Geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen?

Bundesgerichtshof: Eine Schenkung kann bei Verarmung des Schenkers oder groben Undanks des Beschenkten selbst dann rückabgewickelt werden, wenn als Gegenleistung für die Vermögensübertragungen ein Erbverzicht erklärt wurde.

Grundsätzlich ist die alten Volksweisheit „geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen“ auch rechtlich zutreffend. Ein wirksam verschenkter Gegenstand kann von dem Schenker nur in eng begrenzten Ausnahmefällen von dem Beschenkten zurückgefordert werden. Dies ist zum einen der Fall, wenn der Schenker innerhalb von 10 Jahren ab Vollzug der Schenkung „verarmt“ (§ 528 BGB), zum anderen dann, wenn sich der Beschenkte des „groben Undanks“ (§ 530 BGB) gegen den Schenker schuldig macht. Mit der Problematik der Rückabwicklung einer Schenkung wegen Verarmung des Schenkers ist der Rechtsberater häufig dann konfrontiert, wenn der ehemals vermögende Schenker im Alter pflegebedürftig wird und deshalb auf Sozialleistungen angewiesen ist. Der Sozialhilfeträger kann in diesen Fällen den Rückabwicklungsanspruch des Schenkers auf sich überleiten und im eigenen Namen gegen den Beschenkten geltend machen.

In dem vom Bundesgerichtshof kürzlich entschiedenen Fall (Urt. v. 7.7.2015 – X ZR 59/13, FamRB 2016, 63) ging es um den zweiten möglichen Rückforderungstatbestand, nämlich den groben Undank. Die Tochter des Klägers hatte ihrem Vater vorgetäuscht, mittellos zu sein, um ihn über die bereits zuvor unentgeltlich übertrage Eigentumswohnung hinaus noch zu weiteren finanziellen Zuwendungen zu veranlassen. Der grobe Undank als solcher stand hier allerdings nicht infrage. Vielmehr musste der Bundesgerichtshof zu der in der juristischen Literatur sehr umstritten Frage Stellung nehmen, ob auch dann eine Schenkung im Rechtssinne anzunehmen ist, wenn der Beschenkte im Gegenzug einen Erbverzicht erklärt. Diese Rechtsfrage hatte der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit den Regelungen der §§ 528 und 530 BGB erstmalig zu beantworten und kam zu dem Ergebnis, dass Sinn und Zweck der Vorschriften der §§ 528 und 530 BGB, nämlich der Schutz des Schenkers zu seinen Lebzeiten, es rechtfertigt, die Schenkungen gegebenenfalls auch dann rückabzuwickeln, wenn als Gegenleistung ein Erbverzicht erklärt wurde (Hinweis: dieser Erbverzicht könnte gegebenenfalls natürlich im Gegenzug auch rückabgewickelt werden, § 812 BGB). Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn die Höhe der Zuwendung in etwa der Erberwartung entspricht oder diese gar übersteigt. Demgegenüber soll es gegen eine Schenkung sprechen, wenn die Zuwendung wertmäßig deutlich hinter der Erberwartung zurückbleibt.

Verzichtet also ein zukünftiger Erbe beispielsweise gegen eine Zahlung von 50.000,00 € auf eine Erbschaft, die voraussichtlich einen Wert von 100.000,00 € haben wird, so soll es sich nicht um eine Schenkung im Sinne der §§ 528 und 530 BGB handeln. Hier könnte also der „Schenker“ die 50.000,00 € weder dann von dem Beschenkten zurückfordern, wenn er selbst innerhalb von 10 Jahren nach der Zuwendung verarmen sollte, noch dann, wenn sich der Beschenkte des groben Undanks gegen ihn schuldig machen sollte. Hätte der zukünftige Erblasser hingegen 100.000,00 € gezahlt und sich im Gegenzug einen Erbverzicht erklären lassen, könnte er gegebenenfalls die volle Summe zurückfordern.

Fazit: Es ist erfreulich, dass der Bundesgerichtshof in diesem Urteil einmal Gelegenheit hatte, sich ausführlich mit dieser sehr umstrittenen Rechtsfrage auseinanderzusetzen. Das Ergebnis, dass die Zuwendung eines gegenüber dem Erbverzicht wertmäßig zu geringen Geldbetrages eine Schenkung darstellen soll, die Zuwendung eines dem Erbverzicht wertmäßig entsprechenden Geldbetrages jedoch nicht, kann jedoch kaum als unmittelbar einleuchtend bezeichnet werden.

Kindesunterhalt bei Wechselmodell oder deutlich erweitertem Umgang

Alle Eltern sind ihren Kindern zu Unterhalt verpflichtet. In intakten Familien ist dies eine Selbstverständlichkeit und stellt somit kein rechtliches Problem dar. Nach einer Trennung der Eltern kommt es bezüglich des Kindesunterhalts jedoch häufig zu Streit. Das Gesetz sieht hierzu vor, dass derjenige Elternteil, bei dem die Kinder nach einer Trennung der Eltern ihren Lebensmittelpunkt haben, von dem anderen Elternteil Barunterhalt verlangen kann (§ 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der betreuende Elternteil erfüllt seine Unterhaltsverpflichtung in diesen Fällen hingegen bereits durch die tatsächliche „Pflege und Erziehung“ (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB).

Da die Rollenverteilung in den Familien aber längst nicht mehr so klar ist wie zu dem Zeitpunkt, in dem der Gesetzgeber diese Regelung schuf, sondern sich zunehmend viele Eltern die tatsächliche Betreuung der Kinder teilen, muss die Rechtsprechung immer häufiger für Betreuungsmodelle unterhaltsrechtliche Lösungen finden, die nicht dem gesetzlich ausdrücklich geregelten Fall entsprechen.

Bedauerlicherweise hat der Bundesgerichtshof durch seine bisherigen Entscheidungen zur Verteilung der Unterhaltsverpflichtung in Betreuungskonstellationen, die nicht dem gesetzlichen Regelfall entsprechen, nicht dazu beigetragen, Rechtsfrieden zu schaffen, sondern ganz im Gegenteil dafür gesorgt, dass es häufig zu erbitterten umgangsrechtlichen Streitigkeiten kommt, in die auch die Kinder zwangsläufig mit hineingezogen werden, obwohl es im Kern lediglich um Unterhaltsfragen geht:

In seinem Beschluss vom 12.3.2014 – XII ZB 234/13, FamRZ 2014, 917 = FamRB 2014, 204 führt der Bundesgerichtshof aus, dass die Verpflichtung zur Leistung von Barunterhalt so lange allein bei einem Elternteil liegt, als der Betreuungsschwerpunkt bei dem jeweils anderen Elternteil zu erkennen ist. Erst dann, wenn die Betreuungsleistungen annähernd paritätisch zwischen den Eltern aufgeteilt sind, soll die Barunterhaltsverpflichtung beide Elternteile (anteilig nach den Einkommensverhältnissen) treffen.

Der Betreuungsschwerpunkt in diesem Sinne soll nach der instanzgerichtlichen Rechtsprechung sogar dann noch bei einem Elternteil liegen, wenn der andere das Kind an drei von vier Tagen in der Woche betreut. Die erhöhten Kosten, die der barunterhaltspflichtige Elternteil durch die erweiterte Betreuungsleistung, und die geringeren Kosten, die der „hauptsächlich“ betreuende Elternteil hat, werden bisher unterhaltsrechtlich in diesen Fällen nur durch die Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen in der Düsseldorfer Tabelle erfasst.

Beraterhinweis

Bevor man sich auf ein Umgangsverfahren aus unterhaltsrechtlichen Gründen einlässt, sollte (abgesehen davon, dass vorher die emotionalen Folgen für die Kinder bedacht werden sollten) dringend durch konkrete Berechnung geprüft werden, ob das Wechselmodell im jeweiligen Einzelfall tatsächlich erhebliche negative finanzielle Auswirkungen hätte. Je nach Einkommensverhältnissen ergibt sich für die konkrete Zahlungsverpflichtung gegenüber einer Herabstufung der Düsseldorfer Tabelle keinerlei Unterschied, da die Eltern auch im Falle eines Wechselmodells nicht etwa ohne weiteres zu gleichen Teilen, sondern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen für den Unterhalt haften.

Mehr zum Thema: Siehe auch den Beitrag von Frau RiOLG Dr. Liceni-Kierstein zu den nicht verringerten Erwerbsobliegenheiten trotz Ausübung eines erweiterten Umgangsrechts, FamRB 2014, 132.

40 Jahre nach Abschaffung des Schuldprinzips: Ein Plädoyer für eine neue familienrechtliche „Streitkultur“

Im Juni dieses Jahres ist es 40 Jahre her, dass das scheidungsrechtliche Schuldprinzip abgeschafft wurde. Bis Juni 1976 war die Frage des Verschuldens der Ehegatten nicht nur für die Scheidung selbst, sondern auch für die sich an die Trennung und Scheidung knüpfenden Rechtsfolgen, insbesondere für die Unterhaltsverpflichtung und das Sorgerecht, das entscheidende Kriterium. So konnte das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder nach einer Scheidung nur in Ausnahmefällen auf denjenigen Ehegatten übertragen werden, der die Scheidung „verschuldet“ hatte. Die Unterhaltsverpflichtung des „nicht schuldigen“ Ehegatten konnte bis auf ein Minimum reduziert werden.

Seit Inkrafttreten des ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.06.1976 spielt ein etwaiges „Verschulden“ eines Ehegatten an dem Scheitern der Ehe rechtlich betrachtet so gut wie keine Rolle mehr. Zum einen ist ein Verschulden eines Ehegatten keine Scheidungsvoraussetzungen mehr, zum anderen hat auch ein wie auch immer geartetes eheliches Fehlverhalten, insbesondere das Unterhalten außerehelicher Beziehungen, grundsätzlich keinen Einfluss mehr auf Unterhaltsansprüche, das Sorgerecht, den Zugewinnausgleich oder gar den Versorgungsausgleich.

Trotz der Abschaffung des Schuldprinzips, die nun schon 40 Jahre zurück liegt, wird in der anwaltlichen Korrespondenz zu familienrechtlichen Fragen bis heute (häufig über hunderte von Seiten hinweg) schmutzige Wäsche gewaschen. Auch scheint es in der familienrechtlichen Anwaltschaft bedauerlicherweise (vermutlich noch aus Zeiten des Schuldprinzips) üblich zu sein, den jeweiligen „Gegner“ nicht nur veranlassen zu wollen, seine familienrechtlichen Pflichten einzuhalten, sondern ihn darüber hinaus auch noch persönlich treffen zu wollen. Anstatt die ohnehin schon angespannte und problematische Situation im Interesse der Mandanten zu deeskalieren, wird durch derartige anwaltliche Korrespondenz häufig noch zusätzlich Öl ins Feuer gegossen und zwar selbst dann, wenn gemeinsame Kinder der Streitparteien vorhanden sind.

Ganze 40 Jahre nach Abschaffung des Schuldprinzips muss meines Erachtens die gesamte familienrechtliche Anwaltschaft Hand in Hand endlich den entsprechenden Kurswechsel vollziehen und auch bei der anwaltlichen Korrespondenz im Auge behalten, dass eine Eskalation auf persönlicher Ebene im Rahmen einer rechtlichen Auseinandersetzung nichts zu suchen hat. Persönliche Anwürfe ohne rechtliche Relevanz haben niemals Vorteile für den eigenen Mandanten, sondern machen die Auseinandersetzung für alle Beteiligten nur unangenehmer, ja häufig unerträglich.

Auch und gerade wenn ein Mandant aus einer meist mehr als nachvollziehbaren Kränkung und Frustration anfänglich nichts für wichtiger hält, als dem „Gegner“ seine Verfehlungen nochmals ausführlich über anwaltliche Schriftsätze vorzuhalten, sollten wir familienrechtlichen Anwälte es kollektiv als unsere Aufgabe ansehen, den jeweiligen Mandanten davon zu überzeugen, dass diese Art der Kommunikation allen Beteiligten in jeder Hinsicht nur schaden kann. Wenn der jeweilige „Gegner“ verletzend und persönlich beleidigend wird, kann es selbst dem besten Familienrechtsanwalt kaum noch gelingen, den eigenen Mandanten davon zu überzeugen, nicht auf der gleichen Ebene zurück zu schlagen. Der Kurswechsel kann also nur passieren, wenn alle familienrechtlichen Anwälte daran mitwirken.

Als Organe der Rechtspflege und Interessenvertreter unserer Mandanten sollten wir es als eine unserer Kernaufgaben ansehen, Rechtsfrieden und damit auch Frieden für unsere Mandanten zu schaffen. Die Erfahrung zeigt, dass wechselseitige Beschimpfungen in familienrechtlichen Auseinandersetzungen, allen Beteiligten nur zusätzlichen Schaden zufügen und zwar emotionalen UND wirtschaftlichen.

Wenn wir – wie es unserer Pflicht als Anwälten entspricht – im besten Interesse unserer Mandanten handeln wollen, muss die bisherige familienrechtliche „Streitkultur“ ein Ende haben.