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Das Sein und das Nichts (zu BAG v. 26.4.2018 – 3 AZR 738/16)

Jörn Hauß  Jörn Hauß
Fachanwalt für Familienrecht

1943 erschien das philosophische Hauptwerk von Jean Paul Sartre mit dem Titel „Das Sein und das Nichts“. An diesen Titel fühlt man sich bei Lektüre der BAG-Entscheidung erinnert:

Der zur Auskunft über die Höhe des ehezeitlichen Versorgungserwerbs aufgeforderte (ehemalige) Arbeitgeber des Ehemanns gibt im Scheidungsverfahren die Erklärung ab, ein ehezeitlichen Versorgungserwerb habe nicht stattgefunden. Der Versorgungsausgleich wird dementsprechend ohne den Ausgleich des betrieblichen Anrechts durchgeführt. Hintergrund der Auskunft des betrieblichen Versorgungsträgers war die Tatsache, dass der Ehemann einen Diebstahl zum Nachteil des Arbeitgebers begangen hatte mit einem Schädigungsvolumen von etwa 40.000 €. Daraufhin hatte der Arbeitgeber die betriebliche Altersversorgungszusage widerrufen. Überzeugt von der Wirksamkeit dieses Widerrufs hat er die Erklärung der Nichtexistenz einer betrieblichen Altersversorgung dem Familiengericht mitgeteilt.

Nach Rechtskraft der familiengerichtlichen Entscheidung beantragt der geschiedene Ehemann beim Arbeitsgericht die Feststellung, dass der Widerruf der Versorgungszusage unrechtmäßig sei und ihm die versprochene Altersversorgung zustehe. Das Arbeitsgericht gibt ihm Recht, das Landesarbeitsgericht hat „Prozessverwirkung“ angenommen und der Berufung stattgegeben. Das BAG stellt das amtsgerichtliche Urteil wieder her und entscheidet – wenig überraschend –, dass die familiengerichtliche Entscheidung zwischen den Ehegatten Wirkung entfaltet, nicht aber zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber. Ein Widerruf der Versorgungszusage sei nicht durch die zulasten des Arbeitgebers begangene Straftat gerechtfertigt, weil es sich bei einer unverfallbaren Versorgungszusage um einen Entgeltbestandteil handelt. Nur wenn die ökonomischen Auswirkungen der Straftat zu einer Existenzgefährdung des Unternehmens führten, sei der Widerruf einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft gerechtfertigt.

Familienrechtlich ist dies ein Desaster. Dem geschiedenen Ehemann bleibt das Sein, der Ehefrau das Nichts, weil im familiengerichtlichen Verfahren fälschlicherweise von der Bestandskraft des Versorgungswiderrufs ausgegangen und die Versorgung deswegen nicht ausgeglichen worden ist.

Für die Ehefrau ist die Versorgung verloren: Eine Abänderung nach § 225 FamFG scheitert daran, dass diese nur für die öffentlich-rechtlichen Grundversorgungen möglich ist (§§ 32 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 1 FamFG). Eine Restitutionsklage nach § 580 Nr. 7 ZPO scheitert daran, dass die Auskunft des Versorgungsträgers zwar falsch war, eine richtige Auskunft indessen vor Rechtskraft der Entscheidung urkundlich nicht gegeben war.

Natürlich wird die Ehefrau prüfen, ob die Haftpflichtversicherung Ihres Anwalts etwas hergibt. Dies eröffnet die Frage, nach der erforderlichen Prüfungstiefe der Versorgungsausgleichsauskünfte der Versorgungsträger durch die Anwaltschaft. Die Kontrolle der Höhe des ehezeitlichen Versorgungserwerbs wird man in der Regel erwarten können. Ob allerdings auch die Existenz des Stammrechts zu überprüfen ist, muss fraglich bleiben. Hier wird sich die Rechtspraxis auf die Auskünfte der Versorgungsträger verlassen können und müssen.

Arbeitnehmern, die eine Versorgung dem Ausgleich im Scheidungsverfahren entziehen wollen, sollten für den Widerruf der Versorgungszusage vor der letzten mündlichen Verhandlung des Scheidungsverfahrens sorgen. Anschließend könnten Sie bis zum Versorgungsbeginn die Unwirksamkeit des Versorgungswiderrufs durch den Arbeitgeber erstreiten. Nach diesem Zeitpunkt – so das BAG in seiner Entscheidung – tritt Prozessverwirkung und damit auch der Verlust der Versorgung ein. Das kann aber auch schadenersatzpflichtig machen. Es könnte aber sein, dass der Gesetzgeber sich erbarmt und den Katalog der abänderbaren Versorgungen des § 32 Versorgungsausgleichsgesetz erweitert oder – noch einfacher – den schuldrechtlichen Ausgleich auch für vergessene, verschwiegene oder nachträglich auftauchende Versorgungen zugänglich machen würde. Falschauskünfte betrieblicher Versorgungsträger sind nicht selten, sie werden nur selten erkannt.

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