Anwendung des Substanzwertverfahrens bei Ableitung des gemeinen Werts einer Kapitalgesellschaft aus Verkäufen

Die Beteiligten streiten darüber, ob der gemeine Wert eines Anteils an einer GmbH gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG aus Einziehungen von Geschäftsanteilen abgeleitet werden kann. Die Kläger (Kl.) sind die Erben ihrer am 23.11.2014 verstorbenen Mutter. Zum Nachlass der Erblasserin gehörte eine Beteiligung an der GmbH im Nennbetrag von 511.516 € (entspricht rd. 9,95 %).

In der ordentlichen Gesellschafterversammlung der GmbH am 7.2.2015 wurde ein Beschluss über die Einziehung von Teilgeschäftsanteilen gefasst. Danach wurde die Geschäftsführung bis auf Widerruf beauftragt, Einziehungen gegen Zahlung eines Einziehungsentgelts zu einem Einziehungskurs von 400 % zu veranlassen, sofern der GmbH Geschäftsanteile oder Teilgeschäftsanteile im Nominalwert von mindestens 52.000 € angeboten werden. Die eingezogenen Anteile sollten jeweils die verbleibenden Geschäftsanteile verhältniswahrend aufstocken. Anschließend boten zwei Gesellschafterinnen der GmbH in der gleichen Gesellschafterversammlung von ihren jeweiligen Beteiligungen im Umfang von 492.297 € je einen Teilgeschäftsanteil i.H.v. 52.000 € zur Einziehung an. Dieses Angebot wurde umgehend angenommen und umgesetzt.

Die Kl. erklärten den Wert des erworbenen Gesellschaftsanteils auf Basis der umgesetzten Einziehung im Wege der Ableitung aus Verkäufen i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BewG. Das FA setzte nach Durchführung einer Betriebsprüfung den deutlich höheren Substanzwert gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG an, da eine Ableitung aus Verkäufen bei einer Einziehung von Anteilen nicht möglich sei. Mit ihrer Klage verfolgen die Kl. ihr Begehren weiter, den Wert des Anteils am Betriebsvermögen der GmbH aus den Einziehungen vom 7.2.2015 abzuleiten und wie erklärt festzustellen.

Das FG Münster hat die Klage als unbegründet angesehen. Eine freiwillige Einziehung von GmbH-Anteilen kann grundsätzlich einen Verkauf i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 ErbStG darstellen. Auch bei einer Ableitung des gemeinen Werts einer Kapitalgesellschaft aus Verkäufen ist jedoch der Substanzwert gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG als Mindestwert zu beachten. Daher habe die Beklagte den gemeinen Wert des Anteils der Erblasserin an der GmbH zutreffend anhand des Substanzwerts der Gesellschaft nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG ermittelt.

Freiwillige Einziehung grundsätzlich als Verkauf anzusehen: Nach Auffassung des Senats sprechen durchaus Gründe dafür, zumindest für den Fall einer freiwilligen Einziehung eines (Teil-)Geschäftsanteils, einen verkaufsähnlichen Vorgang anzunehmen. Es liege grundsätzlich im freien Ermessen eines einziehungswilligen Gesellschafters, das bis auf Widerruf bestehende Angebot der Gesellschaft zu Einziehung zum Einziehungskurs von 400 % anzunehmen, sofern er dies für marktgerecht hält und er einen stets zulässigen Verkauf an Mitgesellschafter oder einen zustimmungsbedürftigen Verkauf an Dritte zu besseren Konditionen nicht erzielen kann oder er einen solchen für nicht erzielbar erachtet.

Die Beschlussfassung über die Einziehung knapp elf Wochen nach dem maßgeblichen Stichtag könnte zudem die Voraussetzung für die Anerkennung eines nach dem Stichtag liegenden Verkaufs nach der Rspr. des BFH, wonach bei vorheriger Einigung über den Kaufpreis der Vertragsabschluss „kurz“ nach dem Bewertungsstichtag erfolgt sein muss, worunter eine nach Wochen zu bemessende Zeitspanne zu verstehen ist (vgl. BFH v. 16.5.2003 – II B 50/02, BFH/NV 2003, 1150 m.w.N.), noch erfüllen.

Jedoch sei – auch wenn die Einziehungen maßgebliche Verkäufe unter fremden Dritten i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG darstellen würden – nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG der Substanzwert stets als Mindestwert anzusetzen. Der Substanzwert bildet bei der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften die untere Grenze (BFH v. 27.9.2017 – II R 15/15, BFHE 260, 75 = ErbStB 2018, 107 [E. Böing]). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch dann, wenn der Steuerpflichtige die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen unter fremden Dritten geltend macht (entgegen R B 11.3 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011, entspr. für nach dem Stichtag liegende Zeiträume in R B 11.3 Abs. 2 Satz 3 und R B 11.5 Abs. 1 ErbStR 2019).

In der Literatur wird unter Verweis auf die Verwaltungsauffassung vertreten, dass sich der tatsächlich erzielte Kaufpreis nachweislich am Markt gebildet habe und daher den gemeinen Wert abbilde, sodass der Ansatz des Substanzwerts als Mindestwert ausgeschlossen sei (vgl. z.B. Mannek in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, Stand: 154. EL 3/2021, § 11 BewG Rz. 188 ff. und Rz. 310; s. Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz, ErbStG/BewG, 5. Aufl. 2017, § 11 BewG Rz. 82).

Diese Ansicht wird teilweise damit begründet, dass es keine Fälle geben dürfe, in welchen der aus Verkäufen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr abgeleitete Preis unterhalb des Substanzwerts liege, wenn der Steuerpflichtige – wie es die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/7918, 38) postuliere – am Markt stets mindestens den Substanzwert erzielen könne (Kreutziger/Jacob in Kreutziger/Schaffner/Stephany, § 11 BewG Rz. 90).

Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG ergibt sich nach Ansicht des FG Münster jedoch weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus der Systematik des Gesetzes (vgl. auch Krumm in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Kap. 94 Rz. 40; Wollny, DStR 2012, 766; offengelassen FG Düsseldorf v. 3.4.2019 – 4 K 2524/16 F, EFG 2019, 1163 = ErbStB 2019, 194 [Knittel]).

Auch mit der Gesetzesbegründung lässt sich nach Auffassung des FG Münster eine entspr. einschränkende Auslegung nach Ansicht des Senats nicht begründen. Der Gesetzgeber habe dort unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass „Untergrenze … stets der Substanzwert als Mindestwert [ist], den ein Steuerpflichtiger am Markt erzielen könnte“ (BT-Drucks. 16/7918, 38).

Der Auffassung des FG Münster ist entgegenzuhalten, dass die einschränkende Auffassung der Finanzverwaltung den Steuerpflichtigen vor den Typisierungsunschärfen des Substanzwertverfahrens schützen soll. Gegen den Substanzwert ist keine gesetzliche Möglichkeit eines Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts durch ein Gutachten eröffnet. Gleichzeitig stellt der unter fremden Dritten erzielte Kaufpreis den wahrscheinlichsten gemeinen Wert für einen Vermögensgegenstand dar. Insofern besteht bei Anwendung der Rechtsauffassung des FG Münsters das erhebliche Risiko, dass ein Anteil einer Überbewertung zugeführt wird. Allenfalls im Vergleich mit dem ebenfalls typisiert ermittelten Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren oder einem im Schätzungswege ermittelten Gutachtenwert ist dieses Risiko m.E. vom Steuerpflichtigen hinzunehmen.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

FG Münster v. 15.4.2021 – 3 K 3724/19 F (Rev. II R 15/21), ErbStB 2021, 209

Bewertung eines gemischt genutzten Grundstücks im Ertrags- oder Sachwertverfahren

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das FA zu Recht das streitgegenständliche Grundstück für Zwecke der Schenkungsteuer nicht im Sachwert-, sondern im Ertragswertverfahren bewertet hat. Das gemischt-genutzte Grundstück mit mehreren Gebäuden (Wohnungen, Büros, Läden und Hotel) diente am Stichtag zu mehr als 50 % und zu nicht mehr als 80 % betrieblichen Zwecken.

Das FA ist der Ansicht, es habe das gemischt-genutzte Grundstück im Streitfall zu Recht im Ertragswertverfahren bewertet. Für alle Wohn- und Gewerbeflächen sei – wie von § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG gefordert – eine übliche Miete ermittelbar. Die tatsächlich erzielten Mieten für Wohnungen, Büros, Läden und das Hotel seien hier mit unterschiedlichen fremden Dritten vereinbart worden. Die tatsächlichen Wohnungsmieten (10,35 € bis 15,44 €) würden dem Mietspiegel in X-Stadt entsprechen und nicht um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichen.

Ableitung der üblichen Miete aus dem Objekt selbst: Die Mieten für Büros im Vordergebäude (11,85 € bis 12,99 €) und die Mieten für die Läden (14,25 € bis 16,19 €) würden dem Gewerbeimmobilienmarktbericht der Region entsprechen bzw. nicht mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichen. Bezüglich der neun Büros und drei Läden auf dem Grundstück ergebe sich die ortsübliche Miete bereits aus dem Objekt selbst. Die Mieten seien mit verschiedenen Vertragspartnern ausgehandelt worden und wiesen ein einheitliches Bild auf, die Differenzierungen seien schlüssig aus der Lage im Vorder- bzw. Seitengebäude und dem Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages begründet.

20%-Klausel bei Mietansatz nicht geprüft?: Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Bewertung des Grundstücks im Sachwertverfahren vorzunehmen sei. Es läge kein gesicherter Mietspiegel vor und somit könnten die angesetzten tatsächlichen Mieten nicht auf ihre Üblichkeit geprüft werden. Im Streitfall habe das FA die Prüfberechnung der 20%-Abweichung in keinem Fall vorgenommen, sondern die tatsächlichen Mieten ohne weitere Prüfungsschritte als ortsüblich bezeichnet. Insbesondere seien keinerlei Nachweise hinsichtlich der abzuleitenden Büromieten oder gar der Hotelmiete erbracht worden.

Das FG München hat die zulässige Klage als unbegründet angesehen und daher abgewiesen. Auf welche Art und Weise die übliche Miete zur Prüfung der 20%-Grenze zu ermitteln ist, gebe der Gesetzgeber nicht vor. Letztlich handele es sich um eine Schätzung gem. § 162 AO, bei der alle Umstände, die für die Schätzung von Bedeutung sind, zu berücksichtigen seien. Weicht die tatsächlich vereinbarte Miete um mehr als 20 % nach oben von der üblichen Miete ab, liege es im eigenen Interesse des Steuerpflichtigen, die Abweichung nachzuweisen, ihn treffe also in diesem Fall die Nachweislast (vgl. Rössler/Troll, §§ 184–188 BewG Rz. 15a).

Ermittlung der üblichen Miete nicht erforderlich: Die übliche Miete lasse sich im Streitfall in Anbetracht der Vielzahl der vermieteten Gewerberäume in X-Stadt, ggf. unter Heranziehung eines Sachverständigen, ermitteln. Für die Anwendbarkeit des Ertragswertverfahrens fordere § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG lediglich, dass sich – wie im Streitfall – auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt. Nicht erforderlich ist nach Ansicht des Gerichts, dass eine übliche Miete bereits ermittelt wurde.

Weicht die tatsächliche Miete also um mehr als 20 % nach oben von der ortsüblichen Miete ab, so wirkt sich der Ansatz der ortsüblichen Miete zugunsten des Steuerpflichtigen aus. Für eine Prüfpflicht des FA, ob eine solche Abweichung vorliegt, ist nach Ansicht des Gerichts deshalb zumindest ein diesbezüglicher substantiierter Vortrag des Steuerpflichtigen erforderlich.

Die Ansicht des FG München ist m.E. abzulehnen. § 186 Abs. 2 Nr. 2 BewG fordert den Ansatz der üblichen Miete, wenn der Eigentümer dem Mieter Grundstücksteile zu einer um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat. Eine Nachweisregelung oder gar eine Antragspflicht enthält § 186 Abs. 2 BewG nicht. Die Prüf- und Ermittlungspflicht des FA ergibt sich somit bereits aus § 85 Satz 1 AO. Der allgemeine Grundsatz, dass der Steuerpflichtige steuermindernde Sachverhalte gelten machen muss, kann bei einer derartigen eindeutigen Anordnung der Ermittlung von Berechnungsfaktoren innerhalb eines gesetzlich geregelten Bewertungsverfahrens nicht gelten.

Die vom FG herangezogene Formulierung „für die sich eine übliche Miete ermitteln lässt“ in § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG zielt allein darauf ab, dass sich zur Anwendung des Ertragswertverfahrens die übliche Miete zur Durchführung der 20%-Prüfung ermitteln lassen muss. Ist dies nicht der Fall, ist die Bewertung des Grundstücks zur Verhinderung von Gestaltungsmissbrauch durch bewusst niedrig vereinbarte Mietansätze im Sachwertverfahren durchzuführen.

Pflicht zur Ermittlung der üblichen Miete: Ist eine übliche Miete ermittelbar und somit das Ertragswertverfahren anzuwenden, so muss sie für die Prüfung der 20%-Klausel i.R.d. Ermittlung des Rohertrags auch tatsächlich ermittelt werden (vgl. zur „Vorfrage“ der Ermittelbarkeit einer üblichen Miete Mannek in Stenger/Loose, BewG/ErbStG/GrStG, § 182 BewG Rz. 30, und zur Vermeidung von Gestaltungsmöglichkeiten beim Mietansatz durch die 20%-Klausel Mannek in Stenger/Loose, BewG/ErbStG/GrStG, § 182 BewG Rz. 57). Eine einseitige Verkürzung des Prüfbereichs des § 186 Abs. 2 Nr. 2 BewG auf Abweichungen der Miete nach unten ist abzulehnen.

Gegen die Entscheidung des FG München hat der Kläger Revision eingelegt.

FG München v. 7.12.2020 – 4 K 2988/17 (Rev. II R 41/20), ErbStB 2021, 102

Zeitliche Anwendbarkeit der WertV und der ImmoWertV

Die Kläger (Kl.) und die Finanzverwaltung streiten sich darüber, ob ein Gutachten auf den Bewertungsstichtag 1.6.2009 nach der bis zum 30.6.2009 gültigen WertV oder nach der ab dem 1.7.2009 gültigen ImmoWertV zu erstellen ist. Darüber hinaus ist strittig, welcher Bodenrichtwert für das zu bewertende Grundstück in Frage kommt. Im Streitfall sind grundsätzlich zwei Bodenrichtwerte für die Ableitung des Bodenwerts geeignet: ein Straßenwert von 5.500 €/m² und ein Platzwert von 500 €/m².

Während des Klageverfahrens vor dem FG reichte der Kl. zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ein Gutachten vom 25.7.2017 eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen ein. Dieses Gutachten ermittelte einen Verkehrswert des Grundstücks zum 1.6.2009 i.H.v. 1.900.000 €. Der Gutachter führte in diesem Gutachten u.a. aus, es sei in Anlehnung an die §§ 192 bis 198 BauGB i.V.m. den Vorschriften der ImmoWertV erstellt worden.

Die Klage vor dem FG wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das FG führte im Wesentlichen aus, das im Klageverfahren eingereichte Gutachten sei nicht geeignet, einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks nachzuweisen. Die Erstellung des Gutachtens müsse sich an den Vorschriften des BauGB und der ImmoWertV orientieren. Im Streitfall sei die ImmoWertV, die am 1.7.2010 in Kraft getreten sei, und nicht die zuvor gültige WertV maßgebend. Für die Beurteilung, welche Vorschriften Anwendung fänden, komme es auf den Zeitpunkt der Gutachtenerstellung und nicht den Wertermittlungsstichtag an.

Das im Klageverfahren vorgelegte Gutachten aus dem Jahr 2017 verletze die Vorgaben der ImmoWertV. Es sei insb. bei der Ableitung des Bodenwerts aus dem Bodenrichtwert und i.R.d. Ertragswertermittlung des Gebäudes bei der Herleitung des Liegenschaftszinssatzes nicht plausibel. Die Lücken könnten nicht vollständig durch das Gericht geschlossen werden.

Der BFH hat die Revision für begründet erachtet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass für die Wertermittlung des Grundstücks auf den Stichtag 1.6.2009 die Vorgaben der ImmoWertV zu beachten sind.

Die WertV war bis zum 30.6.2010 in Kraft und wurde am 1.7.2010 durch die ImmoWertV abgelöst (vgl. § 24 ImmoWertV). Deshalb seien für Bewertungsstichtage bis 30.6.2010 die Vorschriften der WertV und für Bewertungsstichtage ab 1.7.2010 die Vorschriften der ImmoWertV anwendbar (vgl. BFH v. 24.10.2017 – II R 40/15 – Rz. 14, BStBl. II 2019, 21 = ErbStB 2018, 45 [Marfels]). Die in der ImmoWertV klar geregelten Zeitpunkte des Außer-Kraft-Tretens der WertV und des In-Kraft-Tretens der ImmoWertV seien für die Beteiligten eindeutig und machten den zeitlichen Anwendungsbereich der jeweiligen Rechtsverordnung vorhersehbar und bestimmbar.

Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die zeitliche Anwendung der WertV und der ImmoWertV nicht von Bedeutung (a.A. Mannek in: Stenger/Loose, BewG, § 198 Rz. 60 f.). Würde man auf letzteren abstellen, könnten bei einer Gutachtenerstellung für Bewertungsstichtage bis 30.6.2010 entweder die WertV – solange das Gutachten bis zu diesem Datum erstellt wurde – oder alternativ die ImmoWertV – falls das Gutachten ab dem 1.7.2010 erstellt wurde – und somit unterschiedliche Regelungen zu beachten sein. Dies würde einer vorhersehbaren und rechtssicheren Wertermittlung widersprechen.

Die Sache ist nicht spruchreif. Für den zweiten Rechtsgang hat der BFH aus Gründen der Prozessökonomie darauf hingewiesen, dass Bodenrichtwerte geeignet sind, wenn sie für eine Bodenrichtwertzone ermittelt sind, in der das Grundstück liegt. Dann könne davon ausgegangen werden, dass das Grundstück nach seinen tatsächlichen Eigenschaften und rechtlichen Gegebenheiten, aufgrund gleicher Struktur und Lage im Zeitpunkt der Bodenrichtwertermittlung ein annähernd gleiches Preisniveau aufweist wie die Grundstücke, deren Lagewert für die Bestimmung des Bodenrichtwerts in dieser Zone herangezogen wurde. Im Streitfall seien grundsätzlich zwei Bodenrichtwerte für die Ableitung des Bodenwerts geeignet. In welchem Umfang das Anliegergrundstück jeweils dem Straßen- oder Platzwert zuzuordnen ist, sei i.R. einer Ein­zelbewertung (vgl. § 194 BauGB) zu entscheiden.

Die Entscheidung hat insb. Bedeutung für zukünftige Neufassungen der Vorschriften zur Verkehrswertermittlung. Derzeit ist die Neufassung der ImmoWertV in Vorbereitung (ImmoWertV 2021, vgl. ausführlich zum Stand des Verfahrens https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/novellierung-des-wertermittlungsrechts.html). Bei der Erstellung von Gutachten wird der Zeitpunkt der Gültigkeit der ImmoWertV 2021 zu beachten sein.

Fazit: Die Entscheidung gibt Rechtssicherheit für zukünftige Neuordnungen der Vorschriften zur Verkehrswertermittlung. Es ist m.E. empfehlenswert, den Gutachter bei der Beauftragung von Gutachten für Bewertungsstichtage nach Inkrafttreten der ImmoWertV 2021 auf die Entscheidung des BFH hinzuweisen.

BFH v. 16.9.2020 – II R 1/18, ErbStB, 2021, 67

Berücksichtigung des Abzugsbetrags nach § 13a Abs. 2 ErbStG bei mehreren Erwerben

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Festsetzung der Schenkungsteuer der Abzugsbetrag gem. § 13a Abs. 2 ErbStG zu berücksichtigen ist.

Kein Ansatz des Abzugsbetrags beim Ersterwerb: Der Kläger (Kl.) macht geltend, die Schenkerin hätte bereits mit Vertrag vom 27.12.2012 von ihrem Kapitalanteil an der Y KG an ihn einen Anteil abgetreten. Darüber hinaus hätte sie in dem o.g. Vertrag einen Anteil von ihren Guthaben auf den bei der Y KG für sie geführten Fest- sowie Gesellschafterkonto an den Kl. abgetreten. Im Rahmen der darauffolgenden Schenkungsteuerfestsetzung wäre Schenkungsteuer ggü. dem Kl. festgesetzt worden. Der Abzugsbetrag gem. § 13a Abs. 2 ErbStG wäre dabei nicht zum Ansatz gekommen, da der Wert des nicht unter § 13b Abs. 4 ErbStG fallenden Teils des übertragenen Betriebsvermögens zu hoch gewesen wäre mit der Folge, dass sich der Abzugsbetrag gem. § 13 Abs. 2 Satz 2 ErbStG auf 0 € verringert hätte.

Der noch nicht verbrauchte Betrag sei bei der Festsetzung der streitgegenständlichen Schenkungsteuer zu berücksichtigen. Dies sei noch möglich, da sich der Abzugsbetrag bei der Zuwendung aus dem Jahr 2012 nicht ausgewirkt hätte und daher nicht i.S.v. § 13a Abs. 2 Satz 3 ErbStG berücksichtigt worden wäre. Die im Streitfall gegebene Konstellation sei nicht anders zu behandeln, als der Fall, in welchem der Abzugsbetrag zusammen mit der zehnjährigen Sperrfrist nachträglich vollständig wegfalle.

Das FG München hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen.

Keine gesetzliche Regelung: Ob der Steuerpflichtige (Stpfl.) einen Anspruch darauf hat, dass sich bei mehreren Erwerbern von derselben Person, die innerhalb von zehn Jahren erfolgen, der Abzugsbetrag bei einem der Erwerbe bei der Steuerfestsetzung auswirken muss, sei nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Der mehrfachen Berücksichtigung des Abzugsbetrages stehe jedoch der Sinn und Zweck der Regelung des § 13a Abs. 2 Satz 3 ErbStG entgegen.

Mangels Antragsgebundenheit könne der Stpfl. die Berücksichtigung weder ausschließen noch aufschieben, was die Absicht des Gesetzgebers belegt, wonach der Stpfl. über den Abzugsbetrag während des Zehn-Jahres-Zeitraums nicht frei verfügen sollte. Soweit Geck einen Verzicht auf den Abzugsbetrag zugunsten späterer Erwerbe für zulässig hält (vgl. Geck in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rz. 28), folgt dem der Senat nicht, weil es für einen solchen Verzicht keine gesetzliche Grundlage gebe. Zudem wolle der Gesetzgeber die Möglichkeit, den Abzugsbetrag durch Aufteilung in mehrere Erwerbe zu maximieren, ausschließen, was er durch das Tatbestandsmerkmal „nur einmal“ zum Ausdruck gebracht habe (vgl. BT-Drucks. 16/7918, S. 34).

Auch ein Freibetrag i.H.v. 0 € gilt als Verbrauch: Die notwendige Konsequenz daraus sei, dass das Gesetz auch einen Abzugsbetrag von 0 € vorsieht (vgl. BT-Drucks. 16/7918, S. 34). Letzterer sei daher nach Ansicht des Senats bei der Festlegung der Zehn-Jahres-Frist auch dann gem. § 13a Abs. 2 Satz 3 ErbStG zu berücksichtigen, wenn er sich – wie im Streitfall – bei der Festsetzung der Schenkungsteuer nicht ausgewirkt habe. Insoweit stimmt der Senat der Auffassung der Verwaltung, der sich auch Teile der Literatur angeschlossen haben, zu (vgl. R E 13a.2 Abs. 2 ErbStR 2011; AEErbSt 2017 Abschn. 13a.3 Abs. 2 Satz 3; Wachter in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 6. Aufl. 2017, § 13a Rz. 223; Halaczinsky in: Halaczinsky/Wochner, Schenken, Erben, Steuern, 11. Aufl. 2017, Punkt C., VI, 16, b, bb), Rz. 464; Söffing in: Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, 98. EL 2000, § 13a ErbStG Rz. 62).

Abweichender Literaturmeinung ist nicht zu folgen: Soweit Meincke und Geck die Auffassung vertreten, wonach der Abzugsbetrag nur dann als berücksichtigt i.S.v. § 13a Abs. 2 Satz 3 ErbStG gilt, wenn er größer als 0 € gewesen ist (Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 13a Rz. 14 bzw. Meincke, ErbStG, 17. Aufl. 2018, § 13a Rz. 32; Geck in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rz. 28), sei diese mit dem Wortlaut und der Intention des Gesetzes nicht vereinbar.

Bei dem Abzugsbetrag handelt es sich um keinen festen Freibetrag, wie z.B. den Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG). Vielmehr wird der Abzugsbetrag stets für jeden Steuerfall individuell festgelegt und bewegt sich in dem Bereich von 0 € bis 150.000 €. Dieser gleitende Abzugsbetrag wird kraft Gesetzes gewährt (vgl. Geck in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13a Rz. 27; Wachter in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 6. Aufl. 2017, § 13a Rz. 225; Meinke/Hannes/Holtz, ErbStG, 17. Aufl. 2018, § 13a Rz. 30) und – bei Zuwendungen von derselben Person – innerhalb von zehn Jahren nur einmal berücksichtigt.

Die Revision wurde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung zugelassen und ist unter dem Az. II R 34/19 anhängig.

FG München v. 15.5.2019 – 4 K 500/17, ErbStB 2019, 341

Keine Steuerpause ab dem 1.7.2016 bei der Erbschaftsteuer

Erbschaftsteuerpause?: In dem Verfahren war zwischen den Beteiligten streitig, ob für Erbfälle ab dem 1.7.2016 (nach Ablauf der Weitergeltungsanordnung aus dem Urteil des BVerfG v. 17.12.2014 (BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50; s. ErbStB 2015, 40 [M. Söffing/Thonemann-Micker]) bis zur Verkündung des „Gesetzes zur Anpassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ v. 4.11.2016 (BGBI. I 2016, 2464, ErbStAnpG 2016) im Bundesgesetzblatt (am 9.11.2016) eine sog. Erbschaftsteuerpause eingetreten ist.

Nachlass ohne Betriebsvermögen: Die Klägerin (Kl.) ist Alleinerbin nach ihrer im August 2016 verstorbenen Tante. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus Guthaben der Erblasserin bei einer Bank i.H.v. 167.046 € und der Auszahlung aus einer Lebensversicherung i.H.v. 1.168 €. Unter Berücksichtigung einer Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 2016 und eines Freibetrags gem. § 16 Abs. 1 ErbStG 2016 i.H.v. setzte das FA hierfür mit Bescheid vom 1.6.2017 Erbschaftsteuer i.H.v. 6.300 € fest.

Klammernorm § 19 ErbStG?: Die Kl. legte gegen den Erbschaftsteuerbescheid fristgerecht Einspruch ein und beantragte die Aufhebung des Bescheids. Sie vertrat die Auffassung, dass für Erbfälle, die nach Ablauf der Weitergeltungsanordnung aus dem Urteil des BVerfG vom 17.12.2014 bis zur Verkündung des ErbstAnpG 2016 eingetreten seien, kein ErbStG bestanden habe, auf dessen Grundlage Erbschaftsteuer hätte festgesetzt werden können. Das BVerfG habe (BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50) § 13a, § 13b und § 19 Abs. 1 ErbStG 2009 wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG für verfassungswidrig erklärt und gleichzeitig die begrenzte Anwendbarkeit des verfassungswidrigen Gesetzes angeordnet. Da die Feststellung der Verfassungswidrigkeit auch für die Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG 2009 gelte, sei nach dem ausdrücklichen Hinweis des BVerfG auch die Erhebung der Erbschaftsteuer für den Übergang von Privatvermögen nicht ohne Verstoß gegen Art. 3 GG möglich.

Das FG Köln hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das FA habe für den Erbfall vom August 2016 zutreffend Erbschaftsteuer festgesetzt. Das ErbStG 2016 stelle eine wirksame Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Erbschaftsteuer für den im August 2016 eingetretenen Erbfall dar. Dies ergebe sich aus der rückwirkenden Inkraftsetzung des ErbStAnpG 2016 mit Wirkung zum 1.7.2016 (Art. 3 des Gesetzes) und der speziellen Anwendungsregelung in § 37 Abs. 12 ErbStG 2016, wonach die Neuregelungen zur Besteuerung von Betriebsvermögen für alle Erwerbe gelten, für die die Steuer nach dem 30.6.2016 entsteht.

Keine verfassungsrechtlichen Zweifel: Der Senat sei weder im Hinblick auf die gesetzlich angeordnete Rückwirkung noch im Hinblick auf die inhaltlichen Änderungen in Bezug auf die Besteuerung von Betriebsvermögen von der Verfassungswidrigkeit der Regelungen überzeugt. Hinweis: Daher war das Verfahren nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und keine Entscheidung des BVerfG einzuholen.

So finde das Rückwirkungsverbot im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gelte nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war. Bei den in der Rspr. des BVerfG anerkannten, nicht abschließend definierten Fallgruppen handele es sich um Typisierungen ausnahmsweise fehlenden Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage. Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen (vgl. BVerfG v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1 m.w.N.).

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen sei gegeben, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten. Vertrauensschutz komme insb. dann nicht in Betracht, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste, oder wenn das bisherige Recht in einem Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden. Der Vertrauensschutz müsse ferner zurücktreten, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung erfordern, wenn der Bürger sich nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durfte oder wenn durch die sachlich begründete rückwirkende Gesetzesänderung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht wird (vgl. BVerfG v. 17.12.2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1 m.w.N.).

Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des FG Köln mit Verkündung des ErbStAnpG 2016 am 9.11.2016 – rückwirkend – eine umfassende Rechtsgrundlage für die Besteuerung von Erbfällen und Schenkungen ab dem 1.7.2016 geschaffen, die den Anforderungen der Rspr. des BVerfG an eine verfassungsgemäße Besteuerung von Betriebs- bzw. Unternehmensvermögen genügt. Durch die Anordnung der Rückwirkung auf Erbfälle und Schenkungen ab dem 1.7.2016 habe der Gesetzgeber insb. auch dafür Sorge getragen, dass, unabhängig von der Auslegung der Fortgeltungsanordnung in der Entscheidung des BVerfG v. 14.12.2014, nach dem 30.6.2016 keine Erbschaftsteuerpause eingetreten ist.

Die Regelung in Art. 3 ErbStAnpG 2016 und die Regelung des § 37 Abs. 12 Satz 1 ErbStG 2016 verstießen zudem nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Zwar handele es sich hierbei um Regelungen, denen in formaler Hinsicht echte Rückwirkung zukommt. Diese Rückwirkung sei aber zulässig. Dies gelte ausdrücklich auch für das Betriebsvermögen, soweit die Erwerber ggü. der bisherigen Rechtslage schlechtergestellt werden (a.A. wohl Crezelius, ZEV 2016, 541, 542; Wachter, GmbHR 2017, 1, 6 f.). Wenn auch die Möglichkeit einer steuerfreien Übertragung auch für Großvermögen erhalten bleibt, kann das Gericht zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu der Überzeugung gelangen, dass der Gesetzgeber mit dem ErbStAnpG 2016 die Vorgaben des BVerfG verfehlt hat und das neue ErbStG aufgrund der Verschonungsregelungen zum Betriebsvermögen weiterhin gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

Auch wenn es im Streitfall ausschließlich um den Übergang von Privatvermögen geht, konnte die Zulässigkeit der echten Rückwirkung im Hinblick auf die neugestalteten Verschonungsvorschriften für Betriebsvermögen nicht unbeantwortet bleiben. Zwar bejaht das FG Köln die Klammerwirkung des § 19 ErbStG und somit wären grundsätzlich sämtliche Erwerbe von einer Steuerpause betroffen. Da das FG Köln die echte Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung aber für zulässig erachtet, hat die Einstufung des § 19 ErbStG als Klammernorm in dieser Frage der Rückwirkung rechtlich keine Konsequenz.

Keine inhaltlichen Änderungen mehr bei den Vorschriften zur rückwirkenden Anwendung nach dem 30.6.2016: Beim ErbStAnpG 2016 kam es zwar zur Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat. Als Ergebnis des Vermittlungsverfahrens wurden auch die Verschonungsregelungen als solche noch einmal geändert. Unberührt hiervon blieben aber die Regelungen zur rückwirkenden Anwendung ab dem 1.7.2016. Insoweit wurde niemals Änderungsbedarf gesehen. Die Regelungen über die Anwendbarkeit der Neuregelungen spätestens für Erwerbe ab 1.7.2016 waren vielmehr im gesamten Gesetzgebungsverfahren von Anfang an unstreitig (vgl. Hardt, EFG 2017, 1963).

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Ausdrücklich offengelassen hat das FG die Frage, ob die erbschaftsteuerliche Behandlung des Unternehmensvermögens nach neuem Recht aufgrund der höchst komplexen Regelungen unkalkulierbar und deshalb wegen Normenunbestimmtheit und -unklarheit verfassungswidrig sei (z.B. Seer/Michalowski, GmbHR 2017, 609). Diese Frage vermochte der Senat zum jetzigen Zeitpunkt keinesfalls mit der Sicherheit zu bejahen, die es für eine Vorlage an das BVerfG bedürfte.

FG Köln v. 8.11.2018 – 7 K 3022/17, Rev. eingelegt, Az. d. BFH: II R 1/19

Mehr zum Thema: Guerra/Mühlhaus, Ist die geplante Rückwirkung des neuen Erbschaftsteuergesetzes auf den 1.7.2016 verfassungswidrig?, ErbStB 2016, 230; M. Söffing/Thonemann-Micker, Das BVerfG zur Erbschaftsteuer: Same Procedure as Every Time, ErbStB 2015, 40.

 

Vom Schenker an eine GmbH verpachteter Grundbesitz als Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b ErbStG

Grundstücke als Verwaltungsvermögen? Im vorliegenden Urteilsfall war streitig, ob das beklagte FA zu Recht die den Klägern i. R. einer Schenkung zugewandten Grundstücke als Verwaltungsvermögen beurteilt hat, das von der in § 13b ErbStG in der für Erwerbe im Jahr 2012 geltenden Fassung geregelten Begünstigung ausgenommen ist. Der Onkel A der Kläger hatte i.R. einer Betriebsverpachtung im Ganzen Grundstücke an die GmbH der Kläger verpachtet, an der er selber mit einem Zwergenanteil beteiligt war.

Verwaltungsvermögen aufgrund Nutzungsüberlassung?: Im Rahmen der Feststellungen des Bedarfswertes für den Gewerbebetrieb erklärten die Kläger die Grundstücke nicht als Verwaltungsvermögen. In späteren Erörterungen vertraten die Kläger gegenüber dem FA die Auffassung, dass es sich bei dem Verpachtungsunternehmen um eine faktische Mitunternehmerschaft gehandelt habe, an der die Kläger ohne Miteigentumsanteile an den Grundstücken beteiligt gewesen seien. Darüber hinaus greife die Rückausnahme für Betriebsverpachtungen im Ganzen, da die Kläger als Erben eingesetzt worden wären.

Das FA widersprach dieser Auffassung in seiner Einspruchsentscheidung und verwies darauf, dass die Grundstücke an die GmbH und nicht an die Erben verpachtet worden seien und daher die Rückausnahme des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 lit. b nicht greife. Zudem könne nicht von einer Mitunternehmerschaft ausgegangen werden.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet: Das FA hat nach Ansicht des FG Baden-Württemberg (Urteil v. 15.5.2018 – 11 K 3401/16) im Feststellungsbescheid zu Recht auch die für die streitbefangenen Grundstücke festgestellten Grundbesitzwerte in die Feststellung der Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 5 ErbStG einbezogen. A hatte die streitbefangenen Grundstücke an die GmbH verpachtet. Die GmbH ist nach Auffassung des FG unter den vorliegend gegebenen Umständen Dritte i.S.d. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG. Dem stünde nicht entgegen, dass an ihrem Stammkapital sowohl die Kläger als auch – mit einem Zwerganteil von weniger als 1 % – A beteiligt waren. Denn diese Beteiligungen am Stammkapital der GmbH lassen deren zivil- und steuerrechtliche Eigenständigkeit unberührt. Die GmbH ist eine juristische Person mit eigener, von derjenigen ihrer Gesellschafter unabhängiger Rechtspersönlichkeit. Da sie mithin weder mit dem Schenker noch mit den Zuwendungsempfängern (den Klägern) identisch oder auch nur teilidentisch und ihre Einschaltung in das Pachtverhältnis auch nicht nur zum Schein erfolgt ist, muss sie vorbehaltlich der Einschränkung, den der Begriff des „Dritten“ im vorliegenden Kontext durch § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 ErbStG erfahren hat, zunächst einmal als Dritte angesehen werden (vgl. auch Scholten/Korezkij, DStR 2009, 147).

Kein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswillen: Insbesondere konnte A nicht sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb – allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern – einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen, wie es die erste Alternative der genannten Vorschrift voraussetzt.

Wirtschaftliche Verknüpfung begründet keinen einheitlichen Beschäftigungswillen: Ist – wie vorliegend – A als Schenker einerseits Alleineigentümer der von einer GmbH genutzten Grundstücke und andererseits an dieser GmbH nur mit einem Zwerganteil von knapp 1 % beteiligt, dann kann die Durchsetzbarkeit eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens auch nicht allein daraus abgeleitet werden, dass Verpachtungsbetrieb und Betriebs-GmbH aufeinander angewiesen gewesen sind.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil nach seiner Auffassung eine höchstrichterliche Entscheidung zu Voraussetzungen und Grenzen der Steuerverschonungsregelungen in § 13b ErbStG gerade auch vor dem Hintergrund ihrer verfassungsrechtlichen Dimension im Interesse der Allgemeinheit liegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Revision ist unter dem Az. II R 22/18 beim BFH anhängig.

Vergleichswertverfahren: Ableitung von Vergleichspreisen des Gutachterausschusses

Das FG Niedersachsen hat mit Urteil vom 7.12.2017 entschieden, dass das FA nicht befugt ist, die ihm vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte für einen Stichtag mitgeteilten Vergleichspreise für einen anderen Stichtag zu verwerten. Das gilt auch, wenn die Abweichung nur einen Tag beträgt.

Im Streitfall erhielt die Klägerin mit notariellem Übergabevertrag vom 26.2.2009 von ihrer Tochter unentgeltlich einen halben Miteigentumsanteil an einer Eigentumswohnung (ETW) i.R. einer Erbauseinandersetzung. Der Senat hatte mit Urteil vom 11.4.2014 – 1 K 107/11, EFG 2014, 1364 = ErbStB 2014, 182 m. Komm. Heinrichshofen, den Bescheid und die Einspruchsentscheidung mit der Begründung aufgehoben, das FA habe die Vorgaben der §§ 182, 183 BewG nicht beachtet, die im Streitfall grundsätzlich die Anwendung des Vergleichswertverfahrens vorsehen. Die Vorgehensweise des FA, den Wert anhand des auf der Website der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte angebotenen Immobilienpreiskalkulators zu ermitteln, habe keine gesetzliche Grundlage.

Das FA bat daraufhin den zuständigen Gutachterausschuss für Grundstückswerte (GAA), die Preise von Vergleichsgrundstücken für das näher beschriebene Grundstück auf den Bewertungsstichtag 27.2.2009 mitzuteilen. Der GAA entschied am 10.12.2014, es seien für den Wertermittlungs- und Qualitätsstichtag 27.2.2009 13 Vergleichspreise zwischen 179.000 € und 247.000 € vorhanden und teilte dies dem FA mit. Das FA stellte mit Bescheid vom 17.2.2015 den Grundstückswert entspr. R B 183 Abs. 2 Satz 5 ErbStH 2012 mit dem Durchschnittswert der Vergleichspreise i.H.v. 214.692 € fest, wovon 107.346 € auf die Klägerin übertragen worden seien. Die Feststellung erfolgte auf den Besteuerungszeitpunkt 26.2.2009.

Die Klage ist begründet: Der streitige Bescheid entspreche nicht den Anforderungen des § 183 Abs. 1 BewG. Nach § 182 Abs. 2 Nr. 1 BewG sei Wohnungseigentum grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten. Das FA hat diese Vorgaben nicht beachtet. Es hat den GAA nicht gebeten, Vergleichspreise oder -faktoren auf den 26.2.2009, den Bewertungsstichtag des Feststellungsbescheids, mitzuteilen. Aufgrund der unterbliebenen Anfrage hat der GAA auch nicht erklärt, auf diesen Stichtag existierten keine Vergleichspreise oder ‑faktoren. Das FA hat zwar den GAA um die Mitteilung von Vergleichspreisen gebeten, allerdings auf den Stichtag 27.2.2009.

Zutreffender Bewertungsstichtag?: Bei dem 26.2.2009 dürfte es sich zwar um den materiell-rechtlich zutreffenden Bewertungsstichtag handeln, wie sich aus dem Senatsurteil vom 11.4.2014 ergibt. Der Zeitpunkt der Steuerentstehung gehört auch nicht zu den Besteuerungsgrundlagen, über die in den Bescheiden zur gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte verbindlich zu entscheiden ist. Gleichwohl handelt es sich bei der Angabe des Zeitpunkts, auf den die Bewertung vorgenommen worden ist, um ein zwingendes materielles Erfordernis, der den Grundstückswertbescheid in materiell-rechtlicher Hinsicht kennzeichnet und individualisiert (vgl. BFH v. 27.1.2006 – II B 6/05, BFH/NV 2006, 908). Grundbesitzwerte werden unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse „zum Bewertungsstichtag“ festgestellt (§ 157 Abs. 1 Satz 1 BewG).

Es war nicht entscheidungserheblich, dass sich der vom GAA zugrunde gelegte Stichtag und der Stichtag laut Bescheid nur um einen Tag unterscheiden. Auf die Wahrscheinlichkeit, dass eine Anfrage beim GAA auf den 26.2.2009 zu anderen als den auf den 27.2.2009 mitgeteilten Ergebnissen führen wird, kommt es nach Auffassung des FG nicht an. Mit der in § 183 Abs. 1 und 2 BewG vorgenommenen Zuständigkeitsverteilung wäre es unvereinbar, wenn Finanzbehörde oder FA entscheiden dürften, vom GAA auf einen bestimmten Stichtag mitgeteilte Vergleichspreise oder ‑faktoren seien auch auf einen anderen Stichtag maßgeblich. Der Gesetzgeber habe die Ermittlung von Vergleichspreisen und -faktoren explizit den Gutachterausschüssen aufgegeben, da diesen aufgrund ihrer besonderen Sach- und Fachkenntnis und ihrer größeren Ortsnähe sowie der in hohem Maße von Beurteilungs- und Ermessenserwägungen abhängigen Wertfindung eine vorgreifliche Kompetenz bei der Feststellung von Vergleichspreisen und -faktoren zukommt. Eine fachliche Überprüfung durch – mit geringerer Sachkunde ausgestattete – Gerichte würde dem widersprechen.

Mit diesem Rechtsgedanken habe der BFH auch entschieden, dass die von den Gutachterausschüssen nach § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG ermittelten und den FA mitgeteilten Bodenrichtwerte für die Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich sind (vgl. BFH v. 11.5.2005 – II R 21/02, BFHE 210, 48 = BStBl. II 2005, 686; BFH v. 26.4.2006 – II R 58/04, BStBl. II 2006, 793 = ErbStB 2006, 248 m. Komm. Halaczinsky, und BFH v. 16.12.2009 – II R 15/09, BFH/NV 2010, 1085; FG Niedersachsen v. 17.9.2015 – 1 K 147/12, EFG 2016, 185 = ErbStB 2016, 76 m. Komm. Günther – zu Vergleichspreisen).

Die zugelassene Revision wurde nicht eingelegt.

FG Niedersachsen v. 7.12.2017 – 1 K 219/15, ErbStB 2018, 138

Saldierung eines positiven Kapitalkontos mit negativen Kapitalkonten anderer Kommanditisten

Bei der Feststellung des gemeinen Werts eines Anteils am Betriebsvermögen einer Kommanditgesellschaft für Zwecke der Erbschaftsteuer darf nach § 97 Abs. 1a Nr. 1 lit. a BewG ein positives Kapitalkonto des Erblassers nach Ansicht des FG Düsseldorf (FG Düsseldorf, Urt. v. 20.10.2017 – 4 K 3022/16 F, ErbStB 2018, 7) nicht mit den negativen Kapitalkonten anderer Kommanditisten saldiert werden.

Im Urteilsfall war der Erblasser Kommanditist einer GmbH & Co. KG (H KG). Weitere Kommanditisten waren O und R. Persönlich haftende Gesellschafterin der H KG war die H GmbH. Der Erblasser verstarb am 7.5.2014. Die Klägerin ist die Schwester des Erblassers, die den Erblasser allein beerbt. Am Todestag wies das für den Erblasser bei der H KG geführte Kapitalkonto einen positiven Wert auf. Die für die Kommanditisten O und R bei der H KG geführten Kapitalkonten wiesen negative Werte auf.

Die Klägerin gab beim beklagten Finanzamt eine Feststellungserklärung ab, mit der sie den Wert des Anteils des Erblassers an der H KG mit einem negativen Wert angab. Hierzu gelangte sie, indem sie das positive Kapitalkonto des Erblassers mit den negativen Kapitalkonten der anderen Kommanditisten zusammenrechnete. Die H KG sei zum Todestag des Erblassers überschuldet gewesen. Der Anteil des Erblassers an der Gesellschaft sei deshalb mit 0 € anzusetzen. Die H KG habe ihr Handelsgeschäft aufgegeben und die Liquidation eingeleitet. Wertzuwächse seien nicht mehr zu erwarten gewesen. Eine Rückzahlung der Einlage des Erblassers sei aus diesem Grunde ausgeschlossen gewesen. Ein fremder Dritter hätte für den Anteil des Erblassers nur einen Betrag gezahlt, der dem saldierten Wert der Kapitalkonten sämtlicher Kommanditisten entsprochen hätte. Dem folgte das Finanzamt nicht und hatte für die Klägerin einen positiven Wert des KG-Anteils festgestellt.

Das FG Düsseldorf hält die Klage für unbegründet. Das beklagte Finanzamt habe den Wert des Anteils des Erblassers an der H KG zu Recht mit einem positiven Wert festgestellt.

Nach § 97 Abs. 1a Nr. 1 lit. a BewG sei der gemeine Wert eines Anteils am Betriebsvermögen einer in § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG genannten Personengesellschaft dergestalt zu ermitteln und aufzuteilen, dass die Kapitalkonten aus der Gesamthandsbilanz dem jeweiligen Gesellschafter vorweg zuzurechnen seien. Nach dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung („dem jeweiligen Gesellschafter vorweg zuzurechnen“) sei es nicht zulässig, ein positives Kapitalkonto des Gesellschafters, dessen An-teil zu bewerten ist, mit den negativen Kapitalkonten anderer Kommanditisten zu saldieren. Insbesondere sei hiernach eine Bereinigung des dem betreffenden Gesellschafter zuzurechnenden positiven Kapitalkontos mit etwaigen negativen Kapitalkonten anderer Gesellschafter nicht vorgesehen (vgl. in diesem Sinne auch Wälzholz in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, BewG, 4. Aufl., § 97 Rz. 36 Beispiel 5 sowie – nichttragend – FG Köln, Urt. v. 5.2.2009 – 9 K 3686/07, EFG 2009, 1523).

Konsequenzen für die Praxis: Im Rahmen von § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG ist nur der Anteil des Erblassers zu bewerten, der Gegenstand des Erwerbs ist (Wälzholz in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, BewG, § 97 Rz. 27). Maßgebend ist hierbei nur der Wert des Anteils des Erblassers am Bewertungsstichtag (§ 12 Abs. 5 ErbStG). Es kommt mithin nicht darauf an, wie sich die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft nach dem Bewertungsstichtag (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 11, 12 Abs. 5 ErbStG) auseinandersetzen (§§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB). Gemäß § 155 Abs. 1 HGB sind nämlich erst nach der Berichtigung der Schulden etwaige aktive und passive Liquidationsanteile unter den Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft auszugleichen (vgl. Habersack in Staub, HGB, 5. Aufl., § 155 Rz. 13).

Gegen die Entscheidung wurde Revision eingelegt (Az. beim BFH: II R 43/17).

Sonderausgabenabzug einer Versorgungsrente bei fortbestehender Geschäftsführerstellung des Vermögensübergebers

Der BFH hatte die Frage zu entscheiden, ob Versorgungsrenten nur dann als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 lit. c EStG i.d.F. des Veranlagungszeitraums 2013 abziehbar sind, wenn der Übergeber nach der Übertragung der Anteile an einer GmbH nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft ist.

Mit notariellem Vertrag vom 17.12.2012 hatte der Vater des Klägers und Revisionsklägers (V), der bis dahin alleiniger Gesellschafter einer GmbH war, seinen Geschäftsanteil an dieser im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Kläger übertragen.

Der Kläger wurde zum alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten weiteren Geschäftsführer der GmbH bestellt. Nach den vertraglichen Regelungen blieb V weiterhin Geschäftsführer der GmbH. Seine Abberufung ohne eigene Zustimmung berechtigte V nach den Regelungen des Übergabevertrags zum Widerruf der Anteilsübertragung.

Der Kläger verpflichtete sich zur Zahlung einer indexgebundenen Versorgungsrente an die Eltern ab dem 1.1.2013 bis zum Tode des Längstlebenden. In ihrer Einkommensteuer-Erklärung 2013 machten die Kläger die Zahlungen an die Eltern des Klägers als Versorgungsleistungen i.R. der Sonderausgaben geltend. Das FA lehnte deren Berücksichtigung ab. Versorgungsleistungen in Zusammenhang mit der Übertragung eines GmbH-Anteils seien nur abziehbar, wenn der Übergeber die Geschäftsführertätigkeit vollständig und ausnahmslos eingestellt habe. Diese Voraussetzung liege im Streitfall nicht vor.

Das FG Münster wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab (FG Münster v. 31.8.2016 – 12 K 3245/15 E, EFG 2016, 1943). Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe sich bei der Auslegung von § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 lit. c EStG der Auffassung der Finanzverwaltung angeschlossen, wonach der Vermögensübergeber seine Tätigkeit als Geschäftsführer vollständig aufgeben müsse (vgl. BMF v. 11.3.2010 – IV C 3 S 2221/09/10004, BStBl. I 2010, 227).

Nach Auffassung des BFH (Urteil des BFH v. 20.3.2017 – X R 35/16) ist die Revision unbegründet und war daher nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Zu Recht habe das FG den Klägern den Sonderausgabenabzug der an die Eltern gezahlten Versorgungsrente als Versorgungsleistungen verwehrt. Im Streitfall habe V zwar seinen 100 % Anteil an der GmbH auf den Kläger übertragen. Auch sei V vor der Vermögensübertragung Geschäftsführer der GmbH gewesen und der Kläger sei danach deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer geworden. V sei jedoch nach den Regelungen des Überlassungsvertrags weiterhin Geschäftsführer geblieben. Zudem berechtige ihn seine Abberufung als Geschäftsführer zum Widerruf der Anteilsübertragung. Deshalb lägen die Voraussetzungen für einen Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 lit. c EStG nicht vor.

Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten nach Auffassung des BFH eine wortlaut-getreue Auslegung. Nur wenn der Vermögensübergeber nach der Übertragung von GmbH-Anteilen nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft ist, gibt er die einem Einzelunternehmer oder einem Mitunternehmer an einer Personengesellschaft vergleichbare „gewerbliche“ Tätigkeit auf. Wäre – wie die Kläger meinen – die Übertragung von GmbH-Anteilen auch dann nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 lit. c EStG begünstigt, wenn der Übergeber weiterhin Geschäftsführer der Gesellschaft bliebe, würde das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen gegen den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers insoweit nicht auf seinen Kernbereich zurückgeführt.

Die dem Streitfall zu Grunde liegende Regelung in § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 lit. c EStG i.d.F. des Veranlagungszeitraums 2013 ist im aktuellen Recht inhaltsgleich in § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 lit. c EStG angesiedelt.

Keine Berücksichtigung von Finanzierungskosten als Nachlassverbindlichkeiten i.R. eines Rückerwerbs von der Erblasserin

Das FG Mecklenburg-Vorpommern (v. 26.4.2017 – 3 K 233/14) hat entschieden, dass Schulden, die der Erbe vor dem Erbanfall aufgenommen hatte, um die Anschaffungskosten des Erblassers für Gegenstände (hier: Grundstücke) zu finanzieren, die dem Erben dann mit dem Nachlass zugefallen sind, nicht bereicherungsmindernd berücksichtigt werden können.

Die Kl. ist Alleinerbin nach A, ihrer Mutter. Zur Erbmasse gehörten u.a. drei Eigentumswohnungen. Die Erblasserin hatte die Wohnungen mit Vertrag vom 10.12.1993 erworben. Für den Erwerb der Wohnungen stellte die Kl. ihrer Mutter 90.000 DM/Wohnung zur Verfügung. Die Kl. finanzierte die Beträge über Darlehen. Die verbleibenden Kaufpreise zahlte die Erblasserin aus dem von ihrem Ehemann ererbten Vermögen. Schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen der Kl. und der A über die Rückzahlung des Geldvermögens oder einer Beteiligung an den Zinszahlungen gab es nicht. Das FA erließ einen Erbschaftsteuerbescheid, mit dem es die Erbschaftsteuer (auch unter Berücksichtigung von Vorerwerben) auf 19.932 € festsetzte.

Mit ihrem Einspruch begehrt die Kl., die Berücksichtigung der Darlehensverbindlichkeiten i.H.v. insg. 136.464 € als Nachverbindlichkeiten. Sie habe ihre Mutter A im Falle eines zeitlich früheren Todes finanziell absichern wollen. Das FA hat den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die ggü. der Bank bestehende Darlehensverbindlichkeit gründe nicht auf einem Schuldverhältnis zwischen der A und der Bank und rühre auch nicht anderweitig von der Erblasserin her, so dass die Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nicht vorliegen würden. Auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 ErbStG würden nicht vorliegen, denn Ansprüche zwischen der Kl. und A hätten nicht bestanden.

Hiergegen macht die Kl. geltend, dass ihr aufgrund der Schuldentragung ein Anspruch gegen A nach § 812 BGB zugestanden habe. Dieser Bereicherungsanspruch sei nach § 10 Abs. 3 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.

Das FG entschied, dass die Aufwendungen der Kl. nicht als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen sind. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG seien vom Erblasser herrührende Schulden als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Die Kl. habe keine Schulden oder Verpflichtungen übernommen, die von der Erblasserin „herrühren“. Die Erblasserin sei weder ggü. der Bank Verpflichtungen aus einem Darlehensvertrag eingegangen, noch habe sie sich ggü. der Kl. verpflichtet, dieser die aufgewendeten Zinsen und Tilgungsbeiträge zu erstatten. Die Kl. habe selbst vorgetragen, dass eine solche Erstattung nie geplant war, weil die Erblasserin auf Kosten der Kl. abgesichert werden sollte.

Im Ergebnis habe die Kl. der Erblasserin die Wohnungen mittelbar geschenkt, was der Beklagte zu Recht zur Grundlage des weiteren Besteuerungsverfahrens gemacht haben dürfte. Der Rechtsgrund der Schenkung schließt aber einen Anspruch der Kl. wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB aus.

Der Rückfall der Schenkung an die Kl. ist auch nicht nach § 13 Abs. 10 ErbStG steuerfrei, denn durch diese Regelung soll nur der Rückfall i.R. eines fehlgeschlagenen Generationenüberganges privilegiert sein. Nach dieser Vorschrift bleiben Vermögensgegenstände steuerfrei, die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung zugewandt hatten und an diese Personen von Todes wegen zurückfallen. Eine wörtliche Anwendung dieser Vorschrift scheidet im Streitfall aus. Der Senat sah auch keinen Anlass für eine wortlautübergreifende Interpretation des Gesetzes, insb. lägen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung auf den Streitfall nicht vor, denn es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke.

In diesem Zusammenhang kann auf ein Urteil des BFH (BFH v. 1.7.2008 – II R 38/07, BStBl. II 2008, 876 = ErbStB 2008, 323 m. Komm. Halaczinsky) hingewiesen werden, in dem es um Baumaßnahmen in Erwartung der Erbschaft ging. Hier kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass sich die erbschaftsteuerliche Bereicherung eines Nacherben hinsichtlich eines nachlasszugehörigen Grundstücks um den Betrag mindert, um den die von ihm in Erwartung der Nacherbfolge durchgeführten Baumaßnahmen den Grundbesitzwert erhöht haben, wobei die einschlägige Wertminderung durch das Festsetzungs-FA erfolgen soll. Diese Rspr. soll nach Auffassung des FG Hessen (FG Hessen v. 18.5.2009 – 1 K 1366/07) auch für sonstige Erwerbe von Todes wegen gelten.

Diese Rechtsprechung ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, denn sie betrifft nicht die Minderung der erbschaftsteuerlichen Bereicherung um die Summe der für die aufgewendeten Baumaßnahmen aufgewendeten Beträge, sondern vielmehr um die Beträge, um welche die Grundbesitzwerte im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ohne die Durchführung der in Rede stehenden Baumaßnahmen niedriger gewesen wären (hypothetische Grundbesitzwerte – vgl. Dötsch, Anm. zu BFH v. 1.7.2008, jurisPR-SteuerR 40/2008 Anm. 4). Da die von der Klägerin vor dem Erbanfall aufgenommenen Kredite und aufgewendeten Zinsen nicht zu einer Wertveränderung der Grundstücke geführt haben, können sie nicht bereicherungsmindernd berücksichtigt werden. Gegen die Entscheidung wurde Revision eingelegt (Az. des BFH: II R 27/17).