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FamRB-Blog

Covid-19-Impfungen von Kindern und Jugendlichen als Standardimpfungen? (OLG Frankfurt v. 8.3.2021 – 6 UF 3/21)

Monika Clausius  Monika Clausius
Fachanwältin für Familienrecht

Die Frage, ob Angebote einer Covid-19-Impfung angenommen werden oder nicht, wird in der Gesellschaft unterschiedlich diskutiert, wobei bislang primär die Impfung Volljähriger in Rede stand. Jugendlichen ab dem 16. Lebensjahr wurde nur bei bestehenden Grunderkrankungen und einem daraus folgenden erhöhten Infektionsrisiko ein Impfangebot unterbreitet. Gerade solche Grunderkrankungen, insbesondere chronische Erkrankungen, waren Anlass für die von BioNTech initiierte Prüfung einer europäischen Zulassung dieses Impfstoffs auch für Kinder ab dem 12. Lebensjahr. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat Ende Mai 2021 eine Empfehlung zur Impfung von Kindern ab 12 Jahren mit dem Impfstoff BioNTech abgegeben. Diese Entscheidung korrespondiert mit dem Ergebnis des Corona-Gipfels der Ministerpräsidenten/innen vom 28.5.2021. Eine gleichlautende uneingeschränkte Impfempfehlung wurde seitens der STIKO allerdings verweigert. Empfohlen wird die Impfung lediglich für Kinder mit bestimmten Vorerkrankungen. Im Übrigen soll eine Impfung nicht ausgeschlossen sein, allerdings nur erfolgen nach entsprechender ärztlicher Aufklärung, Risikoakzeptanz und individuellem Wunsch.

Für die Impfung von Kindern und Jugendlichen sprechen die Überlegungen, dass sie – ebenso wie Erwachsene – einen Anspruch auf Impfschutz haben, bestehenden Grunderkrankungen und einem damit verbundenen erhöhten Infektionsrisiko nur so effektiv begegnet werden kann, aber letztlich auch die angestrebte „Herdenimmunität“ nur erreicht werden kann, wenn auch dieser Teil der Bevölkerung (15 % der Gesamtbevölkerung) in die Impfstrategie einbezogen wird. Als Gegenargument wird vorgetragen, dass Kinder in der Regel leichtere Krankheitsverläufe aufzeigen und damit die Impfung nur zu empfehlen ist, wenn die hiermit einhergehenden Vorteile die gleichzeitig damit verbundenen Nachteile und Risiken aufwiegen. Gerade die im Zusammenhang mit einer Impfung durchaus auch bestehenden Risiken sind nach Einschätzung der STIKO bislang allerdings noch nicht ausreichend geprüft und bewertet.

Im Jahr 2017 hat der BGH sich in einer Grundsatzentscheidung zu der Frage positioniert, unter welchen Voraussetzungen einem Elternteil nach § 1628 BGB die alleinige Entscheidungskompetenz zur Durchführung einer Schutzimpfung des Kindes zu übertragen ist. Auch wenn nur Standard- oder Routineimpfungen in Rede stehen, hat der BGH diese gleichwohl als Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung bewertet (BGH v. 3.5.2017 – XII ZB 157/16, FamRB 2017, 250), die grundsätzlich einer einheitlichen Entscheidung gemeinsam sorgeberechtigter Eltern bedürfen. Kann dieses Einvernehmen zwischen den Eltern nicht hergestellt werden, so ist die Entscheidungskompetenz jenem Elternteil zur alleinigen Ausübung zu übertragen, der sich an den Impfempfehlungen der STIKO orientiert, wobei es für die zu treffende gerichtliche Entscheidung dann auch keiner neuen sachverständigen Begutachtung bedarf, wenn das Kind keine besonderen Impfrisiken aufweist.

Diese Grundsatzentscheidung hat das OLG Frankfurt in einem aktuellen Beschluss aufgegriffen (OLG Frankfurt v. 8.3.2021 – 6 UF 3/21, FamRB 2021, 240) und ergänzend ausgeführt, dass die Prüfung der Impffähigkeit ebenso wie die Aufklärung über Kontraindikationen ohnehin zu den ärztlichen Pflichten vor einer Impfung gehört, d.h. den behandelnden Kinderarzt oder Kinderärztin hier weitergehende Pflichten treffen.

Unbeschadet davon, ob man eine Covid-19-Impfung als Routine- oder Standardimpfung bewertet, ist sie in jedem Fall eine Angelegenheit von grundlegender Bedeutung. Die Diskussion um die Impfung von Kindern und Jugendlichen mit einem Covid-19-Vakzin wird damit auch in naher Zukunft das Familienrecht verstärkt beschäftigen und nicht unerheblich auch davon beeinflusst werden, wie sich die STIKO mit ihren Empfehlungen gerade auch zu dieser Bevölkerungsgruppe in Zukunft positioniert.

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