Familienrechtliche Reformpläne im Koalitionsvertrag

Anbei die für den Familienrechtler relevantesten Passagen aus dem mehr als 170-seitigen Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP:

 

Familienrecht (S. 101/102)

Wir werden das Familienrecht modernisieren. Hierzu werden wir das „kleine Sorgerecht“ für soziale Eltern ausweiten und zu einem eigenen Rechtsinstitut weiterentwickeln, das im Einvernehmen mit den rechtlichen Eltern auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden kann. Wir werden das Institut der Verantwortungsgemeinschaft einführen und damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen. Wir wollen Vereinbarungen zu rechtlicher Elternschaft, elterlicher Sorge, Umgangsrecht und Unterhalt schon vor der Empfängnis ermöglichen.

Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist. Die Ehe soll nicht ausschlaggebendes Kriterium bei der Adoption minderjähriger Kinder sein.

Auch außerhalb der Ehe soll die Elternschaftsanerkennung unabhängig vom Geschlecht der anerkennenden Person oder von einem Scheidungsverfahren möglich sein. Wir werden ein statusunabhängiges Feststellungsverfahren einführen, in dem ein Kind seine Abstammung gerichtlich klären lassen kann ohne zugleich die rechtliche Elternschaft anfechten zu müssen. Das Samenspenderregister wollen wir auch für bisherige Fälle, private Samenspenden und Embryonenspenden öffnen.

Wir werden die partnerschaftliche Betreuung der Kinder nach der Trennung fördern, indem wir die umgangs- und betreuungsbedingten Mehrbelastungen im Sozial- und Steuerrecht besser berücksichtigen. Wir wollen allen Familien eine am Kindeswohl orientierte partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder auch nach Trennung und Scheidung der Eltern ermöglichen und die dafür erforderlichen Bedingungen schaffen. Wir wollen im Unterhaltsrecht die Betreuungsanteile vor und nach der Scheidung besser berücksichtigen, ohne das Existenzminimum des Kindes zu gefährden.

Wir wollen gemeinsam mit den Ländern die Erziehungs-, sowie Trennungs- und Konfliktberatung verbessern und dabei insbesondere das Wechselmodell in den Mittelpunkt stellen. Wir werden den Kindern ein eigenes Recht auf Umgang mit den Großeltern und Geschwistern geben. Das Namensrecht liberalisieren wir, z.B. durch Einführung echter Doppelnamen.

Wir werden in familiengerichtlichen Verfahren den Kinderschutz und das Prinzip der Mündlichkeit der Verhandlungen stärken. Die Hürden für die Nichtzulassungsbeschwerde werden wir senken sowie einen Fortbildungsanspruch für Familienrichterinnen und Familienrichter gesetzlich verankern. Wenn häusliche Gewalt festgestellt wird, ist dies in einem Umgangsverfahren zwingend zu berücksichtigen.

Wir ermöglichen es unverheirateten Vätern in den Fällen, in denen die Eltern einen gemeinsamen Wohnsitz haben, durch einseitige Erklärung das gemeinsame Sorgerecht zu erlangen. Widerspricht die Mutter, so muss das Familiengericht über die gemeinsame Sorge entscheiden. Das Kindeswohl ist dabei besonders zu berücksichtigen. Wir werden die Modernisierung im Kindschafts- und Unterhaltsrecht mit Studien begleiten.

 

Zudem:

Wir wollen die Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz verankern und orientieren uns dabei maßgeblich an den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention. Dafür werden wir einen Gesetzesentwurf vorlegen und zugleich das Monitoring zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ausbauen. (S. 98)

Wir wollen mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen. … In einem Neustart der Familienförderung wollen wir bisherige finanzielle Unterstützungen – wie Kindergeld, Leistungen aus SGB II/XII für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, sowie den Kinderzuschlag – in einer einfachen, automatisiert berechnet und ausgezahlten Förderleistung bündeln. Diese Leistung soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern. Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: Einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbetrag. Volljährige Anspruchsberechtigte erhalten die Leistung direkt. (S. 100)

Das BAföG wollen wir reformieren und dabei elternunabhängiger machen. Der elternunabhängige Garantiebetrag im Rahmen der Kindergrundsicherung soll künftig direkt an volljährige Anspruchsberechtigte in Ausbildung und Studium ausgezahlt werden. Wir richten das BAföG neu aus und legen dabei einen besonderen Fokus auf eine deutliche Erhöhung
der Freibeträge. Außerdem werden wir u. a. Altersgrenzen stark anheben, Studienfachwechsel
erleichtern, die Förderhöchstdauer verlängern, Bedarfssätze auch vor dem Hintergrund steigender
Wohnkosten anheben, einen Notfallmechanismus ergänzen und Teilzeitförderungen prüfen. (S. 97)

Wir werden das Elterngeld vereinfachen, digitalisieren und die gemeinschaftliche elterliche Verantwortung stärken. Wir werden eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes einführen. Diese Möglichkeit soll es auch für Alleinerziehende geben. Den Mutterschutz und die Freistellung für den Partner bzw. die Partnerin soll es bei Fehl- bzw. Totgeburt künftig nach der 20. Schwangerschaftswoche geben. Die Partnermonate beim Basis-Elterngeld werden wir um einen Monat erweitern, entsprechend auch
für Alleinerziehende. Wir werden einen Elterngeldanspruch für Pflegeeltern einführen und den
Anspruch für Selbstständige modernisieren. Für die Eltern, deren Kinder vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden, erweitern wir den Anspruch auf Elterngeld. Wir werden den Basis- und Höchstbetrag beim Elterngeld dynamisieren. Wir verlängern den elternzeitbedingten Kündigungsschutz um drei Monate nach Rückkehr in den
Beruf, um den Wiedereinstieg abzusichern. (S. 100/101)

Wir werden die Kinderkrankentage pro Kind und Elternteil auf 15 Tage und für Alleinerziehende auf 30 Tage erhöhen. (S. 101)

 

 

Zu dem auf den Internetseiten der SPD veröffentlichten vollständigen Koalitionsvertrag kommen Sie hier.

Der Juristentag 2016 und die knifflige Elternfrage

Ich hatte schon im August auf die praktischen Herausforderungen der medizinisch attestierten Fortpflanzung für das Abstammungsrecht hingewiesen („Geburt und Tod als Herausforderungen des Familienrechts“). Auf dem Juristentag ging es darüber auch hoch her. Die familienrechtlichen Veranstaltungen waren bestbesucht. Nun wurden die zu dieser Frage ergangenen Beschlüsse des 71. DJT veröffentlicht.

Es war zu erwarten, dass die Diskussionsergebnisse die Stellung der Wunscheltern und insbesondere der Wunschväter stärken und den genetischen Vater schützen. 

Vater soll sein, wer mit Zustimmung der Mutter in die Befruchtung eingewilligt hat. Diese Einwilligung ist nur bis zur Befruchtung widerruflich und ansonsten nicht anfechtbar, weshalb sie formbedürftig sein soll.

Der Samenspender soll nicht als Vater eines Kindes gerichtlich festgestellt werden können, wenn die Samenspende aus einer Samenbank zur Verfügung gestellt wurde oder Mutter und genetischer Vater vor Zeugung des Kindes erklärt haben, dem genetischen Vater solle keine Elternposition zukommen. Nur bei der privaten Samenspende (sog. Becherspende) soll der genetische Vater als Vater gerichtlich festgestellt werden können, wenn dem Kind kein zweiter rechtlicher Elternteil zugeordnet werden kann.

Lesbischen Paaren soll die Möglichkeit eröffnet werden, bereits bei der Geburt eines Kindes durch die Partnerin Elternschaft zu erreichen. Dabei sollen die zur Vaterschaft entwickelten Grundsätze sinngemäß angewendet werden.

Leihmutterschaft soll im Inland nach den im Geburtsland geltenden Regeln anerkannt werden, die Stiefkindadoption soll in diesen Fällen erleichtert und weitere Wege zur schnellen Erlangung rechtlicher Elternschaft vorgesehen werden. 

Viele von uns werden sagen: Na endlich! Bis zur Umsetzung der Vorschläge durch den Gesetzgeber wird aber noch viel geduldige oder erregte Diskussionszeit vergehen. Was Familienpatchworker als selbstverständlich ansehen, löst bei Anhängern christlich abendländischen Reinheitsgebots und einem Teil ihrer muslimischen Glaubensbrüder Schnappatmung aus. Sie alle sind auch im Bundestag vertreten. Die familienrechtliche Diskussion sollte aber nicht als Völkerschlacht, sondern mit dem Ziel geführt werden, dem klerikalen Traditionalisten jedweder Provenienz seinen Familienentwurf ebenso leben zu lassen wie den Familienfachpatchworker. Solange die Interessen der Kinder geschützt werden, können volljährige Erwachsene leben, wie sie wollen. Die Rechtsordnung hat nur sicherzustellen, dass Kinder einen gesicherten und schützenden rechtlichen Rahmen haben. Den Weg dazu könnten die Beschlüsse des Juristentages gewiesen haben.

 

 

Unerwünschte Folgen einer Erwachsenenadoption

Nicht selten werden Kinder von ihren Ziehvätern erst im Erwachsenenalter adoptiert. Einer der häufigsten Gründe, auf die Adoption eines minderjährigen Ziehkindes zunächst zu verzichten, ist der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Erzeuger, der mit einer Adoption enden würde. Wird die Adoption im Erwachsenenalter nachgeholt, so ist dies oft rein erbrechtlich bzw. erbschaftsteuerrechtlich motiviert. Nicht bedacht wird dabei gelegentlich, dass die erbrechtlichen bzw. erbschaftsteuerlichen Konsequenzen nicht die einzigen Rechtsfolgen einer Adoption darstellen. Bei mangelnder Aufklärung der Beteiligten durch die beteiligten Rechtsanwälte und Notare folgt auf die Adoption dann oft ein böses Erwachen. 

Als unliebsam wird bei Erwachsenenadoptionen besonders die Rechtsfolge empfunden, dass der Anzunehmende den Namen des Annehmenden erhält. Gerade wenn die Adoption in erster Linie erbrechtlich bzw. erbschaftsteuerlich motiviert ist, erfolgt sie nicht selten erst dann, wenn das anzunehmende „Kind“ selbst schon mitten im Leben steht und entsprechend sowohl beruflich als auch privat mit seinem bisherigen Namen eng verbunden ist. Erstaunlicherweise kann das Familiengericht gemäß § 1757 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BGB selbst dann, wenn alle Beteiligten dies beantragen, dem Anzunehmenden nicht einfach seinen bisher geführten Namen belassen. Die einzige Möglichkeit des Anzunehmenden, mit dem bisher geführten Namen weiter verbunden zu bleiben, besteht nach dieser Vorschrift darin, dass dem neuen Familiennamen des Kindes der bisher geführte Name vorangestellt oder beigefügt wird (a.A. nur AG Leverkusen v. 17.12.2007 – 14 XVI 12/07, FamRZ 2008, 2058 m. Anm. Maurer, FamRZ 2009, 440), wohl aber nur aus praktischen Gründen offen gegen das Gesetz). Selbst dies ist aber nur dann zulässig, wenn es „aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist“. Besonders grotesk erscheint diese Regelung in den Fällen, in denen der nichteheliche Lebensgefährte der Mutter, von der das Kind seinen bisherigen Namen erhalten hat, das Kind adoptiert. Selbst in diesem Fall hat das Kind nur ganz ausnahmsweise die Möglichkeit, den Namen der Mutter nach der Adoption als Teil eines Doppelnamens weiter zu führen, obwohl die Adoption in diesen Fällen weder rechtlich noch emotional in irgendeiner Weise eine Abkehr von der Mutter bedeutet.  

Ist die Adoption einmal erfolgt, ohne dass dem Antrag auf Weiterführung des bisherigen Namens als Teil eines Doppelnamens stattgegeben bzw. ohne dass dieser überhaupt gestellt wurde, ist es sehr schwierig, sich von der Namensänderung wieder zu befreien. Der Antrag nach § 1757 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BGB kann nicht nachgeholt werden (BayOblG v. 23.9.2002 – 1Z BR 113/02, FamRZ 2003, 1773 [LS]), wenn die Adoption einmal wirksam ist. Selbst wenn der Anzunehmende im Vorfeld der Adoption nicht darauf hingewiesen wurde, dass die Volljährigenadoption eine Änderung des Geburtsnamens (und damit auch des aktuellen Namens, wenn der Anzunehmende selbst nicht den Namen seines Ehepartners führt) nach sich zieht, soll dies keinen hinreichenden Grund für eine Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG sein (so jedenfalls VG Ansbach v. 10.11.2004 – AN 15 K 04.01600, BeckRS 2012, 48331). In Betracht zu ziehen ist auch noch eine Readoption durch den leiblichen Elternteil. Zumindest das AG Starnberg v. 13.2.1995 – XVI 22/94, FamRZ 1995, 827, hat einem solchen Antrag in einem Einzelfall stattgegeben, weil es die Readoption für sittlich gerechtfertigt hielt, obwohl die einzige Rechtsfolge der Adoption in diesem Fall die Wiedererlangung des alten Geburtsnamens war. 

Wie man an diesen absurden rechtlichen Verrenkungen unschwer erkennen kann, die sowohl Betroffene als auch Gerichte unternehmen, um die Vorschrift des § 1757 BGB zu umgehen, wobei gleichzeitig kein Grund ersichtlich ist, dem Anzunehmenden den Namen des Annehmenden aufzudrängen, besteht jedenfalls bzgl. dieser Rechtsfolge der Erwachsenenadoption dringender Reformbedarf (siehe hierzu Molls, ZRP 2012, 174 ff.).