Da kommt was auf uns zu – zu den familienrechtlichen Implikationen des Sondierungspapiers von SPD, Grünen und FDP

 

Die zukünftigen Koalitionäre haben uns mit dem Sondierungspapier eine familienrechtliche Reformoffensive angekündigt. Unter Ziff. 8. 2. Absatz heißt es:

„Wir wollen unsere Rechtsordnung der gesellschaftlichen Realität anpassen. Dazu werden wir u.a. das Staatsangehörigkeitsrecht, das Familienrecht, das Abstammungsrecht und das Transsexuellengesetz ebenso wie die Regelungen zur Reproduktionsmedizin anpassen und beispielsweise Verantwortungsgemeinschaften bzw. einen Pakt für Zusammenleben möglich machen.“

So schmal und bescheiden die Sätze dahingeschrieben sind, so inhaltsschwer sind sie. Kommt nun nach der Ehe für alle die ‚Ehe light‘?

Die Daten der Statistiker sind eindeutig: Die ehevermeidenden Lebensformen wachsen stetig. Zwar sinken die Scheidungszahlen und die Ehedauer steigt, was aber wohl daran liegen dürfte, dass auch das Heiratsalter stetig steigt und Ehen nicht mehr im hormonell bedingten Verwirrungszustand geschlossen werden. Das institutionelle Eheverständnis des Gesetzes, wonach die Ehe eine auf Lebenszeit ausgerichtete solidarisch Gemeinschaft zweier Menschen darstellt, scheint mehr oder minder überholt. Wenn 1/3 aller Ehen geschieden, Kinder zunehmend nicht in eine bestehende Ehe hineingeboren werden und die eheliche Solidarität über das Unterhaltsrecht weit über das Ende der sie begründenden Ehe hinaus die Lebensverhältnisse des pflichtigen beeinträchtigt und den berechtigten Ehegatte an den ‚ehelichen Lebensverhältnisse‘ teilhaben lässt, obgleich die Ehe nicht mehr besteht, kann man verstehen, dass die Politik und der Gesetzgeber sich nun anschicken, neben die Ehe einen der Lebenswirklichkeit vieler Menschen eher entsprechenden rechtlichen Rahmen für das verantwortungsvolle Zusammenleben zu schaffen.

Die Grünen nannten es in ihrem Wahlprogramm „Pakt für das Zusammnleben“, SPD und FDP „Verantwortungsgemeinschaft“, wobei die SPD dabei ausdrücklich auf den von der französischen Bevölkerung sehr stark akzeptierten PACS (Pacte civil de solidarité) verwies.

Bei so viel programmatischer Harmonie der zukünftigen „Verantwortungsgemeinschaft Regierung“ wird sich etwas ändern. Es ist höchste Zeit, dass die Praktiker des Familienrechts und die Familienrechtswissenschaft sich in die Diskussion um die Verrechtlichung solidarischer Lebensgemeinschaften einmischt. Es besteht Nachholbedarf.

Zu klären ist die Frage, welche und wie weitreichende Verpflichtungen aus einem sochen Pakt für das Zusammenleben resultieren sollen, und welche steuer- und sozialrechtlichen Konsequenzen ein verrechtlichtes, aber nichteheliches Zusammenleben haben soll. Interessant wäre es, einen Rechtsrahmen zur Verfügung zu stellen, dessen einzelne Bausteine von den Partnern angewählt werden können (Opt-In). Dies würde auch die Eigenverantwortlichkeit bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse des Zusammenlebens stärken.

Auch vor dem Versorgungsausgleich muss ein derartiges Institut nicht Halt machen. § 120a SGB VI ermöglicht heute schon das „Privatsplitting“ von Renteneinkünften der Ehegatten. Nichts spricht dagegen, das auch auf „Zusammenlebende“ auszuweiten, wodurch Nachteile eines der Beteiligten, die durch die Rollenverteilung entstehen, ausgeglichen werden könnten. All das in freier – widerrufbarer – Entscheidung der zukünftigen Partner. Und das Beste daran wäre, die Auflösung einer solchen Beziehung könnte durch einseitigen Widerruf oder Erklärung gegenüber dem Standesamt erfolgen, wenn man denn einem solchen Pakt steuerliche oder sozialrechtliche Konsequenzen zuschreiben würde. Der „Pakt“ würde so zur „freien Ehe“ und damit auch zum Pakt unter Freien. Das wäre die Einlösung einiger Programmsätze des Grundgesetzes, das zwar nicht die „freie Ehe“ aber „freie Bürger“ wollte, die eigenverantwortlich ihre Lebensverhältnisse gestalten.

Das Sondierungspapier kommen Sie hier: Ergebnis_Sondierungen

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