnungen hier schon die Latte tief hängen (sollte man das nicht verbieten?). Ferner wird vorgeschlagen, eine Beschlusskompetenz zu schaffen, um die Online-Teilnahme an Präsenzversammlungen zu ermöglichen. Das ist zweifellos eine große technische Herausforderung und schwer praktisch umzusetzen, aber der vom StS Billen bereits im Herbst 2018 angekündigte Schritt. Er ist grundsätzlich richtig. Ein „Anlehnen“ an § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG – wie vorgeschlagen – reicht keinesfalls!

VIII. Verwalter

Dem Vorschlag, dass der Verwalter in eigener Verantwortung über Maßnahmen entscheiden können soll, bei denen die Einberufung einer Versammlung „nicht erforderlich oder nicht geboten“ erscheint, und dem Vorschlag, dass der Verwalter grundsätzlich unbeschränkte Vertretungsmacht haben soll, sollte eher nicht gefolgt werden. Er ist zum einen der Weg zur Vergesellschaftung des WEG und zur Entmachtung der Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümer sind aber keine Gesellschafter. Wollen sie das, können sie eine Wohnungseigentumsanlage als GmbH gründen oder ihre Entmachtung vereinbaren. Zum anderen wäre der Weg nur gangbar, wenn wir qualifizierte Verwalter hätten und das gesetzlich gesichert wäre. Wenn es im Bericht heißt, die Forderung nach Einführung eines Sachkundenachweises sowie die Erweiterung des nach § 34c der Gewerbeordnung und nach § 15 MaBV verlangten Versicherungsschutzes auf Sachschäden zu unterstützen, reicht das nicht. Der Weg muss wenigstens ein paralleler sein. Der Vorschlag, dass Wohnungseigentümer die Befugnisse des Verwalters durch Mehrheitsbeschluss erweitern und beschränken können, ist im Übrigen bereits Gesetz (§ 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG); oder soll an § 27 Abs. 4 WEG gedreht werden? Richtig ist hingegen, dass der Verwalter Hausgeldforderungen in eigener Verantwortung auch gerichtlich geltend machen können soll. Aber auch hier ist zu sehen, dass erhebliche Kompetenzen auf den Verwalter übertragen werden. Auch diese Übertragung geht nur, wenn die Person des Verwalters qualifiziert ist und bleibt. Die Idee zu regeln, was für Rechtsgeschäfte, die der Verwalter aufgrund eines später für unwirksam erklärten Beschlusses vorgenommen hat, gesetzlich geregelt werden soll, ist richtig.

IX. Abrechnung

Der Gedanke, dass der Gegenstand des Beschlusses über die Abrechnung die Abrechnungsspitze ist, ist nach richtiger Ansicht nichts Neues. Der Vorschlag, dass diese Idee kodifiziert wird, kann aber kaum schaden und ist sehr nützlich. Der Vorschlag, dass die Gesamtabrechnung und die Einzelabrechnungen und die Darstellung der Instandhaltungsrückstellung Bestandteile der Abrechnung sein sollen, ergibt sich zwanglos bereits jetzt aus § 28 Abs. 1 WEG. Dieses zu regeln ist aber auch nicht schädlich. Anders ist es mit der Darstellung des Vermögens. Will man das, wie vorgeschlagen, muss man auch sagen, was darzustellen ist. Vorschlag: alles!

X. Verwaltungsbeirat

Der Vorschlag, dass die Anzahl der Verwaltungsbeiräte sowie die Person des Vorsitzenden und dessen Stellvertreters durch Beschluss bestimmt werden sollen, ist nicht kühn, nicht nötig, aber kein Irrweg. Ebenso liegt es beim Vorschlag, die Amtszeit des Verwaltungsbeirats auf vier Jahre mit der Möglichkeit der Wiederbestellung festzulegen. Die Idee, dass 31a BGB entsprechend gelten soll, ist zu begrüßen.

XI. Verfahrensrecht

Der Gedanke, § 49 Abs. 2 WEG zu streichen, ist nochmals zu prüfen. Der Sache nach änderte sich nichts (die Haftung kommt aus § 280 BGB), es wird nur alles zäher und länger. Oder? Auch der Vorschlag, § 48 Abs. 3 WEG zu streichen, ist eher fraglich. Zu „Beschlusskassationsklagen“ (?) finden sich „Leitlinien“. Eine Stellungnahme muss daher wieder einem Vorschlag vorbehalten bleiben. Die Empfehlung, dass die Zuständigkeit nach § 43 WEG auch für Streitigkeiten aus dem sachenrechtlichen Grundverhältnis begründet werden soll, ist bereits jetzt in Kommentierungen als geltendes Recht zu lesen, etwa im Bärmann bei Roth.

XII. Mietrecht

Die Eingebung, ein gesetzliches Duldungsrecht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einzuführen, das sich an die mietrechtlichen Duldungsnormen anlehnt, mag richtig sein. Der Vorschlag, § 556 Abs. 1 BGB zu ändern, ist hingegen zu bekämpfen und aus sehr vielen Gründen ein Weg in die falsche Richtung. Die dem Wohnungseigentümer erteilte Abrechnung ist als Betriebskostenabrechnung völlig ungeeignet, ein Sonderrecht daher völlig entbehrlich und eine Verkürzung der Mieterrechte. Meine Bitte: Hände weg von §§ 556, 556a BGB!

XIII. Fazit

Es haben sich Fachleute zum WEG ausgetauscht. Dies zeigen gerade die vielen Punkte, die erörtert werden mit dem Schluss, eben nichts zu ändern. Es ist also ein sehr guter Aufschlag gemacht. Einige Vorschläge (Hände weg von § 11 WEG! Keine „GWEG“! Keinen Verwalter als Übervater! Keine Beschneidung von Mieterrechten!) sollten meiner Ansicht nach eher nicht weiterverfolgt werden. Die Zurückhaltung bei § 22 WEG und den §§ 43 ff. WEG ist verständlich, aber bedauerlich. Vieles vom Rest mag kommen, wird das Leben der Wohnungseigentümer aber kaum positiv oder negativ beeinflussen. Dazu hätte es eines modernen, neuen Gesetzes bedurft. Das aber war nicht das Ziel. Bedauerlich ist, dass schon Ende des Jahres der Gesetzentwurf kommen soll. Will man den wirklich guten Bericht nicht erst einmal wirken lassen und einen Diskurs abwarten?

Heizungsrohre gedämmt oder nicht: Ein Wohnungs- und Kellerproblem

Das Wohnungs-Problem: Der Mieter klagt darauf, dass die bislang nach dem Schlüssel 50:50 abgerechneten Heizkosten künftig gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV zu 30% nach Fläche und zu 70 % nach Verbrauch abzurechnen seien. Die klägerische Revision führt zur Zurückverweisung an das LG.

Das BGH-Urteil: Liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV vor, so hat der Mieter (ergänze: Nutzer)  einen Anspruch, dass die Heizkosten zu 70 % nach dem erfassten  Wärmeverbrauch der Nutzer verteilt werden. Der Vermieter kann den Mieter nicht darauf verweisen, er könne fehlerhafte Heizkostenabrechnungen abwarten und diese dann kürzen (BGH, Urteil vom 16.1.2019 – VIII ZR 113/17, MDR 2019, 340). Denn insoweit sei § 12 Abs. 1 HeizkostenV weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Denn es gehe nicht um das Kürzen einer bereits erteilten Abrechnung, sondern darum künftige Abrechnungen mit fehlerhaftem Verteilungsschlüssel unterbinden. Daher sei der Mieter nicht verpflichtet, weitere fehlerhafte Heizkostenabrechnungen abzuwarten und diese dann zu kürzen.

 Das Keller-Problem: Der BGH gibt im Hinblick auf die erneute Verhandlung dem Landgericht u.a. noch die Handreichung, es müsse durch Ortstermin der Behauptung nachzugehen, dass „Leitungen der Wärmeverteilung nur auf wenigen Metern im Keller des Gebäudes freilägen und diese mit »einer sehr dicken Isoliermanschette ummantelt« seien.

Nur: Soweit die Rohre „im Keller“ in Augenschein zu nehmen wären, ist zu bedenken, dass mit den Leitungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV lediglich die Heizungsrohre in den Wohnungen gemeint sind. Das ergibt sich aus der Gesetzesbegründung in: Bundesratsdrucksache 570/08, auf Seite 14. Dort wird von Wärme gesprochen, die von „Ablesegeräten“ nicht erfasst werde. Diese „Ablesegeräte“ befinden sich aber nicht im Keller, sondern in den Wohnungen. Daher sind im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV die Rohre im Keller unbeachtlich. Im übrigen müssen Heizungsrohre im Keller ohnehin gedämmt sein (§ 10 Abs. 2 in Verb. mit Anlage 5 Tabelle 1 EnEV, in: BGBl. 2009, 966, 975, 976; vgl. auch § 69 Abs. 1 Gebäudeenergiegesetz [Entwurf 2017]).

Hinzu kommt, dass der Mieter über freiliegende bzw. gedämmte Rohre in den anderen Wohnungen gar keine Aussage treffen kann. Er ist hier nur auf Vermutungen angewiesen (vgl. BGH, 12.12.2018 ‒ XII ZR 99/17, Randn. 11 (z.Zt. in: Juris). Denn „eine Partei ist in einem Zivilprozess häufig darauf angewiesen, Tatsachen zu behaupten, über die sie zwar keine genauen Kenntnisse besitzt, die sie nach Lage der Dinge aber für wahrscheinlich hält.“

 

Die guten Hirten

Nach dem Wohnungseigentumsgesetz können die Wohnungseigentümer dort über einen Gegenstand einen Beschluss fassen, wo ihnen das Gesetz die dafür notwendige Beschlusskompetenz einräumt. Solche Beschlusskompetenzen sind zwar über das gesamte Gesetz verstreut. Der Autonomie der Wohnungseigentümer, ihre eigenen Geschicke zu bestimmen, sind aber auch deutliche Grenzen gesetzt.

Dem Gesetzgeber war diese Enge bewusst. Aus diesem Grunde räumt das Gesetz den Wohnungseigentümern die Möglichkeit ein, zu vereinbaren, dass es weitere Beschlusskompetenzen geben soll. Dies folgt zum einen aus der Bestimmung des § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG. Und zum anderen werden diese Vereinbarungen ausdrücklich in § 23 Abs. 1 WEG genannt. Denn diese Regelung geht von „Angelegenheiten“ aus, die nach einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer durch Beschluss entschieden werden können.

Vereinbarungen, die den Wohnungseigentümern über die gesetzlichen Beschlusskompetenzen hinaus privatautonom bestimmte Beschlusskompetenz geben, nennt man üblicherweise „Öffnungsklausel“. Mit einer solchen Vereinbarung nehmen die Wohnungseigentümer wissend und wollend in Kauf, dass eine Entscheidung, für die das Gesetz annimmt, sie müsse wegen ihrer Bedeutung und Wichtigkeit von allen Wohnungseigentümern gemeinsam getroffen werden, etwa, ob man das Sondereigentum zum Wohnen oder nicht Wohnen gebrauchen und nutzen kann, ob es am gemeinschaftlichen Eigentum ein Sondernutzungsrecht geben soll oder wer das gemeinschaftliche Eigentum erhalten muss, nur von einer Mehrheit getroffen wird. Eine Öffnungsklausel ist mithin im Einzelfall gefährlich und kann ohne weiteres dazu führen, dass die Rechte einzelner Wohnungseigentümer gegenüber dem Interesse der Mehrheit der Wohnungseigentümer zurücktreten müssen. Dass aber ist ihr Ziel und Zweck. Und es ist von Gesetzes wegen so gewollt. Diese Möglichkeit ist durch den Bundestag demokratisch legitimiert und vom Willen des Volkes getragen.

Ungeachtet dessen hat der Bundesgerichtshof den Anwendungsbereich allgemeiner Öffnungsklauseln gleich in mehreren Entscheidungen beschnitten. Das letzte dieser Judikate ist BGH, Urteil vom 12. April 2019 – V ZR 112/18 (die weiteren sind dort nachlesbar). Es ging darum, ob Wohnungseigentümer, gestützt auf eine allgemeine Öffnungsklausel, also einer solchen Öffnungsklausel, die den Wohnungseigentümern für sämtliche denkbaren Angelegenheiten, die man eigentlich vereinbaren müsste, eine Beschlusskompetenz gibt, bestimmen können, dass kurzzeitige Vermietungen eines Wohnungseigentums untersagt werden. Der Karlsruher Sachenrechtssenat verneint diese Frage. Um die „Einhaltung fundamentaler inhaltlicher Schranken“ zum Schutz der Minderheit sicherzustellen, gäbe es Eingriffe, die der Zustimmung jedes Wohnungseigentümers bedürften. Dies ergebe sich aus einer verfassungskonformen Auslegung einer allgemeinen Öffnungsklausel (Anmerkung des Verfassers: kann man bloße Binnenverträge, mit denen Menschen ihre eigenen Geschicke privatautonom und nur für ihren Kreis bestimmen, wirklich verfassungskonform auslegen?). Die Ansicht, die Wohnungseigentümer hätten mit der Vereinbarung einer allgemeinen Öffnungsklausel vorab in jegliche Änderung der Gemeinschaftsordnung eingewilligt, sei falsch. Eine allgemeine Öffnungsklausel sei zwar als solche nicht zu beanstanden. Aus ihr könne aber nicht auf eine Zustimmung der Wohnungseigentümer zu allen künftig denkbaren Regelungen geschlossen werden. Denn die Gewährung rechtlicher Gestaltungsmacht trage ihre „Beschränkung auf das gebotene Maß als immanente Schranke“ in sich.

Es ist zu fragen, ob diese Überlegungen die Dinge womöglich verkehren und ins falsche Licht rücken. Denn grundsätzlich ist es ja so, dass jeder Wohnungseigentümer bei den Gegenständen, die man vereinbaren muss, zustimmen muss. Vereinbart man aber eine Öffnungsklausel, will man gerade, dass es nicht auf die Zustimmung aller Wohnungseigentümer ankommen soll. Wünscht man, dass nur bestimmte Regelungen auf Grundlage einer Öffnungsklausel bestimmt werden können, bestimmt man eine spezielle Öffnungsklausel (ihr Sinn und Zweck ist es, nur bestimmte Gegenstände dem Beschluss zu öffnen). Bestimmt man aber eine allgemeine Öffnungsklausel, sollen gerade alle denkbaren Gegenstände beschlussoffen sein. Wer hier ausgelegt, es sei nicht so, hat keinen festen Boden unter den Füßen.

Mit seiner Denkweise bestimmt der Bundesgerichtshof daher wohl das Ende allgemeiner Öffnungsklauseln, beraubt sie aber jedenfalls im Wesentlichen ihres Anwendungsbereichs – und macht auch speziellen Öffnungsklauseln womöglich den Garaus. Zwar behauptet der V. Zivilsenat nicht, es gebe keine Regelungen, die man noch auf eine allgemeine Öffnungsklausel stützen könnte. Der Weg versperrt ist künftig aber solchen Regelungen, die man nicht als „geboten“ ansieht. Was „geboten“ ist, müssen im Zweifel aber für die Wohnungseigentümerschafe Richter gleichsam als deren gute Hirten bestimmen (man muss kein großer Augur sein, um anzunehmen, dass diese auch meinen werden, künftig könnten auch keine Sondernutzungsrechte mehr auf Grundlage einer allgemeinen Öffnungsklausel bestimmt werden).

Wer diesen Weg begrüßt, muss wissen, dass in ihm eine ungezierte Einschränkung der Privatautonomie der Wohnungseigentümer liegt. Wenn es in der Presse gern heißt, der Bundesgerichtshof habe die Rechte des Bürgers gestärkt, muss man diese Aussage jedenfalls in diesem Fall bezweifeln. Die Entwicklung sollte man daher kritisch hinterfragen und begleiten. Ferner ist zu überlegen, ob in der anstehenden Reform des Wohnungseigentumsgesetzes nicht gegengesteuert werden sollte. Sieht man es in Berlin anders, könnte man hingegen schauen, ob man Öffnungsklauseln verbietet und dort, wo man es als angemessen ansieht, die gesetzlichen Beschlusskompetenzen – wenigstens behutsam – erweitert.

Die hier geäußerten Bedenken gelten im Übrigen nicht nur dem Wohnungseigentumsrecht, sondern auch dem Gesellschaftsrecht. Denn auch dort werden Satzungen überprüft und auch dort meint man, der Richter wisse letztlich besser als die Vertragschließenden, was für diese gut ist. Es gibt eben überall gute Hirten.

Rechtsanwalt Dr. Klaus Lützenkirchen im Interview zum Mietrechtsanpassungsgesetz

 

Die Schnelllebigkeit des Mietrechts stellt Fachautoren und Verlage vor das Problem, mit überraschender Rechtsprechung und gesetzgeberische Reformen so umzugehen, dass dem Rechtsanwender rechtzeitig die für seine Tagesarbeit notwendigen Informationen zur Verfügung stehen. Zu diesem Thema am Beispiel des Mietrechtsanpassungsgesetzes ein Interview mit Rechtsanwalt Dr. Klaus Lützenkirchen[1]:

Donnerbauer: Lieber Herr Dr. Lützenkirchen, Sie stehen mit Ihren mietrechtlichen Publikationen, insbesondere Ihrem Anwalts-Handbuch Mietrecht und einem großen einschlägigen Kommentar für Expertise im Mietrecht. Wie schätzen Sie das ein, ist das Mietrechtsanpassungsgesetz 2019 eine ernstzunehmende Novelle? Zum Mietrechtsnovellierungsgesetz 2015, vulgo „Mietpreisbremse“, gab es ja große Bedenken aus der Fachwelt, die allerdings kaum Eingang in das Gesetzgebungsverfahren gefunden haben.

Lützenkirchen: Nun ja, die Reform 2015 war ganz stark auf die Frage der zulässigen Miethöhe bei der Neuvermietung fokussiert. Und trotz dieses scheinbar überschaubaren Umfangs haben sich in der täglichen Praxis dann an vielen Stellen große Probleme bei der Anwendung des neuen Rechts ergeben, die der Gesetzgeber vorab nicht bedacht hatte und die zum Teil immer noch nicht abschließend geklärt sind. Mit dem Mietrechtsanpassungsgesetz 2019 hat der Gesetzgeber die „Mietpreisbremse“ durch die Auskunftspflicht des Vermieters zwar möglicherweise effektiver gemacht. Die zusätzliche Regeln, die sich thematisch mit der Modernisierung beschäftigen, spielen aber in die „Mietpreisbremse“ hinein und werfen viele Fragen auf, zu denen die Begründung des Gesetzes keine Antwort bietet. Gleichzeitig wurde noch eine neue Ordnungswidrigkeit eingeführt. Bei einer drohenden Geldbuße bis zu 100.000 € würde ich das durchaus als ernstzunehmend bezeichnen. Da die Neuregelungen ab dem 1.1.2019 geltendes Recht sind, besteht tatsächlich aktuell ein enormer Informationsbedarf bei Anwälten, Gerichten und in der Wohnungswirtschaft.

Donnerbauer: Wie gehen Sie als Fachautor mit dieser besonderen Situation um?

Lützenkirchen: Der klassische Weg zur schnellen Erstinformation ist sicherlich nach wie vor der (Fach-)Zeitschriftenaufsatz. Die einschlägigen Periodika wie MietRB, Das Grundeigentum, WuM, ZMR oder NZM sind in der Lage, einigermaßen zeitnah über eine solche Reform zu informieren. Durch den in Zeitschriften naturgemäß stark begrenzten Platz ist es aber häufig schwierig, dort Probleme vertieft darzustellen und konkrete Hinweise zum Umgang mit neuen Entwicklungen zu geben. Und meist stecken die kritischen Umsetzungsfragen ja gerade im Detail. Das kann man natürlich in Seminaren darstellen, für den Nutzer ist dieser Weg aber naturgemäß zeitlich sehr aufwändig.

MietR_BM

Donnerbauer: Stellt sich dieses Problem nicht ganz allgemein bei Printmedien?

Lützenkirchen: Ja, in der Tat. Das Recht ist ja nicht statisch, sondern wird vor allem durch die Gerichte immer schneller fortgeschrieben. Und der BGH hat schon immer mit einzelnen Entscheidungen, z.B. zum Thema Schönheitsreparaturen, für ähnliche Disruptionen gesorgt, wie das sonst eigentlich nur der Gesetzgeber mit einer mehr oder weniger gehaltvollen Reform schafft. Gedruckte Kommentare oder Handbücher mit ihren jahrelangen Auflagenfrequenzen kommen da kaum noch hinterher. Gerade deshalb ist für mich als Autor, aber auch für den Nutzer, das Medium „Online-Datenbank“ eine überaus sinnvolle Alternative oder zumindest eine gute Ergänzung zu klassischen Darstellungsformen. Tatsächlich wird der Mietrechtskommentar, den ich mit den Kollegen Dickersbach und Abramenko verantworte, in seiner Datenbankversion auch schon seit 2017 mit kurzen Online-Ergänzungen bei Rechtsprechungsänderungen aktualisiert. Und das Anwalts-Handbuch Mietrecht bietet Online schon seit einigen Wochen ein brandneues Kapitel zum Mietrechtsanpassungsgesetz 2019 an, wenn man so will, just in time.

Donnerbauer: Würden Sie sagen, das Print stirbt aus?

Lützenkirchen: Ich glaube, dass Print und Datenbanken noch längere Zeit koexistieren werden, vor allem, soweit es Kommentare und Handbücher betrifft. Ich halte mich durchaus für datenbankaffin, es gibt aber Werke, die ich unbedingt auch als Print im Büro stehen haben möchte. Ich merke aber auch, dass jüngere Kollegen zunehmend fast ausschließlich mit Datenbanken arbeiten, das hat einerseits sicherlich etwas mit dem Schlagwort „digital natives“ zu tun, ist also partiell eine Generationenfrage. Auf der anderen Seite bieten die elektronischen Varianten aber tatsächlich massive Vorteile bei Aktualität, Verlinkung und, ehrlich gesagt, auch beim Preis. Mit einem kleinen, feinen Datenbankmodul zum Miet- und WEG-Recht hat man zum Bruchteil des Printpreises eine überaus solide Bibliothek im Rücken. Nur die Haptik fehlt halt, und, wer es braucht, die dekorative Funktion.

Donnerbauer: Lieber Herr Dr. Lützenkirchen, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Gespräch!

[1] Dr. Klaus Lützenkirchen ist Fachautor und Herausgeber diverser mietrechtlicher Werke, u.a. des Anwalts-Handbuch Mietrecht und des Kommentars zum Mietrecht bei Otto Schmidt, und spezialisierter Anwalt in Köln. Das Interview wurde geführt von R. Donnerbauer, Leiter des mietrechtlichen Lektorates im Verlag Dr. Otto Schmidt.

 

Schadenersatzansprüche: Gemeinschaftsbezogen oder was?

Das Wohnungseigentumsgesetz behandelt in seinem § 10 Abs. 6 Satz 3 die Frage, was bei Rechten gilt, die die Wohnungseigentümer als Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums haben, und bei Pflichten, die auf allen Wohnungseigentümern als Miteigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums ruhen.

Man könnte insoweit in Anlehnung an § 1011 BGB vertreten, jeder einzelne Wohnungseigentümer sei bei Rechten berechtigt, sie geltend zu machen (siehe auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 1992 – V ZR 118/91, unter II 1 a). Und ferner könnte man die Ansicht vertreten, ein Gläubiger sei bei Pflichten berechtigt, jeden Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen. Diesen Weg geht das Wohnungseigentumsgesetz aber nicht. Stattdessen unterscheidet es zwischen gemeinschaftsbezogenen Rechten und Pflichten und solchen Rechten und Pflichten, die (bloß) gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. Diese Unterscheidung macht es notwendig, geht es um das gemeinschaftliche Eigentum und auf dieses bezogene Rechte und Pflichten, zu fragen, ob ein Recht oder eine Pflicht gemeinschaftsbezogen ist.

Der Gesetzgeber hielt diese Unterscheidung für leicht leistbar, da der Begriff in Rechtsprechung, Lehre und Praxis der Verwaltung bekannt sei und von seinem Wortlaut her die Zuordnung der Angelegenheiten, um die es gehe, deutlich mache (BT- Drucksache 16/887, 61 linke Spalte). Gemeinschaftsbezogen seien die Angelegenheiten, für die zum einen gemäß § 21 Abs. 1 WEG (Grundsatz der gemeinschaftlichen Verwaltung) bisher (= vor Änderung der Sichtweise, es gäbe eine rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) eine ausschließliche Verwaltungszuständigkeit der Gesamtheit der Wohnungseigentümer angenommen worden sei und bei deren Geltendmachung sich die Gemeinschaft und ein Wohnungseigentümer „wie Dritte“ gegenüber stünden. Gemeinschaftsbezogen sei insbesondere der Anspruch auf Schadenersatz wegen Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums (BT- Drucksache 16/887, 61 rechte Spalte).

In der Praxis hat sich ungeachtet der Einschätzung des Gesetzgebers die Frage, welches Recht gemeinschaftsbezogen ist, freilich zu einem besonderen Problemfall in der Anwendung des WEG entwickelt. Beinahe zu jedem Recht in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum ist unklar, ob es gemeinschaftsbezogen ist. Für Schadenersatzansprüche galt bislang allerdings als wohl geklärt, dass diese, so wie es der Gesetzgeber auch gewollt hat, gemeinschaftsbezogen sind (siehe nur Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 10 Rz. 243). Und dies gilt nicht nur, wenn ein Wohnungseigentümer oder ein Dritter das gemeinschaftliche Eigentum beschädigt hat, sondern auch dann, wenn es sich um „Wiederherstellungsansprüche“ handelt (BGH, Urteil vom 7.2.2014 – V ZR 25/13, Rz. 17). Solche Ansprüche können zwar in eine Konkurrenz zu dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB treten. Aber schon weil die Wahl zwischen Naturalrestitution und Geldersatz gemeinschaftlich getroffen werden müsse, seien Schadenersatzansprüche insgesamt als gemeinschaftsbezogene Rechte anzusehen (BGH, Urteil vom 7.2.2014 – V ZR 25/13, Rz. 17).

Die Bestimmung der Grenze zwischen Beseitigung/Unterlassung und Schadenersatz/ Wiederherstellungsanspruch war und ist freilich problematisch (siehe nur Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 22 Rz. 114a). Ich selbst meinte, dass der Störer im Wohnungseigentumsrecht im Rahmen des Beseitigungsanspruchs entfernen muss, was er selbst unzulässig angebracht oder entfernt hat. Gehe es indessen um durch die unzulässige bauliche Veränderung verursachte Schäden, ginge es um Schadenersatz. Ähnlich liege es, wenn der Störer über die Beseitigung hinaus den alten Zustand wiederherstellen soll, denn darin liegt keine Beseitigung mehr, sondern ein aliud.

Der Bundesgerichtshof kümmert sich um diesen gegebenenfalls lächerlichen Versuch, seiner Rechtsprechung gerecht zu werden, nicht. Stattdessen gibt er jetzt – leider mit einer statt an das Gesetz an einen Aufsatz angelehnten Diktion – lieber seine Rechtsprechung sang und klanglos einfach auf (BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 328/17, Rz. 8). Ich übersetze insoweit wie folgt:

Schadenersatzansprüche, die auf die Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums gestützt werden würden, seien nicht gemeinschaftsbezogen, wenn und soweit sie in Anspruchskonkurrenz zu Beseitigungsansprüchen der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB stünden. Das gelte auch, soweit der Beseitigungsanspruch die Wiederherstellung des vorherigen Zustands umfasse.

Gegen eine Gemeinschaftsbezogenheit spreche entscheidend, dass „andernfalls die an sich erwünschte Möglichkeit der Rechtsverfolgung des einzelnen Wohnungseigentümers erheblich beeinträchtigt wäre“. Bauliche Veränderungen oder ein rechtswidriger Gebrauch (?) des gemeinschaftlichen Eigentums würden häufig nicht alle Wohnungseigentümer gleichermaßen betreffen. Deshalb sei „es nicht erforderlich und auch nicht wünschenswert“, von vornherein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit der Durchsetzung solcher Ansprüche und dem damit verbundenen Kostenrisiko zu belasten. Vielmehr sei es interessengerecht, dass einzelne Wohnungseigentümer die ihnen zustehenden Ansprüche solange durchsetzen könnten, wie eine gemeinschaftliche Rechtsverfolgung nicht beschlossen worden sei (BGH, Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 328/17, Rz. 14).

Diese Sätze mögen richtig oder falsch sein. Sie erleichtern die Arbeit mit der Bestimmung des § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG nicht. Vielmehr besteht jetzt noch mehr als bislang Unsicherheit darin, die Frage zu beantworten, welches Recht – mit den Worten des Bundesgerichtshofes – so gelagert ist, dass „schutzwürdige Belange der Wohnungseigentümer oder des Schuldners an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das grundsätzlich vorrangige Interesse des Rechtsinhabers, seine Rechte selbst und eigenverantwortlich auszuüben und prozessual durchzusetzen, deutlich überwiegen und also ein gemeinschaftliches Vorgehen erforderlich ist“. Denn diese Frage wurde bislang und auch zu Recht bei Schadenersatzansprüchen dahingehend beantwortet (und so war wie dargestellt vom historischen Gesetzgeber auch gewollt), dass das Interesse der Wohnungseigentümer an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers, diesen zu verlangen, überlagert (sehr überzeugend: BGH, Urteil vom 11. Dezember 1992 – V ZR 118/91, unter II 1 b). Wenn es jetzt aber anders sein soll, was gilt für die vielen anderen Rechte, die als gemeinschaftsbezogen angesehen werden? Ist es auch dort nicht immer so, dass es wünschenswert wäre, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erst dann ins Spiel kommt, wenn eine Mehrheit der Wohnungseigentümer ihren „Einsatz“ wünscht und für richtig hält?

Diese Folgerung – starke Unsicherheit in der Rechtsanwendung – führt zwanglos zu einer dringenden Forderung und Bitte an die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Wohnungseigentumsgesetz, die sich bekanntlich zurzeit darum bemüht, Vorschläge für eine Reform des WEG zu erarbeiten (zur Arbeitsgruppe siehe nur Elzer, MDR 2018, Heft 21 R5): Man möge sich bitte daran machen, den Nutzer (vor allem, aber nicht nur: Wohnungseigentümer, Verwalter, Rechtsanwälte und Richter) deutlich vor Augen zu führen, welche Rechte, aber auch welche Pflichten als gemeinschaftsbezogen anzusehen sind – wenn es denn dieses Begriffs überhaupt bedarf – und was daraus folgt. Kann etwa ein Gläubiger bei einer gemeinschaftsbezogen Pflicht weiterhin den einzelnen Wohnungseigentümern Anspruch nehmen oder aber ist diese durch das Verständnis der Gemeinschaftsbezogenheit geschützt?

Kehrt·wen·de (Substantiv, feminin [die])

Nach Google ist eine Kehrtwende ein extremer [unerwarteter] Richtungs-, Kurswechsel. Man erwartet ihn von Politkern oder gegebenenfalls vom Ehepartner – aber von einem Gericht?

Und doch. Es gibt auch bei den Gerichten außergewöhnliche und unerwartete (indes erhoffte) Richtungswechsel. Einen solchen besonders bedeutsamen und in seiner praktischen und dogmatischen Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzenden Kurswechsel bietet etwa das Urteil des V. Zivilsenats des BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17. In der Entscheidung geht es um die Frage, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einem Wohnungseigentümer Schadenersatz schuldet, wenn der Verwalter einen Beschluss nicht, nicht ordnungsmäßig oder nur teilweise durchführt.

Die erste Antwort auf diese hoch praktische Frage fand sich bei BGH v. 13.7.2012 – V ZR 94/11 – Rz. 19. Es heißt dort (leicht übersetzt in eine Begrifflichkeit):

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber aus dem mitgliedschaftlichen Treueverhältnis verpflichtet, den Verwalter zur unverzüglichen Umsetzung der Beschlüsse der Wohnungseigentümer anzuhalten. Dieses Treueverhältnis hat der Senat im Verhältnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu dem einzelnen Wohnungseigentümer anerkannt und daraus dessen Verpflichtung abgeleitet, der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Schadensersatz zu leisten, wenn er seiner Verpflichtung zur Mitwirkung an der ordnungsmäßigen Verwaltung nicht nachkommt. Kehrseite dieser Verpflichtung des einzelnen Wohnungseigentümers ist die Verpflichtung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die gefassten Beschlüsse umzusetzen. Die Umsetzung obliegt nach § 27 I WEG dem Verwalter, der der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Erfüllung und ggf. auf Schadensersatz haftet. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist jedenfalls dann dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber verpflichtet, diesen Anspruch gegenüber dem Verwalter durchzusetzen, wenn die gefassten Beschlüsse – wie hier – den Zweck haben, einen Schaden am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen, der das Sondereigentum des Wohnungseigentümers unbenutzbar macht.

Diese Sätze ängstigten so, dass jedenfalls ich mich zu einem Aufsatz mit dem zugegeben provokanten, aber plakativen Titel „Zauberlehrling reloaded oder: Globalplayer am WEG-Horizont?, NZM 2012, 718“ entschied. Dieser Aufsatz fand Zustimmung und naturgemäß fand er auch Ablehnung.

Der BGH schrieb indes im Urteil vom 25.9.2015 – V ZR 246/14 – Rz. 15 und Rz. 25 wie folgt (leicht übersetzt in eine einzige Begrifflichkeit):

Für Defizite bei der Umsetzung der gefassten Beschlüsse haftet allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Eine Haftung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat der Senat allerdings in seinem Urteil vom 13.7.2012 für solche Schäden bejaht, die durch die unterbliebene Umsetzung eines bereits gefassten „Sanierungsbeschlusses“ entstehen. Ob angesichts der dagegen erhobenen Kritik an der hierfür gegebenen Begründung festgehalten werden kann oder ob der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vielmehr das Handeln des Verwalters als dem für die Umsetzung von Beschlüssen zuständigen Organ in analoger Anwendung von § 31 BGB zuzurechnen wäre bedarf keiner Entscheidung.

Und bei BGH v. 10.2.2017 – V ZR 166/16 – Rz. 14 hieß es dann wie folgt (wieder leicht übersetzt in eine Begrifflichkeit):

Erleidet ein Wohnungseigentümer aufgrund einer Versorgungssperre einen Schaden und beruht dies auf der schuldhaft unterbliebenen oder verspäteten Durchsetzung der beschlossenen Wohngeldansprüche, kann ihm allerdings ein Schadensersatzanspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zustehen.

Danach stand eigentlich doch wohl fest: Neben dem Verwalter, der natürlich seine Pflichten verletzt, wenn er Beschlüsse nicht durchführt, haftet einem Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Und jetzt vom BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17:

Die Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer trifft den Verwalter und nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer; daher begründen Pflichtverletzungen des Verwalters, die sich auf die Durchführung von Beschlüssen beziehen, keine Schadenersatzansprüche einzelner Wohnungseigentümer gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft.

Es ist also doch so, wie es immer sein sollte und nach meiner Ansicht stets war. Was sagt man da demütig: Man sagt Bravo!, Chapeau!, man gratuliert dem großen Mut, einen einmal beschrittenen Weg verlassen zu haben (das fällt jedem schwer, nicht zuletzt Kommentatoren), und schweigt, was gegebenenfalls auch bei BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17 – nicht ganz „sauber“ argumentiert ist. Und genau das soll auch hier im Folgenden geschehen (= Schweigen).

P.S. Goldrichtig ist auch der zweite Leitsatz BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, der wie folgt lautet: Ein Wohnungseigentümer kann von dem Verwalter verlangen, dass er seine gesetzliche Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen erfüllt; dieser Anspruch kann gegebenenfalls im Klageweg durchgesetzt werden. Auch hier heißt es respektvoll: Bravo!, alles richtig gemacht!, und: weiter so!

 

Great Expectations!

Große Erwartungen (Originaltitel: Great Expectations) ist ein Roman von Charles Dickens, künftig, leicht modifiziert, nämlich als „berechtigte Erwartungen„, aber auch eine Kategorie im Wohnungseigentumsrecht. Denn bei BGH v. 16.3.2018 – V ZR 276/16 – Rz. 15, ist Folgendes zu lesen:

Wird … in erheblichen Umfang in die Gebäudesubstanz eingegriffen, entsteht bei den übrigen Wohnungseigentümern die berechtigte Erwartung, dass bei dem Umbau des Sonder- und des Gemeinschaftseigentums insgesamt die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schallschutzwerte beachtet werden […]. Selbst wenn die übrigen Wohnungseigentümer die im Hinblick auf Veränderungen des Gemeinschaftseigentums gemäß § 22 Abs. 1 WEG erforderliche Zustimmung erteilt haben, kann ihnen aus dem Gebrauch des Gemeinschaftseigentums ein Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG erwachsen, sofern bei der Bauausführung die derzeitigen Anforderungen an den Schallschutz unterschritten werden und dies nicht ausdrücklich gestattet worden ist. Aber nur grundlegende Um- oder Ausbauten wie etwa ein Dachgeschossausbau begründen eine Pflicht zur Beachtung der aktuellen technischen Anforderungen an den Schallschutz [..].

Ich übersetze eine der Aussagen für den flüchtigen Leser anhand eines kleinen Fallbeispiels und seiner Lösung:

Fall: Wohnungseigentümer Schallschützer stellt den anderen Wohnungseigentümern seinen Wunsch vor, das Dachgeschoss auszubauen. Er erklärt den anderen Wohnungseigentümern, den vorhandenen Aufbau des Bodens zwischen dem Obergeschoss und dem bisherigen Dachboden nicht verbessern zu wollen. Jedenfalls legt er den anderen Wohnungseigentümern seine Bauplanung vor, aus der sich solches nicht ergibt (um der Bestimmtheit des Beschlusses nach § 22 Abs. 1 WEG zu genügen, ist die Vorlage der Planung zwingend und ist die Planung als Anlage des Beschlusses zur Niederschrift und in die Beschluss-Sammlung zu nehmen). Die anderen Wohnungseigentümer stimmen der Planung nach § 22 Abs. 1 WEG zu. Ausdrückliches zum Schallschutz findet sich im Beschluss nicht. Der Beschluss erwächst in Bestandskraft. Wohnungseigentümer Hellhörig, dessen Wohnung unter der Wohnung von Wohnungseigentümer Schallschützer, liegt, verlangt nach 3 Monaten, dass Wohnungseigentümer Schallschützer den Bodenaufbau verändert und verlangt einen Aufbau des Bodens, der die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schallschutzwerte beachtet.

Lösung: Wohnungseigentümer Hellhörig hat Recht! Denn die Zustimmung der Wohnungseigentümer ändert nichts daran, dass sie von Wohnungseigentümer Schallschützer verlangen können (wie lange: 3 Jahre – und nach welcher Norm?), entgegen seiner Planungen den Bodenaufbau zu verändern und dabei die aktuellen technischen Vorgaben und damit auch die nunmehr geltenden Schallschutzwerte zu verbessern. Denn die anderen Wohnungseigentümer hatten die berechtigte Erwartung, Wohnungseigentümer Schallschützer würde ungeachtet seiner anders lautenden Planung, die ihnen auch bekannt war oder jedenfalls bekannt sein musste, die derzeitigen Anforderungen an den Schallschutz erfüllen. Ob allerdings für die Dachhaut, die Isolierung, die Stränge usw. etwas anderes gilt, die Wohnungseigentümer Hellhörig auch verbessert sehen will, ist unklar. Gibt es hier auch „berechtigte Erwartungen“?

Diese Sichtweise der Dinge sollte nochmals, zeitnah und gründlich überprüft werden (und soll sie wenigstens für alle Dachausbauten der letzten 30 Jahre gelten?). Jedenfalls ich selbst meine, ich könnte grundsätzlich nicht erwarten, dass mein Gegenüber mir etwas gibt, von dem er mir vorher gesagt hat, er gebe es mir nicht. Ich meine vielmehr, wenn ich etwas haben will, müsste ich das formulieren. Insoweit habe ich durch § 22 Abs. 1 WEG auch ein starkes Druckmittel: Bekomme ich nicht, was ich will, z.B. einen besseren Schallschutz als bislang, verweigere ich meine Zustimmung – denn dafür, nämlich meine Rechte zu wahren, ist die Zustimmung (auch) da. Ich selbst meine ferner, bei dieser Frage ginge es auch um keine Petitesse. Ich meine vielmehr, wir sollten zögern, Verträge („Spiel- und Tummelfeld“ hier u.a.:  die Bestimmungen der §§ 134, 138, 242, 305 ff. BGB, „Kernbereiche“, „Rechtsmissbräuche“, „Verwirkungen“ usw.), aber auch Gesetze „Stück für Stück“ abzutragen und an ihre Stelle – je nach Zeitgeschmack! – unsere Gefühle, unsere (berechtigten und unberechtigten) Erwartungen (wer sagt mir, welche Erwartungen [un]berechtigt sind?) und das, was wir selbst als „Treu und Glauben“ ansehen, zu setzen. Machen wir es aber doch, muss klar gesagt werden, warum das Recht nicht anders gedeutet werden kann – berechtigte Erwartungen sind da als Argument gegebenenfalls etwas „dünn“ – und woraus Pflichten folgen, welche Norm also im Fall Wohnungseigentümer Schallschützer zwänge, auf eigene Kosten das gemeinschaftliche Eigentum zu verbessern.

Im Übrigen: Die berechtigten Erwartungen sollen als BGH-Hauptaussage wohl vor allem für den, der keine Zustimmung hatte, in „erheblichen Umfang“ in die Gebäudesubstanz einzugreifen, zur Folge haben, dass er das gemeinschaftliche Eigentum in Bezug auf den Schallschutz gemäß aktuellen technischen Vorgaben auf eigene Kosten verbessern muss. Dieser Erwartung zuzustimmen, fällt bestimmt vielen leichter. Indes: Als Rechtsfolge einer unberechtigten baulichen Veränderung (gegebenenfalls sogar einer berechtigten, aber nachteiligen Gebrauchsänderung in Bezug auf das Sondereigentum?) soll man nicht nur Unterlassung, Wiederherstellung und Schadenersatz, sondern eben auch eine Verbesserung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen können? Ist das kein Angriff auf bisherige rechtliche Strukturen und ein Friedensbruch mit §§ 249 ff. BGB? Und nochmals: was wäre die Anspruchsgrundlage?

Der Leser von  Charles Dickens kennt gegebenenfalls Pips Ende – der Hauptfigur in Great Expectations: Seine Erwartungen enden im Wesentlichen mit dem Tode seines Gönners Magwitch. Allerdings versöhnt er sich mit Joe – und selbst mit Estella. Man kann daher nicht ausschließen, dass auch die berechtigen Erwartungen wieder enden und sich frische Lösungen mit WEG und allgemeiner Dogmatik besser harmonieren.

 

3 Cent? Da gab’s gar nichts – das VG Neustadt schafft Remedur

Ein Bürger aus Stadt Neustadt/W führte 2012 einen Prozess gegen die Stadt. Ende 2017 erging gegen die Stadt ein Kostenfestsetzungsbeschluss, wonach an den Bürger 2,90 Euro zu zahlen seien. Die Stadt überwies sogar 2,91 Euro, aber irrtümlich auf ein falsches Konto. Diesem Fehler wurde alsdann seitens der Stadt im April 2018 durch korrekte Überweisung abgeholfen.
Nun aber setzte dieser Bürger die Rechtsmaschine in Gang. Nach seiner  präzisen Berechnung ergab sich eine noch offene Restforderung von 0,03 Euro wegen angefallener Zinsen. Diese machte er alsdann per Vollstreckungsantrag geltend.

Das VG (Beschluss vom 26.4.2018 – N 200/18.NW) hat den Antrag jedoch mangels Rechtsschutzinteresse abgelehnt. Denn nach Treu und Glauben dürfe die Justiz nicht für unnütze oder unlautere Zwecke in Anspruch genommen werden.
Das Gericht: Bei 0,03 Euro gehe es diesem Bürger ersichtlich nicht um wirtschaftliche Interessen, sondern um das Prinzip des „Rechthabens“.

Eine vernünftige Entscheidung, sicher.

Aber, die Dinge wiederholen sich. Gab es doch schon vor ca. 35 Jahren einen ähnlichen Fall.

Dort hatte das AG Celle (01.07.1983 – 13 C 200/83, in: DWW 1990, 241) eine noch geringere Summe, nämlich vier Pfennige = 2 Cent sogar ausgeurteilt. Und zwar einschließlich Zinsen. Offen ließ der Amtsrichter in Celle aber, wie die Zinsen auf 4 Pfennige auszukehren seien. Etwa im Sinne der (früher nach § 150 StGB strafbaren) Münzverringerung durch Abkratzen von ein paar Metallspänen von den Pfennigmünzen?

Wi̱·der·spruch Substantiv [der] – oder?

Bei BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16 – Rz. 8 heißt es wie folgt:

Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Wohnungseigentümer die Beitragsvorschüsse zu leisten, die während der Dauer seiner Mitgliedschaft in der Eigentümergemeinschaft aufgrund von wirksam beschlossenen Wirtschaftsplänen oder Sonderumlagen fällig werden (so genannte ‚Fälligkeitstheorie‘)“.

Wollte man den Stachel löcken, so könnte man etwa fragen, was „Beitragsvorschüsse“, was „Eigentümergemeinschaft“ und was „Mitgliedschaft“ meint. Denn Wohnungseigentümer zahlen keine Vorschüsse, sie zahlen das Hausgeld. Zahlungen auf das Hausgeld sind aber kein Vorschuss auf eine spätere Schuld. Denn alles andere verkennte das Verhältnis von Wirtschaftsplan und Abrechnung (dazu siehe nur Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage 2018, § 28 Rz. 54 und Rz. 157). Ferner: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer i.S.v. § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG hat zwar nach h.M., der zu folgen ist, Mitglieder, heißt aber anders (in § 10 Abs. 6 Satz 1 WEG: „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“, in § 10 Abs. 6 Satz 4 WEG „Wohnungseigentümergemeinschaft“). Und die Gemeinschaft nach Bruchteilen nach §§ 741 ff. BGB am gemeinschaftlichen Eigentum mag man zwar „Eigentümergemeinschaft“ nennen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 WEG spricht allerdings von „Gemeinschaft“, § 741 BGB von „Gemeinschaft nach Bruchteilen“). Diese aber hat Teilhaber, keine Mitglieder.

Aber nicht um dieses soll es in diesem Blog (eine Wortkreuzung aus Web und Log für Logbuch oder Tagebuch – sagt Wikipedia) gehen, sondern um die „Fälligkeitstheorie“. BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16 – Rz. 8 – hält nämlich daran fest, dass der das Hausgeld schuldet, der bei Fälligkeit des Hausgelds Eigentümer des entsprechenden Wohnungseigentums ist. Nach BGH-Ansicht bestimmt also die Fälligkeit einer Schuld den Schuldner, nicht die Entstehung der Schuldpflicht. Aber wie passt das mit BGH v. 16.02.2018 – V ZR 89/17 – zusammen? Dort geht es um die Frage, welcher Verwalter bei einem Verwalterwechsel das abgelaufene Kalenderjahr abrechnen muss. In Rz. 12 und die Rz. 13 heißt es insoweit wie folgt:

Für die Frage, wer die Erstellung der Jahresabrechnung schuldet, kann es nur auf das Entstehen der Abrechnungspflicht nach § 28 Abs. 3 WEG ankommen. Die Fälligkeit sagt nämlich nichts darüber aus, wer die Leistung schuldet. Durch sie wird lediglich der Zeitpunkt bestimmt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann (…). Von dem Eintritt der Fälligkeit kann die Person des Schuldners daher nicht abhängen. Das Kriterium der Fälligkeit ist für die Beantwortung der Frage, wer die Jahresabrechnung erstellen muss, auch praktisch unbrauchbar. Die Bestimmung des genauen Zeitpunkts der Fälligkeit ist regelmäßig mit Unsicherheiten behaftet.“

Es kommt nach BGH v. 16.02.2018 – V ZR 89/17 – für die Bestimmung des Schuldners also auf die Entstehung einer Pflicht an (hier besteht noch Unklarheit: Ende Wirtschaftsjahr oder Beginn des neuen Wirtschaftsjahrs?), nicht aber auf die Fälligkeit der Abrechnung, wann also die allgemeine Pflicht, abzurechnen, konkret zu erfüllen ist (Daumenregel: spätestens 1/2 Jahr nach Beginn des neuen Wirtschaftsjahres).

In diesen beiden Sichtweisen liegt ein dogmatischer Widerspruch? Ich meine, so sei es! Ich meine ferner, nur ein Weg sei richtig: Entweder die Anknüpfung an die Entstehung einer Schuld oder die Anknüpfung an ihre Fälligkeit. Und ich meine, der Königsweg sei in beiden Fällen die Anknüpfung an die Entstehung einer Schuld (dazu Elzer, Abrechnung und Wechsel in der Verfügungsmacht – auf die Entstehung kommt es an!, ZWE 2018, 153 ff.). BGH v. 16.02.2018 – V ZR 89/17 – wäre damit Beifall zu zollen (großer! denn es wird dort sehr präzise formuliert – viel präziser als auch etwa ich es bei der Abrechnung bislang getan habe). BGH v. 15.12.2017 – V ZR 257/16 – wäre hingegen (auch aus diesem Grunde) leider ein Irrweg und wäre künftig zu überprüfen, traute man sich, einer „Fälligkeitstheorie“ eine Absage zu erteilen.

Vielleicht sind die Pflicht, eine Abrechnung zu erstellen, und die Pflicht, Hausgeld zu zahlen, dogmatisch betrachtet voneinander strikt zu unterscheiden? Aber was wäre der Grund? Wer weiß. Wir müssen leider warten, ob Karlsruhe den hier behaupteten Widerspruch enträtseln und verklaren kann, warum es einmal auf die Entstehung der Pflicht (Schuldner der Abrechnung) und einmal auf ihre Fälligkeit (Schuldner des Hausgeldes) ankommen soll. Vielleicht gibt es ja keinen Widerspruch. Es bleibt jedenfalls spannend.

Lösung für Schrottimmobilien

Der BGH hat in einer Entscheidung vom 23.3.2018 (V ZR 307/16) die Vorschrift § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG erweiternd ausgelegt. Nach ihr kann jeder Wohnungseigentümer eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint, erweiternd ausgelegt.

Er geht davon aus, dass ein Anpassungsanspruch, der zunächst im Wege der Klage durchgesetzt werden muss, auch dann besteht, wenn ein Eigentümer an der wirtschaftlichen Verwertung seiner Einheit gehindert ist. Hierzu muss gegebenenfalls durch ein Sachverständigengutachten das Vorliegen schwerwiegender Gründe für eine Anpassung der Nutzung nachgewiesen werden.

Dies kann vor allem Bedeutung auch bei Schrottimmobilien haben, die zu dem vorgesehenen Zweck nicht mehr genutzt werden können. Betroffen sind leerstehende Hotelanlagen und Gewerbeimmobilien. Aber auch bei Wohnimmobilien in Schrumpfungsregionen kann sich eine abweichende Nutzung anbieten.

Voraussetzung ist in sämtlichen Fällen, dass die geänderte Nutzung auch baurechtlich möglich ist. Dies ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn ein Sondergebiet für ein „Hotel“ besteht und nunmehr eine Wohnnutzung angestrebt ist. In diesem Fall müssen die Eigentümer „doppelgleisig“ vorgehen.