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FamRB-Blog

Ordre public bei Kinderehen – Keine Ãœberheblichkeit pflegen, sondern effektiven Kinder- und Jugendschutz gewährleisten

Jörn Hauß  Jörn Hauß
Fachanwalt für Familienrecht

Eheschließung von Ausländern im Inland

Nach Art. 13 EGBGB unterliegen die Voraussetzungen für eine Eheschließung im Inland für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Nur wenn es danach an einer Voraussetzung fehlt, wäre deutsches Recht maßgeblich, wenn die Verlobten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben.

Nach Art. 13 Abs. 3 EGBGB kann eine Ehe im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden, also vor einem Standesbeamten (§ 1310 BGB). Ist keiner der Verlobten Deutscher, kann die Ehe im Inland auch von einer Person geschlossen werden, die der Staat, dem einer der Verlobten angehört, dazu ermächtigt hat (Art. 13 Abs. 3 Satz 2 EGBGB). Das sind teilweise diplomatische oder konsularische Vertretungen, aber auch Militärgeistliche, Truppenoffiziere von Stationierungsstreitkräften oder griechisch-orthodoxe Geistliche, die von Ihrer Regierung benannt sind.

Würde eine ausländische Rechtsordnung für die Eheschließung geringere Voraussetzungen an das Alter der Verlobten stellen als die deutsche Rechtsordnung, könnte das als Verstoß gegen den ‚ordre public‘ angesehen werden und die standesamtliche Eheschließung in Deutschland hindern.

Im Ausland geschlossene Kinderehen im Inland

Eine im Ausland von Ausländern geschlossene Ehe bedarf aber keinerlei ‚Anerkennung‘ in Deutschland. Das deutsche Recht geht bei der Beurteilung der Rechtsnatur einer im Ausland geschlossenen Ehe von deren Beurteilung nach dem Recht des die Eheschließung beurkundenden Staates (oder Institution) aus. Die Ehe ist nach der Rechtsprechung des BVerfG eine auf Willenseinigung der Ehegatten unter staatlicher Mitwirkung formalisierte Rechtsgemeinschaft und Rechtseinrichtung (BVerfGE 29, 166, 176; 36, 146, 161 f.). Einen Gesetzesvorbehalt, der einen Grundrechtseingriff rechtfertigen könnte, kennt Art. 6 GG nicht (BVerfGE 36, 146 ). Deshalb ist es konsequent, wenn die deutsche Rechtsordnung den nach den Bestimmungen eines anderen Staates ordnungsgemäß erfolgten, für die Ehe konstitutiven Hoheitsakt hinnimmt und eine irgendwie geartete Anerkennung dieses staatlichen Aktes nicht kennt.

Ebenso konsequent ist es, dass das deutsche Recht für die Frage, ob eine Ehe nichtig ist oder aufgehoben werden kann, an das ausländische Recht anknüpft. Der Respekt der deutschen Rechtsordnung vor dem Hoheitsakt eines anderen Staates gebietet es, diesen nicht als nichtig anzusehen. Aus diesem Grund gilt auch im deutschen Recht eine mit einer geschäftsunfähigen Person geschlossene Ehe nicht als nichtig, sondern als aufhebbar (§§ 1314, 1304 BGB).

Ein minderjähriger, aber nicht geschäftsunfähiger Ehegatte (ab Vollendung des siebten Lebensjahres) kann auch von unserer Rechtsordnung nicht aus der Ehe gezwungen werden. Nach § 125 Abs. 1 FamFG gilt er als verfahrensfähig. Nur für den geschäftsunfähigen Ehegatten wird das Eheverfahren durch den gesetzlichen Vertreter geführt.

Angesichts dieser Rechtslage ist die jetzt geführte Diskussion um Kinderehen wenig verständlich. Wenn vorgeschlagen wird, im Ausland mit Minderjährigen geschlossenen Ehen im Inland ‚die Anerkennung‘ zu verweigern und sie ‚aufzuheben‘ (so Heiko Maas im Interview mit der katholischen Nachrichten-Agentur KNA am 3.11.2016), wird deutlich übers Ziel hinausgeschossen. Ausländische Ehen bedürfen in Deutschland keiner Anerkennung, ihre Aufhebung unterliegt dem Recht des Heimatstaates der Ehegatten. Dieser definiert die Voraussetzungen, unter denen die Eheschließung der Ehegatten staatlich testiert wird. Der staatlicherseits gebotene Respekt vor einer anderen staatlichen Rechtsordnung gebietet es, ihre das Personalstatut ihrer Bürger regelnde Hoheitsakte zu akzeptieren. Sie als ‚nichtig‘ oder – trotz Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen – durch einen anderen Staat ‚aufhebbar‘ zu bezeichnen, offenbart mangelnden Respekt einer sich ‚überlegen‘ dünkenden Rechtsordnung und damit ein Stück Rechtskolonialismus.

Schutzlos sind die minderjährig Verheirateten dadurch in Deutschland nicht:

  • Sind sie unter 14 Jahre alt, schützt sie – trotz Heirat – § 176 StGB vor sexuellem Missbrauch.
  • Das Recht zur Trennung voneinander schützt Art. 2 GG. Kinder- und Jugendschutz könnte darüber hinaus durch das Jugendschutzrecht wirksam gewährleistet werden.
  • Nichts spricht dagegen, einem minderjährigen Verheirateten von Amts wegen einen Vormund zu bestellen (§ 1773 BGB), wenn wegen eines fehlenden Kontakts zu den Eltern gem. § 1674 BGB das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt ist.
  • Nichts spricht auch dagegen, Eltern minderjähriger Verheirateter das Sorgerecht zu entziehen und einen Vormund einzusetzen, wenn dies das Wohl eines minderjährig Verheirateten erfordert.
  • Nichts spräche auch dagegen, einem minderjährigen Verheirateten selbst dann einen amtlichen Vormund zu bestellen, wenn die ausländische Rechtsordnung den volljährigen Ehegatten mit der Vormundschaft über den minderjährigen ausstatten würde. Auch das wäre durch § 1773 BGB gedeckt, weil nicht die ‚Eltern‘ die Sorge wahrnähmen.

Wie differenziert und wenig einem konservativen Empörungsritual folgend die Rechtsprechung solche Fälle handhabt, lässt sich an der Entscheidung des OLG Bamberg v. 12.5.2016 (FamRB 2016, 375) ablesen. Das Jugendamt bestand auf ‚begleitetem‘ Umgang der 16-jährigen Ehefrau mit ihrem 22-jährigen Mann, weil ansonsten eine Schwangerschaft des Mädchens durch ungeschützten Geschlechtsverkehr mit ihrem Mann zu erwarten sei.Das OLG verweigerte sich diesem Anliegen. Pädagogisch ist das nachvollziehbar, weil ansonsten das Diskothekenpublikum sich um die Begleitpersonen verdoppeln müsste und die meisten Eltern keine Lust verspüren werden, Anstandshündchen für ihre Kinder zu spielen. Was aber nichtverheirateten Jugendlichen erlaubt ist, sollte doch auch verheirateten Jugendlichen erlaubt sein. Juristisch ist die Entscheidung zu begrüßen, weil sie Respekt vor der eigenen und einer fremden Rechtsordnung dokumentiert. Nichts deutete im Übrigen auf eine Zwangsehe und eine Gefährdung des Mädchens hin.

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