Veränderung des gewöhnlichen Aufenthalts durch gerichtliche Umgangsregelung

In seiner Grundsatzentscheidung vom 1.2.2017 hat sich der BGH erstmals zu der Frage positioniert, ob auch gegen den erklärten Willen eines Elternteils gerichtlich ein paritätisches Wechselmodell zur Betreuung gemeinsamer Kinder angeordnet werden kann (BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/16, FamRZ 2017, 532 = FamRB 2017, 136 [Clausius]). Zu der Frage, ob die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells als Sorgerechtsregelung oder Umgangsregelung zu bewerten ist, hatte sich der BGH in seiner Entscheidung nicht abschließend geäußert.

In der Rechtsprechung blieb aber die Frage streitig, ob ein im Umgangsverfahren angeordnetes oder vereinbartes Wechselmodell auch nur in einem Umgangsverfahren abgeändert werden kann oder unmittelbar sorgerechtliche Regelungen zu treffen sind, wenn unstreitig die Fortführung eines paritätischen Wechselmodells nicht mehr möglich ist und mit der Neuregelung des Umgangs auch eine Veränderung der Betreuungsanteile einhergeht. Hierzu hat der BGH in seiner weiteren Rechtsprechung klargestellt, dass Sorge- und Umgangsrecht zwei unterschiedliche Verfahrensgegenstände darstellen. Die Entscheidung zur elterlichen Sorge richtet sich unmittelbar nur auf die Regelung der rechtlichen Befugnisse der Elternteile und wirkt rechtsgestaltend. Demgegenüber betrifft die Regelung zum Umgang allein die tatsächliche Ausübung der elterlichen Sorge und ist einer Vollstreckung zugänglich (BGH v. 19.1.2022 – XII ZA 12/21, FamRZ 2022, 601 = FamRB 2022, 180 [Clausius]).

Bislang ungeklärt ist jedoch die Frage, ob die nach der Rechtsprechung des BGH vorzunehmende Abgrenzung sorge- und umgangsrechtlicher Regelungen auch dann gilt, wenn – losgelöst von einem paritätischen Wechselmodell – die gerichtliche Umgangsregelung zur Umkehr bisheriger Betreuungsanteile und damit einer Veränderung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes führt.

Mit dieser Problematik hat sich das OLG München in einer aktuellen Entscheidung auseinandergesetzt (OLG München v. 6.6.2025 – 16 UF 108/25 e).

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt lehnte das Kind die zunächst durchgeführten Umgangskontakte wegen angeblicher Gewalt des Vaters ab, wobei jedoch durch die gerichtlich angeordnete Umgangsbegleitung eine positive Beziehungsqualität der Kontakte beschrieben wurde und das Kind gleichzeitig betonte, mehr Zeit mit dem Vater zu verbringen. Während die Mutter weiter von einer Verweigerungshaltung des Kindes berichtete, verliefen die Umgangskontakte unter Mitwirkung der gerichtlich bestellten Umgangspflegerin ohne Einschränkungen. Erstinstanzlich wurde der Umgang des Vaters in jeweils 14-tägigem Rhythmus an den Wochenenden sowie unter 14-tägig jeweils mit einer Übernachtung von Donnerstag auf Freitag geregelt. Die seitens der Mutter eingelegte Beschwerde wies der Senat zurück und regelt nun die Besuchskontakte der Mutter in den ungeraden Wochen von Freitag 13.00 Uhr/Schulende bis Montag 08.00 Uhr/Schulbeginn sowie einen Telefonkontakt in den geraden Wochen. In der Begründung seiner Entscheidung führte er aus, dass die getroffene Regelung eine Umgangsregelung darstelle, auch wenn durch sie der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nun beim Vater liege. Auch eine Umkehrung der Betreuungszeiten stelle eine Regelung des Umgangs und nicht der elterlichen Sorge, d.h. insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts dar. Dessen Regelung sei nur dann erforderlich, wenn ein Umzug des Kindes zusammen mit einem Elternteil beabsichtigt sei.

Unabhängig davon, dass die bisherigen Entscheidungen des BGH zu dieser Frage überwiegend das Wechselmodell betroffen hätten, stehe zur Überzeugen des Senats fest, dass jede Änderung der Betreuungsverteilung ausschließlich umgangsrechtlich zu erfolgen habe, auch wenn der Lebensmittelpunkt des Kindes von einem zum anderen Elternteil wechsle.

Folgerichtig hat der Senat daher die Rechtsbeschwerde zugelassen, die seitens der Mutter auch eingelegt wurde. Es bleibt nun abzuwarten, wie sich der BGH in dem dort unter dem Az. XII ZB 279/25 anhängigen Verfahren positionieren wird.

Hinweis der Redaktion:

Die Entscheidung OLG München v. 6.6.2025 – 16 UF 108/25 e wird in FamRB 11/2025 (Link: FAMRB0084131) von der Autorin besprochen.

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