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FamRB-Blog

Auch Auswandern will gelernt sein (OLG Brandenburg v. 6.11.2018 – 13 UF 174/17)

Monika Clausius  Monika Clausius
Fachanwältin für Familienrecht

Eine zunehmende gesellschaftliche Mobilität hinterlässt auch in familiengerichtlichen Verfahren ihre Spuren. Nach der Trennung von Eltern kommt es immer häufiger dazu, dass ein Elternteil – sei es aus privaten oder beruflichen Gründen – seinen Wohnort verlegen muss. Insbesondere wenn aus der Ehe oder Beziehung hervorgegangene Kinder im Haushalt dieses Elternteils leben, hat eine örtliche Veränderung nicht nur Auswirkungen auf die Frage, wie künftig Umgangskontakte mit dem jeweils anderen Elternteil sichergestellt werden können. Im schlechtesten Fall kann ein solcher Ortswechsel zum völligen Abbruch persönlicher Kontakte führen. Familiengerichtliche Verfahren, in denen es um die Auswanderung eines Elternteils geht, bedürfen daher einer besonders intensiven Bewertung der Belange aller Beteiligten.

Das OLG Brandenburg hat sich in seinem Beschluss vom 6.11.2018 sowohl mit der Problematik des beabsichtigten Umzugs eines Elternteils samt Kind ins Ausland als auch der in diesen Fällen notwendigen Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht auseinandergesetzt: Bezüglich des gemeinsamen 2005 geborenen Kindes erstrebten die geschiedenen Eltern wechselseitig die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, wobei der Vater eine Auswanderung nach Andorra beabsichtigte und die Tochter auf ihren Wunsch dorthin mitnehmen wollte.

Der Senat hat die erstinstanzliche Entscheidung, durch die der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde, bestätigt. In seiner Entscheidung ging das OLG davon aus, dass eine Fortführung der gemeinsamen Sorge nicht möglich war. Im Rahmen der sodann zu treffenden Entscheidung über den künftigen Aufenthalt des Kindes hat der Senat die Kindeswohlkriterien abgewogen und unter Heranziehung des Kontinuitätsgrundsatzes sich für einen Verbleib des Kindes in seinem bisherigen Umfeld ausgesprochen, da dort die Beziehungen zu den zwischenzeitlich volljährigen Geschwistern ebenso gewährleistet waren, wie die Aufrechterhaltung der engeren Bindung zur Mutter. Eine seitens des Vaters vorgetragene Alkoholabhängigkeit der Mutter konnte im Rahmen einer sachverständigen Bewertung nicht bestätigt werden. Entscheidungsrelevant war zudem jedoch für den Senat die Tatsache, dass bei dem Vater ökonomische Mindeststandards nicht gewährleistet waren, d.h. er weder seinen Unterhaltspflichten nachgekommen noch zur Zahlung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss in der Lage war. Trotz Hinweises des Senats hatte er sich nicht zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen erklärt. Einen angekündigten Arbeitsvertrag hatte er nicht vorgelegt. Zudem war sein Sachvortrag widersprüchlich, soweit er einerseits vortrug, Eigentümer einer Immobilie in Andorra zu sein, gleichzeitig jedoch einen dort bestehenden Mietvertrag behauptete.

Die Entscheidung des OLG Brandenburg stimmt mit den in der Rechtsprechung des BGH entwickelten Kriterien zur Kindeswohlprüfung im Fall der beabsichtigten Auswanderung eines Elternteils überein. In seiner Grundsatzentscheidung vom 28.04.2010 hat der BGH betont, dass zentraler Maßstab der gerichtlichen Entscheidung das Kindeswohl ist (BGH v. 28.4.2010 – XII ZB 81/09, FamRZ 2010, 1060 = FamRBint 2010, 51). Zwar hat das Gericht auch die sich gegenüberstehenden jeweiligen Elternrechte in seine Entscheidung einzubeziehen, doch richtet sich letztlich die zutreffende Entscheidung allein daran aus, wie sich eine Auswanderung letztlich auf das Kindeswohl auswirkt. Es bedarf einer sorgfältigen Prüfung zu den persönlichen Umständen des Kindes, in die etwa seine Resilienz mit Blick auf die notwendigen Anpassungsprozesse im Fall einer Auswanderung ebenso einzubeziehen sind, wie die Tatsache, dass das Kind durch die Auswanderung möglicherweise einen Elternteil nicht mehr so häufig sieht oder gar für den Fall, dass das Gericht eine Auswanderung des Kindes untersagt, es seine bisherige Hauptbezugsperson verliert. Bei der Bewertung des Kindeswohls hat selbstredend auch der Kindeswille in die Abwägung einzufließen. Zentrales Prüfungskriterium ist in diesem Kontext aber die Frage, ob der Kindeswille im konkreten Fall auch mit dem Kindeswohl vereinbar ist.

 

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