Wirtschaftliches Eigentum bei der Wertpapierleihe

Das FG Niedersachsen hat mit Datum v. 17.11.2016 (6 K 230/15, ErbStB 2017, 133) zur Frage des wirtschaftlichen Eigentums bei der Wertpapierleihe entschieden. Demnach verbleibt das wirtschaftliche Eigentum an verliehenen Aktien ausnahmsweise beim Verleiher, wenn die zu beurteilenden Wertpapiergeschäfte nicht darauf angelegt waren, dem Entleiher im wirtschaftlichen Sinne die Erträge aus den „verliehenen“ Aktien zukommen zu lassen.

Zwischen den Beteiligten des Klageverfahrens war streitig, ob § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. auf Dividende aus geliehenen Wertpapieren anwendbar ist und ob die sog. Kompensationszahlung nach § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG i.V.m. § 3c Abs. 1 Einkommensteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) steuermindernd berücksichtigt werden kann.

Nach den Regelungen eines Rahmenvertrages beabsichtigten die Vertragspartner des zu Grunde liegenden Falles Wertpapierdarlehen abzuschließen, wobei für jeden einzelnen Abschluss die Bestimmungen des Rahmenvertrages gelten sollten. Jede Vertragspartei konnte nach den Regelungen sowohl Darlehensgeber als auch Darlehensnehmer sein. Der Darlehensnehmer war zur Rückgewähr von Wertpapieren gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet.  Die Parteien waren sich einig, dass mit der Lieferung der Wertpapiere das unbeschränkte Eigentum oder eine andere am Verwahrort übliche gleichwertige Rechtsstellung an den Darlehenspapieren auf den Darlehensnehmer übergeht. Nach den Regelungen des Vertrages zahlt der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber für jedes Wertpapierdarlehen ein Entgelt („Darlehensentgelt“). Darüber hinaus hieß es im Vertrag, die während der Laufzeit des Darlehens auf die Darlehenspapiere geleisteten Zinsen, Gewinnanteile sowie sonstige Ausschüttungen stünden dem Darlehensgeber zu.

Den Gegenwert hatte der Darlehensnehmer mit Wertstellung zum Tag der tatsächlichen Zahlung durch den Emittenten zuzüglich des Betrags einbehaltener Steuern und Abgaben sowie Steuergutschriften an den Darlehensgeber zu zahlen („Kompensationszahlung“). Im Vertrag hieß es weiter, dass die Kompensationszahlung bei Aktien sämtliche Ausschüttungen wie Dividenden oder Zahlungen im Falle von Kapitalherabsetzungen umfasst.

Das FG Niedersachsen stellt fest, das FA habe im Ergebnis zu Recht bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer 2006 die Dividendenzahlungen der Klägerin aus den Aktien, die sie sich im Streitjahr in Ausfüllung des Rahmenvertrages geliehen hatte, nicht nach § 8b Abs. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz gelassen. Ferner habe das FA nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG auch zu Recht 5 % der Dividendenzahlungen nicht als nichtabziehbare Betriebsausgaben steuererhöhend berücksichtigt. Im Ergebnis sei das FA auch zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Kompensationszahlungen, die die Klägerin im Streitjahr geleistet hat, nicht nach § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG als Betriebsausgaben steuermindernd ausgewirkt haben.

Die Klägerin habe nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles kein wirtschaftliches Eigentum an den Aktien erlangt, die sie sich im Streitjahr in Ausfüllung des Rahmenvertrags geliehen hatte. Dies folge aus den Bestimmungen des Rahmenvertrages, den die Klägerin zur Ausfüllung ihrer Wertpapierdarlehen abgeschlossen hat, und der Art des Vollzugs (vgl. BFH v. 18.8.2015 – I R 88/13, BFH/NV 2016, 341).

So seien die streitgegenständlichen Wertpapiergeschäfte schon nicht darauf angelegt gewesen, der Klägerin in einem wirtschaftlichen Sinne die Erträge aus den „verliehenen“ Aktien zukommen zu lassen. Denn der Vertragspartner hatte sich diese in Gestalt der Dividendenkompensationszahlungen vollständig vorbehalten. Im Rahmenvertrag heiße es, die während der Laufzeit des Darlehens auf die Darlehenspapiere geleisteten Zinsen, Gewinnanteile sowie sonstige Ausschüttungen stünden dem Darlehensgeber zu.

Dabei sei zu beachten, dass die Klägerin auch im Streitfall zivilrechtliche Eigentümerin der Wertpapiere geworden ist, die sie sich im Streitjahr in Ausfüllung des Rahmenvertrages  geliehen hatte, und zwar unabhängig davon, ob sie die durch das Eigentum vermittelte Sachherrschaft über die erworbenen Aktien tatsächlich ausgeübt hat oder ausüben wollte. Bei der Wertpapierleihe handele es sich um einen Sachdarlehensvertrag, aufgrund dessen der Verleiher verpflichtet wird, dem Entleiher das Eigentum an den Aktien zu übertragen. Der Entleiher wiederum werde verpflichtet, nicht dieselben, sondern Papiere gleicher Art und Ausstattung nach Ablauf der Vertragslaufzeit zurück zu übereignen (BFH v. 16.4.2014 – I R 2/12, BFH/NV 2014, 1813 = ErbStB 2014, 331).

Praxishinweis: Die Erträge aus den „verliehenen“ Wertpapieren werden regelmäßig dem Entleiher zuzurechnen sein, weil er zivilrechtlicher Eigentümer der Wertpapiere wurde (BFH v. 18.8.2015 – I R 88/13, BFH/NV 2016, 341; BFH v. 16.4.2014 – I R 2/12, BFH/NV 2014, 1813 = ErbStB 2014, 331; BFH v. 17.10.2001 – I R 97/00, BFH/NV 2002, 240). Ausnahmsweise verbleibt das wirtschaftliche Eigentum an den verliehenen Aktien beim Verleiher, wenn die zu beurteilenden Wertpapiergeschäfte nicht darauf angelegt waren, dem Entleiher im wirtschaftlichen Sinne die Erträge aus den „verliehenen“ Aktien zukommen zu lassen (Anschluss an BFH v. 18.8.2015 – I R 88/13, BFH/NV 2016, 341).

Schreiben Sie einen Kommentar