Mit den durch das StÄndG 2015 vom 2.11.2015 (BGBl. I 2015, 1834) vorgenommenen Änderungen wird das Sachwertverfahren nach §§ 189 ff. BewG an die Sachwertrichtlinie (SW-RL) vom 5.9.2012 (BAnz AT 18.10.2012 B1) angepasst. Die §§ 190, 195 Abs. 2 Satz 4 und 5 sowie die Anlagen 22, 24 und 25 in der neuen Fassung sind gem. § 205 Abs. 10 BewG auf Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2015 anzuwenden.
Anwendbarkeit der Sachwertfaktoren der Gutachterausschüsse
Durch die Neufassung wird sichergestellt, dass die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte auf der Grundlage der SW-RL abgeleiteten Sachwertfaktoren unter Berücksichtigung der Modellkonformität als Wertzahlen i.S.d. § 191 Abs. 1 BewG angewendet werden können.
Sachwertfaktoren der Gutachterausschüsse, die auf Basis der SW-RL ermittelt und im Grundstücksmarktbericht veröffentlicht werden, konnten bisher nach Auffassung der OFD NRW nicht als Wertzahl nach § 191 Abs. 1 BewG der Grundbesitzbewertung zugrunde gelegt werden, da sie nicht modellkonform sind (vgl. dazu i.E. die Kurz-Info 001/2013 der OFD NRW v. 12.7.2013). Die SW-RL verwendet die Normalherstellungskosten 2010 (NHK 2010), während das Sachwertverfahren nach §§ 189 ff. BewG a.F. auf Basis der Normalherstellungskosten 2000 (NHK 2000) errechnete Regelherstellungskosten heranzieht.
Mit der gesetzlichen Änderung ist zusätzlich eine Vereinfachung in der Rechtsanwendung verbunden, weil die Vielzahl der Tabellenwerte der Regelherstellungswerte auf wenige Kostenkennwerte reduziert wird. Der verfassungsrechtlichen Maßgabe der Bewertung mit dem gemeinen Wert wird durch die Kopplung der Werte mit dem Baupreisindex des Statistischen Bundesamts Rechnung getragen.
Ländererlasse zur gesetzlichen Neuregelung
Bei der konkreten Durchführung des neu gefassten Sachwertverfahrens waren zahlreiche Einzelfragen offengeblieben (vgl. Grootens, ErbStB 2016, 22). Diese wurden seitens der Finanzverwaltung durch gleich lautende Ländererlasse vom 8.1.2016 (BStBl. I 2016, 173) geklärt. Im aktuellen Beitrag „Anwendungserlasse zum neuen Sachwertverfahren zur Grundbesitzbewertung ab dem 1.1.2016“ (ErbStB 2016, 111 [Grootens]) werden die konkreten Auswirkungen der Erlassregelungen kritisch analysiert. Gleichzeitig wird aufgezeigt, inwieweit sich die Neuregelungen auf das Ertragswertverfahren auswirken.
Mindestrestnutzungsdauer und Mindestrestwert im Vergleich
Durch die gesetzliche Neufassung des Sachwertverfahrens wurde der Mindestansatz des Gebäuderegelherstellungswerts von 40 % auf 30 % gesenkt. In vielen Fällen wurde aufgrund des hohen Restwerts von 40 % eine deutliche Überbewertung festgestellt, was wiederum zu einer gestiegenen Zahl von Nachweisen eines niedrigeren gemeinen Wertes gem. § 198 BewG im Wege eines Sachverständigengutachtens geführt hat.
Auf den ersten Blick wurde somit eine Gleichschaltung der Restwertregelung von Sachwertverfahren und Ertragswertverfahren durchgeführt, da in beiden Verfahren nunmehr die gleichen Prozentsätze gelten. Während sich der Prozentsatz im Sachwertverfahren auf die lineare Alterswertminderung und somit auf den Gesamtwert bezieht, ist im Ertragswertverfahren jedoch die Gesamtnutzungsdauer Bemessungsgrundlage für den 30 %igen Mindestansatz. Da die Gesamtnutzungsdauer und die sich daraus ergebende Restnutzungsdauer für die Wahl des Vervielfältigers lt. Anlage 21 zum BewG maßgeblich sind, ist hinsichtlich der Alterswertminderung aufgrund der Kapitalisierung bei der Ermittlung des Rentenbarwertfaktors lt. Anlage 21 zum BewG kein linearer Verlauf gegeben. Im Beitrag wird die konkrete mathematische Auswirkung für die Gebäudearten in Tabellenform aufgearbeitet. Im Einzelfall ergeben sich hier Mindestwerte von 74 % des Gesamtwerts.
Anpassung der Regelherstellungskosten lt. Anlage 24 an die NHK 2010
Die NHK 2010 (Anlage 1 zur SW-RL) und die Beschreibung der Gebäudestandards (Anlage 2 zur SW-RL) wurden in die Anlage 24 integriert. Bisher ungeklärt war, wie der Ausstattungsbogen in Anlage 24 III zum BewG n.F. in der Praxis angewendet werden soll. Neben den fünf Standardstufen (einfachst/einfach/Basis/gehoben/aufwändig) ist bei Ein- und Zweifamilienhäusern, Wohnungseigentum und vergleichbarem Teileigentum in Mehrfamilienhäusern sowie bei gemischt genutzten Grundstücken ein Wägungsanteil ausgegeben, nach der die einzelnen Ausstattungsstandards im Verhältnis zueinander unterschiedlich gewichtet werden.
Nach dem Ländererlass vom 8.1.2016 ist die bisherige Praxis der gleichmäßigen Gewichtung der Ausstattungsmerkmale zur Ermittlung eines Regelherstellungskostensatzes durch die Berücksichtigung der Wägungsanteile zu ergänzen. Ist ein Bauteil nicht vorhanden, bleiben die Regelherstellungskosten dieses Bauteils unberücksichtigt. Wie in diesen Fällen bei den Wohngebäuden (Gebäudearten 1.01. bis 5.1. der Anlage 24 zum BewG) und bei Nichtwohngebäuden (Gebäudearten 5.2. bis 13.3., 14.2. bis 14.4. und 15.1. bis 18.2. der Anlage 24 zum BewG) zu verfahren ist, wird im Beitrag anhand von Beispielsfällen erläutert. In beiden Fällen führt die Berechnung zu einem niedrigeren Regelherstellungskostenansatz.
Klärung durch Finanzverwaltung zu begrüßen
Die Ländererlasse klären wichtige Details zur Anwendung der gesetzlichen Neuregelung und der Anlagen. Die Umsetzung durch die Finanzverwaltung zeigt jedoch auf, dass die Angleichung mit einer Steigerung der Komplexität der Wertermittlung einhergeht. Durch die tagtägliche Anwendung in der Praxis werden sicherlich weitere Zweifelsfragen auftreten. Dennoch ist aber ein wichtiger Schritt zur höheren Genauigkeit und damit auch zur Akzeptanz des Sachwertverfahrens getan.
Auch für das Ertragswertverfahren haben sich durch das StÄndG und die dazu ergangenen Anwendungserlasse Änderungen ergeben. Zudem zeigt die Gegenüberstellung, dass die vermeintliche prozentuale Gleichstellung der Mindestwertregelung beim Ertrags- und Sachwertverfahren stattdessen zu einer Vergrößerung des Abstands zwischen den tatsächlich anzusetzenden Mindestwerten der beiden Verfahren führt.