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Wenn die Rechte nicht weiß, was die Linke tut – die Kündigung einer Vollkaskoversicherung als alltägliches Bedarfsdeckungsgeschäft (BGH v. 28.2.2018 – XII ZR 94/17)

Monika Clausius  Monika Clausius
Fachanwältin für Familienrecht

Die in § 1357 BGB verankerte sog. Schlüsselgewalt basiert in ihrem Grundsatz unverändert auf dem Rollenbild, wonach die Haushaltsführung einem Ehegatten und die Erwerbstätigkeit dem anderen Ehegatten übertragen ist. Zwar hat § 1357 BGB im Zuge des zum 1.7.1977 in Kraft getretenen EheRG eine Neufassung dahin gehend erhalten, dass es nicht mehr darum geht, die „Ehefrau zu berechtigen, innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises, Geschäfte mit Wirkung für den Mann zu besorgen“, sondern nun jeder Ehegatte berechtigt ist, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen, so dass hieraus beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet werden. Vor dem Hintergrund eines gewandelten Rollenverständnisses, das gerade nicht mehr strikt zwischen Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit differenziert, ist die in der juristischen Literatur erhobene Kritik an § 1357 BGB verständlich. Es darf aber auch nicht aus dem Blick verloren werden, dass eine zentrale Aufgabe des § 1357 BGB der Gläubigerschutz ist.

Mit einem Sachverhalt, der einerseits zwar den Gläubigerschutz, andererseits aber auch die für einen Ehegatten nachteiligen Folgen der Schlüsselgewalt aufzeigt, hat sich der BGH in einer aktuellen Entscheidung auseinander gesetzt:

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Ehemann bezüglich des auf ihn zugelassenen Familienfahrzeugs die bestehende Vollkaskoversicherung mit einem Schreiben gekündigt, das im Briefkopf seine Ehefrau – die Versicherungsnehmerin war – als Verfasserin des Kündigungsschreibens auswies, während das Schreiben selbst von ihm unterzeichnet war. Rund 10 Monate nach der Kündigung wurde das Fahrzeug in einem selbst verschuldeten Unfall beschädigt. Die Ehefrau begehrte von der Versicherung Erstattung der Reparaturkosten und widerrief kurze Zeit später die Kündigung der Vollkaskoversicherung.

Der BGH hat ebenso wie die Vorinstanzen die Klage der Ehefrau gegen die Versicherung zurückgewiesen. In seiner Begründung ist er davon ausgegangen, dass der Abschluss eines Versicherungsvertrags vom Anwendungsbereich des § 1357 BGB gedeckt sein kann, d.h. der Tatrichter jeweils im Einzelfall festzustellen hat, ob der Abschluss des konkreten Vertrags sich als ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie darstellt, wovon auszugehen ist, wenn das in Rede stehende Geschäft einen Bezug zum angemessenen Lebensbedarf der Familie besitzt. Spiegelbildlich zu der danach grundsätzlich im Rahmen der Schlüsselgewalt bestehenden Befugnis – auch mit Wirkung für den jeweils anderen Ehegatten – einen Versicherungsvertrag abschließen zu können, besteht damit gleichermaßen auch die Befugnis zur Kündigung eines solchen Vertrags mit Wirkung zu Lasten des anderen Ehegatten.

1357 BGB knüpft die Mitverpflichtung des jeweils anderen Ehegatten bezüglich der Rechtswirkungen des von einem Ehegatten eingegangenen Rechtsgeschäfts an drei wesentliche Voraussetzungen:

Zunächst muss es sich bei dem in Rede stehenden Rechtsgeschäft um ein alltägliches Bedarfsdeckungsgeschäft handeln. Hiervon ist grundsätzlich auszugehen, wenn das konkrete Geschäft den Unterhaltsbedarf der Familie berührt. Nicht erfasst werden in der Regel davon Geschäfte, die grundlegend die Lebensbedingungen der Familie ändern, etwa der Erwerb oder die Anmietung einer Immobilie. Ebenso erstreckt sich die Schlüsselgewalt nicht auf Maßnahmen der Vermögensanlage und -verwaltung sowie berufliche Maßnahmen oder persönliche Angelegenheiten eines Ehegatten.

Darüber hinausgehend muss das Geschäft angemessen sein. Es muss sich im Rahmen des üblichen wirtschaftlichen Konsumzuschnitts der Familie bewegen. Hierbei ist auf den nach außen in Erscheinung tretenden Lebenszuschnitt der Familie abzustellen.

Letztlich darf sich aber auch kein expliziter Ausschluss der Schlüsselgewalt ergeben, wobei § 1357 BGB in seinem Wortlaut die insoweit maßgeblichen Ausschlussgründe auflistet. Keine Mitverpflichtung des jeweils anderen Ehegatten tritt danach ein, wenn der handelnde Ehegatte zu erkennen gegeben hat, dass er nicht für seinen Ehepartner handelt. Ebenso kann der Gläubiger für sich keinen Schutz in Anspruch nehmen, wenn ihm gegenüber eine bestehende Verpflichtungsbeschränkung mitgeteilt wurde oder sich eine solche aus einer Eintragung im Güterrechtsregister ergibt. Letztlich endet die Mitverpflichtung des jeweils anderen Ehegatten mit der Trennung.

In der Praxisberatung entfaltet die vom Güterstand unabhängige Norm des § 1357 BGB Bedeutung im Zusammenhang mit ehevertraglichen Regelungen. Sollte von den Ehegatten – nach entsprechender Belehrung – keine Mitverpflichtung, aber auch keine Mitberechtigung durch eingegangene Rechtsgeschäfte gewünscht werden, so sollte auf eine entsprechende Eintragung im Güterrechtsregister verwiesen werden.

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