Ferndiagnose BVerfG zu § 17 VersAusglG

Die mündliche Verhandlung über die Verfassungsgemäßheit von § 17 VersAusglG beim BverfG hat am 10.3.2020 stattgefunden.[1] Die Frage bleibt, wie das Gericht entscheiden wird. Der Worte sind aber vielleicht noch nicht genug gewechselt, weil einige Argumente der Anhänger der derzeitigen Lösung auch durch Wiederholung nicht besser werden.

Fangen wir also beim Argument des BGH an, die sog. Transferverluste, also die bei der externen Teilung eintretenden Rentenverluste der ausgleichsberechtigten Person, widersprächen nicht dem Halbteilungsgrundsatz. Bei hohem Niveau des Rechnungszinses träten sie zwar tatsächlich auf, falle aber das Zinsniveau, könne die externe Teilung sogar vorteilhaft sein.[2] Dieses Argument wurde auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BverfG wiederholt. Richtiger wird es deswegen nicht. Der im Jahr 2010 geschiedenen und in die externe Teilung gezwungenen Frau, die beim Wechsel in die gesetzliche Rentenversicherung oder die Versorgungsausgleichskasse 40 % oder teilweise auch 60 % der ihr zustehenden Versorgung verloren hat, nutzt es nichts, dass sei bei einer Scheidung im Jahr 2020 einen Gewinn von ca. 25 % bei externer Teilung eingefahren hätte. Der Verfassungsrang beanspruchende Halbteilungsgrundsatz gilt für die jeweilige Ehescheidung und nicht für den 20-jährigen Durchschnitt aller Scheidungen. Das Grundgesetz fordert keine Durchschnitts-, sondern Einzelfallgerechtigkeit.

Die Auseinandersetzung mit der Rettungsargumentation der Arbeitsgemeinschaft betrieblicher Altersversorgungen ist da schon komplizierter. Sie befürchtet, dass durch Aufnahme der ausgleichsberechtigten Personen in das System der betrieblichen Altersversorgung zusätzliche belastende Verwaltungskosten für die betriebliche Altersversorgung entstünden, die deren Rentabilität beeinträchtigen werde. Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen, überzeugt aber gleichwohl nicht. Aus vielerlei Erfahrung wissen wir, dass die Verwaltungskosten betrieblicher Versorgungsträger selten 10 € pro Monat übersteigen. Im klassischen Scheidungsalter einer 50-jährigen Frau entstünden dem Versorgungsträger damit Verwaltungskosten von ca. 3.200 € bis zum Versterben der Berechtigten.[3] Derzeit können Versorgungen bis zu einem Kapitalwert von 82.800 € extern geteilt werden. Die Verwaltungskosten entsprächen gerade einmal ca. 3,8 % des Ausgleichswerts. Wenn also die Verwaltungskosten der springende Punkt wären, läge nichts näher, als die ausgleichsberechtigte Person entscheiden zu lassen, ob zu Lasten der auszugleichenden Versorgung – und damit auch ihrer Versorgung – die entstehenden Verwaltungskosten berücksichtigt werden können oder ob stattdessen externe Teilung gewünscht wird. Ich bin sicher, dass die Betroffenen statt eines großen, manchmal 50 % übersteigenden Verlusts einen 3,8 %igen gewählt hätten.

Es bleibt auch nach der Verhandlung völlig unklar, warum nur Betriebe und Unterstützungskassen vor einem hohen Verwaltungsaufwand zu schützen sind, während die Versicherten der anderen Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung mit den Verwaltungskosten belastet werden.

Auch wenn sich Bundesregierung und betriebliche Altersversorgungen in der Anhörung bemühten, die Wertgrenze der Beitragsbemessungsgrenze (derzeit 82.800 €) für die Externalisierung einer betrieblichen Versorgung zu erklären, bleibt die Grenzziehung willkürlich. Die Bundesregierung argumentierte, diese Wertgrenze sei der Versorgungsträgern bekannt, weswegen man daran angeknüpft hätte. Ich kenne noch eine ganze Reihe anderer den Versorgungsträgern bekannter Wertgrenzen. Deren unbekannteste war die „monatliche Bezugsgröße“ des § 18 Abs. 1 SGB IV. Mit dieser hatten die Versorgungsträger bis zum 1.9.2009 überhaupt nichts zu tun. Trotzdem hat der Gesetzgeber den Betrieben diese Bezugsgröße in § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG ohne Zaudern zugemutet. Die jetzt etablierte Wertgrenze in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze privilegiert Managergattinnen und -gatten im Versorgungsausgleich. Wie man das rechtfertigen will, ist nicht nachvollziehbar.

Die betrieblichen Altersversorgungen verteidigten die Grenze mit dem Argument, dies sei die Grenze, bis zu der man durch Pflichtbeiträge einen Rentenanspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung pro Jahr erwerben könne. Das erinnert an die TV-Werbung eines Matratzenherstellers, der der Mitteilung eines Matratzenliegers, seine qualitätsstrotzende Matratze habe ein „Vermögen gekostet“, entgegensetzt, die in Deutschland meistgekaufte Matratze koste nur 199 €. Das eine hat mit dem anderen nicht das geringste zu tun. Durch das VersAusglG ist die Grenze, bis zu der eine Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden kann aufgehoben worden. Warum soll diese Grenze dann herangezogen werden, um die interne Teilung zu begründen? Der Verfasser plant derzeit, aus dem Versorgungsausgleich eine Versorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung für eine ausgleichsberechtigte Frau aus einem Ausgleichswert von 1,7 Millionen Euro zu begründen. Die DRV nimmt auch Ausgleichswerte in dieser Höhe auf.

Die Berichte über die mündliche Verhandlung vor dem BVerfG stimmen zuversichtlich. Vielleicht hat der Gesetzgeber (heimlich) auf die heilende Kraft des Bundesverfassungsgerichts vertraut, es werde den Schönheitsfleck des VersAusglG, § 17, schon korrigieren. Schade nur, dass viele ausgleichsberechtigte Personen, deren Versorgungen durch die externe Teilung atomisiert wurden, von der Entscheidung nichts mehr haben werden. Zu hoffen bleibt, dass die ausgleichspflichtigen Personen zukünftig nicht die Hälfte ihrer ehezeitlich erworbenen betrieblichen Versorgung im Versorgungsausgleich verlieren und davon nur ein Bruchteil bei der ausgleichsberechtigten Person ankommt. Auch das ist nämlich eine Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes.

Es bleibt also spannend.

[1] Der Verfasser war selbst bei der Verhandlung nicht zugegen, sondern fernab im Urlaub. Er war Mitautor der Stellungnahme des DAV zum Verfahren vor dem BVerfG und ist Autor eines Beitrags in der Festschrift Brudermüller mit dem Titel „Ist § 17 VersAusglG verfassungswidrig?“, FS Brudermüller, S. 277. Die Ausführungen basieren auf Pressemeldungen und insbesondere dem Bericht von Werner Schwamb für hefam, dem hierfür ausdrücklich gedankt sei.

[2] BGH v. 9.3.2016 – XII ZB 540/14, FamRZ 2016, 781 = FamRB 2016, 175.

[3] Barwert der Verwaltungskosten mit 2 % abgezinst.

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