Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das FA zu Recht das streitgegenständliche Grundstück für Zwecke der Schenkungsteuer nicht im Sachwert-, sondern im Ertragswertverfahren bewertet hat. Das gemischt-genutzte Grundstück mit mehreren Gebäuden (Wohnungen, Büros, Läden und Hotel) diente am Stichtag zu mehr als 50 % und zu nicht mehr als 80 % betrieblichen Zwecken.
Das FA ist der Ansicht, es habe das gemischt-genutzte Grundstück im Streitfall zu Recht im Ertragswertverfahren bewertet. Für alle Wohn- und Gewerbeflächen sei – wie von § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG gefordert – eine übliche Miete ermittelbar. Die tatsächlich erzielten Mieten für Wohnungen, Büros, Läden und das Hotel seien hier mit unterschiedlichen fremden Dritten vereinbart worden. Die tatsächlichen Wohnungsmieten (10,35 € bis 15,44 €) würden dem Mietspiegel in X-Stadt entsprechen und nicht um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichen.
Ableitung der üblichen Miete aus dem Objekt selbst: Die Mieten für Büros im Vordergebäude (11,85 € bis 12,99 €) und die Mieten für die Läden (14,25 € bis 16,19 €) würden dem Gewerbeimmobilienmarktbericht der Region entsprechen bzw. nicht mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichen. Bezüglich der neun Büros und drei Läden auf dem Grundstück ergebe sich die ortsübliche Miete bereits aus dem Objekt selbst. Die Mieten seien mit verschiedenen Vertragspartnern ausgehandelt worden und wiesen ein einheitliches Bild auf, die Differenzierungen seien schlüssig aus der Lage im Vorder- bzw. Seitengebäude und dem Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages begründet.
20%-Klausel bei Mietansatz nicht geprüft?: Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Bewertung des Grundstücks im Sachwertverfahren vorzunehmen sei. Es läge kein gesicherter Mietspiegel vor und somit könnten die angesetzten tatsächlichen Mieten nicht auf ihre Üblichkeit geprüft werden. Im Streitfall habe das FA die Prüfberechnung der 20%-Abweichung in keinem Fall vorgenommen, sondern die tatsächlichen Mieten ohne weitere Prüfungsschritte als ortsüblich bezeichnet. Insbesondere seien keinerlei Nachweise hinsichtlich der abzuleitenden Büromieten oder gar der Hotelmiete erbracht worden.
Das FG München hat die zulässige Klage als unbegründet angesehen und daher abgewiesen. Auf welche Art und Weise die übliche Miete zur Prüfung der 20%-Grenze zu ermitteln ist, gebe der Gesetzgeber nicht vor. Letztlich handele es sich um eine Schätzung gem. § 162 AO, bei der alle Umstände, die für die Schätzung von Bedeutung sind, zu berücksichtigen seien. Weicht die tatsächlich vereinbarte Miete um mehr als 20 % nach oben von der üblichen Miete ab, liege es im eigenen Interesse des Steuerpflichtigen, die Abweichung nachzuweisen, ihn treffe also in diesem Fall die Nachweislast (vgl. Rössler/Troll, §§ 184–188 BewG Rz. 15a).
Ermittlung der üblichen Miete nicht erforderlich: Die übliche Miete lasse sich im Streitfall in Anbetracht der Vielzahl der vermieteten Gewerberäume in X-Stadt, ggf. unter Heranziehung eines Sachverständigen, ermitteln. Für die Anwendbarkeit des Ertragswertverfahrens fordere § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG lediglich, dass sich – wie im Streitfall – auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt. Nicht erforderlich ist nach Ansicht des Gerichts, dass eine übliche Miete bereits ermittelt wurde.
Weicht die tatsächliche Miete also um mehr als 20 % nach oben von der ortsüblichen Miete ab, so wirkt sich der Ansatz der ortsüblichen Miete zugunsten des Steuerpflichtigen aus. Für eine Prüfpflicht des FA, ob eine solche Abweichung vorliegt, ist nach Ansicht des Gerichts deshalb zumindest ein diesbezüglicher substantiierter Vortrag des Steuerpflichtigen erforderlich.
Die Ansicht des FG München ist m.E. abzulehnen. § 186 Abs. 2 Nr. 2 BewG fordert den Ansatz der üblichen Miete, wenn der Eigentümer dem Mieter Grundstücksteile zu einer um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat. Eine Nachweisregelung oder gar eine Antragspflicht enthält § 186 Abs. 2 BewG nicht. Die Prüf- und Ermittlungspflicht des FA ergibt sich somit bereits aus § 85 Satz 1 AO. Der allgemeine Grundsatz, dass der Steuerpflichtige steuermindernde Sachverhalte gelten machen muss, kann bei einer derartigen eindeutigen Anordnung der Ermittlung von Berechnungsfaktoren innerhalb eines gesetzlich geregelten Bewertungsverfahrens nicht gelten.
Die vom FG herangezogene Formulierung „für die sich eine übliche Miete ermitteln lässt“ in § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG zielt allein darauf ab, dass sich zur Anwendung des Ertragswertverfahrens die übliche Miete zur Durchführung der 20%-Prüfung ermitteln lassen muss. Ist dies nicht der Fall, ist die Bewertung des Grundstücks zur Verhinderung von Gestaltungsmissbrauch durch bewusst niedrig vereinbarte Mietansätze im Sachwertverfahren durchzuführen.
Pflicht zur Ermittlung der üblichen Miete: Ist eine übliche Miete ermittelbar und somit das Ertragswertverfahren anzuwenden, so muss sie für die Prüfung der 20%-Klausel i.R.d. Ermittlung des Rohertrags auch tatsächlich ermittelt werden (vgl. zur „Vorfrage“ der Ermittelbarkeit einer üblichen Miete Mannek in Stenger/Loose, BewG/ErbStG/GrStG, § 182 BewG Rz. 30, und zur Vermeidung von Gestaltungsmöglichkeiten beim Mietansatz durch die 20%-Klausel Mannek in Stenger/Loose, BewG/ErbStG/GrStG, § 182 BewG Rz. 57). Eine einseitige Verkürzung des Prüfbereichs des § 186 Abs. 2 Nr. 2 BewG auf Abweichungen der Miete nach unten ist abzulehnen.
Gegen die Entscheidung des FG München hat der Kläger Revision eingelegt.
FG München v. 7.12.2020 – 4 K 2988/17 (Rev. II R 41/20), ErbStB 2021, 102