Der EuGH hat erneut geprüft, ob das ErbStG unter dem europarechtlichen Aspekt „wetterfest“ ist. Die Prüfung hat zum wiederholten Male ergeben, dass der Schirm zahlreiche Löcher aufweist.
Zur Erinnerung: Es ist ständige Rechtsprechung, dass auch unentgeltliche Erwerbe durch die Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs geschützt sind. Daher müssen die Mitgliedstaaten ihre nationalen Vorschriften darauf ausrichten, dass EU- bzw. EWR-Ausländer mit inländischen Erwerbern gleichgestellt sind. Da die Kapitalverkehrsfreiheit auch die Angehörigen von Drittstaaten schützt, sind Vergünstigungen, wie höhere Freibeträge, sachliche Steuerbefreiungen, weitergehend Erwerbern in Drittstaaten zu gewähren. Diesem Umstand trägt das ErbStG nur begrenzt Rechnung. Klassiker ist der Freibetrag für beschränkt Steuerpflichtige in Höhe von lediglich 2.000 € (§ 16 Abs. 2 ErbStG).
Hierzu hatte der EuGH in der Rechtssache Mattner im Jahre 2010 die nationale Regelung für europarechtswidrig eingestuft, nach welcher nur unbeschränkt Steuerpflichtige den höheren Freibetrag des § 16 Abs. 1 ErbStG in Anspruch nehmen können, dessen Höhe sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis der Beteiligten richtet.
Der Gesetzgeber hat bekanntlich im Jahre 2011 mit § 2 Abs. 3 ErbStG geantwortet, welcher bei beschränkt steuerpflichtigen Erwerbern mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im EU- bzw. EWR-Raum ein Wahlrecht einräumt, für das deutsche Recht und damit für die höheren Freibeträge zu optieren. Allerdings ist in diesem Fall abweichend von den Rechtsfolgen der beschränkten Steuerpflicht der gesamte Erwerb in Deutschland zu erfassen, und zwar unter Einbindung von Vorerwerben in den letzten zehn Jahren vor dem Stichtag der Zuwendung und solchen innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren nach dem Stichtag.
Diese Restriktionen, die in dem Antragserfordernis und der Einbeziehung auch nach dem Stichtag erfolgter Zuwendungen bestehen, hat der EuGH nunmehr in der Rechtssache Hünnebeck mit Urteil v. 8.6.2016 – Rs. C-459/14, ErbStB 2016, 261, als nicht europarechtskonform eingestuft. Daher wird der Gesetzgeber nicht umhin kommen, § 2 Abs. 3 ErbStG wiederum zu ändern.
Dabei steht er vor keiner leichten Aufgabe, denn er sollte sich hüten, die Gleichstellung zu weit zu treiben, droht doch die Benachteiligung von Steuerinländern, die ausschließlich in Deutschland belegenes steuerpflichtiges Vermögen erwerben. Diese haben anders als Steuerausländer nicht die Möglichkeit, den Erwerb auf verschiedene Staaten zu verteilen, um damit auch in diesen Staaten die persönlichen Freibeträge für unbeschränkt Steuerpflichtige in Anspruch nehmen zu können.
Es bedarf wenig Phantasie für die Vorstellung, dass der EuGH bei den Finanzministern der Bundesländer als Gläubiger der Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht nur Freunde hat.