Bedarfsbewertung: Wirtschaftliche Einheiten beim Erbbaugrundstück

Der BFH hat entschieden, dass – so wie bei jedem Wohnungs- und Teilerbbaurecht – der entspr. Anteil des Erbbaugrundstücks nach den Anschauungen des Verkehrs i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG ebenfalls je eine wirtschaftliche Einheit für sich darstellt.

Zum Sachverhalt: Der Steuerpflichtige ist Begünstigter einer Schenkung. Er erhielt im Jahr 2014 von seinen Eltern deren Miteigentumsanteile an einem Grundstück (notarielle Beurkundung: 6.11.2014). Auf dem mit Wohn- und Geschäftshäusern sowie einer Tiefgarage bebauten Grundstück lastet seit 1973 ein Erbbaurecht, das noch bis 2071 besteht. Mit jedem Anteil am Erbbaurecht sind Wohnungserbbaurechte bzw. Teilerbbaurechte verbunden, die 1974 auf verschiedene Dritte übertragen worden sind. Streitig ist, ob für Zwecke der Schenkungsteuer jeweils der Wert der einzelnen Eigentumswohnungen festzustellen ist (so das FA) oder ob insg. nur zwei Feststellungsbescheide zu erlassen sind, und zwar einer für die Schenkung der Mutter und einer für die Schenkung des Vaters (so der Steuerpflichtige).

Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, der Steuerpflichtige habe weder Erbbaurechte noch Eigentumswohnungen erworben, sondern Eigentum an einem mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstück. Erbbaugrundstück und Erbbaurecht seien zu unterscheiden.

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Erwerbsgegenstand: Wird – wie im Besprechungsfall – Grundvermögen (§ 18 Nr. 2, § 176 Abs. 1 BewG) unentgeltlich zugewendet, so ist für die nach § 12 Abs. 3 ErbStG erforderliche Wertermittlung der Zuwendung der Erwerbsgegenstand zu bestimmen. Dies erfolgt nach erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Grundsätzen in Anknüpfung an das Zivilrecht.

Bewertet werden die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (§ 157 Abs. 3 Satz 1 BewG), und zwar jede wirtschaftliche Einheit für sich (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BewG). Der Miteigentumsanteil an einem Grundstück bildet grundsätzlich eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 157 Abs. 3 Satz 1 BewG. Er kann aber auch in mehrere wirtschaftliche (Unter-)Einheiten zerfallen (BFH v. 18.8.2004 – II R 22/04, BStBl. II 205, 19 = ErbStB 2004, 367 [Kussmann]). Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG nach den Anschauungen des Verkehrs zu entscheiden.

Ein Erbbauberechtigter kann sein Erbbaurecht aufteilen, indem er jedem der mitberechtigten Bruchteilsgemeinschafter das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem aufgrund des Erbbaurechts errichteten oder zu errichtenden Gebäude einräumt (Wohnungserbbaurecht, Teilerbbaurecht, § 30 WEG i.V.m. § 8 WEG). Bei erbbaubelasteten Grundstücken sind die Werte für die wirtschaftliche Einheit Erbbaurecht (§ 193 BewG) und für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks (§ 194 BewG) gem. § 192 Satz 1 BewG gesondert zu ermitteln. Erbbaurecht und Erbbaugrundstück bilden danach stets selbständige wirtschaftliche Einheiten.

Jedoch spielt das Wohnungs- oder Teilerbbaurecht bei der Bewertung des Erbbaugrundstücks eine entscheidende Rolle: Ohne Berücksichtigung des Erbbaurechts kann keine Bewertung des Erbbaugrundstücks erfolgen, weil für die Bewertung nach der finanzmathematischen Methode sowohl der Erbbauzins als auch insb. die Restlaufzeit des Erbbaurechts benötigt wird (§ 194 Abs. 2 bis 4 BewG). Ist das auf einem Erbbaugrundstück lastende Erbbaurecht in mehrere Wohnungs- oder Teilerbbaurechte aufgeteilt worden, können zwar die Erbbauzinsen addiert werden. Bei unterschiedlichen Restlaufzeiten, wie sie ohne weiteres möglich sind, versagen indes die gesetzlichen Bewertungsregeln. Der Gesetzgeber geht in § 194 BewG vielmehr davon aus, dass ein Erbbaugrundstück und ein Erbbaurecht einander gegenüberstehen. Das gilt auch dann, wenn im Einzelfall mehrere, viele oder alle Erbbaurechte dieselbe Restlaufzeit aufweisen. In diesen Fällen werden deshalb die einzelnen Einheiten „mit Wohnungs- oder Teilerbbaurecht belasteter Anteil an einem Erbbaugrundstück“ bewertet, auf die sich der Miteigentumsanteil bezieht.

Verfahrensrecht: Das Feststellungs-FA hat so viele Feststellungsbescheide zu erlassen, wie wirtschaftliche Einheiten „mit Wohnungs- oder Teilerbbaurecht belasteter Anteil an einem Erbbaugrundstück“ vorhanden sind. Dem steht nicht entgegen, dass der Bedachte zivil- und schenkungsteuerrechtlich einen Miteigentumsanteil an einem Erbbaugrundstück erwirbt. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, ob der den einzelnen Wohnungs- und Teilerbbaurechten entspr. Anteil an dem Erbbaugrundstück einzeln veräußerbar ist oder das Erbbaugrundstück nur als Ganzes veräußert werden kann.

Liegenschaftszinssätze: Gemäß § 193 Abs. 3 Satz 2 BewG wird der Abzinsungsfaktor für den Bodenwert in Abhängigkeit vom Zinssatz nach § 193 Abs. 4 BewG und der Restlaufzeit des jeweiligen Wohnungs- bzw. Teil-Erbbaurechts ermittelt. Der angemessene Verzinsungsbetrag des Bodenwerts des unbelasteten Grundstücks ergibt sich durch Anwendung des Liegenschaftszinssatzes, der von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192 ff. BauGB ermittelt wurde, auf den Bodenwert nach § 179 BewG (§ 193 Abs. 4 Satz 1 BewG). Haben die Gutachterausschüsse keine geeigneten Liegenschaftszinssätze ermittelt bzw. mitgeteilt, gelten die in § 193 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 oder 2 BewG vorgegebenen Zinssätze.

Im Besprechungsfall hat das FA den Grundstücksmarktbericht 2014 des örtlichen Gutachterausschusses herangezogen. Die dort veröffentlichen Liegenschaftszinssätze sind jedoch für das Jahr 2013 ermittelt worden. Das FG wird im zweiten Rechtsgang feststellen, ob für den Bewertungsstichtag (6.11.2014) durch den örtlichen Gutachterausschuss ermittelte, geeignete Liegenschaftszinssätze vorliegen.

Die Besprechungsentscheidung ist eindeutig. Der Grundbesitzwert von Erbbaugrundstücken ist in so vielen wirtschaftlichen Einheiten festzustellen, wie Wohnungs- oder Teilerbbaurechte bestellt sind.

Prüfen Sie regelmäßig, ob die vom Feststellungs-FA angewendeten Liegenschaftszinssätze den Bewertungsstichtag erfassen. Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Gutachterausschuss oder den Zeitpunkt der Veröffentlichung der für einen bestimmten Zeitraum ermittelten Zinssätze kommt es nicht an.

BFH v. 26.8.2020 – II R 43/18, ErbStB 2021, 34

Schreiben Sie einen Kommentar