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Elterninteresse? Nur, wenn es das Recht des Kindes zulässt! (BGH v. 27.2.2018 – VI ZR 86/16)

Monika Clausius  Monika Clausius
Fachanwältin für Familienrecht

Fragen der elterlichen Sorge und des Umgangs mit einem Kind werden zunehmend streitig ausgetragen. Nicht mehr allein das familiengerichtliche Verfahren selbst ist Schauplatz der Auseinandersetzung und der konträr vorgetragenen Meinungen. Zunehmend werden auch sonstige Behörden oder gar die Medien in die Auseinandersetzung einbezogen und zum Instrument der eigenen Meinung gemacht. Es finden sich immer wieder und häufiger Ankündigungen von Verfahrensbeteiligten, dass sie eine als ungerecht empfundene Verfahrensführung oder das Ergebnis des Verfahrens selbst an die „Presse“ bringen werden. So tauchen auch immer wieder Beiträge in Fernsehreportagen auf, die vermeintliche Missstände bei Gerichten, Jugendämter oder sonstigen Verfahrensbeteiligten darstellen. Wer regelmäßig mit Kindschaftsverfahren befasst ist, wünscht sich an dieser Stelle, dass auch die Sichtweise der „Angeprangerten“ – dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs“ folgend – ebenso akribisch in diese Beiträge einbezogen worden wäre. Dass gerade die Gerichte oder Jugendämter sich aus gutem Grund nicht in diesen Beiträgen äußern – um in der Regel auch nicht in laufende Verfahren einzugreifen – wird üblicherweise ignoriert. Die Richtigkeit der eigenen Meinung und das Fehlverhalten des anderen Elternteils werden letztlich dann auch noch unter Beweis gestellt durch Fotos oder Filmaufnahmen des Kindes, die ganz selbstverständlich damit auch der Öffentlichkeit zugänglich werden.

Die hiermit einhergehende Problematik hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung aufgegriffen: In dem zugrunde liegenden Sachverhalt stand der minderjährige Kläger seit September 2007 unter Amtsvormundschaft des Jugendamts und lebte in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung. Bis September 2007 hatte er bei seinen Großeltern gelebt, die auch die Vormundschaft für ihren Enkel innehatten. Als außergerichtlicher Beistand der Großeltern trat ein eingetragener Verein auf, durch den im Jahr 2009 eine Mail an den Amtsvormund versandt wurde, mit der er zu einer Kindeswohlgefährdungsanalyse aufforderte. Im Anhang der Mail fanden sich mehrere Lichtbilder des Kindes, auf denen es mit bloßem Oberkörper zu sehen war und die auch äußere Verletzungen des Kindes zeigten. Kopien dieser Mail versandte der Verein zudem aber auch an den EU-Petitionsausschuss, das Europäische Parlament, das „Secretariat of the CPT“, „Report München“, an die Heimaufsicht Landschaftsverband R, an die Poststelle eines Landgerichts sowie an die Poststelle eines Amtsgerichts. Das Landgericht war zuvor mit einem Verfahren befasst gewesen, in dem zwei Anwälte Unterlassungsansprüche gegen den Verein geltend gemacht hatten, da ohne ihre Zustimmung Schriftsätze veröffentlicht worden waren, die sie in dem Sorgerechtsverfahren als Vertreter des späteren Amtsvormunds gefertigt hatten. In dem Verfahren beim Amtsgericht hatte das Kind gegenüber dem Verein Abmahnkosten zur Erstattung beantragt, folgend aus der Einstellung eines Filmbeitrags auf einer Internetseite, in dem Bilder von ihm gezeigt wurden anlässlich eines Berichts über das Sorgerechtsverfahren.

Zur Entscheidung im Revisionsverfahren standen Unterlassungsansprüche des Kindes gegen den Verein mit Blick auf die versandten Mailkopien, nachdem das Berufungsgericht die vollumfänglich stattgebende Ausgangsentscheidung teilweise abgeändert und lediglich die Versendung der Mail an den EU-Petitionsausschuss, das Europäische Parlament sowie das „Secretariat of the CPT“ gerügt hatte. Der BGH ist weitestgehend der Rechtsauffassung des Klägers gefolgt und hat das Rechtschutzbedürfnis für das Unterlassungsbegehren allein insoweit verneint, als sich der Kläger auch gegen die Versendung der Mail an den Landschaftsverband wandte.

In der Begründung seiner Entscheidung hat der BGH darauf verwiesen, dass grundsätzlich kein Rechtschutzbedürfnis für Unterlassungsansprüche gegen Äußerungen besteht, die in einem Zivilverfahren  zur Rechtsverfolgung oder -verteidigung getätigt werden. Dies soll im Grundsatz auch für Lichtbilder gelten, die zu diesem Zweck eingereicht werden. Aber es ist dem besonderen Stellenwert des Schutzes am eigenen Bild als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei Fotos Rechnung zu tragen, die dem Schutz der §§ 22, 23 KUG unterfallen. Daher müssen die Bilder einen besonders engen sachlichen Bezug zum Verfahren aufweisen.

Soweit sich der Verein mit seiner Mail an den Landschaftsverband als Behörde der Heimaufsicht wandte, verneinte der BGH das Rechtschutzbedürfnis des Klägers für seinen Unterlassungsanspruch, da sich aus den Fotos der Verdacht der Kindesmisshandlung in dem Heim zu entnehmen lasse. Als aufsichtsführendes Landesjugendamt müsse der Landschaftsverband diesem Verdacht nachgehen.

Nach § 22 KUG dürfen Bilder nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder veröffentlicht werden, wobei die Einwilligung als im Zweifel erteilt gilt, wenn der Betreffende eine Entlohnung dafür erhalten hat, dass er sich abbilden ließ. Von § 823 Abs. 2 BGB wird als „sonstiges Recht“, dessen Verletzung eines Schadensersatzpflicht auslösen kann, das Recht am eigenen Bild als Ausgestaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts i.S.d. Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Eine Verletzung des Rechts aus § 22 KUG löst zudem einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB aus. Ist das abgebildete Kind noch minderjährig, so entscheidet grundsätzlich der Sorgerechtsinhaber, ob er einer Verbreitung oder Veröffentlichung des Fotos zustimmt. Problematisch wird es, wenn eine gemeinsame Sorgeberechtigung der Eltern besteht und ein Elternteil mit der Veröffentlichung nicht einverstanden ist. In diesem Fall bedarf es gegebenenfalls der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil nach § 1628 BGB.

Die aktuelle Entscheidung des BGH sollte den Blick für die Problematik schärfen, dass Kinder in Sorge- oder Umgangsrechtsverfahren nicht nur „Anknüpfungspunkt“ für die Austragung von Konflikten erwachsener Beteiligter sind, die allzu häufig leider mit den Belangen des Kindes weder etwas zu tun haben noch effektiv deren Interessen verfolgen. Wenn es in einem Verfahren um das „Wohl des Kindes“ zu gehen hat, dann ist das allein der Maßstab der Verfahrensführung und der Interessenwahrnehmung. Dazu gehört selbstverständlich, dass zu allererst immer zu prüfen ist, welche konkreten Folgen ein prozessuales Handeln für das Kind persönlich hat. Wer Fotos eines Kindes öffentlich zugänglich macht – in der Regel um eigene Interessen zu untermauern – sollte jeweils für sich hinterfragen, ob er in dieser Situation auch ein Foto von sich persönlich so frei zugänglich machen würde.

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